(B) Protest gegen Spreeufer-Privatisierung

Dete Rauwetter 18.06.2010 00:21 Themen: Freiräume Soziale Kämpfe
'Mediaspree entern!' ruft für den morgigen Freitag zu einer Protestkundgebung in Wilmersdorf auf. Anlass ist die Versteigerung der Alten Seifenfabrik, neben der jahrelang der Wagenplatz 'Schwarzer Kanal' lag. Um 14 Uhr soll die Versteigerung losgehen, daher sollen ab 13:30 Uhr die potenziellen Käufer_innen, die dort nach und nach eintreffen, empfangen werden. Ziel ist es ihnen klarzumachen, dass sie sich mit einem Gebot für die Seifenfabrik eine Menge Ärger einhandeln können.
Für den morgigen Freitag hat das Aktionsbündnis Mediaspree entern! zu einer Protestkundgebung in Wilmersdorf aufgerufen. Anlass ist die dortige Versteigerung eines zur Zeit noch bundeseigenen Spreeufer-Grundstücks, der Alten Seifenfabrik in der Köpenicker Straße 50-52. "Um 14 Uhr", berichtet Jana Runge vom Vorbereitungskreis, "soll die Versteigerung im abba Hotel in der Lietzenburger Straße 89 losgehen. Wir werden also ab 13:30 Uhr vor dem Hotel sein und die potenziellen Käufer_innen, die dort ankommen, darauf hinweisen, dass die Spreegrundstücke eine risikoreiche Anlage sind."

Die Alte Seifenfabrik liegt nämlich im Bereich des Investorenprojekts 'Mediaspree', genauer gesagt direkt neben der Fläche, auf der bis vor kurzem noch der Wagenplatz Schwarzer Kanal beheimatet war. Die Fabrikruine ist ein beliebter Ort für Graffiti-Künstler_innen und Fotograf_innen, und sie lädt gerade im Sommer immer wieder Besucher_innen der benachbarten Strandbar Kiki Blofeld zu nächtlichen Klettereien ein.

Eine Privatisierung ist die Versteigerung, weil das Grundstück heute noch im Eigentum der Gesellschaft zur Entwicklung und Sanierung von Altstandorten mbH (GESA) ist, einer bundeseigenen Gesellschaft zur Verwaltung von Grundstücken, die im Zuge der Abwicklung der DDR bei der Treuhand bzw. der Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben (BvS) liegen geblieben sind. Doch statt den öffentlichen Besitz als einen gesellschaftlichen Reichtum zu begreifen, wird nichts als die möglichst gewinnbringende Privatisierung angestrebt.

Seifenfabrik ist Risikokapital

Wer auch immer sich morgen für das Grundstück interessieren wird, muss nicht nur damit rechnen, dass auf dem Grundstück noch erhebliche Altlasten zu beseitigen sind. Auch nervende Proteste aus dem Umfeld des Initiativkreises Mediaspree versenken! sind gegen eine Neubebauung des Grundstücks zu erwarten. Ziel verschiedener in diesem Bereich aktiver Gruppen ist, eine Privatisierung der Spreeufer und die Errichtung von Büropalästen, teurer Hotels und Luxuslofts zu verhindern, die eine kommerzielle Aufwertung der Spreeufer bedeuten würden. Dies würde wiederum in die benachbarten Kieze ausstrahlen und dort die Gentrifizierung anheizen: Die penetrante Ausbreitung einer gehobenen Mittelschicht-Kultur, steigende Mieten und die Verdrängung einkommensschwacher Gruppen wären die Folge.

Jana Runge von Mediaspree entern! kommentiert dies folgendermaßen: "Der Aktionstag am 5. Juni hat gezeigt, dass viele Menschen die Mediaspree-Planungen weiterhin ablehnen und dafür auch bereit sind, auf die Straße zu gehen. Die Politik reagiert allerdings kaum bis gar nicht auf unsere Forderungen nach einem Spreeufer für alle. Mediaspree entern! wird also weiterhin Druck machen und die Investoren, die von einem rein kommerziellen Ufer träumen, behindern." Die Bewegung gegen 'Mediaspree' wendet sich letztendlich dagegen, dass der gesamte Stadtraum als Ware behandelt wird und dass Einkommen und Vermögen darüber entscheiden, wer sich wo in der Stadt aufhalten kann und wer die Entwicklung der Stadt bestimmt. "Wir wollen, dass die Gelände, die in öffentlichem Besitz sind, einer sozialen und unkommerziellen Nutzung zugeführt werden", beschreibt Jana Runge die alternativen Vorstellungen des Aktionsbündnisses.

Widerstand gegen neoliberale Politik

Dass es sich in diesem Fall nicht um eine Privatisierung handelt, die in der Verantwortung des Berliner Senats liegt, scheint dem Protestwillen keinen Abbruch zu tun. "Das ist letztendlich die gleiche neoliberale Chose, ob nun Stadt oder Bund: Beide sind sie auf Privatisierung aus, auf die Übereignung der Stadt an private Akteure, die dann aus den Flächen möglichst viel Gewinn herauszupressen versuchen", erläutert Jana Runge. "Gleichzeitig sollen die Herren und Damen Investoren hier an den Spreeufern ein internationales Aushängeschild Berlins errichten, ein sogenanntes Waterfront Development Project." Aushängeschild soll heißen, dass 'Mediaspree' ein international bekannter Bürostandort werden soll, dessen Architekturen als Bilderwelten rund um den Globus bekannt werden und das Bild eines erfolgreichen Wirtschaftsstandorts vermitteln.

"Dabei ist 'Mediaspree' eigentlich die Geschichte einer Pleite", fährt Jana Runge fort. "Die meisten Immobilienentwickler haben hier schon in den ersten Jahren nach 1990 zugegriffen und unglaublich viel Geld ausgegeben, weil Berlin damals angeblich zu einer Global City werden sollte, mit dutzenden Konzernzentralen, die sich am Spreeufer einer Perlenkette gleich aufreihen sollten." Aus diesen Plänen wurde jedoch nichts. Die meisten Entwickler blieben auf ihren Grundstücken sitzen, mussten empfindliche Wertverluste abschreiben und warten oft bis heute auf die rettende Hand finanzkräftiger Investoren.

Bringen Ladenhüter Investitionsglück?

Auch die staatlichen Privatisierungs-Akteure, vom Berliner Liegenschaftsfonds über die Immobiliensparten der öffentlichen Betriebe BSR, BeHaLa, Bahn und Post bis hin zur Treuhand-Nachfolgerin TLG Immobilien, der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) und der GESA, blieben lange Jahre auf den meisten Grundstücken sitzen. So gehört das Grundstück des Kiki Blofeld nach wie vor der BImA, und die Eisfabrik in der Köpenicker Straße 40/41 immer noch der TLG Immobilien. Und HochTief Projektentwicklung baut nun nur deshalb eine eigene Konzernzentrale an der Köpenicker Straße, weil der global tätige Immobilienentwickler seit zehn Jahren keinen Investor für das Grundstück gefunden hat - HochTief hatte beim Kauf des Grundstücks aber der BImA vertraglich zugesichtert, innerhalb von zehn Jahren dort zu bauen.

So dürfen wir gespannt sein, wie groß das Interesse an der Seifenfabrik morgen sein wird. Immerhin wird das Grundstück, dessen Wert auf rund 5 Mio. Euro geschätzt wird, ab einem Mindestgebot von 2,5 Mio. Euro angeboten. Ein Schleuderpreis, um das Ding endlich los zu sein? "In ein paar Jahren wird man sich wahrscheinlich darüber einig sein", kommentiert Jana Runge, "die Verschleuderung der öffentlichen Betriebe und Grundstücke war ein gesellschaftlicher Fehler historischen Ausmaßes. Bei den direkten Spreeufer-Grundstücken sind wir aber erst auf halber Strecke angekommen: Etwa eine Hälfte der zur Privatisierung vorgesehenen Grundstücke ist noch nicht verkauft. Der Ausverkauf der Spreeufer lässt sich also jederzeit stoppen."

Ein heißer Sommer für Investoren und Senat...

Doch werden weder der rot-rote Senat noch die Bundesregierung einfach so aufhören, öffentliches Eigentum zu verschleudern. "Wir müssen sie dazu zwingen", meint Jana Runge, "denn erst wenn der Druck von der Straße so groß wird, dass die Politik in Zugzwang gerät, dann werden wir hier etwas grundlegend ändern. Genau deshalb will Mediaspree entern! auch weiter aktiv bleiben: Der Aktionstag war nur ein Anfang. Das wird ein heißer Sommer werden."

Freitag, 18. Juni ab 13:30 Uhr
abba Hotel, Lietzenburger Straße 89
Höhe Knesebeckstraße, nächster U-Bahnhof: Uhlandstraße

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Ergänzungen

Privatisierung der Spreeufer mal kartiert

Karl Tier 18.06.2010 - 01:35
Hier ein Versuch, die bisherigen und die noch geplanten Privatisierungen von einstmals oder heute noch in öffentlichem Eigentum befindlichen Grundstücken darzustellen. Klar: Bis 1990 waren große Teile Ostberlins verstaatlicht, die jetzt nicht alle als privatisiert dargestellt werden.

Um irgendwo ein schwammige Abgrenzung zu ziehen: Was zunächst noch in öffentlichem Besitz verblieben ist und erst später (ab ca. Mitte/Ende 90er?) privatisiert wurde (oder noch werden soll), ist hier eingetragen.

Rot = bereits privatisiert
Orange = soll noch privatisiert werden
Gelb = soll voraussichtlich öffentlich bleiben

Die Karte ist noch in der Entstehung - die Informationen sind noch nicht alle zusammen getragen. Ergänzungen und Korrekturen sind daher willkommen! Irgendwann demnächst wird die Karte dann mal richtig gut sein...

Flugblatt zur Kundgebung

Johnny Flash 18.06.2010 - 10:30

Viel Polizei bei Kundgebung

bb 19.06.2010 - 12:02
Die Berliner Polizei hat mal wieder gezeigt, wie gefährlich sie Proteste gegen Privatisierungen findet.
7 Wannen, drei Reihen Hamburger Gitter, gepanzerte Einsatzkräfte, die jede Annäherung an das Hotel und potentielle Investoren konsequent verhindern.
Ein möglicher Investor lief einige Male an unserer Kundgebung vorbei und schien irritiert zu sein, nach dem Kauf behauptete er nicht gekauft zu haben und flüchtete dann in ein Parkhaus.
Hat auf jeden Fall Aufmerksamkeit erregt im fernen Wilmersdorf: Punkmusik vor einem schicken Hotel. Unbeobachtet konnte das ganze also nicht stattfinden.

Die fette Karre des Käufers

Meinhard von Taunus 19.06.2010 - 15:03
Der Typ, der gestern die Seifenfabrik am Spreeufer ersteigert hat, machte sich danach in seinem Luxuswagen davon - Preisklasse um 100.000 Euro, Typ Range Rover. Da kann man schon mal locker 2.600.000 Euros für ein Grundstück hinlegen. Es liegt an uns, dass er mit Verlust aus dem Geschäft raus geht und die Spreeufer nicht weiter zugebaut werden...

@Meinhard von Taunus

Investor 22.06.2010 - 10:06
"Es liegt an uns, dass er mit Verlust aus dem Geschäft raus geht"

Das habt ihr eigentlich jetzt schon verbockt. Gewinn/Rendite hängen ganz wesentlich vom investierten Kapital ab. Wer Investoren vergraulen spielt und damit dafür sorgt, dass nur noch ein paar "tapfere" Bieter übrigbleiben, die dann wertvolle Grundstücke für lau bekommen, hat absolut nichts kapiert. Für den Kaufpreis muss der Typ jetzt nichtmal ein großes Projekt dort hinstellen, um Gewinn zu machen. Bei der mickrigen Investitionssumme reicht schon die vermietung des Geländes an einen Beachbar-Betreiber um fette Rendite zu machen, ganz zu schweigen vom eigentlichen Wert des Grundstückes selbst.