[Köln] Gartenzwerge: Mystik Runder Tische

Gartenzwerge 17.06.2010 21:35 Themen: Freiräume Soziale Kämpfe
Der besetzte und räumungsbedrohte Kölner Wagenplatz Gartenzwerge forderte die Sozialdezernentin Marlis Bredehorst in einem offenen Brief auf, einen Runden Tisch zu initiieren. Dies war Anlass für den WDR, eine Reportage über den Platz und die Reaktionen der Verwaltung zu machen - mit interessanten Ergebnissen...
Der besetzende Wagenplatz Gartenzwerge rief gestern zu einem Runden Tisch auf und sprach dabei explizit die Sozialdezernentin Marlis Bredehorst an. Eine Kopie der Bitte an sie, den Runden Tisch einzuberufen, ging an die Presse. Der WDR, der schon länger die Entwicklung der Besetzung mit Interesse verfolgte, fing an, Politiker und Verwaltung gezielt zu interviewen und bereitet einen Fernsehbericht über den Platz und die Verhandlungen vor. Natürlich bekamen die Gartenzwerge als Initiatoren von Besetzung, Verhandlung und Rundem Tisch ebenfalls Gelegenheit, sich zu ihren Beweggründen und ihren Forderungen zu äußern.
Verwaltung und Politiker der Stadt Köln scheinen ein wenig überrascht zu sein, wie viele kulturelle Angebote ihre Stadt noch braucht. Denn kurz vor den Gartenzwergen hat sich ja auch das Autonome Zentrum mit seinen Bedürfnissen zu Wort und Tat gemeldet...

Im Laufe des Tages ging ein Antwortschreiben von Frau Bredehorst ein in dem sie erklärte, nicht zuständig zu sein. Sie verwies an Herrn Walter-Borjans, den Liegenschaftsdezernenten der Stadt Köln, den die Gartenzwerge noch nicht kennengelernt haben und den sie gerne in den nächsten Tagen einmal besuchen möchten.
Herr Walter-Borejans gab im WDR-Interview an, ebenfalls keinen Runden Tisch einberufen zu können [Runde Tische scheinen etwas ganz kompliziertes zu sein]. Er bekräftigte die von seinem Amt getätigten Aussagen, dass eine spontane und gewaltsame Räumung nicht geplant sei. Die Räumungsklage bleibt jedoch aus rechlichen Gründen bestehen. Laut seiner Aussage sind alle Gelände, die die Gartenzwerge vorgeschlagen haben, allesamt geprüft und für nicht geeignet befunden worden [die Gartenzwerge sind da anderer Meinung. Genau deswegen sollte es ja einen Runden Tisch geben!]

Die Gartenzwerge werden auch ohne die Unterstützung der zuständigen Dezernenten weiterhin an der Einrichtung eines Runden Tisches mit allen Beteiligten arbeiten. Die Presse hat schon ein reges Interesse an der Teilnahme bekundet. Ein Runder Tisch aus den späten Fünfzigern ist gestern auch schon auf dem Platz eingetroffen.

Der heute gedrehte Beitrag wird am Montag um 19.30 in der WDR Lokalzeit Studio Köln gezeigt.



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es folgt der offene Brief an die Sozialdezernetin Marlis Bredehorst

Sehr geehrte Frau Bredehorst!

Wir, die bis dahin platzlose Wagengruppe "Gartenzwerge", haben vor nunmehr fünfeinhalb Wochen das städtische Gelände an der Schmalbeinstraße 28 im Bezirk Neustadt-Nord besetzt. Wir sind eine Gruppe von 20 Kölnerinnen und Kölnern, die in ihren insgesamt 13 zu Wohnmobilen umfunktionierten Lkws und Oldtimern zuvor auf diversen Parkplätzen Kölns gewohnt hat. Unsere Bemühungen, an einen legalen Stellplatz zu gelangen, sind in den letzten Jahren gescheitert. Da wir nicht weiter auf Parkplätzen wohnen wollen, sich die Menschen auf den vorhandenen Wagenplätzen Kölns bereits stapeln und wir dennoch nicht auf das Leben im Wagen verzichten wollen, haben wir uns entschieden, eines der vielen leer stehenden städtischen Gelände zwischenzunutzen.

Das Gelände in der Schmalbeinstraße ist seit dem 1.6. zum Abbruch vorgesehen. Wann die Bagger tatsächlich kommen sollen, wird uns von Seiten des Liegenschaftsamtes nicht mitgeteilt.

Die Verhandlungen, die wir seit vier Wochen mit dem Liegenschaftsamt um ein temporäres Ersatzgelände führen, sind ins Stocken geraten. Alle Gelände, die aus unseren Gesprächen mit Herrn von Wahl als mögliche Plätze herausgehen, werden von anderen Mitarbeitern der Verwaltung geblockt. Obwohl die Leitung des Liegenschaftsamtes (Herr Jenniges, Herr Lorenz) in Gesprächen Verhandlungsbereitschaft signalisierte und bereit war, ein Ausweichgelände zu stellen, wird eine Räumungsklage vorangetrieben, während die Verhandlungen mehr oder weniger auf Eis gelegt sind.

Nach Einschätzung des Liegenschaftsamtes ist die Entscheidung, uns ein Ersatzgelände bereitzustellen, nicht ohne eine politische Entscheidung möglich. Die von uns kontaktierten Politiker von Rot-Grün und der Linken haben bisher keine für uns erkennbaren Veränderungen der Lage bewirkt.

Wir wollen eine Eskalation durch eine polizeiliche Räumung vermeiden. Wir möchten alle Beteiligten an einen Runden Tisch bringen, um gemeinsam nach einer Lösung zu suchen. In Einzelgesprächen mit den verschiedenen Seiten kommen wir nicht weiter.

Daher bitten wir Sie als Sozialdezernentin, uns bei der Einberufung eines Runden Tisches behilflich zu sein. Wir würden uns freuen, wenn Sie oder einer Ihrer Mitarbeiter als mittelnde Person am Runden Tisch teilnehmen würde. Da unsere Lage derzeit recht brenzlig ist, würden wir dies gern innerhalb der nächsten Tage, spätestens Anfang nächster Woche, tun.

Wir bitten Sie, uns telefonisch eine Rückmeldung zu geben.

Die bisher involvierten Personen sind:
Herr Jenniges, Leiter des Liegenschaftsamts
Herr Lorenz, stellvertretender Leiter des Liegenschaftsamts
Herr von Wahl, Liegenschaftsamt
Herr Tillmann, Liegenschaftsamt
Herr Detjen, Fraktionssprecher der Linken
Herr Helling, Die Grünen
Herr Hillebrand, Wohnungsversorgungsbetrieb (sporadischer Kontakt)

Einen schönen Tag Ihnen, mit freundlichen Grüßen
die Gartenzwerge
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Ergänzungen

Ein Gartenzwergselbstverständnis

die gartenzwerge 18.06.2010 - 07:55
Ein Gartenzwergselbstverständnis

Wir, die Wagengruppe Gartenzwerge, haben uns vor einigen Jahren auf verschiedenen Kölner Parkplätzen kennengelernt. Wir sind derzeit 20 Personen, die in 13 alten LKW leben. Wir kommen aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Schichten, sind Gender/Queer, Künstler, Arbeiter, Kinder, Behinderte, Studenten. Wir haben eine Vorliebe für alte Schätzchen, Oldtimer, denen wir neues Leben einhauchen, sie restaurieren, bewohnen und fahren. Wir lassen unsere Fahrzeuge ungerne auf Parkplätzen alleine.

Wir wollen mit unserem Platz einen Schutzraum erschaffen, in dem sich jeder frei entfalten kann und man so sein kann, wie man ist. Wir wollen ein friedliches und freundliches Miteinander, einen kreativen Lebensraum, in dem auch Ausstellungen und Werkstätten ihren Platz haben.

Wir Gartenzwerge sind ein fröhliches Völkchen, belieben zu scherzen und lachen andere gerne an. Wir werden morgens unglaublich ungerne ohne Kaffee geweckt.

Wir sind bereit viel zu tun und scheuen die Arbeit nicht, wie die Entwicklung des von uns besetzten Geländes in der Schmalbeinstra゚e 28 zeigt. Wir sind bereit eine kleine Pacht zu zahlen für ein Gelände, das diesen Schutzraum ermöglicht (grün, Wasser, Strom, vielleicht Gebäude oder eine Halle).

Wir haben ein Gelände besetzt, um auffällig zu sein, gesehen zu werden, um unseren Bedürfnissen einen Raum zu geben und anderen Menschen in ihrer Entscheidung, im Wagen zu leben, zur Seite zu stehen. Gartenzwerge sind solidarisch.

Keine Minderheit darf unterdrückt werden!

Ai-ho, ai-ho, ai-ho!