Kulturhauptstadt killt Kultur

jez bleibt 17.06.2010 20:12 Themen: Freiräume
Stellungnahme zur Schließung des Jugendzentrums Essen („JZ Papestraße“)
Im Jahr 2010 ist die Stadt Essen Kulturhauptstadt Europas. Zusammen mit anderen Ruhrgebietsmetropolen veranstaltet Essen die „Ruhr 2010“, welches als kulturelles Highlight des Jahres 2010 noch lange in Erinnerung bleiben soll.
Für die Ausführung der aufwendigen Konzepte wurden auch in Zeiten der Finanzkrise erhebliche Mittel bereitgestellt.

Im gleichen Jahr diskutiert der Rat der Stadt Essen um die Schließung eines kulturellen Zentrums der Stadt: Dem Jugendzentrum Essen an der Papestraße. Obwohl das JZE mit seinen vielfältigen Veranstaltungen – vor allen Dingen für Kinder und Heranwachsende – Teil der heterogenen kulturellen Facette der Ruhrgebietsmetropole ist, droht bereits im zweiten Jahr hintereinander die Schließung der Kultur- und Begegnungsstätte.

Obwohl gerade auch hier Menschen aus sozial schwachen Schichten Begegnungspunkte mit Kultur finden, obwohl hier für Kinder und Jugendliche ein breites Angebot an Freizeitaktivitäten besteht, obwohl das JZE Veranstaltungsort für Musikkonzerte verschiedenster Genres war und ist, obwohl es einer der wenigen Orte ist, an denen Jugendsubkultur gelebt werden kann, diskutiert die lokale Politik über die Schließung der Einrichtung.

Trotz der Finanzkrise werde man im Bereich der Bildung und Forschung nicht sparen, ließ die aktuelle Bundesregierung vor wenigen Wochen verlauten. Doch hier schien im Bundesland NRW unter den großen Parteien ein Konsens zu herrschen: Es müssen Einschnitte vorgenommen werden, aber eben nicht dort, wo die Zukunft unserer Kinder und damit auch die der Gesellschaft betroffen ist. Unter „Bildung“ ist aber im 21. Jahrhundert nicht mehr nur die formale Schulbildung zu verstehen, sondern auch die Teilhabe am kulturellen Leben in unserem Land und unserer Stadt. Gerade Jugendzentren spielen hier eine wichtige Rolle, weil sie Teilen der Bevölkerung, die sonst eher wenig mit traditionellen Bildungsangeboten in Kontakt kommen, Möglichkeiten eröffnen, bereits im Kinder- und Jugendalter eben doch Anknüpfungspunkte zu finden – betreut von fähigen und engagierten Pädagogen und anderen Mitarbeitern.

Die Stadt Essen wirbt auf ihrer Webseite mit dem Spruch „Kultur verbindet“. Die aktuelle Diskussion um die Schließung des JZE lässt leider vermuten, dass dies nicht für die politisch Verantwortlichen in Bezug auf die pädagogische und kulturelle Basisarbeit, die im Jugendzentrum an der Papestraße geleistet wird, gelten kann.
Vielleicht ist der politischen Führung der Stadt das JZE als kultureller Ort einfach nicht prestigeträchtig genug, denn anders als mit „Ruhr 2010“ lässt sich mit einem Jugendzentrum eben keine überregionale Aufmerksamkeit erregen. Stellt sich nur die Frage, was nachhaltiger ist: Ein Jugendzentrum, welches seit Jahren erheblichen Anteil an der kulturellen und pädagogischen Basisarbeit in der Stadt Essen hat, oder ein im Vergleich doch kurzfristiges Kulturprogramm. Wir wollen nicht missverstanden werden: Ruhr 2010 mag eine großartige Sache sein, von der die ganze Region auf vielfältige Art und Weise profitieren kann, aber ebenso muss das JZE Papestraße einen Platz in der kulturellen Landschaft der Stadt haben.

In diesem Sinne fordern wir die Politiker aller Parteien und alle anderen in den Entscheidungsprozess involvierten Personen dazu auf, fair, menschlich und nicht allein aus betriebswirtschaftlichen Aspekten über den weiteren Betrieb des Jugendzentrums an der Papestraße zu entscheiden.

Wir lassen nicht zu, dass Essen in Zukunft das verliert, was der Stadt den Titel einer europäischen Kulturhauptstadt eingebracht hat:
Die gesamtgesellschaftliche kulturelle Vielfalt!
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Ergänzungen