Antimilitaristische Stadtrundfahrt in Kiel

ist hier jemand der mad heißt? 13.06.2010 20:48 Themen: Militarismus
Kiel ist Kriegsgebiet! - Unter diesem Motto fand am Samstag, den 12.6. eine antimilitaristische Stadtrundfahrt statt, die zur (Selbst-)Information und als Beitrag zur Mobilisierung für Aktionen gegen den Anfang September in Kiel stattfindenden „Celler Trialog“, einem Treffen zwischen SpitzenvertreterInnen aus Wirtschaft, Politik und Bundeswehr, gedacht war. Neben verschiedenen Schauplätzen militaristischer Politik und Rüstungsproduktion wurde auch dem Konferenzort des „Celler Trialogs“, dem Gut Salzau im Kreis Plön sowie dem Kriegsdenkmal in Laboe ein Besuch abgestattet.
Aber der Reihe nach: Gegen 10.30 Uhr trafen sich ca. 50 AntimilitaristInnen aus verschiedenen Spektren der Kieler Linken vor der Commerzbank am Asmus-Bremer Platz zu einer Auftaktkundgebung. Hier wurden die TeilnehmerInnen begrüßt, einleitende Worte gesprochen und die Rolle der Commerzbank als Initiatorin und Mitausrichterin des „Celler Trialog“ thematisiert. Danach ging es zu Fuß als kleine Demonstration zum Denkmal für die Novemberrevolution 1918 und von dort aus zum militaristischen Denkmal für den Deutsch-Französischen Krieg. An beiden Orten wurden Beiträge über die Deutung und Bedeutung der Denkmäler gehalten. Ein Zwischenstopp wurde auf einer Fußgängerbrücke eingelegt, wo es einen längeren Beitrag über Kiel als Standort der Rüstungsproduktion am Beispiel HDW zu hören gab. Weiter ging's entlang der „Kiellinie“ zum Haus des „Kieler Yacht Club“, der wegen der „kaiserlichen“ Tradition und der Verbindung zur Familie Krupp sowie zu der Firma ThyssenKrupp Real Estate (der mittlerweile wieder die pompöse Villa gehört) ins Visier der AntimilitaristInnen geriet. Nach einer Pause vor dem Landeshaus begann der zweite Teil der Tour.
Per Bus fuhren jetzt noch ca. 40 Menschen über die Zwischenstopps Tirpitz Hafen und der Rüstungsschmiede Raytheon/Anschütz in der Wik zum eigentlichen Höhepunkt der Rundfahrt, dem Landeskulturzentrum Gut Salzau. Dort wollten sich die AntimilitaristInnen eigentlich nur entspannt mal umgucken, doch den VeranstalterInnen wurde im Vorfeld mitgeteilt, dass sie auf dem Gelände unerwünscht seien, zumal dort sowieso eine Hochzeit stattfinden würde. So kam es, dass der Bus schon von drei Sixpacks Polizei erwartet wurde (die übrigens schon den ganzen Tag ungefragt an der Stadtrundfahrt teilnahmen und meinten alles und jeden beschützen zu müssen), was aber erstmal egal war, da sowieso eine Mittagspause geplant war und Brötchen und Getränke verteilt wurden. Da aber trotzdem auch das Bedürfnis bestand sich das Gelände und das „Herrenhaus“ anzuschauen, wurden die Polizisten einfach mal am vorderen Tor stehen gelassen und einige AntimilitaristInnen nahmen einen Seiteneingang um auf den Platz vor dem Haus zu kommen. Fototermin also doch noch geglückt. Auch der weitläufige Park hinter dem Haus wurde inspiziert und lud zu weiteren Fotoshootings ein.

Gegen 16 Uhr machten sich die gut gelaunten AntimilitaristInnen dann auf den Weg zur letzten Station, dem Kriegsdenkmal samt U-Boot in Laboe, einem Ort am Eingang der Kieler Förde. Hier war eine weitere Demonstration angemeldet, und mit ein bisschen Verzögerung machten sich mittlerweile wieder ca. 50 Leute auf den Weg vom Hafen entlang der Strandpromenade zum phallusartigen Marine-Ehrenmal. Auch vom Betreiber dieses militärverherrlichenden Ortes, dem Deutschen Marinebund e.V., bekamen die VeranstalterInnen vom „Kieler antimilitaristischen Bündnis gegen den Celler Trialog“ im Vorfeld Post. Darin behauptete der Deutsche Marinebund, dass sich das antimilitaristische Bündnis in einem Irrtum befinde, wenn es den Turm als Kriegsdenkmal bezeichnet. Es handele sich vielmehr um eine „Gedenkstätte für die auf See Gebliebenen aller Nationen“ und sei zugleich „Mahnmal für eine friedliche Seefahrt auf freien Meeren“. Den Zusammenhang zwischen Marinebund, U-Boot („Außerdienststellung 8. Mai 1945“), Reichskriegsflaggen und Phallussymbol auf der einen und einer „friedlichen Seefahrt auf freien Meeren“ auf der anderen Seite konnten die fleißig filmenden Herren vom Marinebund allerdings nicht überzeugend erklären, so dass die AntimilitaristInnen doch lieber bei der Bezeichnung Kriegsdenkmal blieben. Sowieso verhielten sich Polizei und Marinebündler alles andere als freundlich und sperrten ihren Turm mit Flatterband und Polizeikette ab. Eine diese Maßnahmen unterstützende Aktion, die Schließung ihrer Anlage mittels einer eilig erbauten Mauer, verhinderten sie jedoch mit aller Kraft. Mit dieser wurde dann allerdings das U-Boot abgesperrt, was den Militaristen aber auch nicht gefiel. So kam es dann doch noch zu einigen Gewaltausbrüchen seitens der Polizei, Menschen wurden geschubst und getreten, die Mauer fachgerecht verprügelt und zerkleinert und von einer Person die Personalien aufgenommen, weil er ein Flugblatt fliegen ließ...

Der Tag war die erste gemeinsame Aktion des „Kieler antimilitaristischen Bündnis gegen den Celler Trialog“, weitere werden folgen. Das Bündnis mobilisiert zu Aktivitäten gegen den in Kiel stattfindenden „Celler Trialog“ vom 1. bis zum 3. September 2010. Die Proteste werden mit einer antimilitaristischen Demonstration am frühen Abend des 1. September (Internationaler Antikriegstag) starten, weitere Aktionen sind in Planung.

Weitere Infos gibt es auf der Homepage des Bündnisses
 http://kein-trialog.so36.net/

und beim Autonomen Antimilitaristischen Plenum Kiel
 http://cellertrialog.blogsport.de/
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Ergänzungen

Laboe: Marine-Ehrenmal / Deutscher Marinebund

Rosa Regenschirm 13.06.2010 - 22:03
Wegen der vielen Nachfragen: Am Samstag war ja noch nicht bekannt, um welche Uhrzeit die Eröffnung der neuen Ausstellung in der Historischen Halle am kommenden Donnerstag beginnt. Auf der Internetseite des Marinebundes steht nun, dass es um 15:00 beginnt! ( http://www.deutscher-marinebund.de/pressemtlgn.htm)

Neues Deutschland, 16.6.2010

Rosa Regenschirm 15.06.2010 - 20:39
Rüstungs-Triumvirat am Pranger

Kieler Bündnis wendet sich mit antimilitaristischer Stadtrundfahrt gegen den »Celler Trialog«

Von Dieter Hanisch, Kiel

(Karton-Mauer vor dem Museum des Deutschen Marinebunds
Foto: D. Hanisch)

Nicht nur die Front- und Kampfeinsätze werden von der Friedensbewegung angeprangert, auch die rüstungspolitische Logistik im Hinterland – von der Waffenproduktion bis zur geistig-ideologischen Wegbereitung, einer Gemengelage aus patriotischem Mythos, Tradition, Nationalstolz und -interesse ist Bestandteil antimilitaristischer Kritik.

Der Blick ins verteidigungspolitische Weißbuch gehört bei Friedensaktivisten genauso zum Tagesgeschäft wie eine Fokussierung auf die »Thinktanks«. Als einen solchen Zirkel kann man den sogenannten Celler Trialog betrachten, der Wirtschaft, Politik und Bundeswehr zusammenführt. Der Name rührt daher, dass das von der Commerzbank ins Leben gerufene Treffen von 2007 bis 2009 im niedersächsischen Celle stattfand. Die diesjährige Zusammenkunft wird Anfang September im Herrenhaus Salzau bei Kiel ausgetragen, weil die bisherige Patin des Treffens, die in Hannover ansässige 1. Panzerdivision, sich im Afghanistan-Einsatz befindet. Der zivil-militärische Dialog steht 2010 unter dem Motto »Handel und Wandel – maritime Herausforderung und nationale Interessen«.

Seit Monaten koordinieren sich die Proteste gegen das dreitägige Meeting. Auf einer alternativen Stadtrundfahrt ging es am vergangenen Samstag um eine Kieler Bestandaufnahme hinsichtlich Rüstungsproduktion, militärische Alltagspräsenz sowie Traditionspflege. Dazu wurden mehrere Firmen, unter anderem Rheinmetall, Bundeswehreinrichtungen und geschichtliche Gedenkplätze sowie das Gut Salzau angesteuert. Die Organisatoren kommen in der Summe all der Einrichtungen zu dem Schluss: Kiel ist Kriegsgebiet. Nicht von ungefähr haben Rüstungsgegner daher auch schon in der Fördestadt mit Anschlägen auf entsprechende Bedeutung und Zusammenhänge hinweisen wollen bzw. auf den Trialog aufmerksam gemacht. So landeten Anfang des Monats etwa Steine und Buttersäure in den Räumlichkeiten der Bahn-Tochter Schenker, aber auch die Commerzbank war mit Steinen und Farbe bereits Anschlagsziel, ebenso wie ein Soldatendenkmal auf dem Nordfriedhof.

Vielleicht wurde auch deshalb die »Reisegesellschaft«, die vor einer Kieler Commerzbank-Filiale startete, von mehreren Polizeifahrzeugen begleitet. Die Ordnungshüter traten aber erst vor dem Marinedenkmal in Laboe in Aktion, wo der Ausflug ein Ende fand. Dort sorgte eine symbolische Pappkarton-Performance für Handgreiflichkeiten zwischen Polizei und Friedensbewegten, als mit einer Papp-Mauer der Eingang zum Museums-U-Boot U 995 symbolisch blockiert wurde, was dem Deutschen Marinebund, dem das dortige Hausrecht obliegt, missfiel.

Dieser kassierte unmittelbar vor dem Kieler Regierungswechsel im vergangenen Herbst noch mal 600 000 Euro aus dem Landeshaushalt, bewilligt aus der Staatskanzlei, dem unmittelbaren Umfeld von Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU), ohne dass das Parlament darüber informiert wurde, wie sich inzwischen auf einer Sitzung im Finanz- und Bildungsausschuss herausstellte. Das Geld wurde in die Renovierung der Historischen Halle des Ehrenmales gesteckt, die am morgigen Donnerstag feierlich eröffnet werden soll.

Der Grundstein für das umstrittene Mahnmal wurde 1927 gelegt. 1936 wurde es in Gegenwart von Adolf Hitler »zum Gedenken an die Gefallenen im Ersten Weltkrieg« eingeweiht. Später galt es auch als Symbol für die gefallenen Marineopfer des Zweiten Weltkriegs. Immer wieder gab es Kritik an der heldenhaften Glorifizierung der Marine. Zu dieser Verherrlichung steht der Marinebund, wenn er sagt, er wolle die Marinegeschichte so zeigen, wie sie gewesen sei; dazu würden auch die negativen Seiten gehören. Die Friedensaktivisten schlossen nicht aus, dass sie dem Ort auch nach dessen Neugestaltung Besuche abstatten werden.

 http://kein-trialog.so36.net

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@geht es noch, du hast recht — radikale linke