Emmely zurück an die Kasse?
Das Bundesarbeitsgericht in Erfurt hat die fristlose Kündigung von Emmely für unwirksam erklärt. Muss die Kassiererin nun zurück an die Kaiser's-Kasse? Ihr wäre ein besserer Arbeitgeber zu wünschen.
Der Fall ist hinlänglich bekannt: Die Berliner Kassiererin Emmely verlor Anfang 2008 nach 31 Jahren Anstellung ihren Job. Ihr Arbeitgeber Kaiser's Tengelmann verdächtigte sie, liegengebliebene Flaschenpfandbons im Wert von 1,30 Euro an sich genommen zu haben. Das mit den Bons ist nicht bewiesen. Sicher dagegen ist ein anderer Hintergrund: Emmely war 2007 durch die Teilnahme an Streiks aufgefallen.
Emmely klagte gegen die Kündigung und verlor 2008 vor dem Arbeitsgericht Berlin, welches urteilte: Die Verdachtskündigung sei wegen des zerrütteten Vertrauensverhältnisses gerechtfertigt gewesen.
Emmely legte Berufung ein. Doch auch das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg urteilte: Die Kündigung sei rechtens. Offenbar sah es das Landesarbeitsgericht sogar als erwiesen an, dass Emmely die beiden Bons tatsächlich an sich genommen hatte. Desweiteren wurde ihr vorgeworfen, den Verdacht auf andere Mitarbeiter abzuwälzen.
Verhältnismäßigkeit, Menschenverstand und der Grundsatz "Im Zweifel für den Angeklagten" war an diesen deutschen Arbeitsgerichten offensichtlich kein Thema. Emmelys Anwalt sah den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg schon als letzten Ausweg, wagte dann aber einen Versuch beim Bundesarbeitsgericht in Erfurt, welches Ende Juli 2009 ein Revisionsverfahren gegen das Urteil zuließ.
Seit der Kündigung waren knapp anderthalb Jahre vergangen. Dass ein solch langwieriger, ohnehin absurd scheinender Kampf gegen Unrecht nur mit Unterstützung möglich ist, dürfte klar sein.[2]
Rund ein weiteres Jahr später, am 10. Juni 2010, fiel das Urteil: Die fristlose Kündigung sei unwirksam. Das Bundesarbeitsgericht berücksichtigte die "über drei Jahrzehnte ohne rechtlich relevante Störungen verlaufene Beschäftigung, durch die sich die Klägerin ein hohes Maß an Vertrauen erwarb. Dieses Vertrauen konnte durch den in vieler Hinsicht atypischen und einmaligen Kündigungssachverhalt nicht vollständig zerstört werden."[3]
Für Emmely ist dies sicher ein großer Tag, ein ganz großer. Ihr ist, obwohl die Vorzeichen dagegen sprachen, Gerechtigkeit widerfahren. Rechtsunkundige stellt die Entscheidung der Paragraphenreiter allerdings vor bange Fragen: Muss Emmely nun zurück zu Kaiser's an die Kasse? Muss sie die Arbeit der vergangenen zweieinhalb Jahre nachholen, da die Kündigung unwirksam ist? Erhält sie nachträglich das volle Gehalt? Hat Emmely nicht einen besseren Job verdient, jetzt erst recht? Und warum kauft überhaupt noch jemand bei Kaiser's Tengelmann ein?
Quellen:
[1] http://de.wikipedia.org/wiki/Emmely
[2] http://www.emmely.org
[3] http://juris.bundesarbeitsgericht.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bag&Art=pm&Datum=2010&nr=14382&pos=0&anz=42
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Emmely klagte gegen die Kündigung und verlor 2008 vor dem Arbeitsgericht Berlin, welches urteilte: Die Verdachtskündigung sei wegen des zerrütteten Vertrauensverhältnisses gerechtfertigt gewesen.
Emmely legte Berufung ein. Doch auch das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg urteilte: Die Kündigung sei rechtens. Offenbar sah es das Landesarbeitsgericht sogar als erwiesen an, dass Emmely die beiden Bons tatsächlich an sich genommen hatte. Desweiteren wurde ihr vorgeworfen, den Verdacht auf andere Mitarbeiter abzuwälzen.
Verhältnismäßigkeit, Menschenverstand und der Grundsatz "Im Zweifel für den Angeklagten" war an diesen deutschen Arbeitsgerichten offensichtlich kein Thema. Emmelys Anwalt sah den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg schon als letzten Ausweg, wagte dann aber einen Versuch beim Bundesarbeitsgericht in Erfurt, welches Ende Juli 2009 ein Revisionsverfahren gegen das Urteil zuließ.
Seit der Kündigung waren knapp anderthalb Jahre vergangen. Dass ein solch langwieriger, ohnehin absurd scheinender Kampf gegen Unrecht nur mit Unterstützung möglich ist, dürfte klar sein.[2]
Rund ein weiteres Jahr später, am 10. Juni 2010, fiel das Urteil: Die fristlose Kündigung sei unwirksam. Das Bundesarbeitsgericht berücksichtigte die "über drei Jahrzehnte ohne rechtlich relevante Störungen verlaufene Beschäftigung, durch die sich die Klägerin ein hohes Maß an Vertrauen erwarb. Dieses Vertrauen konnte durch den in vieler Hinsicht atypischen und einmaligen Kündigungssachverhalt nicht vollständig zerstört werden."[3]
Für Emmely ist dies sicher ein großer Tag, ein ganz großer. Ihr ist, obwohl die Vorzeichen dagegen sprachen, Gerechtigkeit widerfahren. Rechtsunkundige stellt die Entscheidung der Paragraphenreiter allerdings vor bange Fragen: Muss Emmely nun zurück zu Kaiser's an die Kasse? Muss sie die Arbeit der vergangenen zweieinhalb Jahre nachholen, da die Kündigung unwirksam ist? Erhält sie nachträglich das volle Gehalt? Hat Emmely nicht einen besseren Job verdient, jetzt erst recht? Und warum kauft überhaupt noch jemand bei Kaiser's Tengelmann ein?
Quellen:
[1] http://de.wikipedia.org/wiki/Emmely
[2] http://www.emmely.org
[3] http://juris.bundesarbeitsgericht.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bag&Art=pm&Datum=2010&nr=14382&pos=0&anz=42
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Ergänzungen
Solikundgebungen
In Berlin waren ca. 50 Menschen. Außerdem wurde der Sieg der FAU vor Gericht gefeiert. Die FAU, die den Arbeitskampf des Kinos Babylon organisierte, darf sich nun wieder Gewerkschaft nennen!
Kommt alle am Samstag zu den bundesweiten Antikrisendemonstrationen:
Samstag | 12. Juni 2010
Berlin | Rotes Rathaus | 12 Uhr
Stuttgart | Innenstadt | 11 Uhr
Sie muß keine Arbeit nachholen...
Das hat zur Folge, daß sie den Lohn für diese Zeit nachfordern kann, sobald das Urteil rechtskräftig wird !
Daß Emmely wieder an der Kasse sitzen wird, ist aber nicht unbedingt so. Nach gewonnenen Arbeitsrechtsprozessen wollen "Arbeitgeber" die Beschäftigen oft per "goldenem Handschlag"-- einer einvernehmlichen Kündigung mit relativ hoher Abfindung-- loswerden. Dies geschieht, damit sich in den Betrieben nicht herumspricht, daß politische und juristische Gegenwehr zum Erfolg führen kann und eine Kollektivierung der Erfahrungen blockiert wird.
Was Emmely jetzt konkret macht, ist in erster Linie ihre Entscheidung. Gewonnen hat sie den Prozeß auf jeden Fall.
mehr dazu
derselbe Artikel mit'n paar mehr Bildern hier: http://sabotnik.blogsport.de/2010/06/10/emmely-gewinnt-prozess-gegen-kaisers/
Köln: Emmely-Solidarität
http://anarchosyndikalismus.blogsport.de/2010/06/10/koeln-soliaktion-fuer-emmely-kaisers/
Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen
Keine Solidarität...
Anstatt in die Offensive zu gehen und die fixe Idee von Lohnarbeit zu kritisieren, wird der bürgerliche Müll auch noch unterstützt. Wenn die Kassierin gesagt hätte, dass sie eine große Entschädigung annehmen würde, währe das O.K., nun klagt sie für ihren sinnlosen oder schädlichen Arbeitsplatz, damit sie weiterhin auf Kosten der Arbeitslosen arbeiten kann.
Wie krank ist das denn? Dabei standen schon viele andere Volldeppen für den Job bereit - und das ist es auch, ein Job, keine Berufung. Arbeit ist ein Agent des Kapitals und Arbeit schafft Zwangsarbeit schafft Ausbeutung und Elend.
Mit einer schönen Entschädigung hätte ein ganzes Hausprojekt angeschoben werden können oder eine gut ausgestattete Initiative die sich für die Abschaffung des Lebensmitteldiebstahls als Delikt einsetzt gegründet werden können.
Nee, die Alte musste ja unbedingt wieder arbeiten um weiterhin Geld von unten nach oben zu verteilen. Und ein Schmerzensgeld gab es auch nicht...würde wohl weitere 3 Jahre dauern...lächerich.
Arbeitskampf ist der Kampf um Arbeitslosigkeit bei gleichzeitiger Aneignung der Produktionsmittel für alle und die gleichmäßige Verteilung der Restarbeit auf alle die wollen.
geil
@10.06.2010 - 17:23
Soli ist scheinbar nicht allen bekannt, scheinbar auch einer Person aus einem Berliner Hausprojekt die Indy vollspamt.
Ey alter, verkriech dich in deinem legalen (sic!) Hausprojekt, und lass dich beim Supermarkt um die Ecke vom Ladendetektiv erwischen. Heulst rum dass Häuser gekauft werden sollen, gleichzeitig kommst du nicht auf die Idee dass du genau damit ja auch Kapitalisten* finanzierst -
Häuser besetzen wär sinnvoller, und dir den Internetzugang abschalten auch.
Solidarität mit allen Emmelys! Keine Solidarität mit komischen (sic!) Leuten aus Berliner Hausprojekten.
super!
Schön zu hören, dass Durchhaltevermögen und politischer Kampf mal was bewirken!
Und an die Pfeife, die meint hier einen auf Vollanarcho zu machen:
Ich verspüre beim lesen deines Eintrags wirklich und wahrhaftig die Lust dich einfach nur zu schlagen. Entweder du bist saublöde - also so richtig - oder bist so oft links abgebogen, dass du dich scharf rechts von allem, was emanzipatorisch ist, befindest. Sag mir so etwas mal ins Gesicht!
@ "Keine Solidarität"-Person
Schonmal darüber nachgedacht, dass manch ein Mensch sich vielleicht sogar mit Lohnarbeit arrangieren kann? Keine Lust hat auf von Mami&Papi oder Bafög finanzierter WG, siffige Hausprojekte, containertes Essen und ein Leben als pseudojugendliche/r FahrradkurierIn bis 40?
Freut mich ...
Endlich mal etwas Gerechtigkeit.
Allerdings herschen bei tengelmann immer noch die gleichen scheiß-bedingungen für 17.000 andere Mitarbeiter (wie bei fast allen anderen supermärkten). Weiterkämpfen !
Und zu dem "recht auf faulehit" spinner, red mit nem baum..
@"abersowasvonvollanarcho"
Um sabotieren und wiederaneignen zu können, muss man ja am arbeiten sein - oder wie soll ich mir das sonst vorstellen? 100 Autonome Hausprojektcrusten rocken die nächste Fabrik, wiederaneignen sie - und was dann? Arbeiten ;-)
Ich bin seit weit mehr als 10 Jahren in autonomen Projekten aktiv. Der "crimnethink-way-of-life" ist ja schön und gut, Häuser besetzen klasse und beim Containern staunt mensch auch nicht schlecht, was sich da alles finden läßt. Lohnarbeit ist scheiße und trotzdem kommt man ihr mit zunehmendem Alter immer schwerer aus - es läßt sich für mich nicht mehr immer alles so regeln, wie noch als 20jährigen. Hast du dir schonmal überlegt, dass Häuser zuerst gebaut werden mußten, damit man sie besetzen kann? Dass Waren produziert wurden, die man weggeworfen hat, damit du sie überhaupt containern kannst? "17:23" sieht nur, dass Emmely nicht 50 Phrasen gegen das System, hoch die und überhaupt kommunismus mindestens mit c fordert. Ey wahrscheinlich hat die noch nichtmal nen Blog, kennt Electropartys nicht und Pflasterstein hat die garantiert noch nie einen geworfen. Dass sie sich einfach gegen eine Ungerechtigkeit wehrt, mag für euch nicht viel sein. Wenn sich alle gegen Ungerechtigkeiten wehren, dann sieht die Welt aber schon anders aus. Ein Angriff auf eineN ist ein Angriff auf alle! mag zwar total unionistisch sein - genau das ist aber die Basis für Solidarität. Was sollt`s mich sonst jucken, wenn Häsuer geräumt werden? Ey diese SpießerInnen kämpfen glatt um Verträge, total kapitalistisch mann. Keine Solidarität mit Menschen, die um Mietverträge oder einfach ihren Platz zum Wohnen kämpfen!
Die Dinge für unseren bedarf müssen nunmal produziert werden - wie ist dann die Systemfrage. Aber es funktionierte einfach nicht, wenn alle containern. Es funktioniert nicht, wenn niemand mehr arbeitet, weil das nette autonome Zentrum morgen dann kein Bier mehr hat. Und dann gibts Revolte ey mann!