[Köln] 50 Tage Autonomes Zentrum

unsersquat 05.06.2010 22:40 Themen: Freiräume Kultur Soziale Kämpfe

"Ich geb euch drei Stunden": Das war der erste Kommentar, nachdem die Besetzung für ein Autonomes Zentrum auf Indymedia berichtet wurde. Seit 50 Tagen nun ist die ehemalige Kantine des KHD-Werks in Köln-Kalk besetzt. Dort ist ein Autonomes Zentrum für Politik, Kunst und Kultur entstanden.


Zeit für einen kleinen Rückblick.

In Köln mangelt es seit Jahren an selbstverwalteten, großen Räumen. Spätestens das Ende der "Schnapsfabrik Ende 2008 machte klar, dass sich das ändern muss. Nach knapp 1,5 Jahren intensiver Vorbereitung in der Kampagne "Pyranha - für ein Autonomes Zentrum" war es dann am 16. April soweit: über hundert Menschen besetzten ein seit Jahren leerstehendes Haus, um dort ein Zentrum für Politik, Kunst und Kultur aufzubauen.

Das Haus

Das Haus ist zuallererst eins: groß. Einen kleinen Einblick bietet das die Videoführung durchs Haus (Kommunique 2.1). Dennoch gab es schon einige Tage, an dem alle großen Räume parallel genutzt wurden - der Bedarf an Räumen ist offensichtlich noch größer. Insgesamt ist die Kantine - auch laut Aussage eines Architekten - in einem ordentlichen Zustand und an den kleineren Baumängeln wird ständig gearbeitet.

Die ersten Tage und Wochen im Haus wurden damit verbracht, das Haus zu säubern und Räume nutzbar zu machen. Mittlerweile sind alle Räume im Erdgeschoss und im ersten Stock erschlossen und werden genutzt. Zwei große Räume werden als Plenumsraum und Wohnzimmer/Voküraum genutzt, es gibt zwei Party- und Konzertsäle, eine Bibliothek, ein Umsonstladen, einen Infoladen, einen Sportraum, einen Frauenraum, ein Kino sowie zahlreiche Gruppenräume und Ateliers. Einige Räume werden als Schlafräume genutzt, auch wenn das Projekt nicht als Wohnprojekt gedacht ist. Während der Besetzung ist das aber noch nötig. Für Gäste gibt es einen Gästeschlafraum.

Hinter dem Haus befinden sich ein großer Hof und der Garten, wo bereits ab der ersten Woche Gemüse und Kräuter angepflanzt worden sind.

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Solidarität

Wir haben uns sehr über die Solidaritätsbotschaften aus ganz Deutschland und Europa gefreut. Viele Menschen sind aus anderen Städten angereist, um sich das Autonome Zentrum anzuschauen und mitzuhelfen. Das hat uns viel Kraft und Energie gegeben - und wir freuen uns über die vielen netten Bekanntschaften.

Wir freuen uns besonders über die zahlreichen temporären und dauerhaften Neubesetzungen, in Freiburg, Darmstadt, Dresden und und und. Unsere Solidarität gilt euch - squat the world! Auch in Köln ist noch mehr passiert: im Stadtteil Ehrenfeld wurde ein neuer Wagenplatz besetzt.

Auch aus Köln selbst kam viel Unterstützung, fast täglich wurden uns neue Möbel, Werkezeuge, Baumaterialien und vieles mehr gebracht. Unzählige Menschen haben sich in verschiedenster Art eingebracht, um das Zentrum aufzubauen.

Mannheim

Was ging

Trotz der Belastung durch die Besetzungssituation wurde das Haus von Anfang an auch als das genutzt, was es sein soll: ein Ort für politische, kulturelle und soziale Veranstaltungen. In den ersten 50 Tagen fanden ca. 120 Veranstaltungen im AZ statt, von Vorträgen, Diskussionsveranstaltungen, Workshops, Kino, Ausstellungen bis Parties und Konzerten.Derzeit treffen sich ca. 10 politische Gruppen regelmäßig im AZ und die Nutzer_innen des Hauses haben sich in ca. 15 Arbeitsgruppen zusammengeschlossen.

Das Haus wird derzeit von mehreren hundert Aktivist_innen getragen, die Abläufe organisieren, das Haus putzen, Veranstaltungen organisieren, kochen oder sich in den Arbeitsgruppen engagieren.

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Politik und Sparkasse

Die ersten Reaktionen aus der Politik waren äußerst positiv: Bereits am dritten Tag kam der Bezirksbürgermeister von Kalk, Markus Thiele (SPD), mit seinem zweijährigen Sohn auf den Schultern vorbei und sprach den Besetzer_innen seine Unterstützung aus. Auch aus der Linkspartei und von den Grünen kam viel Solidarität und Unterstützung.

Es laufen derzeit intensive Gespräche mit Ratsvertreter_innen der SPD, der Grünen und der Linkspartei. Grüne und Linkspartei sind dabei sehr offen für das Projekt, die SPD hat es bisher nicht geschafft, sich eine einheitliche Meinung zu bilden.

Der Kölner Oberbürgermeister Jürgen Roters (SPD), der im vergangenen Wahlkampf noch gesagt hatte, ein Autonomes Zentrum sei ihm "eine Herzensangelegenheit", äußerte sich bisher nicht zum Zentrum. Auch als er direkt angeschrieben und persönlich angesprochen wurde, blieb er eine Reaktion schuldig.

Der Kontakt zur Sparkasse, der Besitzerin der Immobilie, ist nach einem Treffen in der ersten Besetzungswoche abgebrochen. Ein Einladung zu einem weiteren Gespräch blieb unbeantwortet. In der Presse verkündet die Sparkasse, dass sie die Besetzung nicht dauerhaft dulden wird. Trotzdem sieht es derzeit nicht nach einer baldigen Räumung aus. Die Polizei hat gegenüber der Presse gesagt, dass sie das Haus nur räumen wird, wenn es danach direkt abgerissen wird. Und die Sparkasse befürchtet natürlich die zu erwartende Reaktion auf eine Räumung. Sicher ist der Status dennoch bei weitem nicht.

Demo

Nachbar_innen

Das Verhältnis zur Nachbarschaft war von Anfang an verhältnismäßig gut. Wir haben viele e-mails von Anwohner_innen erhalten, die sich darüber freuen, dass das Gebäude nach zehnjährigem Leerstand wieder genutzt wird. Eine interessante Diskussion aus der Nachbarschaft lässt sich auf diesem Blog nachlesen. Auch das Nachbarschaftscafé, das wöchentlich stattfindet, ist gut aufgenommen worden und hat sich zu einem wichtigen Anlaufpunkt bei Fragen und Kritik entwickelt.

Ein Anwohner aus der Wiersbergstraße, der zudem CDU-Mitglied ist, versucht dennoch Stimmung gegen das AZ zu machen. Durch Pressemitteilungen und eine Unterschriftensammlung heizt er die Stimmung gegen das AZ auf - bisher jedoch weitgehend erfolglos.

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Ausblick

Wir gehen mit einem vorsichtigen Optimismus in die nächsten 50, 500 oder 5000 Tage Autonomes Zentrum Köln. Auch wenn das Haus geräumt werden sollte, wird es in Köln ein Autonomes Zentrum geben - das Autonome Zentrum sind wir und wir werden immer mehr. Und es gibt genug leerstehende Gebäude, die wir uns dann nehmen werden.

Für uns ist es begeisternd, was in den letzten Wochen im Autonomen Zentrum entstanden ist und was für unterschiedliche Menschen diesen Ort gern besuchen. Schon für das, was bis jetzt entstanden ist, hat sich die Arbeit gelohnt.

Kein Tag ohne!

Pressespiegel

Webseite des Autonomen Zentrums Köln

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Ergänzungen

Liebe Grüße aus AC

macht weiter so! 06.06.2010 - 01:19
Freitag, 18.juni, 20 uhr, antifaschistische Demonstration, AZ-Aachen

Aufruf aus Köln:  http://linksunten.indymedia.org/de/node/21085

PM aus Aachen: az-aachen.de (De/ ENG)

jingle:  http://soundcloud.com/user5072146/18-06-2010-aachen-mobi-jingle

Für den antifaschistischen Selbstschutz!

Va in Frankfurt

jxap 06.06.2010 - 11:08
Veranstaltung: Perspektiven selbstverwalteter Räume

Mit Vertreter_innen der Kampagne »Hände hoch – Haus her: für ein selbstverwaltetes Zentrum in Erfurt« (haendehoch.blogsport.de), des seit April besetzten »Autonomen Zentrums« in Köln-Kalk (unsersquat.blogsport.eu), des »Instituts für vergleichende Irrelevanz – ivi« (Ffm) (ivi.copyriot.com) und von »Faites votre jeu!« (Ffm). Nach der Vorstellung der Projekte sollen die Parallelen und Unterschiede im Kampf um selbstverwaltete Räume in den einzelnen Städten diskutiert werden.

Freitag, 11. Juni 2010, 20Uhr
"Faites Votre Jeu!"
Klapperfedlstraße 5, Frankfurt
www.faitesvotrejeu.tk
www.klapperfeld.de

post geht!

ente 06.06.2010 - 13:20
ja, du kannst plakate, briefe und so schicken.
adresse: AZ Köln - wiersbergstr. 44 - 51103 Köln

Gemüse des Grauens

Harpo Marx 07.06.2010 - 14:50
Ich beglückwünsche Euch zu eurem Elan, aber: Ihr habt Gemüse und Kräuter auf Industriegrund gepflanzt? Als ich in den späten 80ern manchmal nachts durch Kalk radelte, bin ich an der "chemischen Kalk" regelmäßig fast vom Rad gefallen, so hat das da gestunken, was aus dem Schornstein kam. Da ich kaum glaube, daß die Erde da unbelastet ist, möchte ich Euch DRINGEND davon abraten, das Zeug zu verzehren. Ansonsten: weiter so!

thematisiert auch die rechten übergriffe vor

ort 11.06.2010 - 17:45

auch in köln kalk hat es - zwar unorganisierte aber dennoch - rechte übergriffe und auseinandersetzungen gegeben. es ist zeit auch das zu thematisieren.

solidarität mit den beiden autonomen zentren - köln und aachen - zusammen kämpfen!

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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jo — berliner

ganz — große