Eberswalde blieb nazifrei

Inforiot 05.06.2010 17:08 Themen: Antifa
300 Menschen standen für Blockade bereit / Rechte Demo abgeblasen
Keine Nazidemo: Die zweite schwere Schlappe innerhalb einer Woche musste die Neonaziszene in Nordost-Brandenburg einstecken. Am Samstag (dem 5. Juni) wollte die "Kameradschaft Märkisch-Oder Barnim" (KMOB) in Eberswalde demonstrieren. Das Bündnis "Brandenburg Nazifrei" (ein Zusammenschluss von Antifagruppen, Zivilgesellschaft und Parteien) hatte zu Blockadeaktionen aufgerufen.

Die Neonazis kamen dann erst gar nicht. Am Vortag der Demo hatten sie wegen des zu erwartenden Widerstands ihren Aufzug abgesagt. "Das ist eine empfindliche und peinliche Niederlage für die Rechten", freute sich die Sprecherin von "Brandenburg Nazifrei".

Die etwa 300 Menschen, die für die antifaschistische Blockade angereist waren, feierten in bester Laune und bei schönstem Sommerwetter am Eberswalder Bahnhof ihren Erfolg: Wieder eine Nazidemo verhindert.

Am Wochenende vorher, am 29. Mai, hatte die KMOB versucht, in Bernau zu demonstrieren. Die 90 Neonazis konnten damals angesichts einer 500 Menschen starken Blockade keinen einzigen Meter laufen.

In Eberswalde erschienen am Rand nur vereinzelt diejenigen Rechten, die offenbar die Nachricht von der eigenen Demoabsage nicht erreicht hatte.

Die Polizei nahm am Rande der antifaschistischen Kundgebung eine Person aus noch unbekannten Gründen in Gewahrsam. Sonst kam es zu keinen größeren Zwischenfällen.

Die KMOB hat für die nächsten Wochen noch drei weitere Demonstrationen angekündigt: Am 12. Juni in Bad Freienwalde, am 19. Juni in Strausberg und am 10. Juli in Manschnow (Küstriner Vorland). "Brandenburg Nazifrei" hat auch in diesen Orten Proteste angekündigt.

Die Demonstration der KMOB in Eberswalde hatte unter dem zynischen Motto "Gegen linke Gewalt" stehen sollen. Denn das Demodatum fiel auf das Wochenende nach dem zehnten Jahrestag des Mordes an Falko Lüdke - der linke Punk war am 29. Mai 2000 von Neonazis in Eberswalde ermordet worden.

Die Demonstration in Bad Freienwalde soll indes unter dem nicht minder zynischen Motto "Für ein freies Jugendzentrum" stattfinden - das Datum ist der zweite Jahrestag des Brandanschlags auf das alternative Jugendzentrum Maquis in Bad Freienwalde, das in der Nacht vom 12. auf den 13. Juni 2008 von einem Neonazi niedergebrannt wurde.

Die Demo in Manschnow hingegen soll sich "gegen Kinderschänder" richten. In Gorgast, ganz in der Nähe von Manschnow, wurde vor wenigen Tagen ein behinderter Jugendlicher sexuell missbraucht - die mutmaßlichen Täter gehören der Neonaziszene an.

Weitere Bilder gibt es bei Flickr.

Einen Pressespiegel findet ihr hier.
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Ergänzungen

Super Sache

Finowfurter 05.06.2010 - 17:21
Das ja einfach genial. Und nicht vergessen, am 10. Juli geht es wieder nach Bernau zur 3. Antifaschistischen Straßenparade.

video auf youtube

brandenburg nazifrei 05.06.2010 - 20:47
hier ein gut gemachter Clip über den verhinderten Aufmarsch in Bernau:

 http://www.youtube.com/watch?v=oVBLXsJTvmU

zum Video "brandenburg nazifrei 05.06.2010"

radical Antifa (@ the wurzel) 05.06.2010 - 23:26
Weiss nicht, was mehr nervt. Die Mär, dass die Neonazis, die in Bernau den Dorffrieden gefährten, angreist seien, oder der naive Glauben, dass sich mit symbolischen Aktionen im legalen Rahmen eine rechte Alltagshegemonie, die in großen Teilen Brandenburgs zweifelsohne besteht, durchbrechen lässt. Hier werden von Seiten der Blockadepropagierer Nebenlkerzen vor das eigentliche Pronblem geworfen. Auch entlarvend ist das Statement der Grünen, die erklären, dass es für sie vor allem wichtig sei, dass hier nicht die Antifa allein auf die Straße gehe... klingelt es nun endlich mal in den Köpfen einiger achso revolutionärer Antifas (z.B. ALB). Damit Antifas nicht mehr als Eigenleistung verbuchen können, Neonazis effektiv in die Schranken weisen zu können, wird eine vom legalistischen Standpunkt grenzwertige Aktionsfform zugestanden. Folglich reicht es Demokraten, wenn Neonazis, wie z.B. KMOB, einmal "an jedem Samstag" symbolisch blockiert werden, um militantem Antifaschismus und radikaler Kritik zu delegitimieren.

Wer Dresden und Bernau so geil fand, dem ist nicht mehf zu helfen. Affirmation und Nützliches-Idiotentum.

Folgender Textbeitrag sei ans Herz gelegt (Quelle, siehe Link):

Wenn Anständige heutzutage sitzenbleiben, demonstriert mal wieder die NPD oder eine Kameradschaft auf der Straße: Mit betont friedlichen Blockaden gelang es in der Vergangenheit immer häufiger Neonazi-Aufmärsche zu verkürzen oder gänzlich zu verhindern. Viele radikale AntifaschistInnen rechnen sich -- ob zu Recht oder Unrecht spielt dabei keine Rolle -- die Sensibilisierung der Öffentlichkeit gegenüber rechten Aufmärschen als Erfolg an, der inhaltliche Abstriche rechtfertige. Das emanzipatorische Linke in vielen Bündnissen gegen Rechts tatsächlich nur noch Dienstleister sind beweist ein Blick auf das Programm der vom "Bündnis Dresden Nazifrei" und dem "Aktionsnetzwerk Jena" organisierten "Bilanz- und Strategiekonferenz" am vergangenen Wochenende in Jena: Reden öffentlichkeitswirksamer Phrasendrescher (Bodo Ramelow, Albrecht Schröter u.a.) umrahmen die Workshops zu der richtigen Taktik gegen falsche Versammlungen. Naheliegende Fragen nach Sinn- und Unsinn der Verhinderung von Naziaufmärschen, Umgang mit Konsequenzen, der Auseinandersetzung mit anderen Aktionsformen der Rechten oder gar der Versuch einer realistischen Analyse der politischen Bedrohung sowie einer gesamtgesellschaftlichen Kontextualisierung der "seit 20 Jahren erstarkende extreme Rechte" sucht man im Programm ebenso vergebens wie kritische Initiativen oder Gruppen, die aus einer nicht-bewegungslinken Sicht über Erfahrungen in der Bündnisarbeit berichten können. So verwundert es auch nicht, dass unter den über 100 Teilnehmerinnen und Teilnehmern in Jena nur wenige linke Antifas aus Thüringen teilnahmen.

Seit es 2007 der antifaschistischen Gruppe JAPS Jena gelungen ist zahlreiche namenhafte Einzelpersonen und autonome Gruppen zum Unterschreiben eines öffentlichen Blockadeaufrufes gegen das "Fest der Völker" zu gewinnen, haben sich, inspiriert von den Protesten gegen den G8-Gipfel in Heiligendamm, Blockaden gegen rechte Versammlungen in vielen Orten etabliert. Köln, Leipzig, Erfurt und schließlich die Massenmobilisierung am 13. Februar nach Dresden: In der Kooperation von Antifa-Gruppen, Bürgerbündnissen, Ordnungs- und Polizeibehörden gegen die rechten Nestbeschmutzer haben sich im Kampf gegen Rechts längst die Realos auch in der radikalen Linken durchgesetzt. Inhaltliche Demontage von Neonazismus und seinem kapitalistischen Rahmen ist der erfolgs- und anerkennungsorientierten Unterordnung unter bürgerliche Akteure und deren minimalen inhaltlichen Konsens gewichen.



Aus Lichterketten wurden Sitzkissen und aus Aufständigen Sitzenbleiber: Der allzeit kontrollierbare und kontrollierte Protest zur Verhinderung von Naziaufmärschen ist so harmlos, dass sich am 1. Mai 2010 in Berlin sogar der Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) den Sitzblockaden anschloss. In Ostdeutschland mauserte sich dessen Parteigenosse Albrecht Schröter, der Oberbürgermeister Jenas, zum lächelnden Vorzeige-Antinazi. Dass das wiederholte Blockieren von Naziaufmärschen mittelfristig so erfolglos bleiben wird wie der staatlich inszenierte "Antifasommer" beweisen die Neonazis in Schröters Heimatstadt schon jetzt: Obwohl es seit drei Jahren keinen Versuch eines rechtsextremen Aufmarsches in Jena gab erfreuen sich die Rechten dank radikalisiertem Habitus und subversiven Aktionen höherer Aufmerksamkeit und dem stärksten Zulauf seit dem Ende der gewalttätigen 90er Jahre. Das Haus des OB's selbst wurde dabei bereits zweimal in wenigen Monaten zum Ziel von Farbanschlägen. Immer häufiger kommt es bei der Rückreise nach verhinderten Nazidemos zu spontanen Aufmärschen und Überfällen. Das Massenblockaden "erstmals eine erfolgversprechende Interventionsform gegen die seit 20 Jahren erstarkende extreme Rechte" bieten, wie es der Aufruf zur Bilanz- und Stragiekonferenz unter dem Titel "Dresden, Leipzig, Jena, Köln -- Wie weiter?" vollmundig vorgibt, ist zu bezweifeln. Wer denkt, gewachsenes demokratische Engagement gegen Naziaufmärsche bedeutet für Migranten, Homosexuelle, Linke und andere in Ostdeutschland nazifreie Straßen und eine schwindende Gefahr durch die Gewalt der flexiblen rechten Szene, täuscht sich. Das Gegenteil ist zu befürchten.

Die beschränkte Reduktion der Neonaziszene auf ihre Aufmärsche ist das taktische Abbild des inhaltlichen Defizits der zivilgesellschaftlichen Bündnisse und ihrer schwarz-gekleideten Anhängsel. Auch Phrasen wie "der Rechtsextremismus kommt aus der Mitte der Gesellschaft" können darüber nicht hinwegtäuschen, drücken sie doch viel mehr die Affirmation zur bürgerlichen Gesellschaft aus, die zwar irgendwas mit dem Extremismus der Neonazis zu tun hat -- schließlich ist man ja auch ein Volk -- letztlich aber doch die gute, zu verteidigende demokratisch-kapitalistische Ordnung hochschätzt.