Genmaisprozess: Feldbefreiungen sind wirksam

Eichhoernchen 03.06.2010 22:33 Themen: Biopolitik Ökologie
Auch am dritten Tag in der Berufungsverhandlung gegen die Feldbefreierin Cécile Lecomte in Würzburg ist kein Urteil gefallen. Die beiden geladenen Polizeizeugen waren im Urlaub. Sie wurden nun zum 8. und zum 28. Juni geladen. Stattdessen konnte sich Richter Dr. Heß ausführlich mit den Beweisanträgen der Angeklagten aus der letzten Sitzung beschäftigen. Das war dann auch nötig bei den komplexen Zusammenhängen, die die Angeklagte über die Gentechnik-Lobby in Deutschland darlegte. Sie hatte 2008 bei einer Aktion der Feldbefreiungs-Initiative Gendreck-weg in Kitzingen mitgewirkt, bei der ca. 1 ha des inzwischen verbotenen MON810-Maises unschädlich gemacht wurden.
Einen Meilenstein erbrachte die Beweisaufnahme: Der Richter nahm es als wahr an, dass Gentechnik gefährlich und Feldbefreiung ein wirksames Mittel dagegen sei. Nach der Einstellung des Hausfriedensbruchs beim letzten Verhandlungstag war dies ein weiterer Erfolg für die Aktivistin. In erster Instanz wurden ihre Anträge - zum Teil die selben wie nun in der Berufung vom autoritären Richter Beetz ausnahmslos als bedeutungslos oder unzulässig abgelehnt. Jetzt wird ihre wesentliche Bedeutung für das Verfahren doch anerkannt.
Vorsicht ist jedoch geboten. "Ein Freispruch wäre für die Deutsche Justiz eine Revolution, die diese konservative Institution nicht wagen wird", erklärte die Angeklagte. "Die Justiz steht nicht für Gleichheit, sondern für die Aufrechterhaltung der herrschenden Verhältnisse.Im konkreten Fall geht es darum, die Herrschaft der Gentechlobby zu verteidigen... trotz der Gefahren und trotz der Tatsache, dass die überwiegende Mehrheit der Menschen keine Gentechnik haben will."
Nichtsdestotrotz, will sich Cécile im kommenden Verlauf des Prozesses weiterhin mit den juristischen Tatbestandsmerkmalen des rechtfertigenden Notstandes auseinandersetzen und kräftig auf Freispruch plädieren. 'Kriminell ist die Gentechnik', befindet sie.

Manche betrachten die Strategie des Gerichtes, sämtliche Beweisanträge, welche auf den Nachweis der Gefährlichkeit der Agro-gentechnik zielten, als wahr zu unterstellen, als ein Ausweichen vor der Gewissensfrage: Wie gefährlich ist die Gentechnologie einzuschätzen ? - Risikotechnologien sind solche, wo eine Kontaminierung eine gesellschaftliche Auseinandersetzung früher oder später sinnlos macht. Die Verseuchung und Auskreuzung ist nicht nur unvermeidlich, sondern auch gewollt. Sowohl die Behörden, als auch die einzelnen Akteure der Gentechnik sind da verantwortlich. Wie sich auf der Vernehmung vom geschädigten Bauer Müller am zweiten Verhandlungtag herausstellte. Er gab, keine Probleme damit zu haben, wenn Mais nach der Ernte aus seinem Hänger herausfällt.

Dem Richter bereitete ein Antrag besonders Kopfzerbrechen. Darin wird der Filz zwischen Behörde und Gentechkonzerne thematisiert. In der Tat sind 100% der EntscheidungsträgerInnen und unterschriftleistenden Beamten in den für die Genehmigung von GVO zuständigen Ämtern (BVL, ZKBS, EFSA, vTI, JKI vehemente Befürworter der Gentechnik. Sie sind in verschiedenen Zusammenschlüssen vertreten, die sich der )Förderung der Agro-Gentechnik verschrieben haben, sie sprechen sich uneingeschränkt für die Gentechnik aus und treten zum Beispiel in Werbefilme für den Gentech-Konzern Monsanto auf, etc.
Ein Beschluss wird erst beim nächsten Prozesstag am 8. Juni verkündet. Zu diesem Termin ist ein Polizeizeuge geladen. Zu den Plädoyers wird es am 8. nicht kommen, weil der letzte Zeuge erst Mitte Juni aus dem Urlaub zurück kommt. Seine Vernehmung soll am 28. Juni erfolgen. Plädoyers und Urteil werden dann folgen.


Nächste Verhandlungstermine von Cécile Lecomte: 8. und 28.6., jeweils 11 Uhr, Landgericht Würzburg
Am 9. Juni um 9 Uhr sind drei weitere FeldbefreierInnen dran. Das wir ihr 2. Prozesstag sein.

1.Prozesstag:  http://de.indymedia.org/2010/04/279141.shtml
2.Prozesstag:  http://de.indymedia.org/2010/05/281698.shtml
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Ergänzungen

wohl kaum

tagmata 03.06.2010 - 23:05
"Die Verseuchung und Auskreuzung ist nicht nur unvermeidlich, sondern auch gewollt."

Unvermeidlich definitiv (zumindest bei manchen Arten). Gewollt wohl kaum. Die Entwicklung einer kommerziell erfolgreichen transgenen Sorte ist immer noch ein so riskantes Spiel mit so hohem Aufwand, daß kein Konzern ein potentielles Goldkräutchen frei herumbestäuben lassen würde. Wenn sie es denn verhindern könnten.

Wäre evtl vielversprechender, den Umstand anzusprechen daß es TROTZ aller Gegenmaßnahmen zu Auskreuzungen kommt. Daß wir es hier also mit einer Technologie zu tun haben, deren Funktionsfähigkeit nur in wenigen Einzelfällen überhaupt überprüfbar ist, sie aber gleichzeitig dazu tendiert, alternative Technologien zu verdrängen. Ohne daß irgendjemand eine Wahl hätte; Evolution nimmt auf Bauern nun mal keine Rücksicht.

Es ist letzten Endes wie das Freisetzen irgendeiner potentiell invasiven Art in irgendeinem Ökosystem. Viele transgenen Organismen halten sich nicht lange in the wild und sind nicht so schädlich, daß es auffallen würde. Das Problem ist, einige sind eher so mit Himalayaspringkraut oder Riesenbärenklau zu vergleichen (herbizid- oder insektenresistenter Raps ist einfach ne Pest am Arsch. Kein nicht-Raps-Bauer will das Zeug in seinem Acker haben[*]). Und die Eigenschaften die sie unangenehm machen, sind potentiell übertragbar. Und ob das alles der Fall ist, kann kein Wissenschaftler sagen, bevor das Zeug nicht schon zum Problem geworden ist. Wir wissen einfach einen verdammten Scheiß über die evolutionäre Dynamik transgener Nutzpflanzen (zumindest von den hardcore-Problemkandidaten... aber Baumwolle baut in D ja keiner an).

Aber cooler Ansatz. Es ist ohnehin nicht zu erwarten, daß das bundesdeutsche Justizsystem in der Lage ist, fundiert über diese Dinge zu urteilen. Da muß mehr Grundlagenwissen her. Zu transgenen Organismen gibt es ja noch nicht so superviel, aber zur den Auswirkungen einer robusteren neu-eingeführten Art, die Verwandte aus ihrer ökologischne Nische raus in den Abgrund drängt, gibt es ja so einiges. Da besteht grundsätzlich eine gewisse Vergleichbarkeit, nur halt daß bei transgenen noch potentiell der Multiplikatoreffekt durch Auskreuzung hinzukommt.

* Da ist dann auch die konventionelle Landwirtschaft betroffen, und in diesem Punkt stärker als kbA.

@ vorposter

hat hier nichts zu suchen 04.06.2010 - 01:15
Natürlich ist das wilde Aussamen gewollt! Schließlich gibt Monsanto nicht um sonst Millionen dafür aus, gentechnisch veränderte Produkte unter Patent zu stellen! Jeder, der diese Planze ohne Lizenz anbaut macht sich nach deutschem Recht strafbar - auch wenn er nicht weis, dass "sein" Produkt davon betroffen ist. Unwissenheit schützt vor Strafe nicht. Wie das mit Kreuzungen mit herkömmlichen Arten aussieht, weis ich nicht. Dennoch stehen hier unleugbar Profitinteressen im Vordergrund.

Aktionsform ist gut, alles Gute für den restlichen Prozess!
Kapitalismus stoppen - jetzt und überall!

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