Interview mit "Mediaspree-Entern"-Aktivistin

Interviewer 03.06.2010 20:54 Themen: Freiräume Soziale Kämpfe
Ein Interview mit einer Aktivistin von Mediaspree Entern über den Aktionstag, Stadt im Kapitalismus und "50m-Uferstreifen"-Forderungen.Es wird auf die Mobilisierung, die Entwicklung des Mediaspree-Protestes, seine Schwierigkeiten und Unzulänglichkeiten eingegangen. Es geht um die inhaltliche Ausrichtung des Protestes und die Perspektiven einer Bewegung, die die Rolle der Stadt im Kapitalismus thematisiert.
Interview mit "Mediaspree-Entern"-Aktivistin


Frage: Warum macht ihr den Aktionstag "Mediaspree entern !" ? Ist das Thema nicht schon längst tot ?

Maria: Auch wir haben am Anfang unserer Mobilisierung festgestellt, dass das Thema "Mediaspree" nicht mehr so präsent ist, wie vor zwei Jahren. Mediaspree bleibt aber ein zentraler Bestandteil der neoliberalen Stadtumstrukturierung in Berlin. Der Kampf gegen Mediaspree bleibt deswegen notwendig und kann im übrigen an die vielfältigen Aktionen, die es in diesem Zusammenhang schon gab, anknüpfen. Immerhin haben fast 30.000 Menschen aus Friedrichshain-Kreuzberg vor zwei Jahren gegen die Pläne gestimmt und sich an Dutzenden Demonstrationen und Aktionen beteiligt. Die Kampagne gegen Mediaspree war sicherlich ein zentraler Bestandteil der neuen Debatte über Stadt und Kapitalismus.


Frage: Hat die parlamentarische Behandlung des Themas in einem Sonderausschuss der Bewegung geschadet ? Warum konnte die anfängliche Dynamik nicht gehalten werden ?

Maria: Uns war immer klar, dass eine reine parlamentarische Behandlung des Themas nicht der richtige Weg ist. Der Ausstieg aus dem Sonderausschuss ist deswegen auch nur konsequent. Die Politik reagiert eben nur auf Druck, wenn dieser fehlt, können auch mit irgendwelchen Verhandlungen keine Fortschritte erzielt werden.
Gleichzeitig war das Bürger_innenbegehren auch ein Erfolg. Mit diesem legalistischen Mittel konnten Menschen erreicht werden, die sich sicherlich nicht an vielen linken oder linksradikalen Aktivitäten beteiligen. Der Einsatz des Mittels war bestimmt ein Grund für die Breite der Bewegung, genauso wie für das Absterben der Dynamik.
Es ist aber ebenfalls festzustellen, dass sich in den letzten 2 Jahren viele Initiativen in der Stadt gegründet haben, die gegen die kapitalistische Vereinnahmung der Stadt protestieren. Die Ruhe im Mediaspree-Gebiet ist auch darauf zurückzuführen, dass auch andere stadtpolitische Themen wie Tempelhof oder steigende Mieten im letzten Jahr in den Mittelpunkt gerückt sind.


Frage: Ihr sagt, dass am Spreeufer weiter gebaut wird, dass der Protest nicht geholfen hat. Führt diese realistische Einschätzung nicht dazu, dass die Menschen demotiviert werden, dass sie nicht mehr wissen, warum sie überhaupt protestieren ?

Maria: Wir sind hier in einem wirklichen Dilemma. Wir glauben natürlich nicht, dass sich eine Stadt für alle in einer kapitalistischen Wirtschaftsordnung realisieren lässt. Gleichzeitig erachten wir es notwendig in bestehende Konflikte einzugreifen oder diese zu schaffen um Kritik sichtbar und spürbar werden zu lassen. Wir finden es richtig die Spielräume, die es trotz allem gibt, auszunutzen. Dabei sollte natürlich nicht vergessen werden, dass das Ziel unserer Arbeit nicht die Verhinderung eines Hochhauses oder 50m-Uferstreifen ist, sondern eine Stadt, die für alle Menschen lebenswert ist und damit einhergehend natürlich die tiefgreifende Veränderung der bestehenden Gesellschaftsordnung, die Schaffung einer befreiten Gesellschaft.


Frage: Wie versprecht ihr euch den Fortschritte zu einer lebenswerten Stadt durch einen simplen Aktionstag mit Johnny Depp-Plakaten und Expert_innenwissen über Grundstücksverkäufe ?

Maria: Wir finden die Mobilisierung von Mitstreiter_innen sollte über deren unmittelbares Interesse erfolgen. Um eine Entwicklung, wie die am Spreeufer, verstehen zu können, ist es auch notwendig über die Vorgänge detailliert informiert zu sein. Dieses Detailwissen gibt einem die Möglichkeit in einen Diskurs auch einzugreifen, ein anderes Interesse, als das herrschende, deutlich zu machen. Trotzdem muss festgestellt werden, dass eine starke Beschäftigung mit Grundstückseigentümern und Bebauungsplänen dazu führen kann, dass ein Thema entpolitisiert wird, dass es sich nur noch für Expert_innen erschließt.
Den Aktionstag halten wir für die richtige Antwort auf die ablaufende Entwicklung. Er soll ein kollektives Zeichen gegen Mediaspree und die kapitalistische Stadtumstrukturierung setzen, die Menschen aus ihrer Vereinzelung, ihrer Ohnmacht gegenüber Miete und Wohnungsmarkt zumindest für einen Tag durchbrechen und ein Spreeufer für alle kurzzeitig Wirklichkeit werden zu lassen. Für uns spielt das Element der Selbstermächtigung eine zentrale Rolle. Wir fordern keine Grundstücke vom Staat oder von Konzernen, sondern lassen das Unmögliche möglich werden, indem wir das Spreeufer selber machen und unsere Handlungen nicht von der kapitalistischen Verwertung bestimmen lassen. Erstmal nur für diesen Tag...


Frage: Wie wird der Aktionstag aussehen ?

Maria: Es wird zwei Demonstrationen geben. Die eine startet am Boxhagener Platz, die andere am Kottbuser Tor, beide um 13:30. Die Demonstrationen treffen sich auf der Oberbaumbrücke. Im Anschluss beginnt dann die sogenannte Aktionsphase. In großen und kleinen Gruppen sollen Grundstücke besucht und verändert werden. Eine Karte findet man hier: Aktionskarte. Darauf finden sich auch viele weitere Anregungen für dezentrale Aktivitäten.
Um 18 Uhr gibt es dann einen gemeinsamen Abschluss. Alle sollen zur Spree kommen und für wenige Minuten richtig Lärm machen.
Den ganzen Aktionstag über gibt es ein Pirat_innenradio auf 95,2 Mhz, Infostände (Bödi, Köpi mit Vokü, Yaam) und ein Straßenfest mit Livemusik. Einen ausführlichen Indymedia-Artikel gibt es zum Konzept auch schon.


Frage: War es das dann erstmal wieder mit dem Protest oder wie soll es weitergehen ?

Maria: Es geht bestimmt weiter, aber wie genau wissen wir noch nicht. Wir werden sicherlich erstmal den Aktionstag auswerten und schauen, ob es uns gelungen ist, wieder Menschen für das Thema zu begeistern. Im nächsten Jahr ist im übrigen auch die Wahl des Berliner Senats, bestimmt eine günstige Zeit um nochmals auf die unsoziale Stadtpolitik des Senats hinzuweisen und Druck auf die Regierenden auszuüben. Und natürlich haben wir weiterhin die Hoffnung die kapitalistische Verwertung von Stadt grundlegend und mit vielen Menschen anzugreifen.
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Ergänzungen

5. Juni: Lehmbruckpark für Anwohner/innen

Rudolf Kiets 04.06.2010 - 00:58
Im Netz findet sich auf einem neu eingerichteten Blog eine Ankündigung, dass am Samstag, passend zum Aktionstag Mediaspree entern!, ein Anwohner/innen-Park in der sogenannten "Oberbaum-City" (Immobilien-Marketing-Sprech) eröffnet weren soll. Anwohner/innen werden dazu aufgerufen, die bisher eingezäunte Wiese, auf der irgendwann einmal in ferner Zukunft gebaut werden soll, in Eigeninitiative zum Park bzw. Garten umzugestalten. Das Grundstück gehört mitsamt den Bürogebäuden der Oberbaum-City (früher: Narva-Glühlampen-Fabrik) dem Immobilienunternehmen HVB Immobilien. HVB steht für HypoVereinsBank, die als eine der größten Banken hierzulande wiederum Teil des Finanzkonzerns UniCredit Group ist. Wikipedia gibt für die UniCredit Group einen Nettogewinn von 937 Mrd. Euro im letzten Jahr an. Aus den Geschäftsberichten geht hervor, dass die Gewinne steigen, während die Zahl der Angestellten sinkt. Nun zirkuliert neben dem Lehmburckpark-Blog noch ein Schreiben an die Anwohner/innen, das im Stil eines offiziellen Briefes der HVB Immobilien gehalten ist. Darin heißt es unter anderem:
Sie alle sind herzlich eingeladen, mit uns zu feiern! Kommen Sie auf das Gelände. Sie können Grillen, Fußball spielen oder sich in der Sonne ausruhen. Helfen Sie mit, dass der Park schöner wird. Pflanzen Sie Blumen und Bäume! Der Park hat zwei Eingänge, einen in der Rotherstraße und einen in der Ehrenbergstraße. Es gibt ein kleines Problem: wir haben die Schlüssel für die Tore verloren. Bis wir die Schlüssel wiedergefunden haben und die Tore aufschließen künnen, benutzen Sie bitte die Löcher im Zaun in der Lehmbruckstraße.

Vorbereitungen für Sa. laufen auf Hochtouren

A. Dreher 04.06.2010 - 02:31
wie ein Blick in einer der vielen Werkstätten zeigt (klicke auf das Bild, für größere Ansicht):

Die Vorbereitungen für 'MediaSpree entern!' laufen auf Hochtouren!

Extreme Mietsteigerungen auch in X-Berg

F. Zeltmann 04.06.2010 - 07:29
“Im Stadtteil Prenzlauer Berg sind die Mietpreise für Neubau-Wohnimmobilien zwischen 2003 und 2009 um 43 Prozent gestiegen - so stark wie nirgendwo sonst in Berlin. Das geht aus einer Erhebung des Marktforschungsinstituts BulwienGesa hervor, das die aktuelle Bautätigkeit im Bereich Wohnen stadtweit untersucht hat. Auch die Preise für neue Eigentumswohnungen sind in einigen zentral gelegenen Stadtteilen deutlich in die Höhe geschnellt. Mit Abstand an der Spitze: Kreuzberg mit 30 und Schöneberg mit 28 Prozent Kostenanstieg.“

Quelle von heute: http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/archiv/.bin/dump.fcgi/2010/0604/berlin/0089/index.html

Die Wetterausichten sind super für morgen, Samstag.

Der Sommer ist da!

Es geht auch um die alte Eisfabrik in der Köpenicker Straße ...

Gentrification in Berlin-Wedding?

Politisches Café Wedding 04.06.2010 - 09:34
Am 13. Mai fand im Hausprojekt "Scherer8" im Wedding (Berlin) eine Veranstaltung zum Thema "Gentrification im Wedding" statt. Diskuttiert wurde über verschiedene Dimensionen der Aufwertung von Vierteln und der Verdrängung von sog. "sozial schwachen Bevölkerungsgruppen". Zahlreiche Anwohner_innen berichteten über problematische Veränderungen in ihrer Nachbarschaft. Ein ausführlicher Veranstaltungsbericht wurde auf dem Gentrification Blog veröffentlicht. Der Artikel "Im Schatten der Aufwertung" ist unter dem unten angegebenen Link abrufbar.

Am 10. Juni findet nun eine Folgeveranstaltung statt. Diesmal geht es beim "Politischen Café" um Handlungsperspektiven im Kampf für bezahlbaren Wohnraum und auf ein "Recht auf Stadt". Im Veranstaltungsaufruf heißt es:

"Der Wedding wird in absehbarer Zeit wohl kein zweites „Prenzlberg“. Bestrebungen das eher ramponierte Image des Stadtteils in unmittelbarer Nähe zur „Neuen Mitte“ und zum Regierungsviertel aufzupolieren und attraktiv für Investoren zu machen, gibt es aber allemal. Anwohner_innen berichteten in einer ersten Veranstaltung zu „Gentrifizierung“ im Mai zudem von städtebaulichen Veränderungen, Sanierungsmaßnahmen und steigenden Mieten. Mit Blick auf andere Innenstadtviertel ist zu befürchten, dass ein schleichender Prozess der Aufwertung in Gang gesetzt wird, der zur Verdrängung gesellschaftlich ausgegrenzter und ökonomisch marginalisierter Bevölkerungsgruppen führt.

Im Rahmen des regelmäßig in der Scherer 8 stattfindenden „Politischen Cafés“ wollen wir in Anschluss an die Auftaktveranstaltung im Mai diskutieren, was linke Initiativen problematischen Entwicklungen entgegensetzen können. Stadtteilinitiativen und politische Aktivist_innen werden einen Überblick über unterschiedliche Handlungsmöglichkeiten geben. Nicht zuletzt soll es auch darum gehen, wie wir unsere Bedürfnisse und Forderungen nach einem „Recht auf Stadt“ Ausdruck verleihen können."

Also: 10.06.2010, 20:00 Uhr, Schererstraße 8 (S+U Wedding)
Was tun!? Gegen Stadtumstrukturierung, Mieterhöhungen, Verdrängung und „Gentrifizierung“ im Wedding – Part II


Haus einer Fernsehproduktionsfirma beschädigt

xxx 04.06.2010 - 09:46
Mehrere Unbekannte beschädigten in der vergangenen Nacht in Friedrichshain die Fassade eines Werftgebäudes an der Stralauer Allee.
Ein 32-jähriger Mitarbeiter einer Sicherheitsfirma wurde kurz nach 2 Uhr auf die Täter aufmerksam, nachdem diese großflächig die Fenster- und Natursteinfassade einer Fernsehproduktionsfirma mit einer teerartigen Substanz beschmiert hatten. Alarmierte Polizeibeamte fanden in unmittelbarer Nähe mehrere herausgelöste Kleinpflastersteine und zerbrochene Glasflaschen mit Resten einer teerartigen Substanz. Die Täter konnten entkommen. Derzeit ist ein Zusammenhang mit Protesten gegen die Ufernutzungspläne in diesem Bezirk nicht auszuschließen.
Der Polizeiliche Staatsschutz beim Landeskriminalamt hat die weiteren Ermittlungen übernommen.
 http://www.berlin.de/polizei/presse-fahndung/archiv/298055/index.html

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Kreuzberg ist tot. — Ex-XbergA