Interview mit "Mediaspree-Entern"-Aktivistin
Ein Interview mit einer Aktivistin von Mediaspree Entern über den Aktionstag, Stadt im Kapitalismus und "50m-Uferstreifen"-Forderungen.Es wird auf die Mobilisierung, die Entwicklung des Mediaspree-Protestes, seine Schwierigkeiten und Unzulänglichkeiten eingegangen. Es geht um die inhaltliche Ausrichtung des Protestes und die Perspektiven einer Bewegung, die die Rolle der Stadt im Kapitalismus thematisiert.
Interview mit "Mediaspree-Entern"-Aktivistin
Frage: Warum macht ihr den Aktionstag "Mediaspree entern !" ? Ist das Thema nicht schon längst tot ?
Maria: Auch wir haben am Anfang unserer Mobilisierung festgestellt, dass das Thema "Mediaspree" nicht mehr so präsent ist, wie vor zwei Jahren. Mediaspree bleibt aber ein zentraler Bestandteil der neoliberalen Stadtumstrukturierung in Berlin. Der Kampf gegen Mediaspree bleibt deswegen notwendig und kann im übrigen an die vielfältigen Aktionen, die es in diesem Zusammenhang schon gab, anknüpfen. Immerhin haben fast 30.000 Menschen aus Friedrichshain-Kreuzberg vor zwei Jahren gegen die Pläne gestimmt und sich an Dutzenden Demonstrationen und Aktionen beteiligt. Die Kampagne gegen Mediaspree war sicherlich ein zentraler Bestandteil der neuen Debatte über Stadt und Kapitalismus.
Frage: Hat die parlamentarische Behandlung des Themas in einem Sonderausschuss der Bewegung geschadet ? Warum konnte die anfängliche Dynamik nicht gehalten werden ?
Maria: Uns war immer klar, dass eine reine parlamentarische Behandlung des Themas nicht der richtige Weg ist. Der Ausstieg aus dem Sonderausschuss ist deswegen auch nur konsequent. Die Politik reagiert eben nur auf Druck, wenn dieser fehlt, können auch mit irgendwelchen Verhandlungen keine Fortschritte erzielt werden.
Gleichzeitig war das Bürger_innenbegehren auch ein Erfolg. Mit diesem legalistischen Mittel konnten Menschen erreicht werden, die sich sicherlich nicht an vielen linken oder linksradikalen Aktivitäten beteiligen. Der Einsatz des Mittels war bestimmt ein Grund für die Breite der Bewegung, genauso wie für das Absterben der Dynamik.
Es ist aber ebenfalls festzustellen, dass sich in den letzten 2 Jahren viele Initiativen in der Stadt gegründet haben, die gegen die kapitalistische Vereinnahmung der Stadt protestieren. Die Ruhe im Mediaspree-Gebiet ist auch darauf zurückzuführen, dass auch andere stadtpolitische Themen wie Tempelhof oder steigende Mieten im letzten Jahr in den Mittelpunkt gerückt sind.
Frage: Ihr sagt, dass am Spreeufer weiter gebaut wird, dass der Protest nicht geholfen hat. Führt diese realistische Einschätzung nicht dazu, dass die Menschen demotiviert werden, dass sie nicht mehr wissen, warum sie überhaupt protestieren ?
Maria: Wir sind hier in einem wirklichen Dilemma. Wir glauben natürlich nicht, dass sich eine Stadt für alle in einer kapitalistischen Wirtschaftsordnung realisieren lässt. Gleichzeitig erachten wir es notwendig in bestehende Konflikte einzugreifen oder diese zu schaffen um Kritik sichtbar und spürbar werden zu lassen. Wir finden es richtig die Spielräume, die es trotz allem gibt, auszunutzen. Dabei sollte natürlich nicht vergessen werden, dass das Ziel unserer Arbeit nicht die Verhinderung eines Hochhauses oder 50m-Uferstreifen ist, sondern eine Stadt, die für alle Menschen lebenswert ist und damit einhergehend natürlich die tiefgreifende Veränderung der bestehenden Gesellschaftsordnung, die Schaffung einer befreiten Gesellschaft.
Frage: Wie versprecht ihr euch den Fortschritte zu einer lebenswerten Stadt durch einen simplen Aktionstag mit Johnny Depp-Plakaten und Expert_innenwissen über Grundstücksverkäufe ?
Maria: Wir finden die Mobilisierung von Mitstreiter_innen sollte über deren unmittelbares Interesse erfolgen. Um eine Entwicklung, wie die am Spreeufer, verstehen zu können, ist es auch notwendig über die Vorgänge detailliert informiert zu sein. Dieses Detailwissen gibt einem die Möglichkeit in einen Diskurs auch einzugreifen, ein anderes Interesse, als das herrschende, deutlich zu machen. Trotzdem muss festgestellt werden, dass eine starke Beschäftigung mit Grundstückseigentümern und Bebauungsplänen dazu führen kann, dass ein Thema entpolitisiert wird, dass es sich nur noch für Expert_innen erschließt.
Den Aktionstag halten wir für die richtige Antwort auf die ablaufende Entwicklung. Er soll ein kollektives Zeichen gegen Mediaspree und die kapitalistische Stadtumstrukturierung setzen, die Menschen aus ihrer Vereinzelung, ihrer Ohnmacht gegenüber Miete und Wohnungsmarkt zumindest für einen Tag durchbrechen und ein Spreeufer für alle kurzzeitig Wirklichkeit werden zu lassen. Für uns spielt das Element der Selbstermächtigung eine zentrale Rolle. Wir fordern keine Grundstücke vom Staat oder von Konzernen, sondern lassen das Unmögliche möglich werden, indem wir das Spreeufer selber machen und unsere Handlungen nicht von der kapitalistischen Verwertung bestimmen lassen. Erstmal nur für diesen Tag...
Frage: Wie wird der Aktionstag aussehen ?
Maria: Es wird zwei Demonstrationen geben. Die eine startet am Boxhagener Platz, die andere am Kottbuser Tor, beide um 13:30. Die Demonstrationen treffen sich auf der Oberbaumbrücke. Im Anschluss beginnt dann die sogenannte Aktionsphase. In großen und kleinen Gruppen sollen Grundstücke besucht und verändert werden. Eine Karte findet man hier: Aktionskarte. Darauf finden sich auch viele weitere Anregungen für dezentrale Aktivitäten.
Um 18 Uhr gibt es dann einen gemeinsamen Abschluss. Alle sollen zur Spree kommen und für wenige Minuten richtig Lärm machen.
Den ganzen Aktionstag über gibt es ein Pirat_innenradio auf 95,2 Mhz, Infostände (Bödi, Köpi mit Vokü, Yaam) und ein Straßenfest mit Livemusik. Einen ausführlichen Indymedia-Artikel gibt es zum Konzept auch schon.
Frage: War es das dann erstmal wieder mit dem Protest oder wie soll es weitergehen ?
Maria: Es geht bestimmt weiter, aber wie genau wissen wir noch nicht. Wir werden sicherlich erstmal den Aktionstag auswerten und schauen, ob es uns gelungen ist, wieder Menschen für das Thema zu begeistern. Im nächsten Jahr ist im übrigen auch die Wahl des Berliner Senats, bestimmt eine günstige Zeit um nochmals auf die unsoziale Stadtpolitik des Senats hinzuweisen und Druck auf die Regierenden auszuüben. Und natürlich haben wir weiterhin die Hoffnung die kapitalistische Verwertung von Stadt grundlegend und mit vielen Menschen anzugreifen.
Frage: Warum macht ihr den Aktionstag "Mediaspree entern !" ? Ist das Thema nicht schon längst tot ?
Maria: Auch wir haben am Anfang unserer Mobilisierung festgestellt, dass das Thema "Mediaspree" nicht mehr so präsent ist, wie vor zwei Jahren. Mediaspree bleibt aber ein zentraler Bestandteil der neoliberalen Stadtumstrukturierung in Berlin. Der Kampf gegen Mediaspree bleibt deswegen notwendig und kann im übrigen an die vielfältigen Aktionen, die es in diesem Zusammenhang schon gab, anknüpfen. Immerhin haben fast 30.000 Menschen aus Friedrichshain-Kreuzberg vor zwei Jahren gegen die Pläne gestimmt und sich an Dutzenden Demonstrationen und Aktionen beteiligt. Die Kampagne gegen Mediaspree war sicherlich ein zentraler Bestandteil der neuen Debatte über Stadt und Kapitalismus.
Frage: Hat die parlamentarische Behandlung des Themas in einem Sonderausschuss der Bewegung geschadet ? Warum konnte die anfängliche Dynamik nicht gehalten werden ?
Maria: Uns war immer klar, dass eine reine parlamentarische Behandlung des Themas nicht der richtige Weg ist. Der Ausstieg aus dem Sonderausschuss ist deswegen auch nur konsequent. Die Politik reagiert eben nur auf Druck, wenn dieser fehlt, können auch mit irgendwelchen Verhandlungen keine Fortschritte erzielt werden.
Gleichzeitig war das Bürger_innenbegehren auch ein Erfolg. Mit diesem legalistischen Mittel konnten Menschen erreicht werden, die sich sicherlich nicht an vielen linken oder linksradikalen Aktivitäten beteiligen. Der Einsatz des Mittels war bestimmt ein Grund für die Breite der Bewegung, genauso wie für das Absterben der Dynamik.
Es ist aber ebenfalls festzustellen, dass sich in den letzten 2 Jahren viele Initiativen in der Stadt gegründet haben, die gegen die kapitalistische Vereinnahmung der Stadt protestieren. Die Ruhe im Mediaspree-Gebiet ist auch darauf zurückzuführen, dass auch andere stadtpolitische Themen wie Tempelhof oder steigende Mieten im letzten Jahr in den Mittelpunkt gerückt sind.
Frage: Ihr sagt, dass am Spreeufer weiter gebaut wird, dass der Protest nicht geholfen hat. Führt diese realistische Einschätzung nicht dazu, dass die Menschen demotiviert werden, dass sie nicht mehr wissen, warum sie überhaupt protestieren ?
Maria: Wir sind hier in einem wirklichen Dilemma. Wir glauben natürlich nicht, dass sich eine Stadt für alle in einer kapitalistischen Wirtschaftsordnung realisieren lässt. Gleichzeitig erachten wir es notwendig in bestehende Konflikte einzugreifen oder diese zu schaffen um Kritik sichtbar und spürbar werden zu lassen. Wir finden es richtig die Spielräume, die es trotz allem gibt, auszunutzen. Dabei sollte natürlich nicht vergessen werden, dass das Ziel unserer Arbeit nicht die Verhinderung eines Hochhauses oder 50m-Uferstreifen ist, sondern eine Stadt, die für alle Menschen lebenswert ist und damit einhergehend natürlich die tiefgreifende Veränderung der bestehenden Gesellschaftsordnung, die Schaffung einer befreiten Gesellschaft.
Frage: Wie versprecht ihr euch den Fortschritte zu einer lebenswerten Stadt durch einen simplen Aktionstag mit Johnny Depp-Plakaten und Expert_innenwissen über Grundstücksverkäufe ?
Maria: Wir finden die Mobilisierung von Mitstreiter_innen sollte über deren unmittelbares Interesse erfolgen. Um eine Entwicklung, wie die am Spreeufer, verstehen zu können, ist es auch notwendig über die Vorgänge detailliert informiert zu sein. Dieses Detailwissen gibt einem die Möglichkeit in einen Diskurs auch einzugreifen, ein anderes Interesse, als das herrschende, deutlich zu machen. Trotzdem muss festgestellt werden, dass eine starke Beschäftigung mit Grundstückseigentümern und Bebauungsplänen dazu führen kann, dass ein Thema entpolitisiert wird, dass es sich nur noch für Expert_innen erschließt.
Den Aktionstag halten wir für die richtige Antwort auf die ablaufende Entwicklung. Er soll ein kollektives Zeichen gegen Mediaspree und die kapitalistische Stadtumstrukturierung setzen, die Menschen aus ihrer Vereinzelung, ihrer Ohnmacht gegenüber Miete und Wohnungsmarkt zumindest für einen Tag durchbrechen und ein Spreeufer für alle kurzzeitig Wirklichkeit werden zu lassen. Für uns spielt das Element der Selbstermächtigung eine zentrale Rolle. Wir fordern keine Grundstücke vom Staat oder von Konzernen, sondern lassen das Unmögliche möglich werden, indem wir das Spreeufer selber machen und unsere Handlungen nicht von der kapitalistischen Verwertung bestimmen lassen. Erstmal nur für diesen Tag...
Frage: Wie wird der Aktionstag aussehen ?
Maria: Es wird zwei Demonstrationen geben. Die eine startet am Boxhagener Platz, die andere am Kottbuser Tor, beide um 13:30. Die Demonstrationen treffen sich auf der Oberbaumbrücke. Im Anschluss beginnt dann die sogenannte Aktionsphase. In großen und kleinen Gruppen sollen Grundstücke besucht und verändert werden. Eine Karte findet man hier: Aktionskarte. Darauf finden sich auch viele weitere Anregungen für dezentrale Aktivitäten.
Um 18 Uhr gibt es dann einen gemeinsamen Abschluss. Alle sollen zur Spree kommen und für wenige Minuten richtig Lärm machen.
Den ganzen Aktionstag über gibt es ein Pirat_innenradio auf 95,2 Mhz, Infostände (Bödi, Köpi mit Vokü, Yaam) und ein Straßenfest mit Livemusik. Einen ausführlichen Indymedia-Artikel gibt es zum Konzept auch schon.
Frage: War es das dann erstmal wieder mit dem Protest oder wie soll es weitergehen ?
Maria: Es geht bestimmt weiter, aber wie genau wissen wir noch nicht. Wir werden sicherlich erstmal den Aktionstag auswerten und schauen, ob es uns gelungen ist, wieder Menschen für das Thema zu begeistern. Im nächsten Jahr ist im übrigen auch die Wahl des Berliner Senats, bestimmt eine günstige Zeit um nochmals auf die unsoziale Stadtpolitik des Senats hinzuweisen und Druck auf die Regierenden auszuüben. Und natürlich haben wir weiterhin die Hoffnung die kapitalistische Verwertung von Stadt grundlegend und mit vielen Menschen anzugreifen.
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(Moderationskriterien von Indymedia Deutschland)
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Ergänzungen
5. Juni: Lehmbruckpark für Anwohner/innen
Vorbereitungen für Sa. laufen auf Hochtouren
Extreme Mietsteigerungen auch in X-Berg
Quelle von heute: http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/archiv/.bin/dump.fcgi/2010/0604/berlin/0089/index.html
Die Wetterausichten sind super für morgen, Samstag.
Es geht auch um die alte Eisfabrik in der Köpenicker Straße ...
Gentrification in Berlin-Wedding?
Am 10. Juni findet nun eine Folgeveranstaltung statt. Diesmal geht es beim "Politischen Café" um Handlungsperspektiven im Kampf für bezahlbaren Wohnraum und auf ein "Recht auf Stadt". Im Veranstaltungsaufruf heißt es:
"Der Wedding wird in absehbarer Zeit wohl kein zweites „Prenzlberg“. Bestrebungen das eher ramponierte Image des Stadtteils in unmittelbarer Nähe zur „Neuen Mitte“ und zum Regierungsviertel aufzupolieren und attraktiv für Investoren zu machen, gibt es aber allemal. Anwohner_innen berichteten in einer ersten Veranstaltung zu „Gentrifizierung“ im Mai zudem von städtebaulichen Veränderungen, Sanierungsmaßnahmen und steigenden Mieten. Mit Blick auf andere Innenstadtviertel ist zu befürchten, dass ein schleichender Prozess der Aufwertung in Gang gesetzt wird, der zur Verdrängung gesellschaftlich ausgegrenzter und ökonomisch marginalisierter Bevölkerungsgruppen führt.
Im Rahmen des regelmäßig in der Scherer 8 stattfindenden „Politischen Cafés“ wollen wir in Anschluss an die Auftaktveranstaltung im Mai diskutieren, was linke Initiativen problematischen Entwicklungen entgegensetzen können. Stadtteilinitiativen und politische Aktivist_innen werden einen Überblick über unterschiedliche Handlungsmöglichkeiten geben. Nicht zuletzt soll es auch darum gehen, wie wir unsere Bedürfnisse und Forderungen nach einem „Recht auf Stadt“ Ausdruck verleihen können."
Also: 10.06.2010, 20:00 Uhr, Schererstraße 8 (S+U Wedding)
Was tun!? Gegen Stadtumstrukturierung, Mieterhöhungen, Verdrängung und „Gentrifizierung“ im Wedding – Part II
Haus einer Fernsehproduktionsfirma beschädigt
Ein 32-jähriger Mitarbeiter einer Sicherheitsfirma wurde kurz nach 2 Uhr auf die Täter aufmerksam, nachdem diese großflächig die Fenster- und Natursteinfassade einer Fernsehproduktionsfirma mit einer teerartigen Substanz beschmiert hatten. Alarmierte Polizeibeamte fanden in unmittelbarer Nähe mehrere herausgelöste Kleinpflastersteine und zerbrochene Glasflaschen mit Resten einer teerartigen Substanz. Die Täter konnten entkommen. Derzeit ist ein Zusammenhang mit Protesten gegen die Ufernutzungspläne in diesem Bezirk nicht auszuschließen.
Der Polizeiliche Staatsschutz beim Landeskriminalamt hat die weiteren Ermittlungen übernommen.
http://www.berlin.de/polizei/presse-fahndung/archiv/298055/index.html
Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen
Kreuzberg ist tot. — Ex-XbergA