[HRO] Genfeldprozess: Großeinsatz im Gericht

Schmerstin Kidt 03.06.2010 01:53 Themen: Biopolitik Repression
Am 1. Juni 2010 sollte im Amtsgericht Rostock die Verhandlung gegen drei GentechnikkritikerInnen stattfinden, die aufgrund eines Strafbefehls wegen einer Genfeldbesetzung im April 2009 wegen Hausfriedensbruch angeklagt sind. Dazu kam es jedoch nicht. Der zuständige Richter Ralf Klimasch ließ bereits nach einer Viertelstunde auf Antrag der Staatsanwältin den Gerichtssaal von einem Großaufgebot der Rostocker Polizei räumen, ohne überhaupt eine einzige inhaltliche Sache geklärt zu haben.
Die absolut friedliche Verhandlung endete jäh durch das Eingreifen der staatlichen Schlägertruppen in Form von Justizwachmenschen sowie von ca. 30-50 Polizist_innen. Offenbar fühlte sich der Richter in seiner Ehre gekränkt, weil er seine gewohnten Prozessabläufe nicht mit Worten durchsetzen konnte. Also musste er auf seine Handlanger_innen zurückgreifen.

Schon zu Beginn entbrannte eine Diskussion über einen Kopfschmuck eines Zuschauers, den dieser trotz Aufforderung des Richters nicht abnehmen wollte. Als der Richter ihn aufforderte, seinen „Hut und anderes“ auszuziehen, nahm er diesen ab und fing an Schuhe, Socken und weitere Kleidungsstücke abzulegen. Jedoch fand der Richter keinen souveränen Umgang damit und hinderte obendrein noch einen Angeklagten an der Verlesung eines Antrags.

Nach einer kurzen Pause gab der Richter dem zwischenzeitlich gestellten Antrag der Staatsanwältin auf Räumung des Saals statt und alles, was die Rostocker Polizei spontan zu bieten hatte, erschien im Gericht.Die Zuschauer_innen wurden einzeln aus dem Saal gezerrt, wobei sich manche mit Kabelbindern an den Stühlen befestigt hatten.
Die Überforderung dabei war den Polizist_innen deutlich anzumerken, da sie ihre Maßnahmen teilweise mit erheblicher Brutalität wie Schubsen, Würgen und zu Boden schmeißen, durchführten. So fühlte sich die Staatsmacht gezwungen, alle Personen im Gerichtsflur zu kesseln um deren Personalien aufzunehmen. Nicht einmal zwei Kleinkinder, die mit ihrer Mutter vor Ort waren, schreckten die Beamt_innen ab. Auch ein Polizist in Zivil, der von Anfang unter den Zuschauer_innen war, traute sich bei Anwesenheit seiner Kolleg_innen, mit einzugreifen. Von diesen Maßnahmen betroffen waren auch die Angeklagten, obwohl bis dato noch gar nicht feststand, dass der Prozesstag beendet sein würde. Einer wurde sogar zu Boden geschubst und aus dem Saal gezerrt; eine andere Angeklagte wurde zur Polizeiwache gebracht.

Schließlich wurden sechs Personen in Gewahrsam genommen, die durch die Spontanversammlung von Zuschauer_innen vor der Polizeiwache sowie etlichen Nervanrufen dort nach zwei Stunden wieder frei kamen.

Was bleibt von diesem Prozesstag:
  • Aussetzung der Verhandlung auf unbestimmte Zeit

  • Der unsouveräne Richter Klimasch, der mit der ihm sich darbietenden Situation an seine persönlichen Grenzen stieß.
    Angeblich wurde sogar ein Pressefotograf im Vorfeld der Verhandlung von Klimasch persönlich unter Androhung einer einstweiligen Verfügung unter Druck gesetzt, sollte dieser den vollen Namen des Richters veröffentlichen.
    Eine private, aber dennoch sehr interessante Aussage zu seinem Gesellschaftsverständnis ließ der Richter (Ex-Gemeinderatsmitglied für die SPD) vor kurzem in einer Zeitung vom Stapel, wo er eine zukünftige Baumaßnahme seiner Gemeinde kritisierte: „Jetzt lassen die Gemeindevertreter dem Investor alle Optionen offen“, kritisiert Klimasch. In der Gemeinde könne nicht einfach über die Köpfe der Bürger hinweg entschieden werden. "Die haben noch mit uns zu rechnen."

  • Eine völlig überforderte Polizeimenschschaft, was sich an deren brutalen Vorgehen sowie deren Aufgebot von über 20 Polizeifahrzeugen inklusive sonst unüblicher Verkehrspolizei, Hundeeinsatzstaffel sowie einer Bundespolizeiwanne zeigte

  • Beschneidung von Grundrechten, da Menschen aus dem Schutz einer angemeldeten Mahnwache vor dem Gericht von der Polizei zur Durchsetzung eines Platzverweises mitgenommen wurden

  • Die traurig wirkende Supermathematikerin Kerstin Schmidt, die als Zeugin geladen war und nicht zu Wort kam. Sie spielt eine entscheidende Rolle innerhalb des Gentechnikfilzes als Geschäftsführerin diverser Gentechnikfirmen wie z.B. der biovativ GmbH inkl. des AgroBioTechnikums in Groß Lüsewitz und stellte den Strafantrag gegen die Aktivist_innen. Obwohl sie gerne anderen Menschen den Mund verbietet (→ Maulkorbprozess), hat sie nichts gegen tröstende Worte einzuwenden unter 0172-3215816.

Aktuelle Termine rund um die Gentechnik:
http://gentechfilz.blogsport.de/termine/
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Ergänzungen

Ein Bild war leider nicht dabei...

Schmidtchen 03.06.2010 - 02:29
Hier kommt's.

Was für ein Schwachsinn

Versammlung 03.06.2010 - 11:49
Eine angemeldete Mahnwache vor dem Amtsgericht findet stattdessen also im Gericht statt, aha! Und warum wundert Mensch sich dann, dass das Gericht in Gestalt des Richters als Sitzungspolizei gemäß §§ 176 f. GVG handelt. Ganz schwacher Artikel. Inaltliche Kritik an der Gentechnik ist zu befürworten, allerdings sollte dann selbst auch objektiv berichtet werden. Ein Gerichtssaal ist nunmal kein öffentlicher Raum wie jeder andere, auch wenn Verhandlungen grundsätzlich öffentlich sind.

Keine Ahnung aber...

Besserwisser 03.06.2010 - 13:41
In dem Artikel steht nichts davon, dass die Mahnwache IM Gericht stattfand. Vielleicht nächstes mal ein wenig aufmerksamer lesen.
Die Mahnwache fand VOR dem Gericht im öffentlichen Raum statt und war angemeldet. Die Bullen hätten erst die Mahnwache auflösen müssen, bevor sie die Leute wegschicken kann.
Aber wer nur motzen will, wird auch immer was finden.

Und die Mahnwache vor

dem Gericht 03.06.2010 - 15:08
kann nicht für Handlungen in dem Gerichtssaal verantwortlich gemacht werden.
(Telepatische Verantwortlichkeiten gib's in Deutschland nicht)
Daher gab es gar keinen Grund, die Mahnwache vor dem Gericht aufzulösen.

Übrigens weiß die Ostseezeitung, daß alle Ingewahrsam-genommenen zukünftig Hausverbot im Amtsgericht haben.
Also auch eine der Angeklagten!
Beim neuen Verhandlungsversucht werde ich kommen, scheint lustig zu sein der rostocker Amtsrichter.

1. Hat der Richter zum Ausziehen aufgefordert

2. Ist es ein Grund 30 04.06.2010 - 05:17
ZuschauerInnen 'rauszuschmeissen, wenn ein Zuschauer den Anweisungen des Richters ordnungsgemäß Folge leistet?
3. Ist die Polizei grundsätzlich gar nicht für die Ordnung im Gericht zuständig.
Aus Gründen der Gewaltenteilung hat das Gericht einen eigenen Ordnungsdienst.

4. Hat der Richter rechtswidrig unterbunden, daß eine Angeklagte einen unaufschiebbaren Antrag stellen konnte.

5. Darf die Polizei nur auf ausdrückliche Anweisung des Richters, eine Angeklagte aus der laufenden Verhandlung heraus in Gewahrsam nehmen.
Dafür muss der Richter diese Angeklagte aber zuvor von der Verhandlung ausgeschlossen haben.
Dieses muss der Richter wiederum vorher angedroht haben.
Alles schwerwiegende Eingriffe in die pozessualen Rechte der Angeklagten.
Das Kaspertheater haben nicht die Angeklagten sondern der Richter veranstaltet.

Schließlich: Nicht alles Glauben, was so in Zeitungen steht.

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