Flora bleibt Rot!

florist_innen 02.06.2010 22:24 Themen: Freiräume Kultur Soziale Kämpfe
Zwei Schritte vor und drei zurück - das Scheitern städtischer Privatisierung als Konfliktregulationsmodell

Wie wir der Presse entnommen haben, plant die Stadt zur Zeit einen Rückkauf der Roten Flora. Wir sehen einen möglichen Rückkauf der Flora durch die Stadt als politisches Ende des Versuches, sich den Konflikt um das Projekt durch eine Privatisierung vom Hals zu schaffen.
Wir begrüßen dieses Scheitern und hoffen, dass die privatwirtschaftliche Deregulierung auch an anderen Punkten rückgängig gemacht wird, etwa bei Krankenhäusern, den Wasserwerken oder der öffentlichen Grundversorgung. Privatisierungen treiben die Durchsetzung kapitalistischer Verwertungsprinzipien voran und verschärfen gesellschaftliche Ungerechtigkeiten. Sie dienen der Aushebelung einer kritischen Öffentlichkeit durch eine Verschiebung der Auseinandersetzung aus dem Bereich des Öffentlich-Politischen in die entpolitisierte Sphäre des privaten Eigentums, die heilige Kuh der bürgerlichen Gesellschaft.

Wir sehen einen Rückkauf der Flora gleichzeitig jedoch nicht als einen Akt der Entspannung. Auch nach dem Auslaufen der bisherigen vertraglichen Regelungen von Stadt und Investor im März 2011 bleibt die Rote Flora besetzt und der lebendige Ausdruck unseres Aufbegehrens gegen die Verhältnisse. Bezirk und Senat sind für uns keine Partner, mit denen es etwas auszuhandeln gäbe, sondern die Verantwortlichen für eine Politik von Standortdenken und Marktradikalität auf der einen, von Ausgrenzung, Vertreibung und Repression auf der anderen Seite. Unsere Vorstellung von Stadt, von Teilhabe und Anwesenheit auf den Straßen, Grundversorgung und gesellschaftlicher Veränderung unterscheidet sich radikal von denen der etablierten Politik. Wir verweigern uns einer Logik der Standortinteressen, die das Soziale dem Ökonomischen unterordnet und auf Widerstände mit einer Zunahme von Repression und Mitwirkungspflichten reagiert.

Durch den Verkauf der "Immobilie Flora" an Investor Kretschmer hat sich 2001 für uns weder das Besitzverhältnis noch der Status Quo verändert: Das Projekt ist besetzt und geht keine Kooperation mit dem Investor ein. Gleichzeitig begreifen wir uns politisch weiterhin im Konfliktfeld mit der Stadt, da wir Privatisierungen als Variante von Konfliktregulierung und gesellschaftlicher Steuerung generell ablehnen. Der Verkauf öffentlicher Institutionen, Gebäude und Grundstücke dient in erster Linie der Deregulierung von Arbeits- und Lebensverhältnissen sowie der Ausweitung von Kontrolle und Repression unter dem Feigenblatt des Schutzes von Privateigentum. Sollte die Stadt die Rote Flora zurückkaufen, ist die Auseinandersetzung auch förmlich wieder dort angelangt, wo sie sich nach unserem Verständnis immer befand. In der Auseinandersetzung um das Recht auf Stadt und die Frage der Aneignung des öffentlichen Raumes.

Wir sind auf eine mögliche Auseinandersetzung um die Rote Flora vorbereitet. Wir sehen die Offerte der Stadt auch als Reaktion auf die unmissverständliche Haltung, am unverträglichen Status Quo des Gebäudes festzuhalten. Wir werden auch in Zukunft weder den ökonomischen Standortinteressen der Stadt noch denen anderer Investoren nachgeben oder sonst wie Kreide fressen und einen systemoppositonellen Ort wie die Rote Flora ruhig stellen lassen.

Mag ja sein, dass Investoren und Bezirk gerne hätten, dass sich im Schanzenviertel die Uhren anders drehen und nun der gesamte Stadtteil zur gleichgeschalteten Konsummeile durchstrukturiert wird. Zu einem Ort, an dem noch mehr Freizeitindustrie angesiedelt und die Marke Hamburg aufgeblasen wird, bis sie vor Überheblichkeit platzt. Doch diese Entwicklung findet nicht ohne Widerstände statt. Das Schanzenfest, die geplante Music Hall im Real Markt, die Außengastronomie in der Susannenstraße, das Bernhard-Nocht-Quartier oder die Ansiedlung von Ikea markieren politische Konflikte zwischen Stadt und Anwohner_innen, die sich weiterdrehen werden.

Dabei wird sich die hier grundsätzliche Frage nach einem Recht auf Stadt nicht im Rahmen von Runden Tischen oder durch Verfahren mit Bürgerbeteiligung beantworten lassen. Die städtischen Partizipationsangebote sind darauf gerichtet, den neoliberalen Umbau der Stadt zu optimieren und Zustimmung zu erzeugen. Sie suggerieren demokratische Mitbestimmung, die es in Wirklichkeit aufgrund der Rahmenbedingungen überhaupt nicht gibt und die auch gar nicht angestrebt wird. Ist das Ergebnis solcher Regulationsprozesse aus Sicht des Senates positiv, dient es der Durchsetzung umstrittener Entscheidungen, ist es negativ, wird es eben übergangen. Alternativen zu der Ungerechtigkeit des Kapitalismus gibt es stattdessen nur außerhalb bestehender Sachzwangdiskussionen und weichgeklopfter Symptomfrickelei.
Die selbstbestimmte politische und kulturelle Praxis des Projektes Rote Flora ist eine der vielen möglichen Antworten, an dieser "Systemlogik" zu kratzen. Denn mit der Flora geht es uns nicht um den Erhalt von Nischen oder darum, bestehende Konflikte zu befrieden, indem die allerschlimmsten Auswüchse ein wenig abgemildert werden, sondern ums Ganze.

Protestformen wie Hausbesetzungen sind kein Anachronismus, sondern auf der Höhe der Zeit. Dies hat zuletzt die Besetzung des Erotic Art Museums gezeigt. Wir wünschen den Aktivistinnen beim Kampf gegen das Bernhard-Nocht-Quartier viel Erfolg bei zukünftigen Aktionen und Besetzungen und verstehen uns als Teil dieser Kämpfe. Die Auseinandersetzungen, die mit einer Räumung der Flora zu Recht befürchtet werden, sind längst im Gange, lodern auf und tauchen wieder ab, um an anderen Stellen wieder sichtbar zu werden. Es geht dabei aus linksradikaler Perspektive nicht um einzelne Projekte oder Interessen, sondern eine kollektive Infragestellung der herrschenden Werte, Normen und Besitzverhältnisse. Es geht darum, ein anderes Leben denk- und vorstellbar zu machen, Orientierungspunkte und Aussichtstürme zu besetzen, die radikale Kritik am Bestehenden und den Blick auf andere Verhältnisse möglich machen.

Wir geben uns nicht der Illusion hin, mit einem Rückkauf der Roten Flora durch die Stadt wäre die Option einer gewaltsamen Räumung vom Tisch und aus dem Horizont städtischer Begehrlichkeit verschwunden. Ein Projekt wie die Rote Flora, das sich als Spiegelbild gesellschaftlicher Kämpfe und Veränderungen sieht, kann nie wirklich sicher sein, bleibt immer prekär und in Bewegung. Wir werden weiterhin ein Störfaktor im kapitalistischen Normalbetrieb sein. Ort der Intervention, des Aufruhrs und der Unruhe, rauschende Ballnächte feiern und das Leben auf uns regnen lassen.

Wir wissen nicht, wie sich die Situation in den nächsten Monaten entwickelt. Wir wissen aber, dass wir etwas daran ändern können, sollte sich das Händereiben hinter den Kulissen in irgendeiner Art zu einem polizeilichen Angriff entwickeln, mit dem Ziel, den besetzten Status zu beenden. Wir bereiten uns deshalb weiter darauf vor, das Projekt zu verteidigen, die Ordnung der Stadt von oben nach unten zu krempeln und herrschende Machtdiskurse zu unterlaufen. Organisiert den Widerstand und seid solidarisch!

Support your local squats!
Für den städtischen Flächenbrand um das Recht auf Stadt!

Kampagne "Unverträglich glücklich"
& Plenum der Roten Flora
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Ergänzungen

Never stopped me dreaming

postautonom 04.06.2010 - 11:48
Wirklich lustig wie sich hier Ahnungslosigkeit staatstragend gibt. Was wisst ihr denn, wie sich die Leute aus dem Flora Umfeld zu den Schülerprotesten oder anderen Bewegungen positionieren?! Offensichtlich nix! Dabei wäre es gar nicht so schwer! Ihr mögt ja eure persönlichen Wehwehchen nmit der Praxis der Flora haben. Unbestritten agiert sie aber seit 21 Jahren erfolgreich im politischen Raum. Denn sie hat es geschafft sich die ganze Zeit vereinnahmungen zu wiedersetzen ist bis heute besetzt. Mit der "Selbstüberschätzung" scheint es daher nicht so weit her zu sein. Gut so!

Um zu wissen, dass sie ein Störfaktor ist muß man nur ab und an mal die ganze Zeitung lesen. Dass sie ein positiver Bezugspunkt für gentrifizierungskritische Anwohner_innen ist erfährt man wenn man sich mal auf Demos oder Aktionen im Viertel sehen lässt und mit den Leuten spricht. Das Recht auf Stadt Netywerk, was viele derzeit ja scheinbar für den einzig wahren Inbegriff der Politik halten, wurde von Leuten aus der Rote Flora übrigens mitbegründet, zu einer Zeit als politische Wichtigmacher von heute (die hier nun mit neunmalklugen Kommentaren die Seiten füllen) sich für das Thema noch gar nicht interessierten und es als "selbstbezogenes Szenespektakel" abtaten. Politisch ist man im Projekt vielfältig und breit aufgestellt.

Ich weiß nicht was es euch gibt die Flora zu dissen. Finde ich persönlich eher armseelig. Wenn ihr auf Bündnissdemos mit Parteien und politische Anbiederung steht, ok. Steht euch frei. Aber versucht euch nicht zu profilieren indem ihr andere runtermacht, die weder auf die Erlangung von gesellschaftlicher Mehrheit noch auf Teilhabe am etablierten Politikbetrieb setzen, sondern auf Politikansätze der ersten Person. Es geht darum Diskurse nach links zu verschieben, das gelingt der Fora immer wiedermal und ist mehr als man von vielen anderen Strukturen sagen kann. So etwas macht man dann aber nicht durch Anbiederung und bürgerliche Politikfähigkeit, sondern durch die Entwicklung radikaler Kritik aus subjektivem Blickwinkel, mit einer gesellschaftlichem Perspektive die sich nicht realpolitisch weichspülen oder domestizieren lässt.

Und ich weiß nicht was man dagegen haben sollte, dass die radikale Linke auch feiern kann.
Wie hieß es so schön? Die Revolution auf der ich nicht tanzen kann ist nicht meine!

Haus besetzt - Fahrrad geleast. Links sein lohnt sich!
Für das politische Erfolgsmodell Rote Flora!

DVDs zu Häuserkampf in Zürich

geschichtsfan 05.06.2010 - 18:27
Diese Filmreihe dokumentiert die Geschichte der Züricher Häuserbewegung. alles weitere auf
 http://www.zureich.ch

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Zeige die folgenden 8 Kommentare an

wunderbar, gehalt gleich 0 — ihr redet wie so politiker

united we stay! — berlinerIn

Wieso? — Joi

«ex-autonom — ihr redet wie so politiker

@ ex-autonom — bild dir deine meinung!?

Am 19. Juni: DVU-Kundgebung verhindern! — ist doch egal.. oder?