Reclaim The Streets in Potsdam

Maxim Fjederow 02.06.2010 10:06 Themen: Freiräume
Am Dienstagabend fand in der Potsdamer Innenstadt eine politische Aktion zum Gedenken an die Räumung eines besetzten Hauses von vor 10 Jahren statt. Das „Boumanns“ war bis zur Räumung am 01.06.2000 ein wichtiger alternativer und soziokultureller Treffpunkt.
Mehr als 80 Personen fanden sich in der Kurfürstenstraße Nr. 5 ein, um vor dem mittlerweile sanierten Haus an das „Boumanns“, so der Name des besetzten Hauses, zu erinnern. Dazu wurden ein Konzert und eine Volxküche organisiert.

Das „Boumanns“ ist ein Haus im Potsdamer Holländischen Viertel, mitten in der Stadt. Besetzt wurde das Haus 1994, hier wohnten verschiedene Personen und außerdem entwickelte sich das Haus zu einem wichtigen alternativen und soziokulturellen Treffpunkt. So gab es im Haus eine Kneipe, in der unter anderem Konzerte und Volxküche stattfanden. Der Bürgersteig vor dem Haus, gelegen an einer wichtigen Verkehrsstraße, war viel zu klein, so dass sich bei Konzerten oder bei schönem Wetter die Leute an bzw. auf die Straße gesessen haben. So war dieser Szenetreffpunkt der Stadt auch immer ein Dorn im Auge.
Am 01.06.2000 kommt es zu einem Zimmerbrand im Hinterhaus. Die Polizei nutzt den Vorfall, um das „Boumanns“ zu räumen. Bisher wurde die Besetzung vom Eigentümer (einem gewissen Herrn Frank Schuster) geduldet, doch nun stellt sich dieser quer. 2001 findet in Potsdam auch die Bundesgartenschau (Buga) statt, Grund genug, um mit der ungeliebten Szene aufzuräumen, die besonders in den 90er Jahren das Stadtbild dominierte. Mit der Räumung folgen zahlreiche Demonstrationen und Krawalle in Potsdam. Die Polizei antwortet mit Innenstadtverboten gegen Beteiligte und Unbeteiligte.
Am 19.06.2000 kommt es zu einer Wiederbesetzung, die jedoch noch am gleichen Tag beendet wird. Die Besetzer verlassen das Haus nach Aufforderung der Polizei. Mehrere Wochen steht nun die Polizei vor dem „Boumanns“, um das Haus zu bewachen. Selbst die Stadtpolitik empfindet dies nach geraumer Zeit als eine Farce.

Nun, 10 Jahre später, treffen sich ehemalige Bewohner_innen und Sympathisanten genau vor jenem Haus, um an dessen Räumung zu erinnern. Es werden Transpis aufgehangen, eine alternative Kneipe um die Ecke übernimmt die Getränkeversorgung, eine Volxküche wird organisiert und ein Konzert findet direkt vor dem Haus statt. Mehr als 80 Personen nutzen einen Teil der Straße, so dass nur noch eine Fahrbahn zur Verfügung steht. Die Polizei kommt zwar nach wenigen Minuten, beschränkt sich aber zuerst auf die Verkehrsregelung. Die Anwesenden feiern mit der Band, essen, trinken und schwelgen in alten Zeiten. Selbst die neuen Bewohner_innen zeigen Sympathie mit der Aktion.
Nach etwa einer Dreiviertelstunde versucht die Polizei mit einer Ansage das Konzert zu beenden, in dem sie sich in die Band drängelt. Hierbei wird sie aber gehindert und die Band spielt noch einige Songs. Die Polizei hat die Straße nun komplett abgesperrt und den Verkehr umgeleitet, im Übrigen sind nun auch mehrere Polizeiautos in der Umgebung. Als die Polizisten immer mehr werden, wird das Konzert beendet und die Technik durch die Anwesenden schnell abgebaut und gesichert. Es hätte friedlich enden können, wenn die Polizei nicht versucht hätte, nun ihrerseits zuzuschlagen. Wahrscheinlich um doch noch Respekt zu erlangen und ihre „Größe“ zu wahren versuchen sie nun an die Band und die Technik zu gelangen. Dies kann aber erstmal erfolgreich verhindert werden. In der Folge kommt es nun zu Rangeleien und Rennereinen mit den sichtlich überforderten Beamten, die alles andere als deeskalierend wirken. Schließlich besinnen sich beide Seiten zur Ruhe und die Polizei zieht sich zurück, nicht jedoch ohne mindestens von zwei Personen die Personalien aufgenommen zu haben.
Bis auf das Ende war es eine durchaus erfolgreiche politische Aktion, die auch ein wenig an die „besseren Potsdamer Zeiten“ erinnert hat.
In diesem Sinne: VIVA BOUMANNS! – Besetzte Häuser immer wieder!
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Ergänzungen

schön wars

oldschool 02.06.2010 - 13:58
In der Lokalzeitung MAZ gefunden:

"Potsdam: Kurfürstenstraße wegen Demo gesperrt
Die Kurfürstenstraße musste am Dienstagabend für etwa eine Stunde voll gesperrt werden. Dabei kam es zu erheblichen Verkehrsbeeinträchtigungen. Etwa 100 Teilnehmer einer nicht angemeldeten Versammlung hatten sich gegen 20 Uhr auf dem Gehweg und der Fahrbahn zusammengefunden und beide Fahrstreifen blockiert. Sie erinnerten an die Räumung eines besetzten Hauses in der Kurfürstenstraße 5 vor zehn Jahren und zeigten Transparente, sangen, tanzten, und auch eine Band spielte. Die Demonstranten waren gegenüber den Polizisten unkooperativ. Einem Polizisten wurde die Mütze vom Kopf gerissen, und zwei weitere Beamte wurden körperlich angegriffen. Gegen 21 Uhr verließen die Teilnehmer von allein den Ort. Es wurden Anzeigen wegen des Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz und Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte aufgenommen."


...Ansonsten hat Mensch sich gefreut, viele alte und auch neue Gesichter wiederzusehen.

VIVA BOUMANNS!
BOUMANNS VIVA VIVA!

........

............ 03.06.2010 - 04:48
.erinnert doch mal an andere häuser die erheblich wichtiger waren für die szene. was ist mit der fabrik,der 108 der guteberg 22 oder der dortu 5 gibt noch eine vielzahl weitere projekte..warum werden die vergessen.es wird so getan als sei das boumanns höhepunkt der szene gewesen. aber was ist mit den zeiten 93 oder 97 wo bei weitem mehr passierte.alles schon vergessen

@.......

icke 03.06.2010 - 07:45
natürlich gab es auch andere häuser, aber mit der aktion wurde eben dem boumanns bzw. dessen räumung von vor 10 jahren gedacht. und im artikel stand ja auch nicht drin, dass das boumannns "der einzige" szenetreffpunkt war, sondern ein wichtiger. und ende der 90er jahre war das boumanns, u.a. neben der breiti und dem archiv, nunmal ein sehr wichtiges haus, weil es viele schon nicht mehr gab. und es gab auch schon aktionen wegen der anderen häuser, ich finde das auch wichtig. nur wenn noch mehr leute den arsch hochkriegen würden, wie du vielleicht, dann könnte mensch bestimmt auch noch mehr thematisieren.

Hier das Video dazu:

Max 03.06.2010 - 19:49

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