Widerstand gegen Gewerkschaftsausschlüsse

lesender arbeiter 31.05.2010 13:41 Themen: Repression Soziale Kämpfe
In Zeiten der Krise holen Gewerkschaftsführungen alte Keulen aus der Schublade, Ausschlüsse und Unvereinbarkeitsbeschlüsse gegen Oppositionelle. Dagegen wächst der Widerstand bisher vor allem innerhalb des DGB, wie eine gut besuchte Veranstaltung am wochenende in Berlin zeigte.
Aktuell betroffen sind oppositionelle GewerkschafterInnen, die als IG-Metall-Mitglieder im Daimler-Werk-Berlin Marienfelde auf der Liste der Alternativen offenen Liste haben, aber auch KollegInnen in Stuttgart und Kassel. Seit 2007 wehren sich in dem Berliner Werk KollegInnen gegen Arbeitshetze und andere Unzumutbarkeiten, die KollegInnen aus anderen Werken, die kurze Zeit bei Daimler arbeiteten, als besonders gravierend bezeichneten.
Ein Kollege, der lange Jahre bei Daimler-Sindelfingen beschäftigt, zeigte sich empört über diese Zustände, ebenso eine Angestellte des Werkes. Sie betonte auch, dass ihre Beschwerden von der IG-Metall-Mehrheit ignoriert und nur von den Alternativen aufgegriffen worden. Deshalb sei nicht die Kandidatur der Oppositionellen sondern ihr drohender Ausschluss ein Angriff die Gewerkschaft. Das war der Tenor einer gutbesuchten Solidaritätsveranstaltung mit den vom Ausschluss Bedrohten am vergangenen Wochenende in Berlin.

Welche Einheit?

Es waren GewerkschafterInnen aus vielen Branchen anwesend, natürlich viele IG-MetallerInnen, aber auch die KollegInnen von verdi und der GEW fehlten nicht. Sogar von weither kamen solidarische FreundInnen und KollegInnen angereist, darunter Mag Wompel von Labournet und Lothar Degen von verdi-Hamburg. Er machte in seinem Beitrag noch einmal deutlich, worum es bei den Ausschlüssen geht.
Es sind immer kämpferische KollegInnen, die sich gegen die Verzichtspolitik wenden, die sich wehren wollen, die mit dieser Keule bedroht werden. Wie Degen am Beispiel eines Hamburger Druckmaschinenherstellers deutlich machte, müsste die Gewerkschaft nun wahrlich andere Prioritäten setzen. Dort wurden innerhalb weniger Jahre 170 KollegInnen entlassen. Sie versuchten sich zu wehren, aber hatten keine Chance. Auch der IG-Metall-Betriebsrat von Daimler-Untertürkheim Tom Adler machte deutlich, dass die Gewerkschaften dort auch bei der Betriebsratswahl gestärkt werden, wo sie kämpferische Positionen beziehen und dort verlieren, wo das Co-Management dominiert. Ein Kollege brache es auf den Punkt: „Für die Verzichtpolitik brauche ich keine Gewerkschaft. Zum Kampf dagegen schon.“ Die TeilnehmerInnen auf der Veranstaltung machten deutlich, wo sie standen. „30-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich statt Verzicht“, hieß es auf einem großen Transparent. Damit war auch die Frage beantwortet, ob Oppositionelle etwa die heilige Gewerkschaftseinheit gefährden, die doch oft nur eine verbale Keule von sozialdemokratischen RichtungsgewerkschafterInnen geworden ist. Die Gewerkschaftseinheit wollten viele der Anwesenden bewahren. Doch Einheit mit welchem Inhalt war die Frage? Der langjährige IG-Druck-und Papier-Gewerkschafter Eckart Spoo brachte die Meinung vieler auf den Punkt, als er aus dem Info der IG-Metall-Mehrheit bei Daimler-Marienfelde zitierte. Dort wurde den Oppositionellen zum Vorwurf gemacht, dass sie das kapitalistische System in Frage stellen. Damit aber kündigen sie die Einheitsgewerkschaft auf, die schließlich KommunistInnen, MarxistInnen etc. einschließt. Unter dem Label der Einheitsgewerkschaft wird hier eine Einheitsfront mit den Kapitalisten propagiert.

Wie weiter?

Die Veranstaltung soll der Auftakt für vielfällige Solidaritätsaktionen in den kommenden Wochen sein, bis Mitte Juni in Berlin das Verfahren offiziell eingeleitet wird. So sollen betroffenen KollegInnen bei der Anti-Krisendemo am 12.6. in Berlin vorne mitlaufen und auch einen zentralen Redebeitrag erhalten. Daneben wurde eine Unterschriftenkampagne gegen die Ausschlüsse organisiert, die schon von vielen GewerkschafterInnen unterzeichnet wurde. Dabei werden neben den drohenden Ausschlüssen auch die Unvereinbarkeitsbeschlüsse der IG-Metall mit einigen linken Organisationen, die noch Relikte des Kalten Krieges sind, klar zurück gewiesen.

Kritische Anmerkungen

Die sehr gut besuchte in erfreulich solidarischer Atmosphäre geführte Veranstaltung verdient einige kritische Anmerkungen: Etwas mehr innerlinke kontroverse Debatte hätte nicht geschadet. So wurde eine kritische Anmerkung aus dem Publikum, dass auch linke GewerkschafterInnen standortverteidigende Parolen wie die Stuttgarter Parole „Die C-Klasse bleibt im Ländle“ zu wenig entgegen setzen. Vielleicht hätte gerade eine kritische Kollegin wie Mag Wompel da einige kontroversen auslösen können. Doch leider ergriff sie nicht das Wort.

Solidarität auch mit KollegInnen außerhalb des DGB

Schade war auch, dass bei der Veranstaltung von Repression bedrohte GewerkschafterInnen außerhalb des DGB nicht erwähnt wurden. Da wäre in erster Linie die FAU-Betriebsgruppe im Kino Babylon-Mitte zu nennen, die aktuell mit Strafverfahren und sogar Haft wegen ihrer Gewerkschaftstätigkeit bedroht sind. Da es auch für sie ein Solikomitee gibt, in dem auch KollegInnen aktiv sind, die bei der Veranstaltung dabei waren, wäre eine solidarische Erwähnung richtig und notwendig gewesen. Die Kritik ist aber beidseitig. Leider war auch niemand von den Babylon-KollegInnen anwesend. Auch fehlten weitgehend AktivistInnen aus sozialpolitischen und außerparlamentarischen Initiativen, die wie das Berliner Mayday-Bündnis etc. in der letzten Zeit Arbeitskämpfe unterstützt haben. Es mag ein Zeitproblem gewesen sein. Aber es stellt sich auch die Frage, ob bei der starken Konzentration auf Arbeitskämpfe in sozialen Berufen, dem IT-Bereich und den Einzelhandel nicht manchmal die Entwicklungen und auch die Kämpfe in den Betrieben aus dem Blickfeld geraten, obwohl dort Leiharbeit und prekäre Arbeitsbedingungen längst Einzug gehalten. Daher ein insgesamt positives aber auch kritisches Fazit der Veranstaltung: Die Solidarität mit den von Ausschluss bedrohten kämpferischen KollegInnen muss entwickelt werden, inner- und außerhalb der Betriebe. Aber sie muss sich auch auf KollegInnen erstrecken, die außerhalb des DGB, beispielsweise in der FAU aktiv sind und von Repressionen bedroht sind.
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Ergänzungen

Aufruf zum Verbots-Prozess gegen die FAU Berl

FAU Berlin 31.05.2010 - 19:08
Verboten kämpferisch!
Aufruf zum Verbots-Prozess gegen die FAU Berlin am 10. Juni vor dem Kammergericht Berlin

An 10. Juni werden parallel in Erfurt und Berlin juristische Weichen für die Beschäftigten- und Gewerkschaftsrechte in Deutschland gestellt. Während vor dem Bundesarbeitsgericht in Erfurt im „Emmely-Prozess“ darüber geurteilt wird, ob sich deutsche Chefs unbequemer MitarbeiterInnen unter dem Vorwand von Bagatellen entledigen können, wird im Kammergericht Berlin entschieden, ob sich kämpferische Basisgewerkschaften in Deutschland frei betätigen dürfen. Dort streitet die FAU Berlin für das Recht, sich als Gewerkschaft bezeichnen zu dürfen, so wie es ihrem Selbstverständnis entspricht.

Die Entscheidung gegen die FAU Berlin in der Vorinstanz ist symptomatisch für die Situation der Lohnabhängigen in Deutschland. Sie war der Höhepunkt eines Konflikts von prekären Kino-Beschäftigten, die sich in der FAU Berlin organisierten und für einen Tarifvertrag im Berliner Kino Babylon Mitte kämpften. Im Laufe dieses Konflikts wurden der FAU Berlin zunächst per einstweiliger Verfügung laufende Arbeitskampfmaßnahmen untersagt und ihr schließlich im Dezember 2009 sogar verboten, sich als Gewerkschaft oder Basisgewerkschaft zu bezeichnen – unter Strafandrohung von bis 250.000 Euro oder sechs Monaten Haft für ihre Sekretäre und Sekretärinnen.

Damit griffen die Gerichte nicht nur in einen laufenden Arbeitskampf zugunsten des Arbeitgebers ein, es handelt sich dabei um einen grundlegenden Angriff auf die Koalitionsfreiheit, wenn es Beschäftigten untersagt wird, sich in Gewerkschaften ihrer Wahl zusammenzuschließen und über diese Verbesserungen zu erkämpfen. Der FAU Berlin selbst wird damit die betriebliche Arbeit – die Kerntätigkeit einer Gewerkschaft – unmöglich gemacht. Das Urteil ist ein Präzedenzfall für die Einschränkung gewerkschaftlicher Rechte.

Dieser juristische Angriff kommt nicht von ungefähr und fällt in eine entscheidende Phase gesellschaftlicher Entwicklung. Das Streik- und Gewerkschaftsrecht in Deutschland war schon immer repressiv, es fiel nur nicht offensichtlich auf, da die Klassenkämpfe vorwiegend in kontrollierbaren Bahnen erfolgten. Im Zuge der Krise verschärfen sich die sozialen Konflikte und Verteilungskämpfe auch in Deutschland. Gewerkschaften, die von ihren Mitgliedern demokratisch kontrolliert werden und Raum für Dynamik lassen, sind nicht so leicht für Wirtschaft und Staat auf Linie zu bringen.

Denn im Gegensatz zu vielen anderen europäischen Ländern mit einer pluralistischen und kämpferischen Gewerkschaftslandschaft ist die Auswahl hierzulande eher überschaubar. Die Folge: Fast nirgendwo gab es bisher so wenig Widerstand gegen die Abwälzung der Krise auf die Lohnabhängigen wie in Deutschland. Das wird zunehmend auch im Ausland erkannt, wo die Entscheidungsträger nun von Deutschland lernen wollen. In mehreren EU-Ländern liegen Pläne für Gesetzesänderungen in den Schubladen, mit denen die Handlungsmöglichkeiten kleiner Gewerkschaften eingeschränkt werden sollen.

Den massiven Angriffen auf unsere sozialen Lagen können wir nur von unten, gemeinsam und global etwas entgegensetzen. Strukturen kämpferischer Basisgewerkschaften sind dabei ebenso unerlässlich wie unbequeme Arbeiter und Arbeiterinnen in den Betrieben. Wo ihre Handlungsmöglichkeiten eingeschränkt werden, schwinden unsere Möglichkeiten zur Gegenwehr. Die FAU Berlin ruft deshalb dazu auf, am 10. Juni um ab 9.30 Uhr zum Prozess am Kammergericht Berlin zu kommen und am Prozess teilzunehmen.

Vor dem Prozess und danach wird es eine Kundgebung vor dem Gerichtsgebäude geben. Dort wird auch der „Emmely-Prozess“ in Erfurt thematisiert und es werden Vertreter von internationalen Basisgewerkschaften über die Situation in ihren Ländern berichten. Ab 18Uhr wird es eine Kundgebung des Emmely-Bündnis vor dem Kaisers Supermarkt in der Warschauer Straße in Friedrichshain geben, wo der Prozess in Erfurt ausgewertet werden wird. Ab 20.00 Uhr findet im FAU-Lokal in Prenzlauer Berg eine Diskussionsveranstaltung mit AktivistInnen der CNT (Frankreich) und der ZSP-IAA (Polen) statt, wo wir die Situation im europäischen Rahmen beleuchten werden.

Prozess-Termine am 10.Juni in Berlin

ab 9.30 Uhr
Verbots-Prozess gegen die FAU Berlin (inkl. Kundgebung davor und danach)
Kammergericht Berlin, Elßholzstr. 30-33, Schöneberg

18 Uhr
Kundgebung zum Emmely-Prozess in Erfurt
vor dem Kaisers Supermarkt Warschauer Straße, S-Bhf. Warschauerstr., Friedrichshain

20.00 Uhr
Diskussionsveranstaltung zur Einschränkung der Gewerkschaftsfreiheit in Europa mit VertreterInnen der CNT (Frankreich), ZSP-IAA (Polen) und der FAU-IAA.
FAU-Lokal, Straßburgerstr. 38, U-Bhf Senefelder Platz, Prenzlauer Berg

VA zum Auftakt der Krisenproteste in Berlin -

jürgen 02.06.2010 - 14:27
Die Linke und die Krise
Wie es dem Dax und der Börse in der Wirtschafts- und Finanzkrise geht, lesen wir täglich in den Medien. Welche Auswirkungen die Krise auf das Leben von Lohnabhängigen und Erwerbslosen hat, ist das Thema des Films „Der Gewinn der Krise“, den wir am Roten Abend zeigen. Anschließend diskutieren wir mit dem Filmemacher Jörg Nowak. Für den Film wurden im letzten Jahr Krisenbetroffene in 9 Städten quer durch die Republik befragt.
Welchen Stellenwert linke Interventionen in den Zeiten der Krise haben, wird das Thema des zweiten Teils sein. Eingeladen ist eine Vertreterin der Gruppe Theorie und Praxis (TOP), die Teil eines Bündnisses ist, das am 5.6.2010 einen antikapitalistischen Workshoptag organisiert und AktivistInnen des Berliner Antikrisenbündnisses, das die Demonstration „Die Krise heißt Kapitalismus“ am 12.6.2010 in Berlin vorbereitet.
Hat das Motto "Wir zahlen nicht für Eure Krise" heute noch mobilisierenden Charakter? Ist die Krise überhaupt ein günstiger Moment, für die antikapitalistische Mobilisierung oder wäre es sinnvoller, den kapitalistischen Normalzustand in den Fokus der Auseinandersetzung zunehmen, lauten einige Fragen, die wir diskutieren wollen.
Roter Abend: Mittwoch, 2. Juni 2010 ab 20 Uhr im Stadtteilladen Zielona Gora, Grünberger Str. 73, Berlin-Friedrichshain.

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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MayDay? — Arbeiterin

Sehr reduzierte Darstellung — Nicht nur lesender sondern aktiver Arbeiter

Was habt ihr erwartet? — ex-Ver.di