3. Prozesstag wegen Todesschüssen auf Dennis

UnterstützerInnengruppe 26.05.2010 09:53 Themen: Repression
"da rotzt jemand hintereinander sein Magazin leer war mein Gedanke" Polizeihauptmeister Francalis

Am 25.05.2010 fand vor dem Landgericht Neuruppin der 3. Verhandlungstag, wegen den polizeilichen Todesschüssen auf Dennis, am 31.12.2008, statt. Nach den Zeugenaussagen wirken die Einlassungen von den Angeklagten Staub und Böge (beide angeklagt wegen Strafvereitelung im Amt) nur noch lächerlich. Auch Rother (angeklagt wegen Totschlag) wirkte angespannter als bei den vergangenen Verhandlungen.
Geladen zu dem heutigen Verhandlungstag waren 4 ZeugInnen und ein Gutachter. Den Anfang machte der 17 jährige Schüler J., dieser feierte mit FreundInnen in Schönfließ Silvester. Er selber habe nichts gesehen, da er zwar in der Nähe war, aber seine Sicht auf die Straße durch ein Haus verdeckt war, deswegen könnte er lediglich etwas zu dem sagen was er gehört hatte. Als er in seinen Garten gehen wollte, nahm er Knallgerräusche war, die er sofort als Schüsse einordnete, auf Nachfrage gab er an, schon mal die Schüsse einer Schreckschusspistole gehört zu haben. Diese lauten Knallgeräusche unterschieden sich erheblich von Böllern. Desweiteren gab er an, dass es in der direkten Umgebung eher ruhig war und die einzigen Raketen und Böller die er hörte, von weiter weg kamen. Kurz nach den Schüssen hat er ein lautes klirren gehört und ging zügig in Richtung dieses Gerräusches. Zu diesem Zeitpunkt war er alleine, traf dann aber an der Kreuzung, von der man das Auto, welches gegen die Wand gefahren ist, sehen konnte seine FreundInnen. Außerdem sah er 2-3 Personen, welche sich später als Zivilpolizisten zu erkennen gaben, die sich unterhielten. Sein Stiefvater kam dann auch zum Ort des Geschehens und leistete 1. Hilfe. Nach der Zeugenaussage wurde die Verhandlung für 5 Minuten unterbrochen.

Dann kam der 16 jährige Schüler Ö., welcher mit J. feierte. Auch dieser nahm Schussgeräusche wahr und sah dann ein Auto an sich vorbei und schließlich gegen eine Mauer fahren. Dann rannte er zum Fahrzeug und die Cops gaben sich zu erkennen und schickten ihn weg. Einer der Cops soll dann versucht haben die Beifahrertür zu öffnen, was aber nicht gelang. Die Schüsse selber waren wesentlich lauter, als die restlichen Knallgerräusche, gerade weil in der Straße nicht direkt geknallt wurde. Die Verteidiger versuchten Widersprüche in seiner Aussage aufzuzeigen und verdrehten dabei dem Zeugen schon mal das Wort im Mund. Allerdings gelang es der Nebenklage die wichtigen Sachverhalte klar zu stellen.

Als 3. Zeuge kam der Stiefvater vom Zeugen J. Der 40 jährige Polizeihauptmeister Francalis(?), seine Zeugenaussage war auch das Highlight der heutigen Verhandlung. F. war an dem Abend mit seinem Hund unterwegs, als er mehrere Schüsse hörte. Er ordnete sie, da es Silvester war als Schreckschüsse ein. Er dachte sich dann noch "da rotzt jemand sein ganzes Magazin leer". Bei der Abfolge der Schüsse, die er klatschend darstellte, gab es eine zeitliche Verzögerung zwischen dem 1. und dem 2. Schuss, allerdings war er sich da auch nicht komplett sicher. Nach den Schüssen hörte er ein weiteres lautes Knallgeräusch und dachte das wohl wer einen selbstgebauten "Superböller" in einer Garage hochgehen ließ. Er bog dann auf die Kreuzung ein und sah dort Männer die "verwirrt" herumliefen, sowie das Fahrzeug, welches anscheinend ein Unfall hatte. Er gab sich dann als Polizist zu erkennen und laut seinen Erinnerungen müsste er dort schon was von der Schussabgabe erfahren haben. Da er nur mit dem Angeklagten Staub gesprochen hat (welcher bis heute sagte er hätte auf Grund der lauten Knallerei die Schüsse nicht mitbekommen), kann diese Information nur von Staub kommen. Er lief dann nach Hause und holte seinen 1. Hilfe Koffer. Anschließend brach er Gemeinsam mit Staub die Fahrertür auf und began mit der Reanimation. Als er das Hemd aufriss, sah er auch ein Loch oberhalb der Brust, welches er nicht sofort als Schusswunde erkannte.

Nun kam es zu den ersten Nachfragen zu den Schüssen. Der Zeuge gab an, dass es in der Gegend verhältnismässig ruhig war. Außerdem ist er seit 25 Jahren bei der Polizei und da erkenne man den Unterschied zwischen Böllern und Schüssen. Auf die Frage des Staatsanwaltes, ob er auch immer auf dem Schießstand einen Gehörschutz trage (dies gab Staub als Grund an, Schüsse nicht von Böllern unterscheiden zu können) sagte er "ja, aber man vergisst das ja mal wenn man die Halle betritt, das merkt man dann aber spätestens nach dem ersten Schuss". Dann gab es noch mal Nachfragen von wem er von dem Schusswechsel erfahren habe, er gab wieder an nur mit Staub gesprochen zu haben und daher muss er von ihm diese Information erhalten haben. Auf Nachfrage der Verteidigung gab er noch an, Dennis ein Einhandmesser abgenommen zu haben, welches sich im geschlossenen Zustand an seinem Gürtel befand.
Anschließend ging es zur Mittagspause.

Nun kam die zweite Überraschung, geladen war die Oberkommissarin Braeschke vom Abschnitt 25. Diese bearbeitete die Kennzeichenabfrage von dem Angeklagten Böge (der angeblich auch nichts von den Schüssen mitbekam). Während dieses Vorganges soll Böge auf einmal gesagt haben: "Scheiße, der ist uns gegen das Auto gefahren", desweiteren hörte die Zeugin mehrere Knallgeräusche und fragte nach, ob es sich um Schüsse handelt. Böge unterbrach dann für ca 30 Sekunden das Gespräch und bestätigte die Schüsse.

Der Gutachter, der für heute geladen war fiel aus, stattdessen wurden mehrere Untersuchungsergebnisse verlesen.

Fazit, die Einlassungen der Angeklagten Böge und Staub sind einfach nach diesen Zeugenaussagen unhaltbar, da stellt sich dann natürlich die Frage was sie mit diesen Aussagen verdecken wollen oder wen sie schützen möchten. Die Angeklagten waren wesentlich unentspannter und man darf gespannt sein, wie der Prozess weitergeht.

Indyartikel zum 1. Verhandlungstag:  http://de.indymedia.org/2010/05/280529.shtml
Tazartikel zum 2. Verhandlungstag:  http://www.taz.de/1/berlin/artikel/1/zeugen-belasten-polizisten/
ausführlicher Tazartikel über die Hintergründe:  http://www.taz.de/1/politik/deutschland/artikel/1/die-todesschuesse-von-schoenfliess/

No Justice - No Peace!

weiter geht es am 27.05. und dann jeden Dienstag und Donnerstag ab 10 Uhr im Landgericht Neuruppin
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