Strafprozess und Demo wg. Gentech in BS

Captain Kirk 08.05.2010 20:55 Themen: Biopolitik Repression Ökologie

Braunschweig ist einer der Hauptstandorte der bundeseigenen landwirtschaftlichen und damit auch der Gentechnikforschung. Vor allem Institute des Ministerium der verbal-gentechnikkritischen Verbraucherministeriums wurschteln hier, z.T. unterstützt mit Geldmitteln des Forschungsministeriums an Maispflanzen herum - versteckt auf dem Gelände einer ehemaligen Nazi-Rüstungsindustrie an der Bundesallee, die nach dem 2. Weltkrieg dann von landwirtschaftlichen Instituten genutzt wird und wo auch das hochverfilzte BVL untergebracht ist. Eine spektakuläre Feldbesetzung im Jahr 2009 hatte diese Forschung dort bekannt gemacht. Seitdem werden die Versuchsfelder im Westen von Braunschweig in der Region viel diskutiert - während Papi Staat mit autoritären Mitteln den unerwünschten Protest niederzuhalten versucht. Am Freitag, den 7.5., nun kam es zu einem Gerichtsverfahren und einer Demonstration zum Ort des Geschehens.

"Hier wird mit Kanonen auf Spatzen geschossen!"
Erster Verhandlungstag um gentechnikkritische Kreidemalereien ohne Ergebnis

Angeklagt war das bloße Betreten eines Grundstückes. Doch gesehen hatte den 41-jährigen Dirk J. aus Braunschweig dabei niemand. Nur Spuren soll er hinterlassen haben: Kreidesprüche, die Protest gegen die Gentechnik ausdrücken. Das selbst sei keine Sachbeschädigung, sagte sogar die Staatsanwaltschaft - und erhob dennoch Anklage. Denn das Betreten zum Zwecke des Kreidemalens sei verboten gewesen und deshalb strafbarer Hausfriedensbruch. Doch schon, ob das überhaupt stimmt, ist mehr als fraglich. Denn wann die Kreidesprüche aufgetragen wurden und ob das Betreten rund um die Uhr unzulässig wäre, ist bislang nicht geklärt. Auch der Strafantrag wird zu prüfen sein: Die Unterschriften sind teilweise gar nicht leserlich. Gut möglich also, dass das Verfahren in sich zusammen fällt, weil schon diese Verfahrensvoraussetzung fehlt. Doch offensichtlich herrscht Verfolgungswille. Die Staatsanwaltschaft stützt ihre Anklage auf eine merkwürdige Anzeige in der Braunschweiger Zeitung, in der ein"Captain Kirk" die von ihm angebrachten Kreidemalereien begründet. Ob die Zeitung die Daten des Auftraggebers der Anzeige überhaupt hätte herausgeben dürften, lässt der Angeklagte zur Zeit beim Datenschutzbeauftragten prüfen. In Kirk-Uniform erschien der Angeklagte nicht - ob er selbst der Autor der Anzeige ist, wird also auch noch geprüft werden müssen. Vor Gericht bestätigte er nur, die Anzeige bei der Zeitung abgegeben zu haben.
Das es überhaupt zu dem Prozess gekommen ist, dürfte am politischen Hintergrund liegen. Seit über einem Jahr, als eine Gruppe entschlossener GentechnikgegnerInnen das Versuchsgelände an der Bundesallee besetzte, ist das Thema in Braunschweig stark diskutiert. Stadt- und Geländeverwaltung sowie die von ihnen angerufenen Gerichte versuchen seitdem, den Protest vom Gelände fernzuhalten. "Nur deshalb machen sie den Prozess gegen mich", schimpft der Angeklagte J. "Die wollen einschüchtern, damit in Zukunft Genversuchsfelder, Flughafenausbau und anderes glatter ablaufen können!" Als völlig absurd beurteilt auch der als Verteidiger des Angeklagten zugelassene Gentechnikkritiker Jörg B. die Lage: "Polizei und Justiz zeigen immer besonderes Engagement, wenn kritische Personen verfolgt werden sollen - aber dieses Verfahren sprengt die Vorstellungskraft." Nichtsdestotrotz wollen Angeklagter und Rechtsbeistand eine umfangreiche Beweiserhebung über die Hintergründe sowohl des Engagements der bundeseigenen Institute in der Gentechnik wie auch über die Einschüchterungsstrategien der Behörden gegenüber politischem Protest und über die Ermittlungsmethoden gegen BürgerInnen, die sich nicht wegducken.
Die Richterin war vom Verteidigungswillen des Angeklagten sichtbar überrascht. Dieser bestand auch darauf, die Angehörigen der Polizei in Braunschweig zu vernehmen. So wird erst am zweiten Verhandlungstag die Beweisaufnahme beginnen. Vorher will der Angeklagte die am ersten Prozesstag unterbrochene Einlassung fortführen. Die Richterin hatte gentechnische Äußerungen unterbunden, musste aber am Ende des Prozesstages zur Kenntnis nehmen, dass die Kreidemalereien doch zum Gegenstand des Prozesses gehören würden -- und daher auch das dahinter stehende Thema. Ein Fortsetzungstermin wird wohl erst nach der Sommerpause stattfinden. Heiner
S., der im Publikum das Geschehen verfolgte, empfiehlt den Besuch: "Das ist eine Lehrstunde, wie politische Anklagen funktionieren - aber auch wie eine Verteidigung dagegen aussehen kann".

 

Gespenstische Demo: 10 DemonstrantInnen, unzählige Uniformierte

Der Staat tut was für die unerwünschte Agro-Gentechnik. Millionen Steuermittel fließen, die zuständigen Behörden winken alle Anträge durch, bundes- und landeseigene Forschungsinstitute werden ebenso wie die Biologie- und Agrarfachbereiche der Universitäten zu Biotechnologieakteuren umgestaltet - und wenn es Protest gibt, stehen Polizei und Justiz bereit, die kritischen Mäuler zu stopfen. In Braunschweig ist auch die Stadtverwaltung regelmäßig mit restriktiver Anwendung des Demonstrationsrechts mit dabei.

So auch am 7.5. Erneut wurde der Demonstrationszug bis zum geplanten Versuchsfeld verboten. Weitere Auflagen sollten den Demozug beschneiden, u.a. hätte kein Lautsprecher benutzt werden dürfen. Der Anmelder zog vor Gericht. Vor wenigen Wochen hatte die Stadt mit ihm einen Vergleich schließen müssen, in der die Stadt zusagte, in Zukunft nicht einfach weiter Versammlungen am Genfeld zu verbieten. An den rechtskräftig abgeschlossenen Vergleich hält sich die Stadt jedoch seitdem nicht - und da die ebenfalls gentechnikfreundlichen Gerichte in Braunschweig dieses Verhalten decken, ist der Vergleich das Papier nicht wert, auf dem er geschrieben wurde. Vor Gericht konnte gerade mal das Verbot des Lautsprechergebrauchs aufgehoben werden. Zum Rest will der Anmelder jetzt Klagen einreichen und im Zweifel bis vor das Verfassungsgericht ziehen, damit bundeseigene Flächen nicht ohne weitere Gründe zu einer Art Bannmeile erklärt werden können. "Das hätte grundsätzliche Bedeutung, denn auch auf anderen staatseigenen Flächen könnten sonst Demos einfach verboten werden", begründete er seine Klageabsicht.

Die Demo verlief entsprechend absurd, was auch geplant war. Der völlige Missverhältnis von Mini-Demo zu gigantischem Sicherheitsaufwand für die staatseigene Gentechnik sollte zeigen, dass der Staat der Hauptdurchsetzer ist. "Dreht Eure Köpfe und richtet sie gegen die, für die Ihr hier heute steht", riefen die DemonstrantInnen den Cops zu, die mit Barrieren, Pferden und vielen Mannschaftswagen das Gelände bewachten.

Inzwischen sind am geplanten Maisfeld (gleiche Fläche wie letztes Jahr) Wachposten und Stromversorgung stationiert.

 

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Ergänzungen

Prowe in der Lindenstrasse

Peter Lustig 09.05.2010 - 19:48
In der aktuellen Folge der Lindenstrasse ist am Ende von den Feldbefreiern in Giessen die Rede. Ganz unbeobachtet bleiben die Aktionen wohl doch nicht.

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Zeige die folgenden 2 Kommentare an

echt arm — egal

@egal — teili