Psychiatrie - Offener Brief an CPT

A. Skulski 07.05.2010 10:44 Themen: Repression Soziale Kämpfe
Vom Sekretariat der IAAPA, der Internationalen Vereinigung gegen Psychiatrische Angriffe, wurde bestätigt, dass der am 17.04.2010 abgeschickte Offene Brief an alle Mitglieder des „Europäischen Komitees zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe“ (CPT) seine Empfänger erreicht hat. Der Brief wurde anlässlich der in diesem Jahr geplanten "Besuche" des Komitees in deutschen Psychiatrien verfasst. Die Autoren werfen dem Komitee die Verschleierung der Tatsachen vor, so dass es durch seine Arbeit der Idee der universellen Menschenrechte an sich schadet, sie zu einer Karikatur macht und so auch die Vereinten Nationen, insbesondere das Hochkommissariat für Menschenrechte, in Mitleidenschaft zieht.
Der Offene Brief im gesamten Wortlaut:

>>Es ist eine gemeinsame Resolution der Mitgliederversammlung der International Associaton Against Psychiatric Assault  http://www.iaapa.ch/; der Mitgliederversammlung der Bundesarbeitsgemeinschaft Psychiatrie- Erfahrener e.V.; des Landesverband Psychiatrie-Erfahrener NRW e.V.  http://www.psychiatrie-erfahrene-nrw.de/, des Landesverbandes Psychiatrie-Erfahrener Berlin- Brandenburg e.V. und der Irren-Offensive e.V.  http://www.antipsychiatrie.de/ im Werner-Fuss-Zentrum  http://www.zwangspsychiatrie.de/

CPT plant neue Folter-Verschleierungs-Besuche

Wie wir erfuhren, stehen dieses Jahr beim „European Committee for the Prevention of Torture and Inhuman or Degrading Treatment or Punishment (CPT)“ u.a. wieder “Besuche” in deutschen Psychiatrien auf der Agenda. Seit dem 01.01.2009 sind psychiatrische Zwangsmaßnahmen durch die Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention in der BRD ein Verbrechen. Indem die UN-Behindertenrechtskonvention („Convention on the Rights of Persons with Disabilities“) in Artikel 14 vorschreibt, „dass das Vorliegen einer Behinderung in keinem Fall eine Freiheitsentziehung rechtfertigt“, sind die deutschen Psychisch Kranken Gesetze (PsychKG), welche zwangsweise Unterbringung aufgrund einer „Behinderung“, einer angeblichen „psychischen Krankheit“, zulassen, zu unrechtmäßigen und illegalen Sondergesetzen geworden, die zu beseitigen sind.(1) Die UN- Behindertenrechtskonvention bestätigt, was seit der allgemeinen Erklärung der Menschenrechte von 1948 und auch entsprechend der Europäischen Menschenrechtskonvention von 1953 ohnehin gilt: Zwangsmaßnahmen der Psychiatrie, das Einsperren, die Zwangsbehandlung und Entmündigung, sind weltweit und in allen Fällen schwere Menschenrechtsverletzung, v.a. Freiheitsberaubung, Körperverletzung, Verletzung der Persönlichkeitsrechte und der menschlichen Würde.

Des Weiteren entspricht psychiatrische Zwangsbehandlung den Kriterien von Folter, wie sie die durch die Resolution der Generalversammlung der Vereinten Nationen am 10. Dezember 1984 angenommene Antifolterkonvention („Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe“) definiert: Den in den psychiatrischen Gefängnissen arrestierten Insassen werden v.a. mittels gewaltsamer Verabreichung von Psychopharmaka und Elektroschocks (sogenannte „EKT“) große körperliche und seelische Schmerzen oder Leiden zugefügt. Die in der geschlossenen Psychiatrie stets und vorsätzlich praktizierte Zwangsbehandlung, Einschüchterung und Nötigung hat zum Ziel, das Geständnis „Krankheitseinsichtigkeit“ und somit „Compliance“ zu erwirken. Sogenannte vormals „Krankheitsuneinsichtige“ sollen gefügig und (scheinbar) „behandlungs“willig gemacht werden. Es wird auf Grundlage von Diskriminierung und Verleumdung gehandelt, indem Menschen als “geisteskrank“ tituliert werden. Diese Leiden werden auf Veranlassung und mit ausdrücklichem Einverständnis von Angehörigen des öffentlichen Dienstes verursacht. Die durch die Psychiatrie praktizierte Folter findet nicht als Einzelfall oder als gelegentlicher Machtmissbrauch durch das Psychiatriepersonal statt, sondern ist die Regel in jeder geschlossenen Anstalt, weil in Deutschland immer noch die psychiatrischen Zwangsgesetze wie z.B. die PsychKG existieren, obwohl diese spätestens im Zuge der Ratifizierung der UN- Behindertenrechtskonvention hätten annulliert werden müssen.(2)

Ebenso, wie das den Willen brechende Eindringen in den Körper bei einer Vergewaltigung, kann die Zwangsbehandlung in der Psychiatrie auch dann nicht legalisiert werden, wenn diese, wie einige „Experten“ meinen, durch eine Richterin oder einen Richter „überprüft“ und von dieser oder diesem „kontrolliert“ wird.(3)* Solche „Menschenrechtsexperten“ stellen sich außerhalb menschenrechtlicher Grundsätze, um die psychiatrischen Foltermaßnahmen zu schützen. Auch Vergewaltigung bleibt Vergewaltigung - selbst wenn sie von einem Richter angeordnet, überprüft und kontrolliert, von einem Arzt ausgeführt und „medizinische Behandlung“ genannt werden würde.

Das „Europäische Komitee zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe“ (CPT) ist zu einem Siebtel (6 von 42) mit Psychiaterinnen und Psychiatern besetzt und somit befangen(4). Anstatt gegen die dem psychiatrischen System immanente psychiatrische Gewalt und Folter und die auch vom UN-Hochkommissariat für Menschenrechte (UNHCHR) bereits im Oktober 2008 als „intrinsically discriminatory“ bezeichneten „ungesetzlichen“ Gesetze)(5), die psychiatrischen Sondergesetze, vorzugehen und auf diese Argumentation gestützt die Regierungen der betreffenden Staaten des Europarats zurechtzuweisen, sieht das CPT seine „erste Priorität“ allenfalls darin, „bei Besuchen in psychiatrischen Einrichtungen [….], festzustellen, ob es irgendwelche Anzeichen für die absichtliche Misshandlung von Patienten gibt“(6). Entgegen den Äußerungen der UN und deren Hochkommissarin ist es dabei der Meinung, es könne „in jeder psychiatrischen Einrichtung (…) gelegentlich notwendig werden, gegen erregte und/oder gewalttätige Patienten Zwangsmittel einzusetzen“ und billigt dabei auch die Anwendung von „Riemen, Zwangsjacken etc.“(7)

Aus diesen Gründen müssen wir die vom CPT veranstalteten Einzelfallprüfungen, die Besuche lediglich einzelner Psychiatrie-Folter-Tatorte, die das CPT verharmlosend als „gewisse Haftorte“(8) bezeichnet, welche auch nur, „um optimale Wirksamkeit zu erreichen“, „sowohl regelmäßig als auch unangekündigt stattfinden“ „sollten“ und bei denen „die Behörde“ auch nur „befugt sein [sollte], inhaftierte Personen unter vier Augen zu befragen“(9) (10) als das benennen, was sie sind: Folterverschleiernde Maßnahmen, welche weiterhin die Illusion nähren sollen, Foltermaßnahmen könnten noch durch ein Gesetz und durch Richterspruch legitimiert werden und der Anschein von Legalität bestünde zu Recht.

Dies gilt besonders in Bezug auf die Staaten des Europarates, welche die UN-Behindertenrechtskonvention unterzeichnet und ratifiziert haben. Bisher sind das Aserbaidschan (28.1.03.2009), Belgien (02.07.2009), Bosnien und Herzegowina (12.03. 2010), Dänemark (24.07.2009), Deutschland (24.02.2009), Frankreich (18.02.2010), Italien (15.05.2009), Kroatien (15.08.2007), Lettland (01.03.2010), Montenegro (02.11.2009), Österreich (26.09.2008), Portugal (23.09.2009), San Marino (22.02.2008), Schweden (15.12.2008), Serbien (31.07.2009), Slowenien (24.04.2008), Spanien (03.12.2007), Tschechische Republik (28.09.2009), Türkei (28.09.2009), Ukraine (04.02.2010), Ungarn (20.07.2007), Vereinigtes Königreich Großbritannien und Nordirland (07.08.2009).(11)

Indem das CPT also seine „Einzelfallprüfungen“ und im Soll-Modus angekündigten „Besuche“, welche zudem verbunden sind mit Empfehlungen an die Psychiatrie hinsichtlich „verbesserter“ Kontrolltechniken(12), zu Folterperfektionierungsmaßnahmen macht und damit sowohl die Behindertenrechtskonvention als auch die diesbezüglichen Stellungnahmen des UN-Hochkommissariats zu einer Karikatur macht und so auch den gesamten United Nations und der Idee der universellen Menschenrechte an sich schadet, ist es zu unserem politischen Gegner geworden. Wir brauchen weder dieses Folterverschleierungs-Komitee noch seine Besuche und wir werden uns auch nicht als Ratgeber eines solchen Komitees oder durch entsprechende Zuarbeit mitschuldig an der Verhüllung der Folter von Psychiatrie- Insassen machen. Sollte das „European Committee for the Prevention of Torture and Inhuman or Degrading Treatment or Punishment (CPT)“ jedoch bereit sein, in einem ersten Schritt gegenüber den Regierungen der BRD und den anderen Staaten des Europarates, welche die UN-Behindertenrechtskonvention ratifiziert haben, Stellung zu beziehen und gegen deren illegal weiterbestehenden psychiatrischen Sondergesetze vorzugehen, wäre eine Zusammenarbeit durchaus wieder in den Bereich des Möglichen gerückt.<<

(1) vgl. /Hilbrans/Scharmer 2008: Gutachterliche Stellungnahme. der UN Disability Convention vom 30.03.2007 und
Auswirkung auf die Gesetze für so genannte psychisch Kranke am Beispiel der Zwangsunterbringung und
Zwangsbehandlung nach dem PsychKG Berlin. URL: www.die-bpe.de/stellungnahme
(2) Weiteres dazu siehe Halmi, Alice: Zwangspsychiatrie- ein Foltersystem. In: “Zwang”, Nr. 2, Berlin 2004, Seite 4-7,
URL: www.iaapa.de/zwang2_dt/halmi.htm
(3) Prof. Theresia Degener (Recht und Disability Studies, Ev. Fachhochschule Rheinland Westfalen Lippe in Bochum) äußerte: „ in her view, control and review of medical actions should not be exclusively on the hands of doctors (medical review) but of judges (judicial review) “ In: Office of the high commissioner for human rights: Report on “Expert Seminar on freedom from torture and ill treatment and persons with disabilities”, Genf, 11.12.2007, Seite 12, URL: www2.ohchr.org/english/issues/disability/docs/torture/seminartorturereportfinal.doc
(4) Psychiater/innen im CPT: Pétur Hauksson, Vladimir Ortakov, Olivera Vuliæ, Stefan Weinberg- Krakowski, Nadia Polnareva, Anna Molnár. Vgl.: Europäisches Komitee zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe (CPT): CPT Members. Stand:04.03.2010, URL: www.cpt.coe.int/en/members.htm
(5) „The Convention on the Rights of Persons with Disabilities (CRPD) states clearly that deprivation of liberty based on the existence of a disability is contrary to international human rights law, is intrinsically discriminatory, and is therefore unlawful.“ In: UN- Hochkommissariat für Menschenrechte (UNHCHR): Dignity and Justice for Detainees
week [6.-12. Oktober 2008]. Information Note No. 4, Seite 2, URL:
www.ohchr.org/EN/UDHR/Documents/60UDHR/detention_infonote_4.pdf
Siehe auch: “Legislation authorizing the institutionalization of persons with disabilities on the grounds of their disability without their free and informed consent must be abolished. …”. In: UN- Hochkommissariat für Menschenrechte (UNHCHR): Annual report of the United Nations High Commissioner and the Secretary General. A/HCR/10/48,
26.1.2009, Seite 16, URL: www2.ohchr.org/english/bodies/hrcouncil/docs/10session/A.HRC.10.48.pdf
(6) Europäisches Komitee zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe (CPT): Die Standarts des CPT. CPT/Inf/E (2002) 1 - Rev. 2006, Seite 57, URL: www.cpt.coe.int/lang/deu/deustandards.pdf
(7) Ebd.: Seite 63
(8) CPT: apt - Council of Europe: Ein Besuch des CPT - Was hat es damit auf sich? Genf, Mai 1999, Seite 11, URL:
www.cpt.coe.int/lang/deu/deu-cpt-visit-police.pdf
(9) CPT: Die Standarts des CPT. CPT/Inf/E (2002) 1 - Rev. 2006, Seite 16, URL: www.cpt.coe.int/lang/deu/deustandards.pdf
(10) Hervorhebungen erfolgten durch die Autoren
(11) Council of Europe: Der Europarat in Kürze. Stand: 28.03.2010, URL: www.coe.int/aboutCoe/index.asp?
page=quisommesnous&l=de
und: United Nations enable: Ratifications - Countries that have ratified the Convention, Stand 28.03.2010, URL:
www.un.org/disabilities/default.asp?id=257
(12) Siehe z.B. in den „Standarts des CPT“: „Das Personal in psychiatrischen Einrichtungen sollte sowohl in
nichtkörperlichen als auch in manuellen Kontrolltechniken für die Anwendung gegenüber erregten oder gewalttätigen
Patienten ausgebildet werden.“ In: CPT: Die Standarts des CPT. CPT/Inf/E (2002) 1 - Rev. 2006, Seite 63, URL:
www.cpt.coe.int/lang/deu/deu-standards.pdf
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Autonome Irren Allianz

Hannibal the cannibal 08.05.2010 - 11:37
Du laberst so einen Scheiss Skulski.
Wir sind doch hier nicht in Russland.
Ich selbst bin seit 11 Jahren immer wieder mal Patient in der Geschlossenen und wurde bis jetzt immer fair und korrekt behandelt.
Einmal war ich einen Tag fixiert weil ich mich mit den Bullen bei der Einlieferung geschlagen habe und getobt habe.
Da war ich dann heifroh, dass die Medikamente am nächsten Tag gewirkt haben und ich nach sechs Wochen wieder draussen war.

@Hannibal cannibal - Autonome Irren Allianz

Tobi Toben 08.05.2010 - 13:25
Hallo lieber "Hannibal the cannibal"!

"Einmal war ich einen Tag fixiert weil ich mich mit den Bullen bei der Einlieferung geschlagen habe und getobt habe."

Eeecht???

Warum hast Du denn getobt?
Warum hast Du Dich mit den Bullen geschlagen?
Die wollten doch nur Dein Bestes, oder?
Hätt'st die Pillen / Spritzen doch auch gleich freiwillig nehmen können.

"Wir sind doch hier nicht in Russland."

Russland ... China ... BRD ... usw.
Die Quintessenz ist die selbe.
Menschen mit deviantem Verhalten werden weggesperrt, gefesselt und abgespritzt.
Ob sie es wollen oder nicht.
Legalisiert wird das durch die psychiatrischen Sondergesetze.


Dein

Tobi Toben



P.S.:
Manche betrachten's als Folter, andere wiederum finden's gaaanz toll.
Die Gesetze gelten aber für alle (Zwangs-) Diagnostizierten!
Sondergesetzte für eine Minderheit!
Das muß halt jede_r selbst wissen:
Entweder:
"Da ich an die Existenz psychischer Krankheit, die jederzeit bei mir ausbrechen könnte bzw. die möglicherweise sogar in mir genetisch veranlagt ist und jederzeit akut werden könnte, glaube," ...
verzichte ich auf meine Menschen- und BürgerInnen-Rechte.

Oder:
"Die von uns vorgeschlagene Form der Patientenverfügung untersagt von vornherein alle psychiatrischen Diagnosen. An die Existenz der damit bezeichneten „Krankheiten“ glauben wir ohnehin nicht, da es für sie keinerlei objektive Kriterien gibt."
-- patverfü --

@ indymedia moderatorInnen - hurz

hurzfurz 11.05.2010 - 17:58
Ey Indy-Mods.

Ihr seid ja echt die Härtsten.
Sonst seid Ihr echt schnell mit dem Zensieren, aber das hier:
"Roland Ionas Bialke
Hurz 09.05.2010 - 16:20"
lasst Ihr tagelang stehen.
Da soll Euch mal eine_r verstehen.

Nachvollziehbar?

HurzFurz


P.S.: Wem gehört Indymedia?
(rhetorische Frage)

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darstellen - schwarz 11.05.2010 - 18:32
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Schreiben wir auch selbst an und an Ergänzungen, die wir dann im "schwarz-Bereich" stehen lassen?

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