Der 1. Mai in Schweinfurt

Dagewesene_r 04.05.2010 23:20 Themen: Antifa Soziale Kämpfe
Vom langweiligen Schweinfurt zum kritiklosen 1.Mai

So ist das Spektakel in dem eigentlich brutal langweiligen Schweinfurt auch schon wieder vorbei. Abgelaufen ist es eigentlich so, wie es jede_r hätte vorraussagen können, wer die Entwicklungen in den letzten Jahren diesbezüglich verfolgt hat.
Eine mehrere Tausend Menschen umfassende bürgerliche Bündnisdemo, die sich in einer unter dem ebenso nichtssagenden wie langsam aber sicher nervenden Motto „Schweinfurt ist bunt“ stehenden Großdemonstration gemeinsam als wachsame Demokrat_innen inszenieren konnten. Was denn diese viel beschworene Demokratie überhaupt genau sein soll, wird dabei übrigens natürlich einer Erklärung nicht für notwendig befunden. Worin sich aber alle anständigen Bürger_innen einig sind: Wer am demokratischen Normalzustand etwas auszusetzen hat, gegen den muss Stellung bezogen werden. Für Demokratie und gegen Extremismus. Der CSU-Oberbürgermeister brachte es dann – gerichtet an „Ausländer“ - auf den Punkt: „Wir wollen und brauchen euch“. Brauchen tun „wir“ euch aber natürlich nur, solange ihr gut qualifiziert seid und unserer Wirtschaft nutzt. Ansonsten stecken WIR euch in schimmlige Sammelunterkünfte (wie im nahegelegenen Würzburg) und schieben euch bei der nächstbesten Gelegenheit dahin ab, wo auch immer ihr herkamt. Die Vorsitzende des Integrationsbeirat, Ayfer Fuchs, formulierte ebenso sinnentleert wie Brechreiz erregend: „Ich bin stolz eine Schweinfurterin zu sein.“

Diese abstoßende Manifestation tausender Verteidiger_innen des „guten Deutschlands“ wurde zum Glück nicht ganz kritiklos hingenommen. Mit einer kleinen Aktion am Rande der Bündnisdemo wurde für etwas Aufruhr gesorgt, des Weiteren wurden gesellschaftskritische Flyer verteilt. Der vom „Antifaschistischen Bündnis 1.Mai“ organisierte antikapitalistische Block war nicht erkennbar und ging in der Masse der 8000 engagierten Standortnationalist_innen wie erwartet vollkommen unter. Kritische Inhalte, die über den Konsens, „gegen Nazis“ zu sein, hinausgingen, konnten leider wenig vermittelt werden. Man konzentrierte sich wie immer auf den vermeintlich größeren Feind – die Nazis. Dass es wohl kaum die Nazis sind, die uns und alle anderen Menschen hauptsächlich am schönen Leben hindern, dass es für eine emanzipatorische, radikale Linke nie – auch nicht „an dem Tag“ – die oberste Prämisse sein kann, einen Naziaufmarsch zu verhindern, und dass die Nazis ohnehin erst Stunden später erscheinen sollten, all das wurde ausgeblendet, um sich in ritualisierter Manier auf den Naziaufmarsch einzuschießen. Für Kommunist_innen/Anarchist_innen, whatever, kann es schlicht und einfach nicht der einzige Anspruch sein -und das an keinem Tag- sich darauf zu beschränken, einen Naziaufmarsch blockieren zu wollen, und jegliche Kritik an den bürgerlichen Verhältnissen im wahrsten Sinne des Wortes links liegen zu lassen bzw. zugunsten einer Bündnisfähigkeit zurückzustellen. Da eine solche Kritik vom „schwarzen Block“ nicht zu hören war -auch wenn man natürlich nichts anderes von ihm erwarten darf- konnte er sich gedankenlos in die bürgerliche Demonstration eingliedern, und sich als verlängerter, militanter Arm der Sozialdemokratie präsentieren. So lieferte dieser Block seinen Beitrag an der sich selbstabfeiernden demokratischen Masse, allein schon durch die Beteiligung an dieser Demonstration.

Nach der DGB-Demo begab man sich in Richtung Naziroute. Auch hier das für Bayern übliche Bild. Ein Großaufgebot an uniformierten Verteidiger_innen der Grundrechte hatte sich längst an allen Straßen zur Route aufgestellt, und die meisten der aufrechten Deutschen, die vorher noch meinten „Flagge zu zeigen“, hatten sich ins traute Heim oder zur Bratwurst gegen Rechts verzogen. Ein solches Gemeinschaftserlebnis und absolutes Highlight in ihrem tristen Alltagsleben– Flagge zeigen mit der ganzen Familie – wird sich ihnen wohl erst wieder bei der Fußball-WM bieten, wenn sie erneut Gelegenheit haben, sich als stolzes Kollektiv zu inszenieren.

Es gab also kein Durchkommen zur Naziroute, das übliche Rumgerenne war man irgendwann satt und stellte sich in den Seitenstraßen zur Route auf, so z.B. in der Thersienstraße. Hier wurden bei Auseinandersetzungen zwischen ca. 200 Antifaschist_innen und dem BFE durch Flaschenwürfe sowie Prügelorgien und Pfeffersprayeinsatz des motivierten Gewaltmonopols einige Menschen verletzt, anschließend bei dem Kessel vorm Arbeitsamt fielen nach ein paar wenigen Flaschenwürfen ebenfalls mehrere Personen dem Prügelverlangen des BFE zum Opfer, die Sanitäter_innen hatten alle Hände voll zu tun. Für Antifaschist_innen war der Tag vor allem durch stundenlange Kessel sowie immer wieder kurz aufflammenden aber unentschlossenen und schwachen Auseinandersetzungen gekennzeichnet. Hier müssen wir uns auch ganz klar an die eigene Nase packen, ein Spontiversuch durch die Fußgängerzone wäre z.B. sicher drin gewesen und hätte noch einmal eigene Inhalte vermittelt statt sich an den Nazis abzuarbeiten. Die ca. 800 Nazis – weit weniger als erwartet - liefen indes beinahe ungestört am Schuttberg vorbei. Den erhofften Eventcharakter dürfte „Schweinfurt City“ für sie eher weniger gehabt haben, schließlich mussten sie sich sogar erst einmal die Beine in den Bauch stehen, weil sich nicht genügend Ordner_innen für ihr deutschnationales Rumgelatsche finden ließen. Gerüchte, nach denen tausend Nazis in Würzburg marschieren sollten, erwiesen sich als unwahr, und nach ein paar Stunden des immergleichen Marschierens waren die Nazis auch schon wieder verschwunden. Die heimelige Stadt also wieder sauber, Flagge wurde gezeigt, die Antifa kann ihre Arbeit beenden, und von Seiten der engagierten Bürger_innen darf wieder dem anständigen Deutschtum gefrönt werden, bis es wieder heißt: Demokratie stärken – Bunt statt Braun!

Ergänzungen, Fotos, Videos, und Diskussionen erwünscht :)
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Ergänzungen

Bilder der Neonazis aus Schweinfurt

H.D.W. 04.05.2010 - 23:46
Hier ist eine Bilderzusammenstellung des Neonazi-Aufmarsches am 1. Mai in Schweinfurt:

 http://recherche-nord.com/cms/index.php?option=com_content&task=view&id=461&Itemid=149

Duisburger Nazi

.RA 05.05.2010 - 16:18

Flugblatt 1.Mai in Schweinfurt

Die Wütenden 05.05.2010 - 16:33
Hier noch das Flugblatt von den "Wütenden", welches am 1.Mai in Schweinfurt am Rande des "Bürger_innenfestes" verteilt wurde.

Hey, alte Arsch­ba­cke, alles fit? Ich koch­te mir ges­tern auch wie­der Würst­le. (1)

Liebe Ge­nos­si­nen und Ge­nos­sen, liebe Hunde und Kätz­chen,

es ist nicht leicht, sich dem ge­wal­ti­gen Event­cha­rak­ter des heu­ti­gen Tages ganz zu ent­zie­hen. Ihr alle wer­det mei­nen, aus den un­ter­schied­lichs­ten Grün­den auf der Stra­ße sein, doch wie viel­fäl­tig, knal­lig und „bunt“ eure An­lie­gen am heu­ti­gen Tag ver­tre­ten sein mögen, letzt­lich kul­mi­niert das Be­son­de­re im All­ge­mei­nen: In der Aver­si­on eines alt­ba­cke­nen Rechts­ra­di­ka­lis­mus, wie er schon vor mehr als einem hal­ben Jahr­hun­dert vor­zu­fin­den war und sich auch heute wie­der in Form eines men­schen­ver­ach­ten­den Na­zi­auf­mar­sches in Schwein­furt ge­biert. So weit so schlecht. Die Wü­ten­den hal­ten es für un­er­läss­lich die bür­ger­li­che Rea­li­tät am Schop­fe zu pa­cken und sie in Schul­hof­ma­nier zu ver­prü­geln. Als Kom­mu­nis­t_in­nen müs­sen wir an der Not­we­nig­keit einer Kri­tik an den ka­pi­ta­lis­ti­schen Ver­hält­nis­sen mit­samt ihren ir­ra­tio­na­len Er­schei­nungs­for­men fest­hal­ten. Dies macht es un­ab­ding­bar eine Liai­son mit der Su­pre­ma­tie „volks­ver­tre­ten­der“ In­sti­tu­tio­nen in Ge­stalt von Par­tei­en und Ge­werk­schaf­ten a prio­ri zu quit­tie­ren. Jeg­li­cher Je­sui­tis­mus ist dazu ver­dammt, den Zweck – den un­ab­ding­ba­ren Um­sturz der ge­sell­schaft­li­chen Ver­hält­nis­se – durch die ein­ge­setz­ten Mit­tel noch wei­ter auf­zu­schie­ben.
Im fol­gen­den Text ver­su­chen wir den Wi­der­spruch einer vor­geb­li­chen Ra­di­ka­li­tät wei­ter zu er­läu­tern und wieso wir es für un­mög­lich hal­ten, die „wahre“ Kri­tik sein zu las­sen. Auf­grund die­ses an­geb­li­chen Ge­gen­sat­zes, den die An­ti­fa zum Exis­ten­zi­al auf­bläst, wird die be­an­spruch­te Ra­di­ka­li­tät zu­guns­ten der Volks­front gegen Rechts immer wie­der wie eine leere Hülle fal­len­ge­las­sen (2). Im wei­te­ren neh­men wir eine grö­ße­re Un­be­liebt­heit wohl­wol­lend in Kauf, wenn wir in An­be­tracht des­sen davon aus­ge­hen kön­nen, dass un­se­re An­lie­gen von ein­zel­nen ver­ständ­nis­vol­len un­dog­ma­ti­schen Freun­d_in­nen auf­ge­grif­fen wer­den.

„Schwein­furt ist Bunt“

Dass nun Schwein­furt bunt ist – so­fern die ver­schie­de­nen Grau­tö­ne einer durch Bil­der pro­ji­zier­ten ge­sell­schaft­li­chen Viel­falt als bunt be­zeich­net wer­den kön­nen – mögen wir vor­erst nicht ab­strei­ten. Die Tat­sa­che ist, dass die Un­ter­frän­ki­sche Pro­vinz kaum Nazis auf der Land­kar­te zu ver­zeich­nen hat, geht nicht nur aus dem kürz­lich er­schie­nen Ver­fas­sungs­schutz­be­richt Bay­ern 2009 her­vor. Fakt 
ist, dass man sich eben – nicht wie in an­de­ren Wei­ten die­ser schreck­lich öden Re­pu­blik – „frei 
be­we­gen“ kann, ohne Angst haben zu müs­sen, von Fa­schis­t_in­nen ge­walt­vol­le Re­pres­sa­li­en 
er­lei­den zu müs­sen. Doch diese frei­wil­li­ge Mach­t­in­sze­nie­rung der Zi­vil­ge­sell­schaft, die sich ohne Scham für eine De­mo­kra­tie und gegen jeden Ex­tre­mis­mus po­si­tio­niert, scheint ohne Gren­zen zu sein. Warum auch nicht? In einer Welt, in der man nur ein Recht auf Leben hat, in­so­fern man seine Ware Ar­beits­kraft zu Mark­te tra­gen kann (3), gibt es nur sel­tenst Wi­der­sprü­che, die öf­fent­lich als diese ent­larvt wer­den und auch dann nicht kri­tisch the­ma­ti­siert wer­den kön­nen. Die Män­gel lie­gen viel zu tief, als sie in in die­ser Kürze be­schrei­ben zu kön­nen (so­fern noch die Zeit neben der Lohnar­beit ge­fun­den wird, sich mit den Wi­der­sprü­chen über­haupt zu be­schäf­ti­gen oder sie gar zu kri­ti­sie­ren). Das was üb­li­cher­wei­se als „Kri­tik“ fir­miert, mutet nicht sel­ten so be­schä­mend an, wie Stamm­tisch­pö­be­lei­en gegen eine Par­tei. Wie be­reits die Ge­nos­s_in­nen der An­ti­deut­schen Kom­mu­nis­ten Ber­lin (ADK) rich­tig fest­stell­ten: „Das Di­lem­ma, in dem wir ste­cken ist fol­gen­des: Die ein­zi­ge rich­ti­ge Pra­xis mo­men­tan wäre die An­eig­nung und völ­li­ge Um­ge­stal­tung des Pro­duk­ti­ons­ap­pa­ra­tes. Die aber, die dies tun könn­ten sind so schwach, daß sie sich psy­cho­lo­gisch mit dem Ag­gres­sor ver­bün­den müs­sen. Sie hän­gen dem Un­heil noch mehr an als die Ver­fü­gen­den selbst. Hork­hei­mer sagte des­halb ein­mal, daß man um so ver­zwei­fel­ter am Kom­mu­nis­mus fest­hal­ten müsse, je un­mög­li­cher er sei. Selbst die Deut­schen be­nö­ti­gen den Kom­mu­nis­mus, auch dann, wenn sie alles tot­schla­gen, was auch nur ent­fernt nach Glück riecht.“ (4)
Des wei­te­ren ist ein Bünd­nis in Schwein­furt rea­li­siert wor­den, wel­ches durch seine zah­len­mä­ßi­ge Über­le­gen­heit, sowie sei­nes the­ma­ti­schen Sur­ro­gats zu jeg­li­cher tief­grei­fen­den Ge­sell­schafts­kri­tik, kei­ner­lei Hilfe an­ti­fa­schis­ti­scher Or­ga­ni­sa­tio­nen be­darf. Dies ge­steht sich die An­ti­fa je­doch noch lange nicht ein. (5) Die Mas­sen­mo­bi­li­sie­rung auf die sie setzt, schafft schon seit lan­gem auch ein „bür­ger­li­ches Bünd­nis“ (6). Deren Aus­blei­ben war eben lange Zeit die vor­zeig­ba­re Exis­tenz­be­rech­ti­gung einer An­ti­fa.

Das große Ren­nen

Wäh­rend die For­mel 1 es schafft ihre Event-​Ver­an­stal­tung im­mer­hin mit Li­ve-​Über­tra­gung auf RTL zu prä­sen­tie­ren, wer­den die ört­li­chen Po­li­ti­ker_in­nen in Schwein­furt zu die­sem eher anö­den­den Event ver­su­chen – mög­lichst ef­fek­tiv – me­dia­le Auf­merk­sam­keit auf sich zu zie­hen, indem sie gegen Neo­na­zis grö­len. Das Fest der De­mo­kra­tie, in der die De­mons­tra­ti­on mün­det, wird die Bühne für am­tie­ren­de und kom­men­de Po­li­ti­ker_in­nen sein, um me­di­en­wirk­sam für die Par­tei die Wer­be­trom­mel zu rüh­ren. Die Lob­prei­sun­gen einer un­vor­stell­bar gro­ßen Schei­ße, die so­ge­nann­ten Werte der De­mo­kra­tie, die sich im Ju­bi­lä­ums­jahr 2009 auf die Frei­heit kon­zen­trier­ten, und der per­fi­den Flos­kel, dass man aus Ausch­witz ge­lernt habe, Tri­but zoll­ten, wer­den wohl wie jedes Jahr, nur in mo­di­fi­zier­ter Ver­si­on, an die­sem Tag zur Gel­tung kom­men. Wel­che_r Po­li­ti­ker_in das große Ren­nen der De­mo­kra­tie dann schluss­end­lich macht, wird sich in der Ta­ges­schau am Abend her­aus­stel­len. Ein Event, des­sen Vor­aus­sa­ge eben­so span­nend ist, wie die nächs­ten Jahr­zehn­te der Lohnar­beit.

Wie die Un­be­greif­lich­keit einer Uhr, die sich rück­wärts dreht

Die An­ti­fa, ein Phä­no­men, das nur aus den Au­to­no­men-​Be­we­gun­gen, der 80er und frü­hen 90er zu ver­ste­hen ist, möch­te aber schon lange nichts mehr von einer ra­di­ka­len Le­bens­pra­xis hören (7). Haben die Au­to­no­men in ihren (wenn auch meist re­gres­si­ven) Ak­tio­nen noch den Ver­such einer All­tags­pra­xis an den Tag ge­legt, endet der Job der An­ti­fa mit dem Ab­le­gen der Son­nen­bril­le auf dem Nacht­schränk­chen. Der Un­ter­schied zwi­schen der An­ti­fa und den bür­ger­li­chen Apo­lo­ge­ten der De­mo­kra­tie ist le­dig­lich, dass erste auch mit mi­li­tan­ten Mit­teln ihrem An­lie­gen nach­kom­men. Nur sel­ten knüp­fen aus den Rei­hen des au­to­no­men An­ti­fa­schis­mus man­che, al­ler­dings zu an­de­rer Stun­de, an eine grund­le­gen­de Ge­sell­schafts­kri­tik an, die nicht nur mit hoh­len Phra­sen die be­ste­hen­de Ge­sell­schaft an­grei­fen möch­te. An die­ser Stel­le bor­gen wir uns aber­mals eines län­ge­rem Zi­tats der ADK: „Das Pro­blem der [An­ti­fa; A.d.V.] ist, daß sie nichts von Marx wis­sen will. In Deutsch­land ist dies nicht neu, schon das, was unter dem Namen Neue Linke fir­mier­te, war, von einem kur­zen Auf­blit­zen Ende der 60er Jahre ab­ge­se­hen, an­ti­mar­xis­tisch und dafür um so öko­be­weg­ter. Nicht so in Ita­li­en und Frank­reich. Dort gab es Ar­bei­ter­streiks, die das Ka­pi­tal nicht so leicht weg­ste­cken konn­te wie die Lie­der und Sitz­blo­cka­den deut­scher Lin­ker. In Ita­li­en gab es in den 70er Jah­ren eine große un­dog­ma­ti­sche mar­xis­ti­sche Linke, die Au­to­no­mia Ope­raia. Von die­ser mußte sich die heu­ti­ge Linke lösen, damit sie statt Re­vo­lu­ti­on den zi­vi­len Un­ge­hor­sam pre­di­gen konn­te.“ (8)
Wenn also eine An­ti­fa­schis­ti­sche Ak­ti­on und, um hier auch gleich das Kind beim Namen zu nen­nen, die An­ti­fa Schwein­furt, sich ein­reiht in eine De­mons­tra­ti­on, die von DGB und an­de­ren ob­sku­ren Kon­sor­ten an­ge­führt wird, spricht diese nicht von einer kom­mu­nis­ti­schen As­so­zia­ti­on oder einer Ne­ga­ti­on des Be­ste­hen­den und ist nicht in der Lage eine Kri­tik am his­to­ri­schen Pro­jekt des No­mi­nal­so­zia­lis­mus zu üben. Sie spre­chen vom Ka­pi­tal­ver­hält­nis, das sie nicht ver­ste­hen. Ein­fach ge­sagt: weil sie es nicht wol­len. „Er­fah­run­gen will man nicht ma­chen, wo­fern man sie über­haupt ma­chen kann“ (Ador­no. Mar­gi­na­li­en zu Theo­rie und Pra­xis). Die hoh­len Phra­sen von einer „ge­rech­te[n] Ge­sell­schaft, in der die Pro­duk­ti­ons­mit­tel in den Hän­den aller sind und in der für die Be­dürf­nis­se der Men­schen pro­du­ziert wird,“ (9) sind nur Pos­tu­la­te, die mit kei­ner kri­ti­schen Ein­sicht kor­re­spon­die­ren.
Schon Karl Marx stellt sich der pro­ble­ma­ti­schen Be­griff­lich­keit einer „ge­rech­ten Ver­tei­lung“ in sei­ner Kri­tik des Go­tha­er Pro­gramms und for­mu­lier­te fol­gen­des:

„Was ist „ge­rech­te“ Ver­tei­lung? Be­haup­ten die Bour­geois nicht, daß die heu­ti­ge Ver­tei­lung „ge­recht“ ist? Und ist sie in der Tat nicht die ein­zi­ge „ge­rech­te“ Ver­tei­lung auf Grund­la­ge der heu­ti­gen Pro­duk­ti­ons­wei­se? Wer­den die öko­no­mi­schen Ver­hält­nis­se durch Rechts­be­grif­fe ge­re­gelt, oder ent­sprin­gen nicht um­ge­kehrt die Rechts­ver­hält­nis­se aus den öko­no­mi­schen? Haben nicht auch die so­zia­lis­ti­schen Sek­tie­rer die ver­schie­dens­ten Vor­stel­lun­gen über „ge­rech­te“ Ver­tei­lung? (10)

Die Ge­werk­schaft

Der DGB, der größ­te Dach­ver­band der deut­schen Ge­werk­schaf­ten wurde am 12. Ok­to­ber 1949 in Mün­chen ge­grün­det und hatte 16 Mit­glieds­ge­werk­schaf­ten, 1978 schloss sich eben­so die Ge­werk­schaft der Po­li­zei (GdP) die­sem an. Es han­delt sich also um die In­ter­es­sen­ver­tre­tung, der wohl der größ­te Hass ge­bührt, den der An­ti­fa­schist, ab­ge­se­hen von sei­ner Feind­se­lig­keit ge­gen­über den Nazis, auf­brin­gen kann (11). Nichts desto trotz sieht die An­ti­fa darin keine Pro­ble­me mit die­ser gegen die Nazis zu kol­la­bo­rie­ren. Nicht nur hier wird der volun­ta­ris­ti­sche und nicht ernst zu neh­men­de Grad an Vor­stel­lung von einem bes­se­ren Leben fla­grant, so­dass man sich den ra­di­ka­len Kon­se­quen­zen ver­wei­gert und sys­te­ma­tisch eine Bünd­nis­fä­hig­keit auf­recht­er­hält, um seine ei­ge­ne Po­li­tik – die dazu noch nicht ein­mal Er­folg hat – durch­zu­set­zen.
Nun wol­len wir auf das Wesen der Ge­werk­schaf­ten ein­ge­hen. Diese haben seit­her, wenn auch un­wis­sent­lich, nicht nur die Auf­ga­be, für die – wenn über­haupt vor­han­den – ver­trag­lich ge­re­gel­ten An­sprü­che ein­zu­tre­ten, son­dern auch die Kon­sum­be­reit­schaft zu kon­ser­vie­ren. So ist die al­lei­ni­ge For­de­rung nach mehr Lohn ohne dem Ziel der Ab­schaf­fung des Lohn­sys­tems si­cher­lich in ein­zel­nen Fäl­len sehr schön, denn so lässt es sich leich­ter in den hie­si­gen Ver­hält­nis­sen aus­har­ren, je­doch be­steht erst gar nicht die Be­reit­schaft die Knecht­schaft ver­las­sen zu wol­len. Der „ge­werk­schaft­li­che Kampf“ und die Auf­ga­be der Ju­gend­or­ga­ni­sa­ti­on – die För­de­rung po­li­ti­scher Bil­dung – ist nicht einem ra­di­ka­len Klas­sen­be­wusst­sein ent­sprun­gen, son­dern die Pro­le­ta­ri­sier­ten legen schon jedes auf­kom­men­de Un­be­ha­gen in die Hände der Ver­tre­ter_in­nen, statt eine Selbst­tä­tig­keit zu ent­wi­ckeln und sich in wil­den Streiks mit dem Feind – den bür­ger­li­chen Ver­hält­nis­sen – zu mes­sen. Der Ver­such ein Be­wusst­sein zu bil­den, muss daher über einen an­de­ren Weg voll­zo­gen wer­den. Ein ge­werk­schaft­li­cher Streik, ist kein re­vo­lu­tio­nä­res An­lie­gen die Welt grund­le­gend – und darin be­steht die Not­wen­dig­keit – zu ver­än­dern, son­dern le­dig­lich über bes­se­re Be­din­gun­gen im Be­trieb mit den Ar­beits­kraft­neh­men­den zu ver­han­deln. Hier ent­puppt sich die ra­di­ka­le Phy­sio­gno­mie ge­werk­schaft­li­cher Pro­tes­te als bloße Pseu­do­ra­di­ka­li­tät, wel­che nicht nur an­ti­no­misch einer wahr­haft ra­di­ka­len Pra­xis ge­gen­über­steht, son­dern deren Re­sti­tu­ti­on durch Ur­su­pa­ti­on jeg­li­chen re­vo­lu­tio­nä­ren Be­geh­rens gänz­lich ver­hin­dert. Die ge­werk­schaft­li­chen Zu­sam­men­schlüs­se re­geln somit nur ein le­bens­läng­li­ches Da­sein im Aus­beu­tungs­ver­hält­nis. Sie sind dazu da, den Ar­beits­lohn zu er­hal­ten und zu er­hö­hen. Die Ge­werk­schaft nimmt der ein­zel­nen Ar­bei­ter_in das Aus­han­deln des Lohns ab, indem sie zy­klisch „Lohn­an­pas­sun­gen“ or­ga­ni­siert. Um Ar­beits­be­din­gun­gen und so­zia­le Ab­si­che­rung küm­mert sich der Staat mit Ge­setz­ge­bun­gen und Ver­ord­nun­gen. Die Ge­werk­schaf­ten haben das Recht auf Mit­be­stim­mung. Sie sind aber der Ar­bei­ter­klas­se nicht von außen ok­troy­iert, son­dern ent­spre­chen der Hoff­nung der Ar­bei­ter_in­nen, sich unter den ge­ge­be­nen Ver­hält­nis­sen ir­gend­wie ab­si­chern zu kön­nen. Sie sind die eine Seite des in­ne­ren Wi­der­spruchs in der Klas­se: ei­ner­seits ist sie Teil des Ka­pi­tals, pro­du­ziert das Ka­pi­tal, an­de­rer­seits hasst sie po­ten­zi­ell die Ar­beit und könn­te der ge­fähr­lichs­te Feind des Ka­pi­tals sein. In die­sem Wi­der­spruch be­wegt sich jede ein­zel­ne Ar­bei­ter_in, aber er drückt sich auch als spek­ta­ku­lä­re Spal­tung der Ar­bei­ter­klas­se in Schich­ten aus. Diese ver­schie­de­nen Schich­ten haben un­ter­schied­li­che ideo­lo­gi­sche Mög­lich­kei­ten, sich in der Aus­beu­tung ein­zu­rich­ten, sie er­träg­lich zu fin­den. Da der Klas­sen­kampf auf reine Lohn­fra­gen – und für nichts an­de­res kön­nen Ge­werk­schaf­ten auch ihrem Wesen nach ein­ste­hen – re­du­ziert wird, gibt es die Mög­lich­keit einer Ver­recht­li­chung. Die So­zi­al­part­ner­schaft von Ge­werk­schaft und Staat in Deutsch­land ist ein Erbe der Volks­ge­mein­schaft. Alle an­de­ren Fra­gen – die exis­ten­zi­el­len Pro­ble­me des Klas­sen­kampfs – sind in Rechts­fra­gen ver­wan­delt wor­den. D.h. sie sol­len keine The­men des Klas­sen­kampfs, son­dern der po­li­ti­schen Ein­fluss­nah­me des ver­ein­zel­ten Staats­bür­gers im Rah­men der De­mo­kra­tie sein. Und die Ge­werk­schaf­ten tun das Ih­ri­ge, um diese »Ent­eig­nung« des Klas­sen­kampfs zu un­ter­stüt­zen.
Und nur wenn die Ge­werk­schaf­ten sel­ber Streiks füh­ren, kön­nen sie diese wich­tigs­te Waffe des Ar­bei­ter_in­nen­kampfs kon­trol­lie­ren und ihr die Schär­fe neh­men. Die ge­werk­schaft­li­che Mo­bi­li­sie­rung ver­hin­dert die Selbst­tä­tig­keit der Klas­se: »An­ar­chie und Chaos« müs­sen ver­hin­dert wer­den, sonst gibt’s keine Ga­ran­tie dafür, dass eine Ei­ni­gung zu­stan­de kommt und alles in den alt­be­währ­ten und ge­ord­ne­ten Bah­nen wei­ter­läuft. Des­halb wird de­le­giert und ge­re­gelt, die Masse wird ma­nö­vriert, Kon­tak­te unter den Strei­ken­den und zu an­de­ren Be­trie­ben lau­fen über ge­werk­schaft­li­che Funk­tio­nä­re. Ge­fahr für das au­to­ma­ti­sche Sub­jekt der Wert­ver­wer­tung mit­samt sei­ner man­nig­fal­ti­gen und in Wirk­lich­keit von Men­schen­hand ge­führ­ten In­sti­tu­tio­nen tritt erst dann in Er­schei­nung, wenn die Ar­bei­ter_in­nen den Kampf selbst in die Hand neh­men und sich um die In­ter­es­sen ihres Fein­des einen Dreck sche­ren. Wilde Streiks sind schon recht­lich il­le­ga­li­siert, ein »Streik­recht« hat nur die staat­lich an­er­kann­te Ge­werk­schaft. Aus die­ser Per­spek­ti­ve müs­sen wir für au­to­no­me kom­mu­nis­ti­sche Ar­bei­ter_in­nen­zu­sam­men­schlüs­se kämp­fen, deren An­lie­gen die For­mu­lie­rung einer Kri­tik ist, deren letzt­lich prak­ti­sche Um­set­zung sich der be­wusst tak­ti­schen Kon­trol­le und Len­kung sei­tens des Staats ent­zieht. Sich mit Ge­werk­schaft und Co dar­auf ein­zu­las­sen einen ge­mein­sa­men Kampf zu füh­ren, ist Ver­rat an der Re­vo­lu­ti­on. Un­se­re Waffe ist die Kri­tik, die es zu schär­fen gilt und nicht einer Ge­werk­schafts­de­mons­tra­ti­on nach­zu­da­ckeln, um schluss­end­lich auf dem Fest der De­mo­kra­tie zu lan­den. Wir wol­len damit alle „ver­nünf­ti­gen“ oder bes­ser: un­ver­nünf­ti­gen, d.h. die sich der herr­schen­den ge­sell­schaft­li­chen Logik ent­zie­hen­den Pro­le­ta­ri­sier­ten an­spre­chen, die sich nicht dem na­tio­na­len Tau­mel an­schlie­ßen und in Geg­ner­schaft zu den ge­werk­schaft­li­chen und staat­li­chen In­sti­tu­tio­nen be­fin­den.

Die Not­wen­dig­keit der Or­ga­ni­sa­ti­on einer Kri­tik

Wir bla­sen 365 Tage im Jahr Trüb­sal, das Leben schenkt uns nichts, die Ar­beit macht uns K.O. und wir kön­nen uns schein­bar nicht weh­ren. Wir kön­nen nur wahl­los wäh­len und haben keine Ver­fü­gung über das wahre Leben, denn dies ver­meid­lich „wahre“ Leben in­ner­halb der fe­ti­schi­sier­ten Ge­sell­schaft ist nicht mehr als ein Wa­ren­le­ben. Was ist das für ein „Leben“, in der das pure Glück über Not und Elend ent­schei­det? Ob man ein Leben zu füh­ren sucht vor ge­füll­ten Schau­fens­tern, deren Waren man ei­gent­lich gar nicht be­sit­zen mag oder den wei­ßen Mann aus Eu­ro­pa um ein paar Bro­t­res­te bit­ten muss? Be­reits in jun­gen Jah­ren wer­den wir mit einer Fülle von Schei­ße kon­fron­tiert, die sich Schu­le nennt und den An­fang der Ver­wer­tungs­ma­schi­ne­rie bil­det. Je­de_r scheint es zu ken­nen, aber nie­mand sich zu weh­ren. Etwas län­ger wol­len wir daher Raoul Van­ei­gem zu Wort kom­men las­sen, der uns zur Ein­sicht kom­men lässt, nicht zu ver­zwei­feln, trotz der Herr­schaft der Lang­wei­le:
„Zur fest­ge­setz­ten Zeit und Stun­de ver­las­sen sie die Büros, die Werk­stät­ten und die La­den­ti­sche, um sich im glei­chen Takt der Be­we­gun­gen in eine ab­ge­mes­se­ne, ver­buch­te Zeit zu stür­zen. Stück für Stück wird diese Zeit mit Namen be­schrif­tet, die wie Fläsch­chen klin­gen, die man fröh­lich öff­net: Wo­chen­en­de, Ur­laub, Feier, Ruhe, Frei­zeit, Fe­ri­en. So sehen die Frei­hei­ten aus, die ihnen die Ar­beit be­zahlt und die sie mit ihrer Ar­beit be­zah­len. Mit gro­ßer Sorg­falt üben sie die Kunst, der Lan­ge­wei­le Farbe auf­zu­tra­gen, indem sie die Lei­den­schaft am Preis der Exo­tik, eines Li­ters Al­ko­hol, eines Gramms Ko­ka­in, der Aus­schwei­fung, der po­li­ti­schen Aus­ein­an­der­set­zung mes­sen. Mit ver­siert-​stump­fem Auge be­ob­ach­ten sie die kurz­le­bi­gen No­tie­run­gen der Mode, die von Ra­batt zu Ra­batt den Ab­satz der Son­der­an­ge­bo­te ka­na­li­siert: Klei­der, Fer­tig­ge­rich­te, Ideo­lo­gi­en, Er­eig­nis­se und die Stars auf dem Ge­biet des Sports, der Kul­tur, der Wah­len, des Ver­bre­chens, des Jour­na­lis­mus und der Ge­schäf­te, die das In­ter­es­se an all­dem wach­hal­ten.
Sie glau­ben ein Leben zu füh­ren, aber das Leben führt sie durch die nicht enden wol­len­den Hal­len einer alles um­fas­sen­den Fa­brik. Ob sie lesen, bas­teln, schla­fen, rei­sen, me­di­tie­ren oder vö­geln, sie ge­hor­chen fast immer dem alten Re­flex, der jeden Ar­beits­tag hin­durch die Füh­rung hat.
Macht und Pro­fit hal­ten die Fäden in der Hand. Sind die Ner­ven rechts über­spannt? Sie ent­span­nen sich links, und die Ma­schi­ne springt wie­der an. Eine Be­lang­lo­sig­keit ist in der Lage, sie über das Un­tröst­li­che hin­weg­zu­trös­ten. Nicht ohne Grund haben sie jahr­hun­der­te­lang unter dem Namen Gott einen Skla­ven­händ­ler ver­ehrt, der nur einen von sie­ben Tagen zum Aus­ru­hen zu­ge­stand und dar­über­hin­aus ver­lang­te, daß die­ser sei­nem Lob­ge­sang ge­wid­met sei.
Und den­noch füh­len sie, wis­sen sie am Sonn­tag­nach­mit­tag, so gegen vier Uhr, daß sie ver­lo­ren sind, daß sie, wie in der Woche, das Beste von sich in der Mor­gen­däm­me­rung zu­rück­ge­las­sen haben, daß sie nicht auf­ge­hört haben zu ar­bei­ten.“ (12)
Statt sich die­ser Trost­lo­sig­keit einer per­ma­nen­ten Lan­ge­wei­le be­wusst zu ma­chen, lau­fen wir wei­ter umher und su­chen nach Ant­wor­ten, wo doch erst ein­mal die rich­ti­gen Fra­gen zu stel­len wären. Wir wer­den kämp­fen müs­sen. Die Or­ga­ni­sa­ti­on der Kri­tik soll­te uns am Her­zen lie­gen, um die Si­tua­ti­on her­bei­füh­ren zu kön­nen, die end­lich eine Per­spek­ti­ve des glück­li­chen Le­bens er­mög­licht, das wir doch so sehr er­hof­fen. Doch auch eine An­lei­tung, ein all­um­fas­sen­des Hand­buch fehlt uns. Wenn man uns dies zur Schwä­che vor­hal­ten will, muss man ant­wor­ten, dass daran noch un­se­re Stär­ke liegt. Das Pro­jekt darf nicht als ge­schei­tert be­trach­tet wer­den ohne tat­säch­li­che Dis­kus­sio­nen ge­führt zu haben. Aber oft fehlt Zeit, fehlt Mut. Doch liegt die Mög­lich­keit des Bes­se­ren – der Ex­em­ti­on von ge­sell­schaft­li­chen Zwän­gen – al­lein darin, sich an das Pro­jekt der ra­di­ka­len kom­mu­nis­ti­schen Auf­klä­rung zu ma­chen, deren un­hin­ter­geh­ba­re Vor­aus­set­zung eine ex ne­ga­tivo for­mu­lier­te Kri­tik ist, die sich nicht auf die dok­tri­nä­re Kon­kur­renz des Mark­tes der Ideo­lo­gi­en ein­lässt. Wie die­ses Pro­jekt an­satz­wei­se heute aus­se­hen könn­te, brach­ten Ge­nos­s_in­nen des Mops­or­den Dres­den rich­tig auf den Punkt: „Um Hand­lungs­fä­hig­keit im Sinne von In­ter­ven­ti­on oder gar einer re­vo­lu­tio­nä­ren For­mie­rung kann es uns ganz be­stimmt nicht gehen, aber wohl um die Or­ga­ni­sa­ti­on der Kri­tik und über­haupt um die Her­stel­lung von Ver­bind­lich­keit. An­sons­ten wer­den un­se­re Be­lan­ge immer in einer un­kla­ren Be­lie­big­keit ver­har­ren und als Hobby ir­gend­wann neben Tanz­kur­sen und Wald­spa­zier­gän­gen ver­schwin­den.“ (13) Mit die­sen wohl wah­ren Wor­ten wol­len wir es be­las­sen und den „kol­lek­ti­ven Kri­ti­ker“ als Not­wen­dig­keit der mensch­li­chen Eman­zi­pa­ti­on vor­aus­schi­cken.

Und zur Be­die­nung die­ses Events…

… möch­ten wir nur kurz etwas los­wer­den: „Was kön­nen Linke in so einer ver­fah­re­nen Si­tua­ti­on tun? Sie soll­ten eine in­tel­lek­tu­ell Avant­gar­de sein.“ (14) Und damit gaben die toten An­ti­deut­schen Kom­mu­nis­ten Ber­lin auch schon die ex­ak­te Ant­wort auf eine Frage, die man ihnen nie stell­te. Das was die Linke hier macht ist eben nichts, als lä­cher­li­ches Phra­sen­schwin­gen. Des­we­gen wer­den wir an die­ser Stel­le den Text nicht mit den Wor­ten: „Für den Kom­mu­nis­mus“ be­en­den, denn die­sem Be­griff müss­te erst ein­mal einer ge­naue­re Un­ter­su­chung vor­aus­ge­hen. Lasst uns dort an­fan­gen!


gez. die wü­ten­den. (15)
Mit Un­ter­stüt­zung des Mops­or­den Dres­den & grou­pe sous les pavés

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(1) Goe­the | Faust I
(2) Noch dazu liegt ge­ra­de im post­na­zis­ti­schen Deutsch­land eine be­son­de­re Kon­stel­la­ti­on zwi­schen De­mo­kra­t_in­nen und Nazis vor, was zu ent­fal­ten für das An­lie­gen des Tex­tes al­ler­dings zu viel wäre.
(3) Wenn man über­haupt noch aus ir­gend­wel­chen Grün­den die Mög­lich­keit be­sitzt, seine Ware an­zu­bie­ten.
(4) ADK | Flug­blatt | Bunt macht Braun
(5) Wir reden ab­sicht­lich von „dem An­ti­fa“ in der männ­li­chen Form, die für den deut­schen Sprach­ge­brauch vor­ge­se­hen ist und Frau­en be­nach­tei­ligt, je­doch neh­men wir an von einem ste­reo­ty­pi­schen An­ti­fa­schis­ten aus­zu­ge­hen, der oh­ne­hin keine Män­ner­bün­de­lei und Mi­li­tanz­fe­tisch in­ner­halb der ei­ge­nen Rei­hen sieht und Sta­tus Quo re­pro­du­ziert. An an­de­rer Stel­le nut­zen wir den Un­ter­strich (_) um auch Frau­en, Trans, etc. nicht aus­zu­schlie­ßen zu müs­sen.
(6) Das Bünd­nis hat sich be­reits Wo­chen vor einem An­ti­fa-​Bünd­nis me­di­en­wirk­sam in Szene ge­setzt und be­steht unter an­de­rem aus: VDK, MLPD, DKP, DGB, ge­no-​net und Pur Party Schwein­furt
(7) Um das zu ver­ste­hen, was sich in Deutsch­land als „Linke“ fir­miert hat, reicht es na­tür­lich nicht aus, le­dig­lich auf die Au­to­no­men-​Be­we­gun­gen ein­zu­ge­hen, auch ihre an­de­ren ideo­lo­gi­schen Vor­gän­ger, wie die 68er, Spon­tis und die K-​Grup­pen soll­ten in der Kri­tik der Ge­schich­te eine Rolle spie­len, wenn man be­grei­fen will, was die An­ti­fa ist.
(8) ADK | Flug­blatt | Bunt macht Braun
(9) An­ti­fa­bünd­nis Schwein­furt | Auf­ruf | Frei statt Netz Süd
(10) MEW 19, S.​18
(11) Wir sind uns über eine be­son­de­re Rolle des/r Po­li­zis­t_in be­wusst, wol­len diese je­doch ,auf­grund von Platz­man­gel, nicht wei­ter the­ma­ti­sie­ren.
(12) Raoul Van­ei­gem – An die Le­ben­den! Eine Streit­schrift gegen die Welt der Öko­no­mie
(13) Wir dan­ken den Ge­nos­s_in­nen aus Dres­den für die mun­ter ma­chen­den und wah­ren Worte.
(14) ADK
(15) Wer etwas zur Ent­ste­hung der Mai­fei­er wis­sen möch­te, soll­te mal bei Rosa Lu­xem­burg nach­le­sen. Sie schrieb dar­über be­reits im Fe­bru­ar 1894: http://​www.​marxists.​org/​deutsch/​archiv/​luxemburg/​1894/​02/​ maifeier.​htm



 http://maifeuer.tk/

Schweinfurt 1. Mai 2010 – Erfahrungsbericht

Hugo Stiglitz 06.05.2010 - 21:18
Schon beim Lesen des Aufrufs („Bomb the whole fucking train“) stellte sich mir hinsichtlich Formulierungen wie: „Unser Anliegen ist es, die Nazidemo am 1. Mai mit allen Mitteln zu verhindern, ohne dabei auf die Vermittlung eigener Inhalte zu verzichten.“ die Frage, wie das denn funktionieren sollte? Das Interesse der Öffentlichkeit und der Medien wird bei solchen Ereignissen immer beim Naziaufmarsch selbst und den Verteidigern der Demokratie liegen. Insofern stellt sich schon mal die grundsätzliche Frage, ob man sich in Zukunft auf den Tag der Nazidemo selbst fixieren sollte, um eigene Inhalte rüber zu bringen oder besser einen anderen Tag wählen sollte. Gut, eine Vorabenddemo wäre nicht gut gewesen, aufgrund der Terminüberschneidung mit der Demo in Frankfurt, aber eine Demo gegen die „Deutsche Volksgemeinschaft“ kann man eigentlich an jedem anderen beliebigen Tag machen.
Wann zuletzt eine Nazidemo durch eine sich offensiv von einer deutschen Volksgemeinschaft Abgrenzenden linksradikalen Gruppe verhindert werden konnte und dabei noch eigene Inhalte vermittelt wurden, daran kann ich mich nicht erinnern – schon gar nicht in Bayern. Die letzten verhinderten Großveranstaltungen von Nazis wurden alle durch entschlossenes handeln durch ein breites Bürger_innenbündnis blockiert (siehe: Pro Köln Kongress 2008, Dresden 2010, Lübeck 2010, Berlin 1. Mai 2010).
Unter diesen Gesichtspunkten war ich schon sehr skeptisch vor der Fahrt nach Schweinfurt. Formulierungen wie: „Jede_r ist gefragt, […] an den Aktivitäten gegen den Aufmarsch des Deutschen Mobs teilzunehmen“, gaben mir allerdings die Hoffnung, es würde etwas organisiert sein, vor Ort wurde ich jedoch enttäuscht.
Fragte man Menschen auf der Straße, schwarz gekleidete Bezugsgruppen oder sogar die Bullen, nach einer Kundgebung oder einem Treffpunkt des AK Maifeuer zuckten alle mit der Schulter und Lotsten mich zum Platz am Zeughaus. Als Treffpunkt auf „erstermai10.blogsport.de“ war „grüner Markt“ angegeben. Den findet aber nicht mal Google in Schweinfurt und die Karten, die man sich ausdrucken konnte und die auch verteilt wurden, waren so schlecht, dass man darauf viele Straßennamen nicht entziffern konnte – einen „grünen Markt“ konnte auch dort nicht gefunden werden. Was ich dann am Platz am Zeughaus sah, übertraf meine schlimmsten befürchtungen: neben Ständen von SPD, Die Linke, Gewerkschaften, DKP und MLPD stopfte sich bei Feststimmung die „Volksgemeinschaft gegen Rechts“ den Bauch mit Bockwurst voll. Dort versicherten mir schwarz gekleidete Antifas, dies wäre der Treffpunkt des AK Maifeuer. Ungläubig, aber aufgrund fehlender Informationen harrte ich dort eine weile aus. Lange hielt ich es jedoch nicht aus und lief von dem ganzen Szenario angewidert, orientierungslos aufgrund mangelhafter Karten durch die Stadt.
Die einzigen Inhalte, bekam ich in Form von 2 Flugblättern. Das war einmal der Text von „Ag No Tears For Krauts“ zu Dresden 2010, ein in den Kernaussagen guter Text, der sich aber allemal dazu eignet, vermeintlich linksradikale Antifas zur kritischen selbstreflektion zu bewegen, aber sicher keine Bürgerliche Gesellschaft zum Nachdenken bewegt. Über den anderen Text von „die wütenden“ lässt sich nichts anderes sagen: Durch Sätze wie „Die wütenden halten es für unerlässlich die bürgerliche Realität am Schopfe zu packen und sie in Schulhofmanier zu verprügeln.“ und aufgrund der erschlagenden Masse an Fremdwörtern würde ich eine belehrende Wirkung auf das bürgerliche Bündnis bezweifeln.
Natürlich hätte ich auch selbst etwas tun müssen (Flyer schreiben, Transpi malen, etc). Habe mich aber sehr spontan entschieden nach Schweinfurt zu kommen und deswegen leider selbst nichts vorbereitet. Und etwa eine Spontandemo sollte besser von Ortskundigen organisiert werden.
Zusammenfassend lässt sich also sagen, es gab wenig Organisation oder Koordination. Wie soll man denn bitteschön die „eigenen“ Leute finden, wenn nicht einmal der angegebene Treffpunkt zu finden ist? In einem vielversprechenden Aufruf wurden falsche Hoffnungen auf Vorbereitete, Aktionen gemacht. Die Idee, am Tag eines Naziaufmarsches durch dezentrale Aktionen eigene Inhalte zu vermitteln und nebenbei die Nazidemo noch zu verhindern, ohne mit Bürger_innen zusammen zu arbeiten ist gut, aber vielleicht etwas viel auf einmal. Die Kritik, dass eigene Inhalte kaum, oder in schlechter Form verbreitet wurden, trifft hier selbstverständlich nicht nur die Vorbereitungsgruppe, sondern auch andere angereiste Gruppen und mich, die mit einer Konsumhaltung nach Schweinfurt gefahren sind.

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.. 03.07.2010 - 08:28

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nicht die mama! — louis van gaal

i ve been looking — for communism

Gibs — es

... — one solution

haha — hehe

jaja — the one and only nicht die mama

VERNETZEN! — BLACKREDFLAG

jetzt platzt mir aber langsam — die hutschnur

@ die hutschnur — nur was kleinkariertes.

THX — rowdy