Oldenburg: Autonomer 1. Mai 2010

Lama 04.05.2010 13:30 Themen: Antifa Freiräume Soziale Kämpfe
Zum mitt­ler­wei­le 15. Mal gab es in Ol­den­burg eine au­to­no­me 1.​Mai-Demo – wie immer na­tür­lich un­an­ge­mel­det. Unter dem Motto »Stadt ge­hört uns allen – so­li­da­ri­sie­ren/or­ga­ni­sie­ren/an­eig­nen – welt­weit!« tra­fen sich ab 12 Uhr über 500 Leute in der Kai­ser­stra­ße am Bahn­hof.
Ein Groß­teil der An­we­sen­den ou­te­te sich mit klei­nen Kle­be­schnip­seln als ihre ei­ge­ne »De­mo-​Lei­tung« und mach­te so klar, was sie von Stell­ver­tre­te­rIn­nen-​Po­li­tik hal­ten. Die Demo be­stand aus einem Kin­dertre­cker für die klei­ne­re Frak­ti­on, einem LKW der um­zugs­ge­fähr­de­ten Wa­gen­burg und jeder Menge Jung- und Alt-​Au­to­no­men, lin­ken Ge­werk­schaf­te­rIn­nen, Leu­ten aus dem an­ti­ras­sis­ti­schen Spek­trum, aus so­zia­len Ba­sis­grup­pen, aus der fe­mi­nis­ti­schen Be­we­gung… Also aus Schü­le­rIn­nen, Stu­den­tIn­nen, Lehr­lin­gen, Ar­beits­lo­sen, pre­kär Be­schäf­tig­ten und Ar­bei­te­rIn­nen – mit und ohne deut­schen Pass. Aus Men­schen eben.
Nach einer kur­zen Auf­takt­re­de ging es re­la­tiv zügig und ohne die sonst üb­li­chen Bul­len-​Ner­verei­en zum Pfer­de­markt, wo es dann die ers­ten län­ge­ren Re­de­bei­trä­ge gab. Vom Pfer­de­markt aus soll­te es nun durch die Hei­li­gen­geist­stra­ße auf den Wall­ring gehen. Soll­te. Doch die Ein­satz­lei­tung der Po­li­zei hatte was da­ge­gen und meh­re­re quer­ge­stell­te Po­li­zei­bul­lis und teils rüde Prü­ge­latta­cken der Po­li­zei-​Spe­zi­al­ein­heit BFE mit meh­re­ren Ver­letz­ten auf Sei­ten der De­mons­tran­tIn­nen mach­ten ein Durch­kom­men un­mög­lich. Der wahr­schein­li­che Grund für das pa­ni­sche und bru­ta­le Agie­ren der Bul­le­rei an die­ser Stel­le ist wohl auf eine der erst am Don­ners­tag in­stal­lier­ten po­li­zei­li­chen Über­wa­chungs­ka­me­ras zu­rück­zu­füh­ren. Diese soll am 3. Mai of­fi­zi­ell der Pres­se vor­ge­stellt wer­den – und be­fin­det sich nun­mal di­rekt an der Kreu­zung Hei­li­gen­geist­stra­ße/Wall­ring. Und ob­wohl reich­lich Cops an­we­send waren und die Ka­me­ra auf einem etwa 8 Meter hohen Mast mit Klet­ter­sper­re mon­tiert ist, wurde wohl be­fürch­tet, das Ei­ni­ge den kur­sie­ren­den De­mon­ta­ge- ​Auf­ruf prak­tisch um­ge­setzt hät­ten. Wie dem auch sei – die Demo je­den­falls zog – un­ter­bro­chen von meh­re­ren Re­de­bei­trä­gen – statt­des­sen über die Pe­ter­stra­ße zum Wall­ring und von dort aus auf den Rat­haus­platz. Hier gab es ein so­li­da­ri­schen Zu­sam­men­tref­fen mit den Res­ten der DGB-​De­mo/Kund­ge­bung, an wel­cher sich wohl 450 Leute be­tei­ligt hat­ten. Nach einer län­ge­ren Kund­ge­bung ging es bei nun ein­set­zen­den fie­sen Regen Rich­tung AZ Al­ham­bra.
Auf der Ama­li­en­stra­ße an­ge­kom­men mach­te sich plötz­li­cher Jubel breit. Aus den Fens­ter der Häu­sern Ama­li­en­stra­ße 14 und 16 flat­ter­ten Trans­pa­ren­te und meh­re­re Mas­kier­te gaben be­kannt: »Be­setzt! Stadt ge­hört allen und die Häu­ser denen, die sie brau­chen!«. Spon­tan be­schloss die 1. Mai-​De­mo ihrem ei­ge­nen Motto nun auch Taten fol­gen zu las­sen und so wurde kur­zer­hand das ei­gent­lich am Al­ham­bra ge­plan­te Stra­ßen­fest di­rekt zu den best­z­ten Häu­sern und damit auf die Ama­li­en­stra­ße ver­legt. Trotz des mas­si­ven Re­gens ver­wan­del­ten die zu die­sem Zeit­punkt noch etwa 400 De­mons­tran­tIn­nen die tris­te Stra­ße in eine chil­li­ge, wenn auch äu­ßerst nasse Fest­lo­ca­ti­on. Wie aus dem Nichts tau­chen Ti­sche und Bänke, Pa­vil­li­ons und ein üp­pi­ges Büf­fet auf der Ama­li­en­sta­ße auf. Die Bul­len fan­den das alles gar­nicht gut, zogen je­doch erstein­mal nur mit einem se­mi­per­me­a­b­len Kes­sel auf. Doch die ver­meind­li­che Ruhe hielt nicht lang: An den Kes­sel­rän­dern kam es immer wie­der zu teils hand­fes­ten Pro­vo­ka­tio­nen der Bul­le­rei. Nach etwa einer Stun­de tick­ten die Cops dann ganz durch. Ohne Anlaß oder ir­gend­ei­ne An­dro­hung stürm­te das Ol­den­bur­ger BFE einen di­rekt vor den be­setz­ten Häu­sern be­find­li­chen Pa­vil­li­on. Die etwa 20-30 Leute, die unter dem Pa­vil­li­on auf bes­se­res Wet­ter war­te­ten, wur­den mit Knüp­peln, Trit­ten, Schlä­gen und un­men­gen Pfef­fer­spray an­ge­gan­gen. Die Bi­lanz waren über 20 Leute mit große­ren Bles­su­ren, die von den an­we­sen­den De­mo-​Sa­nis ver­sorgt wer­den muss­ten. Die Ol­den­bur­ger Po­li­zei zeig­te ein­mal mehr ihr wah­res Ge­sicht. Nach­dem der Ein­satz­lei­ter Nor­bert Münch un­miss­ver­ständ­li­che Dro­hun­gen gegen das Stra­ßen­fest, bei wel­chem sich noch immer eine bunte Mi­schung an Leu­ten auf­hielt, aus­sprach und wei­te­re Prü­gel­bul­len von au­ßer­halb zur Ver­stär­kung an­for­der­te, wurde nach etwa 2 Stun­den das Stra­ßen­fest dort be­en­det und gegen 16 Uhr der Rück­zug ins Al­ham­bra an­ge­tre­ten. Nur eine Stun­de spä­ter bra­chen dann über hun­dert Leute wie­der auf, um die dro­hen­de Räu­mung der Häu­ser ir­gend­wie ab­zu­wen­den. Es konn­te auf­grund der Bul­len­ab­sper­run­gen je­doch nur ein wenig Chaos ge­stif­tet wer­den. Die Räu­mung der Häu­ser ver­lief, bis auf mas­si­ve und ab­so­lut un­nö­ti­ge po­li­zei­li­che Sach­be­schä­di­gun­gen im In­ne­ren der Häu­ser, re­la­tiv zi­vi­li­siert. Die 13 Be­set­ze­rIn­nen müs­sten nur ihre Per­so­na­li­en ab­ge­ben und zu einem kur­zen Fo­to­shoot an­tre­ten – zu Ver­let­zun­gen oder grö­ße­ren Schick­a­nen kam es zum Glück nicht. Nach die­ser Pro­ze­dur wur­den »die wil­den 13« von einer auf sie war­ten­den So­li­de­mo im Emp­fang ge­nom­men und kräf­tig be­ju­belt. Die Po­li­zei hal­lu­zi­niert nun von »ge­walt­sa­men At­ta­cken gegen Po­li­zis­ten« und kün­dig­te Land­frie­dens­bruchs-​Er­mitt­lun­gen gegen ver­schie­den De­mons­tran­tIn­nen, sowie Er­mitt­lungs­ver­fah­ren wegen Haus­frie­dens­bru­ches und Sach­be­schä­di­gung gegen die Be­set­ze­rIn­nen an. Ein Po­li­zei­spre­cher äu­ßer­te sich mür­risch zu der all­jähr­li­chen au­to­no­men Demo und ver­steif­te sich auf die Aus­sa­ge, dass die links­au­to­no­me Szene in Ol­den­burg »Jahr für Jahr einen drauf(setzt)«. An­de­re sehen es wohl eher so, dass die po­li­zei­lich-​or­ga­ni­sier­te Szene in Ol­den­burg »Jahr für Jahr einen drauf(setzt)« – und zwar in punk­to Ge­walt und Bru­ta­li­tät. An die 30 ver­letz­te De­mons­tran­tIn­nen spre­chen da wohl eine deut­li­che Spra­che.
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