Der 1. Mai in Berlin

Wladek Flakin 03.05.2010 21:26 Themen: Antifa Repression Soziale Kämpfe
Am 1. Mai 2010 wurde der internationale Kampftag der ArbeiterInnen zum 120. Mal abgehalten (1). In Berlin gab es sehr viele Veranstaltungen – laut der Polizei wurden im Vorfeld 43 angemeldet.
Morgens: Die Gewerkschaftsdemo

Pünktlich um 10 Uhr zog die Gewerkschaftsdemo vom Wittenbergplatz in Westberlin los. Die Demonstration des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) wird von Jahr zu Jahr kleiner: dieses Jahr waren höchstens 2.000 DemonstrantInnen dabei. Darunter waren wenige ArbeiterInnen oder Auszubildende – dafür aber Bürgermeister Klaus Wowereit, ganz vorne am Fronttransparent. Dieser Sozialdemokrat war in den letzten acht Jahren für die "Sparen, bis es quietscht"-Politik im Öffentlichen Dienst und im Bildungssystem verantwortlich, doch die Gewerkschaftsführungen setzen immer noch lieber auf die Anbiederung an SozialdemokratInnen als auf Klassenkampf.

Auf der Demo waren verschiedene Kräfte, die die politische Linie des DGBs entschieden ablehnen, z.B. die anarchosyndikalistische FAU, die ArbeiterInnen zum Austritt aus den DGB-Gewerkschaften auffordert, und mehrere türkische stalinistische Kräfte, deren Intervention hauptsächlich durch die Parole "Marx, Engels, Lenin, Stalin, Mao - Viva, Viva, Viva!" auffiel.

Unübersehbar war der Klassenkämpferische Block von mehreren hundert Leuten, die mit Transparenten, Schildern und einem eigenen Lautiwagen "Klassenkampf statt Standortlogik" forderten. Dieser Block – organisiert unter anderem von der "Revolutionären Perspektive", der ARAB und der DKP Berlin (2) – setze sich für den Aufbau einer klassenkämpferischen Opposition an der Basis der großen Gewerkschaften ein. Dieser Block wurde auch von der "jungen GEW" unterstützt, weshalb es im Gegensatz zum letzten Jahr keine Versuche der DGB-Führung gab, den Lautiwagen aus der Demo zu vertreiben.

Ein Redebeitrag über die "Alternative" im Berliner Daimler-Werk (3) erklärte, wie die IG Metall-Bürokratie versucht, eine oppositionelle Strömung im Betrieb mit Ausschlussverfahren mundtot zu machen. Die UnterstützerInnen der "Alternative" forderten dazu auf, die IG Metall nicht zu verlassen, sondern den innergewerkschaftlichen Kampf für eine kämpferische Politik zu verstärken. Ein Redebeitrag von der "AG Arbeitskämpfe" an der FU Berlin machte klar, dass SchülerInnen und Studierende im Rahmen des bevorstehenden Bildungsstreiks sich an die ArbeiterInnenbewegung wenden müssen.

Nachmittags: Blockaden gegen den Naziaufmarsch

Über 10.000 NazigegnerInnen sind dem Aufruf des Bündnisses "1. Mai Nazifrei!" gefolgt und haben in Prenzlauer Berg den geplanten Aufmarsch der FaschistInnen erfolgreich blockiert. Seit dem frühen Morgen wurde versucht, die von der Polizei abgesicherte Naziroute zu besetzen. Doch nicht wo die Flashmobs planlos von Absperrung zu Absperrung gehetzt wurden und auf eine Einladung der Polizei warteten, sondern wo AntifaschistInnen sich ein Herz nahmen und zielgenau die Absperrungen gewaltsam durchbrachen, konnten Blockaden gebildet werden.

So konnte die Naziroute bereits am Vormittag an drei wichtigen Punkten massenhaft blockiert und trotz Einschüchterungsversuchen mit bereitgestellten Wasserwerfern gehalten werden. Nur die Blockade der östlichen Bornholmer Straße gelang nicht in ausreichender Zahl. Hier, in der Nähe des Sammelpunktes der Rechten, ging die Polizei mit Pfefferspray und Schlagstöcken vor. So konnten bis zum späten Nachmittag nur kleine Blockaden oder ein Sabotageversuch des Lautis durchgeführt werden.

Doch letztendlich konnten die rund 600 Glatzen, die schlussendlich erschienen, nur einige Hundert Meter marschieren, bevor sie kurz vor 18 Uhr umdrehen und nach Hause fahren mussten.

Abends: Die Revolutionäre Demo

Zum 22. Mal fand die Revolutionäre 1. Mai Demonstration statt. Mit erheblicher Verspätung (damit BlockadeteilnehmerInnen noch eintreffen konnten) begann der Aufzug durch Kreuzberg und Nordneukölln unter dem Motto "Die Krise beenden – Kapitalismus abschaffen!" Über 15.000 Menschen hatten sich trotz massiver Vorkontrollen und brutalster Drohungen durch die Polizei ("Es könnte Tote geben") auf der Südseite des Kottbusser Tors versammelt.

Der Hauptredner, Heinrich Fink vom VVN-BdA, sprach sich deutlich für die Überwindung des Kapitalismus aus. Doch konkrete Perspektiven, wie der Kapitalismus überwunden werden könnte, waren sowohl in seiner Rede wie auf der gesamten Demonstration nicht immer leicht zu erkennen.

Zum Glück lief der ziemlich gut organisierte Klassenkämpferische Block an der Spitze, was die gesamte Demonstration disziplinierter und vor allem politischer machte. Dort gab es Forderungen nach Widerstand in den Betrieben, klassenkämpferischen Gewerkschaften und politischen Streiks – ein positiver Gegensatz zu den eher abstrakten Parolen, die sonst den 1. Mai dominieren.

Trotz der wochenlangen Hetze in den bürgerlichen Medien über die "Mai-Randale" verlief die Demonstration überraschend friedlich. "Hey, hier sind irgendwie keine Bullen", meinte ein erstaunter Punker im vorderen Teil der Demo. Tatsächlich hielten sich die über 6.000 PolizistInnen fast komplett außer Sichtweite und deswegen kam es auch nicht zu Ausschreitungen.

Die Demo bewegte sich sehr schnell und erreichte in weniger als einer Stunde den Ort der Abschlusskundgebung am Spreewaldbad. Erst hier begannen die Angriffe der Bullen auf Linke – die in den bürgerlichen Medien gefeierte Polizeistrategie der "ausgestreckten Hand" bedeutete keine Hemmung der Polizeigewalt, wie ein Video auf Youtube eindrucksvoll zeigt. Doch selbst das war eher bescheiden im Vergleich zur polizeilichen Gewaltorgie vom letzten Jahr, als fast 300 Menschen festgenommen wurden.

von Wladek (RIO) und David, Berlin

Notizen:
(1) Zur Geschichte des 1. Mais siehe den Artikel von Nick Brauns aus der jungen Welt: http://www.jungewelt.de/2010/04-30/056.php
(2) Für unsere Einschätzung der DKP Berlin, die deutlich linker als die Bundes-DKP ist, siehe: http://www.revolution.de.com/revolution/0909/wahlen/linkeparteien.html#dkp
(3) Für mehr Infos über die Alternative, siehe: http://www.revolution.de.com/revolution/1004/alternative/index.html
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Ergänzungen

Person von Polizist ins Gesicht getreten

EA 03.05.2010 - 22:14
Die verletzte / betroffene Person soll sich unbedingt beim
Ermittlungsausschuss (EA) Berlin MELDEN !

EA­Berlin
Gneisenaustr. 2a (Mehringhof)
U­Bahnhof Mehringdamm
Tel.: 030 ­ 692 22 22
Mail: ea­  berlin@riseup.net Diese E-Mail-Adresse ist gegen Spambots geschützt! JavaScript muss aktiviert werden, damit sie angezeigt werden kann. / PGP­Schlüssel auf der Homepage
Sprechstunde jeden Dienstag 20:00 - ­ 22:00


 http://ea-berlin.net/1mai


HELFT MIT DIE BETROFFENE PERSON AUSFINDIG ZU MACHEN ! SPRECHT IN RUHE MIT DER PERSON UND KOMMT IN DIE SPRECHSTUNDE !

Rote Hilfe Berlin

OG RHB 04.05.2010 - 06:47
Die Ortsgruppe der Roten Hilfe in Berlin bietet jeden Mittwoch von 19:30 bis 20:30 Uhr (bzw. bis alle beraten wurden) einen Beratungstermin für Betroffene politischer Repression an.
Ihr wart auf einer politischen Aktion und wurdet verhaftet oder habt nach einiger Zeit einen Strafbefehl erhalten. Ihr wisst nicht wie ihr euch bei einer Vorladung verhalten sollt oder wollt für euch und euere Bezugsgruppe/Politgruppe eine Antirepressionsveranstaltung machen. Kommt vorbei. Wir beraten politische AktivistInnen und bieten unsere Solidarität an.

In politischen Verfahren trägt die Rote Hilfe 50% eurer Kosten. Dazu ist aber auch Mitarbeit von Nöten, schließlich sind wir keine kommerzielle Versicherung sondern ein strömungsübergreifender linker Solidaritäts e. V. Also eintreten und die Ortsgruppen in ihrer Arbeit aktiv unterstützen.

Jeden Mittwoch gibt es im Rahmen der Sprechstunde auch einen Büchertisch mit diversen preisgünstigen und kostenlosen Antirepressionsratgebern und Büchern zum Thema "staatliche Repression". Die Einnahmen dienen ebenfalls der Unterstützung politischer Gefangener.

schaut doch mal auf unsere Webseiten:
 http://berlin.rotehilfe.de
 http://www.rote-hilfe.de

Ihr wollt Geld für die Menschen spenden die am 1. Mai der Repression der Robocops zum Opfer gefallen sind? Dann spendet unter dem Stichwort 1. Mai auf das Solikonto der Roten Hilfe Berlin oder kommt einfach bei der Sprechstunde vorbei um etwas zu Spenden. Oder übernehmt ein Solidaritätsabo für eineN GefangeneN.

Rote Hilfe OG Berlin Bürozeiten
Jeden Mittwoch von 19:30 Uhr bis 20.30 Uhr im Stadtteilladen Lunte - Weisestr. 53 - Berlin-Neukölln, Nähe U-Bhf. Boddinstr.

Nächste Termine:
05.05.2010, 12.05.2010, 19.05.2010

Wir hoffen eure aktive Bereitschaft zur Unterstützung.

cs gas gegen nazis ?!?!

anfrage 04.05.2010 - 09:44
haben die nazis stress mit den cops gehabt ???

hab bei flickr ein foto gefunden, wo wohl einer etwas probleme hat :

 http://www.flickr.com/photos/rassloff/4573671741/

tag der arbeit ?!?!

vielleicht 04.05.2010 - 09:47
etwas bedenklich, da der tag der arbeit von den nazis als feiertag eingeführt wurde:

 http://www.flickr.com/photos/rassloff/sets/72157623856851095/

und wie unschwer an den fotos zu erkennen ist, demonstrieren auch nazi an dem tag.

wenn auch nicht sehr weit und sehr lange, aber immerhin haben die es auch in die medien geschafft.

@na so lala

find ich auch, war politisch 04.05.2010 - 10:12
Da auch ich wegen der Vorkontrollen am Kottidamm etwas später zur Demo zustossen konnte, habe ich auch mitbekommen, dass sich der demo immer noch mehr Leute angeschlossen hatten, auch dann noch als nämlich die Vorkontrollen aufgehoben worden sind.

Daher dachte auch ich es waren ca. 20.000 Menschen, liefen ja auch sehr viele auf den Seiten/Gesteigen mit der Demo mit.

Und ja, ab Hälfte der Demo war alles viel lockerer, und das werfe ich nicht den Menschen vor, die sich der Demo angeschlossen haben. Es war einfach ein Lauti zuwenig, vielleicht überlegen sich ja nächstes jahr nochn paar andere organisierte nen block zu machen.

Ich finde es schon eine wichtige inhaltlich ergänzung, das so klarzustellen, dass es weit mehr als 15.000 Menschen waren, wie auch, dass es nicht unpolitisch war, sondern eben etwas lockerer weiter hinten.

Eine Demo mit dieser Größe muss auch nicht von vorne bis hinten durchgekettet in schwarz sein, und natürlich sollen auch viele Menschen dort mitlaufen können, die jetzt nicht 1:1 komplett für Revolution usw. sind, sondern auch Menschen, die irgendwie unzufrieden sind mit diesem System. Oder Menschen die das Anliegen der Demo nachvollziehen können und es damit unterstützen dass sie halt dabei sind.

Das zu Verurteilen halte ich auch nicht für schlau, und pauschal "Spasstourismus" oder ähnlichem vorzuwerfen, nur weil es auch alternative Touris in Berlin aus Barcelona, Milano, London oder sonstwoher gibt, die am 1. Mai nicht ins Tacheles wollen oder ins Hanfmuseum oder in den Görli, sondern die Politdemo unterstützen wollen, ist natürlich eher ne Unterstellung.

ROTFRONT

weitere fotos rund um den 1. mai in berlin

. 04.05.2010 - 14:50
Antifa-Demo „zum Führer mit zum Henker“ in Schöneweide:
 http://www.flickr.com/photos/kietzmann/sets/72157623981983238/

Antikapitalistische Walpurgisnacht auf dem Boxi:
 http://www.flickr.com/photos/kietzmann/sets/72157623857711037/

Nazi-Aufmarsch & Gegenproteste im Prenzlauer Berg:
 http://www.flickr.com/photos/kietzmann/sets/72157623989413894/

Revolutionäre 1. Mai Demo und Abends in Kreuzberg:
 http://www.flickr.com/photos/kietzmann/sets/72157623990466264/

1.Mai Schweinfurt

.. 04.05.2010 - 20:28

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Naja...alles so Lala? — Operator

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@vielleicht — rabe