Der erste Mai in Hamburg

autonom 02.05.2010 16:40 Themen: Repression Soziale Kämpfe
Im Schanzenviertel ist es am Abend des ersten Mai zu heftigen Auseinandersetzungen mit der Polizei gekommen. Rund um die Rote Flora wurden Geschäfte entglast, Banken eingeworfen, Autos zerstört und Barrikaden errichtet. Der folgende Bericht versucht die Ereignisse zusammenzufassen, eine politische Einschätzung und einen Ausblick zu geben.
Bereits am Nachmittag startete der Euromayday in St. Pauli. Mit ca. 3000 Leuten war der Umzug überraschend gut besucht. Begleitet von heftigen Regenschauern zog die Demo an der Elbe entlang, zurück nach St. Pauli in das Schanzenviertel zu Real an der Feldstraße. Der Zug war geprägt von Musikwägen und einem vergleichsweise heterogenen politischen Spektrum. Von Autonomen über Student_innen und dem Recht auf Stadt Spektrum war alles vertreten, was sich derzeit in der Stadt engagiert. Der Elan der letzten Jahre ist dieser Veranstaltung allerdings eher verloren gegangen. Dies mag auch mit der Institutionalisierung des Euromaydays zusammenhängen.

Der Euromayday war einst u.a. angetreten, um einen Kontrapunkt zu den klassischen linksradikalen erste Mai Demos zu setzen. Versuch war Migrannt_innen aktiv einzubinden und das Prekariat zu organisieren. Die Teilnehmer_innen sollte aktive Parts der Demo sein. Inzwischen ist der Euromayday jedoch selbst eher zu einer "Latschdemo", der üblichen Gruppen mit musikalischer Begleitung geworden. Dies drückte sich auch auf der Abschlusskundgebung bei Real aus. Eine Rednerin versuchte, sich eher hilflos vom Lautsprecherwagen gegen mehrere Soundsysteme durchzusetzen. Der Abschluss bei Real war an sich gut gewählt. Dort soll nach den Plänen des Senates eine "Music Hall" für 4000 Leute entstehen. Bei ersten Protesten wurde eine öffentliche Anhörung gesprengt. Der Euromayday hätte ein weiterer Mobilisierungspunkt gegen dieses Projekt sein können. So verblieb der Ort der Abschlusskundgebung eher beliebig in einer Mischung aus Party und allgemeiner Auflösungserscheinung. Ein großer Teil der Teilnehmer_innen zog anschließend Richtung Schulterblatt weiter und suchte sich schon mal ein gemütliches Plätzchen für den zum Abend erwarteten Krawall.

Dass es einen solchen geben würde, lag bereits in der Luft. Schon am Abend vorher hatte es rund um die Rote Flora Auseinandersetzungen gegeben. Die dortige Haspa-Filiale wurde zertrümmert, mehrere PKW angezündet und in den umliegenden Straßen wurden Barrikaden errichtet. Die eingesetzten Polizeibeamten wurden teilweise massiv mit Steinen beworfen und mehrmals vertrieben. Die Walpurgisnachtauseinandersetzungen waren in ihrer Dynamik die stärksten seit Jahren an diesem Tag. Befördert wurden sie unter anderem von der Hamburger Polizei. Diese vermeldete bereits seit Tagen, dass in Hamburg keine Ausschreitungen erwartet würden, da das erlebnisorientierte und autonome Spektrum nach Berlin und Rostock fahren würde. Es wurden daher sogar Bullen nach Berlin geschickt. In Hamburg sollten lediglich 1000 Beamte im Einsatz sein. Die dreiste Erwartung, es bleibe in Hamburg friedlich und das schlecht aufgestellte Polizeiaufgebot führten zu einer stillen Mobilisierung verschiedenster Spektren. Durch die nächtlichen Auseinandersetzungen der letzten Jahre sind die Riots im Schanzenviertel zudem ein Selbstläufer geworden. Hamburg hat sich diesbezüglich neben Berlin als Krawallstandort etabliert.

Dass die Hamburger Polizei einen ruhigen ersten Mai erwartete, lag unter anderem auch daran, dass sich fast sämtliche Gruppen, die in den letzten Jahren die 18 Uhr Demo vorbereitet hatten, aus dieser Vorbereitung zurückzogen. Hintergrund war die Verhinderung des Filmes "Warum Israel" in einem Kino Ende letzten Jahres. Die Verhinderung des Filmes eines jüdischen Regisseurs in Deutschland, der unterschiedliche Identitäten in Israel vor dem Hintergrund der Shoa betrachtet, erregte internationales Aufsehen. In der Folge distanzierten sich die meisten Gruppen vom Spekrum der B5 und der Sol. Das Hamburger Abendblatt titelte nach einer Erklärung der Roten Flora, sich nicht an der Demo zu beteiligen, schließlich auf dramatische Weise "Die Flora lässt die Türen zu". Die Demo und die Ereignisse des Abends haben allerdings wenig Ursächliches miteinander zu tun. Zudem ist die Flora bereits seit Jahren am 1. Mai geschlossen, seit Polizeibeamte diese 2000 als Festnahmekessel benutzten und das Gebäude weniger ein Schutzraum als vielmehr ein Risiko für Aktivist_innen aufgrund der falschen Einschätzungen eines sicheren Rückzugsortes ist. Dass eine völlige Fehleinschätzung der Situation durch eine "Presseente" erfolgte und die Polizei sich entsprechend schlecht aufstellte, dürfte für erheblichen Unmut in der Innenbehörde sorgen. Die 18 Uhr Demo selbst war trotz der Auseinandersetzungen im Vorfeld, mit 1500 Teilnehmer_innen ein Mobilisierungserfolg für die beteiligten Gruppen aus dem ML-Spektrum. Dies liegt zum Teil auch daran, dass sich die 18 Uhr Demo, die in den letzten Jahren vor allem von anarchistischen und autonomen Gruppen getragen wurde, als Termin etabliert hat und bereits eine allgemeine Vorberichterstattung in den Medien Hamburg neben Berlin zum möglichen Brennpunkt erklärt hat.

Neben der Demonstration gab es verschiedene 'Out of Control' Aktionen. Einige Anarchist_innen verließen die Demo und zogen als unangemeldete Spontandemo zum angrenzenden Karoviertel. Zahlreiche Gruppen und Leute sammelten sich bereits auf dem Schulterblatt rund um die Rote Flora. Als nach Abschluß der Kundgebung am Sternschanzenbahnhof Polizeiübergriffe und Wasserwerfereinsätze stattfanden, bildete dies auch den Startschuß für die Riots rund um die Rote Flora. Kleinere Barrikaden wurden errichtet, etwas später die Deutsche Bank eingeworfen, in den Innenraum der Bank eingedrungen, ein Bengalo zwischen den Schaltern entzündet und eine gegenüberliegende Drogeriekette wurde geöffnet. Das anrückende Polizeiaufgebot wurde beworfen und die Aktivist_innen wichen in die Nebenstraßen aus. Was folgte war ein stundenlanges Scharmützel. Einsatzfahrzeuge und Polizeiamte wurden in diesem Verlauf immer wieder angegriffen. Im gesamten Stadtteil schepperte und rummste es. Die Polizei wirkte angesichts der Auseinandersetzungen hilflos und desorientiert. Kamerawagen wurden beschädigt, Festnahmetrupps körperlich angegangen umherfahrende Wannen gesmasht. Erst gegen 2 Uhr beruhigte sich die Lage schließlich. Überall in den Kneipen waren aufgrund der Ereignisse grinsende Gesichter und Maifeiernde anzutreffen.

Eine bemerkenswerte Entwicklung ist in diesem Zusammenhang, dass sich durch die Kontiuinität von Auseinandersetzungen im Schanzenviertel (Im Anschluß an Demos, Straßenfeste, Walpurgisnacht, Maifeiern) bei Jugendlichen Strukturen und Lernprozesse gebildet haben und diese wesentlich organisierter gegen die Bullen vorgehen. Wurde sich vor Jahren noch dorthin zu begeben, wo sich das größte Polizeiaufgebot befindet und gewartet, dass was passiert, wird inzwischen in die Fläche gegangen. Der Einsatzbereich der eingesetzten Beamten wird durch die Errichtung von Barrikaden, Glasbruch und das Abfackeln von PKW vergrößert, entstehende Lücken durch die daraus folgende Ausdehnung der Kräfte genutzt, um diese anzugreifen. Polizeifahrzeuge, die Beamte zu den neuen Brennpunkten verlagern, werden unterwegs entglast, wenn sie am Ort des Geschehens eintreffen, hat sich der Mob bereits an andere Punkte verlagert und hält die Bullen auf Trab. Diese Strategie der räumlichen Erweiterung scheint derzeit eine effektive Praxis zu sein, um die bestehende polizeiliche Strategie der Präsenz durch Stärke auszuhebeln.

Als Fazit hat der erste Mai gezeigt, dass die innenpolitische Diskussion um Gesetzesverschärfungen und eine notwendige "Isolierung" linksradikaler Politik ins Gegenteil umschlägt. Die Gefahren und Verbotsdiskussion macht linke Demos und Veranstaltungen für viele Jugendliche erst interessant. Ein Staat der repressiver agiert, befriedet die Verhältnisse nicht, sondern eskaliert sie. Dies wird insbesondere von Gewicht bei der Mobilisierung gegen die Innenministerkonferenz im November sein. Dort werden Maßnahmen gegen die linksradikale Szene, Fußballfans und illegalisierte Migrant_innen diskutiert. Als neue Blüte der autoritären Formierung soll ein neuer Gesetzesparagraph her der Agriffe auf Polizeibamte besonders unter Strafe stellt. Gegen die Konferenz in Hamburg mobilisiert ein Bündnis aus antirassistischen, anarchistischen und autonomen Gruppen. Neben einer bundesweiten Demo wird es direkte Versuche geben, das Treffen der Innenminister zu stören. Am 27. Mai findet ein erstes bundesweites Vorbereitungstreffen dagegen statt (  http://no-imk.blogspot.com ). Anlaufpunkt ist das "Centro Sociale" im Schanzenviertel. Hamburger Vorbereitungsgruppen haben alle dazu aufgerufen sich an dem Treffen zu beteiligen um die Hauptkonferenz der Innenminister im November unsicher zu machen. Erste kleine Aktionen sollen gegen die zeitgleich laufende Vorabkonferenz laufen.

Ein weiterer möglicher Brennpunkt wird die Situation um die Rote Flora sein, welche 2011 von einer Räumung bedroht sein könnte. Sollte dieses Szenario eintreten würde die Situation in Hamburg auf dramatische Weise eskalieren. Aktivist_innen auf der Straße scheinen nach dem ersten Mai 2010 für solche Auseinandersetzungen gut aufgestellt und das ist im politischen Sinne auch gut so.
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Ergänzungen

Anwesenheit

JB 02.05.2010 - 17:56
War der Autor dieses Textes gestern im Schanzenviertel anwesend?
Von einer Strategie zu reden ist bei dem "in die Fläche gehen" wohl kaum angebracht. Viel mehr waren die sogenannten Aktivist_innen Jugendliche, beachtenswert ist die Anzahl der Personen mit Migrationshintergrund, die nach ihren "Aktionen" gegen größtenteils Privateigentum schon weggelaufen/geflohen sind, sobald die Polizei sich nur auf 300m genähert hat. Von einer Konfrontation mit dem Rechtssystem/"Scheiß System" kann hier nicht die Rede sein.
Mir sind überdies Aussagen zu Ohren gekommen, dass das Kino 3001 angegriffen worden sein soll. Das würde den Angriff auf eine Apotheke und die Baustelle auf der Schäferkampsalle (wie lange soll die uns noch stören?!) noch toppen.

Um nochmal auf die von mir oben angesprochenen Personen zurückzukommen: Natürlich wäre es wünschenwert, dass sich dieses Prekariat auflehnt und politische Forderungen aufstellt. Tut es aber nicht, denn morgen wieder Geld bei der HaSpa abheben und bei ReWe und Rossmann einkaufen gehen...

Das Polizeiaufgebot und die Überforderung mit der Grpßflächigkeit waren in der Tat erschreckend.

Brennende Fahrräder !!

Posenger 02.05.2010 - 18:30
In der Onlinepresse sind Bilder, in denen auch Fahrräder als Baumaterial einer - brennenden - Barrikade dienen. Ich selbst habe im Umkreis der Flora angeschlossene Fahrräder gesehen, deren Laufräder krummgetreten waren und deren Speichen mit leeren Bierflaschen gespickt waren.
Welche Vollidioten sind bitte für so eine Scheisse verantwortlich? Das Fahrrad ist ja wohl das "linke" Verkehrsmittel per se, umweltfreundlich und eigentlich auch schon immer das Fortbewegungsmittel auch der unterprivilegierten und unterdrückten Massen. Im übrigen wohl auch in den seltensten Fällen vollkaskoversichert wie die ganzen Scheiss-SUVs, Audis, Mercedes und BMW - im Gegenteil hängen gerade Besitzer_innen von alten Rädern oft sehr emotional an ihnen.
Ich hoffe mal, dass für solche Scheiss-Aktionen wenigstens keine Leute verantwortlich sind, die sich selbst als "links" bezeichnen würden. Aber zumindest hätten die Krawalltouris an sowas gehindert werden können !!
Brennende Fahrräder sind jedenfalls tolle Symbolbilder und dürften so manchem radfahrerhassenden SUV-Bourgeois sicher ein feuchtes Lächeln entlocken.
(vielleicht dem Vorkommentator "mal das Auto", der für Verständnis für BMW-Besitzer wirbt, die ja nicht gleich Ausbeuter sein müssen, sondern vielleicht einfach ein "vorbildliches Studium" absolviert und damit das Recht sich erworben haben, "halt etwas mehr als der Zeitungsausträger" zu "verdienen", und dies auch nach aussen hin durch den Besitz einer fetten Blechkiste zu bekunden.)

Polizeibericht zu Brandstiftungen

Leser 02.05.2010 - 18:54
POL-HH: 100502-1. Brandstiftungen an Fahrzeugen im Hamburger Stadtgebiet
Hamburg (ots) - Tatzeiten: 01./02.05.2010

Tatorte: Hamburger Stadtgebiet

Bisher unbekannte Täter haben in den beiden Nächten des vergangenen Wochenendes mehrere Fahrzeuge angezündet. Die Ermittlungsgruppe für Kfz-Brände im LKA hat in allen Fällen die Ermittlungen aufgenommen.

Am 01.05.2010 brannte gegen 04:10 Uhr in der Wohlers Allee in Hamburg-Altona ein Daimler-Benz (Baujahr 1996). Um 04:15 Uhr wurden zwei Lkw in Hamburg-Eimsbüttel (Henriettenstraße) angezündet. Die Fahrzeuge brannten vollständig aus.

Am 02.05.2010 um 02:05 Uhr informierte ein Zeuge die Polizei über zwei brennende Pkw in Hamburg-Neustadt (Pilatuspool). Ein VW Golf (Baujahr 2009) und ein Daimler-Benz (Baujahr 2007) wurden vorsätzlich in Brand gesetzt. Bei beiden Pkw ist von einem Totalschaden auszugehen.

Ab 03:10 Uhr brannten in Hamburg-Osdorf vier Pkw. Zunächst erhielten Rettungskräfte den Einsatz, dass in der Straße Am Kratt zwei Daimler-Benz (Baujahr 2001 und 2004) unter einem Carport brennen. Das Feuer hatte von den Pkw bereits auf das Carport und das Wohnhaus übergegriffen. Dort waren vor allem Fensterscheiben durch die Hitzeentwicklung beschädigt worden. Die Fahrzeuge und das Carport wurden komplett zerstört. Die Bewohner gelangten über die rückwärtige Terrasse unverletzt in Sicherheit. Im Depenkamp wurde ein BMW angezündet und brannte vollständig aus. Ein dahinter parkender VW Golf wurde durch übergreifende Flammen im Bereich der vorderen Stoßstange beschädigt. Aufmerksame Zeugen beobachteten einen 29-jährigen Mann, der sich in unmittelbarer Nähe der Brände verdächtig verhielt. Polizeibeamte nahmen den Mann vorläufig fest. Die Kriminalbeamten des LKA vernehmen den 29-Jährigen zur Stunde.

Ebenfalls gegen 03:10 Uhr zerstörten Brandstifter in Hamburg-Lurup im Grandkuhlenweg einen LKW mit Anhänger, auf dem Lebensmittel geladen waren.

In der Sorbenstraße in Hamburg-Hamm brannte ein Daimler-Benz (Baujahr 2006) vollständig aus. An dem Fahrzeug war gegen 04:45 Uhr vorsätzlich Feuer gelegt worden.

Erkenntnisse zu Hintergründen der Brandstiftungen liegen bislang nicht vor.

Polizeibericht zu den Aktionen

Leser 02.05.2010 - 18:55
POL-HH: Angemeldete Demonstration in Hamburg und anschließende gewalttätige Aktionen im Schanzenviertel
Hamburg (ots) - Zeit: 01.05.10, 17:30 Uhr bis ca. 01:30 Uhr Ort: Hamburg

Eine Privatperson hatte für heute einen Aufzug unter dem Tenor "Revolutionäre 1. Mai Demonstration: Kapitalismus zerschlagen!" angemeldet.

Nach einer Anfangskundgebung setzte sich der Aufzug um 18:51 Uhr mit 1.550 Teilnehmern in der Ottenser Hauptstraße auf der vorgesehenen Marschstrecke in Bewegung. Über die Julius-Leber-Straße erreichten die Teilnehmer die Max-Brauer-Allee. Der Aufzug wurde mehrfach gestoppt, da sich Teilnehmer vermummt hatten und Polizeibeamte mit Böllern und anderen Gegenständen beworfen wurden.

Nach einer von der Polizei verfügten Änderung des Marschweges wurde der Aufzug über die Max-Brauer-Allee zum Bahnhof Sternschanze fortgesetzt.

Hier erreichten die Teilnehmer um 20:10 Uhr den Endkundgebungsort. Um 20:21 Uhr begann die Schlusskundgebung und währenddessen entfernte sich bereits der größte Teil der Teilnehmer in Richtung Max-Brauer-Allee und Schanzenviertel. Aus der Gruppe der verbliebenen Teilnehmer wurden vereinzelt Böller geworfen, Bengalos gezündet und Flaschen auf Polizeibeamte geworfen. Um 21:24 Uhr beendete der Veranstalter die Versammlung.

Um 21:27 Uhr wurden Polizeibeamte in der Schanzenstraße massiv mit Steinen beworfen. Die Polizei setzte daraufhin Wasserwerfer ein. Im weiteren Verlauf zündeten kleinere und größere Störergruppen im Schanzenviertel Barrikaden und Müllcontainer an und zogen Holzteile, Zäune und andere Gegenstände auf die Fahrbahnen. Parkbänke und Verkehrsschilder sowie Fahrzeuge Unbeteiligter wurden beschädigt oder zerstört. Außerdem wurden Scheiben von zwei Geldinstituten und mehreren Geschäften zerstört. Zum Teil gelangten die Störer in die Gebäude und zerstörten die Inneneinrichtung.

Im gesamten Bereich des Schanzenviertel wurden Polizeibeamte weiterhin von gewalttätigen Personengruppen von je 30 bis zu 200 Personen massiv mit Steinen und Flaschen beworfen. Polizeibeamte setzten Schlagstöcke und Wasserwerfer gegen die Störergruppen ein.

Gegen 01:30 Uhr beruhigte sich die Lage.

Insgesamt wurden nach jetzigem Stand 21 Personen vorläufig festgenommen und acht Personen in Gewahrsam genommen.

Zwei Polizeibeamtinnen und drei Beamte wurden leicht verletzt. Ein Feuerwehrbeamter wurde von einem Stein getroffen und verletzt in ein Krankenhaus gebracht.

An dem Einsatz waren rund 1.200 Beamte der Polizei Hamburg, der Bundespolizei und der Polizei Schleswig-Holstein beteiligt.

Tagesschau.de berichtet

Presseinfo 02.05.2010 - 18:58
(...)In Hamburg gingen die Sicherheitsbehörden ursprünglich von einem weitgehend friedlichen Tag der Arbeit aus. Der Grund: Die Autonomen Hamburgs waren nach Einschätzung der Beamten nach Berlin und Rostock gereist, um dort gegen Aufmärsche der rechtsextremen NPD zu demonstrieren. Die Hansestadt hatte daher sogar zahlreiche ihrer Beamte nach Berlin geschickt.

Polizisten mit Hubschraubern zurückgeflogen
Die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) sprach gegenüber dem Radiosender NDR 90,3 von einer krassen Fehleinschätzung der Polizei. Dadurch seien Einsatzkräfte gefährdet worden, sagte der Hamburger DPolG-Landesvorsitzende Joachim Lenders. Hundertschaften hätten mit sieben Polizeihubschraubern von Berlin nach Hamburg eingeflogen werden müssen, um die Gewaltorgie einzudämmen. Zuvor habe die Polizei Einsätze zeitweise nicht abarbeiten können, weil keine Beamten zur Verfügung standen. Insgesamt waren rund 1200 Polizisten bei den Krawallen in der Hansestadt im Einsatz.

Gewalt ging nicht von Linksautonomen aus
Der Polizei zufolge errichteten 500 bis 700 Randalierer im Schanzenviertel brennende Barrikaden. Zudem beschädigten sie Autos sowie 15 Banken und Geschäfte, auch die Innenräume der Läden wurden teils verwüstet. Demnach wurden 69 Menschen fest oder in Gewahrsam genommen. Die Gewalt ging den Polizeiangaben zufolge nicht von Linksautonomen aus, sondern überwiegend von gewaltbereiten Jugendlichen ohne Bezug zur Szene.
(...)

Ganzer Artikel:  http://www.tagesschau.de/inland/maikrawalle124.html

3001 wurde nicht angegriffen

~ 02.05.2010 - 19:22
Das 3001 wurde nicht angegriffen, genauso wie kein Plattenladen entglast wurde.
Das mit der Apotheke weiß ich nicht.

Dass Fahrräder umgetreten und teilweise verbrannt wurden, ist krass und das Ergebnis davon, wenn man erlebnisorientierte Jugendliche, die durch Zufall in Partylaune im Viertel marodieren, nicht in die Schranken weist. Traurig.

Revolutionäre Mai-Demo

Andreas, Vorbereitungsbündnis 02.05.2010 - 19:59
Dass unsere Demo bloß von "Gruppen aus dem ML-Spektrum" organisiert wurde, ist längst wiederlegt. Unter anderem gehörte zum Vorbereitungsbündnis auch eine Gruppe aus der Roten Flora, bei denen es sich nach ihrem Selbstverständnis mit Leninismus nichts, aber auch gar nichts am Hut haben. Ich selber bin in einem Sozialforum ( http://www.sofo-eimsbuettel.de) aktiv, das ebenfalls am Bündnis teilgenommen hat. Die Gruppe K&D, der ich angehöre, organisiert seit der ersten revolutionären Mai-Demo 2003 die Demos mit. (Liste der am Bündnis teilnehmenden Gruppen ist auf unserer Homepage.)

Das alles ist z.B. dem "anti"-deutsch dominierten Flora-Plenum bestens bekannt, und es hat dennoch überall verbreitet, das Bündnis wäre zusammengeschrupft auf eine kleine Gruppe angeblich "antisemitischer Linker" aus dem "B5-Spektrum".

Regelrecht widerwärtig war das Verhalten dieser Leute darin, dass sie bereits im Oktober, also vor den Vorfällen um das B-Movie in der Brigittenstraße, das Bündnis aufgefordert haben, die Gruppe SoL rauszuschmeißen. Das steigerte sich in Folge zur regelrechten Erpressung gegen Gruppen aus dem Bündnis, aber auch gegen Locations unserer Mobilisierungs- und Diskussionsveranstaltungen, gegenüber Künstlern, die für uns auftreten wollten, etc. Immer ging es nach dem Motto: Boykottiert die Mai-Demo, oder ihr steht selber am Pranger.

Bekanntlich hat es uns aber nicht geschadet. Zum ersten Mal in ihrer Geschichte wurde die Maidemo auch aus der Flora heraus unterstützt, dort fanden auch zwei Mobilisierungsparties für die Demo statt.

Speziell die "Anti"-Deutschen, gegen unser Bündnis gerichteten Maßnahmen werden im einzelnen noch von unserem Bündnis dokumentiert, und wir werden darauf basierend gegen das in Hamburg leider noch verbreitete neokonservative "Anti"-Deutschtum polítisch vorgehen.

Die im Artikel angegebenen 1500 Teilnehmerinnen basieren wohl auf den Polizeiangaben von 1550. Unsere Niedrigste Zählung lag bei 1800. Selbstverständlich werden wir 2011 wieder eine Maidemo in Hamburg organisieren.

Revolutionäre Grüße aus Hamburg

Andreas

Vorbereitungsbündnis für eine revolutionäre Maidemo in Hamburg

Schadensmeldung

Gutachter 02.05.2010 - 20:20
Um weiteren Spekulationen vorzubeugen, hier das, was ich bei meiner kleinen Runde durch die Hauptstraße des Viertels an Schäden gesehen habe:

Totalschaden bei Sparkasse, Deutsche Bank, Rossmann und Vodafone Schanzenstraße.
Zerstörte Schaukästen beim 3001 Kino. Diverse abgebrannte Müllcontainer.
Beschädigte Schaufenster bei Boutiquen in der Schanzenstraße – und ja, auch beim netten, kleinen Plattenladen "Slam".

Und nein, es waren nicht nur verirrte Kiddie-Gangster, die Fahrräder auf die Barrikaden geworfen haben. Die Überforderung der Bullen lädt scheinbar viele dazu ein, noch einen draufzusetzen, weil "alles geht". Nur so ist zu erklären, warum sich mittlerweile wahllos an Kleinwagen vom Typ "Studentenkarre" abreagiert wird oder deren Beschädigung in Kauf genommen wird und alles, was nicht festgenagelt ist, auf die Straße gezerrt wird - ob es dort was bewirkt oder nicht. Aber die alte Frage nach Vermittelbarkeit der Militanz stellt sich hier eh nicht, da es schließlich um nichts ging.

Eines noch: da war definitiv zu viel Alk im Spiel. Schienen es auf der Demo schon viele nicht ohne eine Flasche Bier auszuhalten, ging es Abends auf dem Weg zum nächsten Brennpunkt bald gar nicht mehr ohne. Traurig, das alles.

Apotheke + Plattenladen

doch 03.05.2010 - 13:47
Anders als oben behauptet wurde eben doch ein Plattenladen angegriffen.
Auch die Weidenapotheke darf 5 Scheiben ersetzen.

Das ist keine Gesellschaftskritik

James, Kommunist 03.05.2010 - 16:44
Es geht euch, dem „revolutionären 1. Mai“-Bündnis, eben nur darum, wie viele Menschen mobilisiert werden, um den Hauch von Macht zu simulieren, wo - das Maß der Gesellschaftskritik betreffend - nur Ohnmacht herrscht. So war der Aufruf kaum über dem Niveau von den Ansprachen auf den traditionellen Gewerkschaftsaufmärschen: bürgerlicher Arbeitsfetisch, Mystifizierung des Profits, identitätssüchtiges Gut-Böse-Schema.

Siehe hier:
 http://mcguffin.blogsport.de/2010/04/27/1-mai-an-die-luft-wo-der-engels-nach-uns-ruft/

Ahlhaus räumt Fehleinschätzung ein!

ndrinfo 03.05.2010 - 18:07
»Hamburgs Innensenator Christoph Ahlhaus (CDU) hat nach den Krawallen am ersten Mai-Wochenende in der Hansestadt eine "fehlerhafte Prognose" der Sicherheitsbehörden eingeräumt. [...] Polizeisprecher Ralf Meyer sagte am Montag: "Das Einzige, was wir schlichtweg unterschätzt haben, war die Zahl der jugendlichen Krawalltäter. Statt der erwarteten rund 200 hätten 500 bis 700 Jugendliche im Schanzenviertel randaliert. "Diese unsichere Größenordnung müssen wir für die Zukunft mit in die Planung nehmen." [...] Vor allem mit Blick auf die Nacht zum 1. Mai sagte der GdP-Landeschef Uwe Koßel: "Über Stunden hat da der Mob regiert, bevor die Polizeikräfte aus dem Bett geholt wurden." Auch am Abend des 1. Mai seien "viel zu wenig Leute" im Einsatz gewesen.«
 http://www.ndr.de/nachrichten/hamburg/maidemos110.html

Lest den Anwohnerbrief

Matt 04.05.2010 - 07:10
... und bitte, wenn ihr nicht im Viertel wohnt: KOMMT NICHT WIEDER!

.... der offene Brief avisiert die Gründung einer Art Bürgerwehr.

Wäre interessant mit der Einsatzleitung der Cops zu kooperieren,
um die längstmöglich da rauszuhalten.

Supersoaker mit Jauche drin, wird unsere Waffe sein.
Ed Hardy-Shirtträger und Marken-Kapuzenpulli-Träger
mögens nicht wenn ihre Individual-Uniform smellt.

""""""
Lieber anonymer Randalierer,

ich war dabei, als Du am 1.-Mai-Wochenende mit Rucksäcken voller Steine und Brandbeschleuniger anreistest. Mit Mamas Monatskarte aus der Vorstadt, im Kopf viel billigen Fusel und wenig gute Ideen. Dein Ziel ist das Chaos, die Gewalt. Die Zerstörung. Oft auch gegen uns, die Anwohner.

Ich habe dich gesehen, als Du feige versteckt unterm teuren Marken-Kapuzenpulli wieder mal sinnentleert in meinem Schanzenviertel zündeltest. Als Du Plastikmülltonnen und stinkenden Sperrmüll zu einem Feuer mitten zwischen unseren Häusern stapeltest.

Ich hab' Dich gesehen, als Du sogar Fahrräder der Anwohner in die Flammen warfst. Ich habe Dich erwischt, als Du Zweige und Bäume aus dem Park hinter der Flora, der uns Erholung sein soll, in Dein stinkendes Straßenfeuer wuchtetest.

Ganz großes Kino? Nein. Ganz große Scheiße! Hey, Möchtegern-Revolutionär: Plastik verbrennen? Fahrräder anzünden? Natur zerstören? Geht's denn noch? Wie asozial ist das denn? Von zerschlagenen Scheiben des Kleingewerbes und zerstörten Studenten-Autos in den Nachbarstraßen gar nicht erst zu reden.

Auch nicht von dem Ritual rund um die Haspa-Filiale und Deutsche Bank, wo Du und deinesgleichen vermeintliche Stärke gegen den Kapitalismus zeigen, indem Ihr mit Eisenstangen Geldautomaten und Schaufensterscheiben zerschlagt. Welch jämmerliches Spektakel, das jedem schadet, aber am wenigsten der Bank.

Ich habe Dich beobachtet, wie Du zwei Stunden, unter dem Gejohle herumlungernder Billig-Bier-Teenager und von der Polizei lange ungehindert, Krawall machen durftest. Dich hirnlos am Eigentum kleiner Leute, an Anwohnerinteressen und sämtlichen Ideen vergingst, für die andere hier jahrelang gekämpft haben.

Gekämpft damals auch mit Demos. Sicher auch mal mit Spektakel und Krawall. Aber selten so sinnlos wie heute. Fotografiert habt Ihr Euch stolz vorm stinkenden Plastik-Feuer, vor Wasserwerfern - aber Euer Handy-Geknipse ist Beweis für nichts. Zu peinlich sogar für "youtube".

Du spielst Bürgerkrieg für Arme. "Das ist krass peinlich, Digger", um es in Deiner Sprache zu sagen. Wir Anwohner finden längst: Feuer und Flamme für so viel Dummheit.

Du, pubertärer Vorstadt-Guerillero, pinselst "Revolution" an jene Rote Flora, die wir auch mal freikämpften mit Demos, die aber heute meist nur für Intoleranz steht und Gewaltkulisse ist.

Du grölst: "Sankt Pauli! Sankt Pauli!" Aber, hey, Du verstrahlter Krawallrianer: Wir sind St. Pauli - Du aber definitiv nicht! Die mögen aufsteigen, Du aber, anonymer Asozialist, steigst ab, denn tief bist Du gesunken.

Wir ticken hier sicher links-liberal, kritisieren gern den Staat, die Polizei. Aber wir ringen hier auch um Menschlichkeit, um Leben, um Lösungen. Du aber zerstörst sie. Dir geht es in der Schanze längst nicht mehr um "Ballermannisierung" oder "Yuppies" - inzwischen bist Du feiger Brandstifter das größere Problem.

Und eines, lieber sinnloser Straßenkämpfer, wisse: Lange lassen wir Anwohner uns das nicht mehr bieten.

Grüße mit Kopfschütteln Andreas H. (48), ein Anwohner aus dem Schulterblatt
"""""""

3001 Kino

Vorführer 04.05.2010 - 12:16
Wer hier behauptet das dem Kino 3001 in der Schanze kein Schaden zugefuegt wurde der sollte ich mal die 3 Schaukästen im Hof des Kinos angucken, was ich gestern getan habe und auch fotografiert habe! Hier also wieder die Frage an die Verursache dessen..
Was soll dies, das 3001 Kino besteht seit über 10 Jahren in der Schanze und ist ein poilitischengagiertes Kino dort, eines der wenigen in der Stadt. Lass also in Zukunft sollen Entglasungen oder haltet die Entglaser zurück! Ihr Deppen!

aus den Untiefen der Roten Flora

A. 10.05.2010 - 20:26
»Einem System, das am Arsch ist, kann man ruhig auch mal in den Arsch
treten!« (Schorsch Kamerun, Goldene Zitronen)

Für einen politischen Begriff gesellschaftlicher Widersprüche und
Auseinandersetzungen - eine Stellungnahme aus den Untiefen der Roten
Flora zu den Ereignissen am 1. Mai

Nach den Auseinandersetzungen vom 1. Mai im Hamburger Schanzenviertel
ist in den lokalen Medien die übliche Diskussion um entpolitisierte
Jugendgewalt entstanden. In dieser Gemengelage wurden auch
Anwohner_innen und Geschäftsleute zitiert und als authentische Stimme
des Schanzenviertels präsentiert. Inzwischen wird mit Fotos nach
Jugendlichen gefahndet, die eine Flasche Sekt aus der zertruemmerten
Rossmann Filiale geschleppt haben. In den Medien werden teilweise hohe
Strafen angedroht.

Es mag eine gewisse Ironie besitzen, wenn teilweise selbst Leute, die
erst vor wenigen Jahren in den Stadtteil gezogen sind, sich kaum länger
oder sogar kürzer hier bewegen als jene Jugendlichen, denen sie aus
Altersgründen das Recht absprechen, dazuzugehören, sich heute hinstellen
und erklären, die jetzigen Krawalle hätten nichts mit den Menschen in
der Schanze zu tun. Doch dies ist - von deren begrenzten Tellerrand aus
betrachtet - vermutlich einfach nur ehrlich. Fürsprecher_innen dieser
Haltung fanden und finden sich schon immer in diesem Stadtteil. Teilhabe
am gesellschaftlichen Leben misst sich insbesondere in einer Hafenstadt
jedoch weder an der Dauer der Anwesenheit noch am Alter. Entscheidend
ist vielmehr der Sprechort. Dies gilt für diejenigen, die von der
Aufwertung des Schanzenviertels in der Vergangenheit profitiert haben,
ebenso wie für diejenigen, die aufgrund dieser Entwicklung vertrieben
wurden oder wiederum genau deshalb inzwischen hier wohnen.

Das Schanzenviertel ist in den letzten Jahren vor allem jung, weiß und
mittelständisch geworden. Dies war nicht immer so. Dass immer weniger
alte Menschen und migrantische Nachbar_innen hier leben, dass Läden mit
Dingen des täglichen Gebrauchs dichtmachen und Cafes, Kneipen und
schicke Boutiquen aufmachen, hat Gründe. Was hier stattfindet, ist ein
tagtäglicher Verdrängungsprozess und Kampf um Anwesenheit, um das
Überleben im Bild der Stadt. Die Waffen in dieser Auseinandersetzug sind
der Mietenspiegel, Bausparverträge, Start-ups und Franchise-Unternehmen.
Es gibt Gewinner dieser Entwicklung und Verlierer. Der Bruch im
Schanzenviertel verläuft nicht zwischen alteingesessen und zugezogen,
sondern zwischen Eigentum und umgewandelter Mietwohnung, zwischen
wohlhabend und abgehängtem Prekariat, zwischen denjenigen, die sich die
Mieten hier leisten können und denen, die in die Peripherie gedrängt
wurden, um nun auch noch zynisch um die Ohren gehauen zu bekommen,
irgendwie nicht dazu zu gehören.

Es wird beklagt, junge Aktivist_innen trügen Markenklamotten und seien
nicht politisch. Mal abgesehen davon. dass wir nicht wissen, weshalb man
als politische_r Aktivist_in schlecht angezogen sein sollte, drückt sich
darin vor allem eine Verachtung und ein Ressentiment gegenüber einer
Bevölkerungsschicht aus, der solcher Luxus anscheinend nicht zustehen
soll. ?Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen (schon gar nicht den
bei Rossmann befreiten Schampus trinken)?, ist die dahinter liegende
alte Devise, die als neoliberale Binsenweisheit und Mitwirkungspflicht
bei HartzIV neuen Schwung erfährt. Einem vorurteilsgeladenen Sprechen
kann man nur entgehen, wenn mensch sein Gegenüber nicht als Stereotyp
bürgerlicher Angstkulissen unsichtbar macht. Die Jugendlichen, die in
Hamburg auf der Straße revoltiert haben, haben Bedürfnisse, Wünsche und
eine Sehnsucht nach Teilhabe am Leben. Manche kommen aus reicheren
Elternhäusern, andere aus ärmeren. Sie sind Querschnitt der Menschen,
die hier leben, die die Flora besuchen oder hier im Stadtteil abhängen.
Manche sind Anarchist_innen oder Autonome, andere nicht. Was sie und uns
verbindet, ist keine Ideologie oder feststehende Utopie, sondern die
Unzufriedenheit und der Wunsch, dass etwas anders wird. Wir finden dies
nicht verurteilenswert, sondern gut.

Noch ist in der Schanze und dem Rest der Stadt nicht alles vertrieben,
was sich regt und unbequem ist. Dies wird auch in Zukunft nicht
gelingen. Würden diejenigen, die die Leserbriefspalten nutzen, um sich
selbst und ihre uniforme Vorstellung vom Schanzenviertel darzustellen,
einmal auf die Straße gehen und mit den Leuten sprechen, die sich dort
bewegen, würden sie sich vermutlich wundern. Nicht wenige, die hier
unterwegs waren, sind direkt neben ihnen aufgewachsen. Dass die Kinder
und Jugendlichen, die im Schanzenviertel aufwachsen, nicht wahrgenommen
werden, verwundert nicht. Denn im Treiben der erfolgsorientierten
Twenty-Somethings tauchen sie ebensowenig auf wie in stadtplanerischen
Konzepten.

Sie fehlen in den Caipirinha-Erlebnisräumen der Mittelschicht und den
schick dekorierten Bars. Ökonomisch sind sie egal, für die Marke Hamburg
uninteressant und für den vermeintlich kreativen Touch sorgen längst
Werbeagenturen und studentische Aushilfskräfte. Man könnte meinen, es
gibt sie gar nicht und hätte sie nie gegeben. Sie sind Unsichtbare im
durchökonomisierten Alltag. Am 1. Mai haben sie sich zu Wort gemeldet.
Mit denen, die hier als überflüssig abgeschrieben werden oder jenen
denen die Verhältnisse hier einfach so nicht passen. Der Krawall war im
besten Sinne ein Kampf um das Recht auf Stadt und ist verwoben in diese
politische Auseinandersetzung.

Gewalt im Alltag entsteht nicht aus heiterem Himmel, sondern ist
Ergebnis und Folge der politischen und sozialen Realität. Nicht alles,
was am 1. Mai vorgefallen ist, finden wir gut. Aber Sachbeschädigungen
und die Formulierung von Begehren durch das Aufbrechen des
Straßenpflasters empfinden wir als konstruktiven Ausdruck, um die stumme
Gewalt, die uns umgibt, überhaupt sichtbar zu machen. Law and
Order-Konzepte, nach denen sich Leute im Schanzenviertel gegen
Aktivistinnen auf der Strasse organisieren sollen, sind ein ziemlich
alter Hut aus der Mottenkiste autoritärer Phantasiewelten. Gedanklich
und im Wertesystem bewegen sie sich im Muff der 50er Jahre. Kein Wunder,
dass in diesem Zusammenhang dann sogar ernsthaft der Begriff der
Halbstarken wieder reanimiert wurde. Den Rock?n?Roll wird es beleben.

Die etablierte Öffentlichkeit steht dem Phänomen heutiger Jugendproteste
offensichtlich ebenso ratlos gegenüber wie in den sechziger Jahren den
Langhaarigen und Gammlern, in den siebziger Jahren den Punks oder in den
Achtziger Jahren den autonomen Hausbesetzeri_nnen. Geschichte scheint
sich an diesem Punkt als bürgerlicher Abwehrmechanismus zu wiederholen,
um die Augen vor einer ungeliebten Realität zu verschließen. Dem daraus
folgenden populistischen Ruf nach Bürgerwehren oder anderen Formen einer
Vergesellschaftlichung von Repression setzen wir unseren Widerstand
entgegen. Vertreibung oder Ausgrenzung sind für uns keine Grundlage
eines solidarischen Zusammenlebens. Eine Durchdringung des Alltags durch
staatliche Gewalt und die darin enthaltenen bürgerlichen Zwänge und
Normen als Überlebensprinzip bieten keine Chance für Antworten oder
positive Utopien.

Es ist schon seltsam: Seit Jahren prognostizieren Gewerkschaften, linke
Politiker und Medien, dass es nur eine Frage der Zeit wäre, bis es nach
den Unzumutbarkeiten von HartzIV, Bankenkrisen oder aufgrund steigender
Arbeitslosenzahlen knallen müsse. Nun knallt es und alle fühlen sich
eifrig bemüht, dies als unpolitisches Jugendphänomen abzutun. Wir fragen
uns, woher Polizeisprecher, Gentrifizierungsgewinner oder Medien
überhaupt wissen wollen, was jene bewegt, die ihrer Unzufriedenheit am
1. Mai einen Ausdruck verliehen haben. Den Protest auf der Straße sehen
sie als Ereignis, mit dem sie nichts zu tun haben wollen. Deren
Protagonist_innen als Akteure, die sie pauschal als Jugendliche für
nicht zurechnungsfähig erklären.

Wer wissen will, was uns Chaoten antreibt, hat viele Möglichkeiten. Eine
naheliegende ist, er oder sie kann in die Rote Flora gehen. Denn wir
distanzieren uns nicht von dem Krawall auf der Strasse, sondern erklären
uns solidarisch und sind ein Teil der Unzufriedenheit, die am 1. Mai die
Strassen unsicher gemacht und damit zum Politikfeld erklärt hat. Alle
anderen sprechen für sich selber, sind unterwegs oder dort anzutreffen,
wo die Welt in Unruhe und Bewegung geraten ist. In den Wohnblocks am
Rand der Stadt oder zwischen dem Funkeln der Scherben vor der Haustür.

Gegen Gentrifizierung und kapitalistische Zustände! Für die soziale
Hängematte mit vollem Lohnausgleich!

AG Repression und Solidarität in der Roten Flora

Entpolitisierung

A. 10.05.2010 - 21:01
Die Entpolitisierung der Mai-Riots ist wohl das einzige, was die bürgerlichen Medien zu stande bringen:

Abendblatt 03.05.10:

>>Das hat die Polizei überrascht: Kaum ein Linksautonomer in der Stadt, aber trotzdem Gewalt und Randale im Schanzenviertel.>standen statt der erwarteten erwarteten 500 Randalierern dreimal so viel gewaltbereite Jugendliche amf dem Altonaer Bahnhofsvorplatz. Ein vermummter Haufen aus Linken, Punks, Hooligans und "erlebnisorientierten Jugendlichen", wie es die Polizei formuliert. Die Demonstration trug das Motto "Kapitalismus zerschlagen" und endete um 21:30 mit zerschlagenen Fensterscheiben und Attacken auf die Polizei auf das Schanzenviertel<<.

Stimmt so nicht, siehe  http://de.indymedia.org/2010/05/279824.shtml.

Die gegen das Mai-Bündnis vorgebrachte "inhaltliche Kritik" von wegen "Das ist keine Gesellschaftskritik (James, Kommunist)" wurde auf einem rechtsradikalen Blog veröffentlicht, der meiner Ansicht nach auf die Filterliste gehört.

Die dort abgebildete "schottische Revolutionärin und Feministin Emma McGuffin" ist reiner Fake, verlinkt ist eine Hardcore-Pornoseite (sexykapitalismus.de) und es findet sich dort massenweise militaristischer Dreck (»Vollbart, Bombe, Mullahs, Not _ Bundeswehr hin, haut sie tot!« ).

Inhaltliche Auseinandersetzung und mehr zum Thema unter
 http://www.sofo-eimsbuettel.de/bahamiten2010.php





Fotos vom 1. Mai

... 13.05.2010 - 19:46
...DGB-Demo und Mayday

Fotos vom Mayday

... 13.05.2010 - 19:54
...

Fotos vom Mayday

... 13.05.2010 - 19:55
...

Fotos

... 13.05.2010 - 20:20
...

..

.. 13.05.2010 - 20:21
..

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Zeige die folgenden 44 Kommentare an

super sache — antifa

Peinlich — Lt. Aldo Raine

Problem 1+2 — Problembär

ring frei für indymedia — als bühne aller hamburger dummheiten

oooo — atze

Hauptsache es knallt.....!? — AutistInnen die mit ihrem Spiegel reden

Super Sache — O.

wenn das... — hamburger

Glückwunsch! — Tim

.......... — ...............

brennende — fahrräder

Militanz-Fetisch — Autonomer

Event_Koordination & Autonome — Radikal Queer

hippies — nerven

Lieber Andreas — vom Vorbereitungsplenum

Welche Gruppe aus der Roten Flora soll sich.. — ...denn an der Demorga beteiligt haben?

plattenladen und so — ne lieber nicht

Music Hall — CCHicago

Antwort — JB

plattenladen usw — HH plattenfan

Frage an Andreas H. (48) — Gegen-Brief schreiben!

Erfolgreiche Demo — Dabei

Strategie? — gutercop

Scheißrassisten — Migrationshintergrund

hippies nerven — immer noch

uahhhharrrg — ...