Zwickau: Nazigewalt am 1. Mai

Chip & Chap 01.05.2010 18:55 Themen: Antifa
2000 Gegendemonstranten auf DGB-Kundgebung am Hauptbahnhof | Blockaden hielten nicht stand | Stattdessen konnten 100 Nazis wiederholt Antifaschisten angreifen | Drei Stunden Polizeikessel
Bereits am Vormittag versammelten sich auf dem Zwickauer Hauptmarkt 1000 Menschen zur Maikundgebung des DGB. Von dort startete ein Demonstrationszug zu den Blockadeaktionen am Hauptbahnhof. An zwei Blockadepunkten – Richtung Bahnhofstraße und Richtung Reichenbacher Straße - versammelte sich ein breites Bündnis aus Gewerkschaften, Parteien und verschiedener antifaschistischer Gruppen und Einzelpersonen zum friedlichen Protest gegen den Aufmarsch der sächsischen NPD. Am Rande hatte es weitere vereinzelte Blockadeversuche gegeben. Jedoch gelang es der Polizei schnell eine Gasse für den Demonstrationszug der Nazis zu bilden. 50 Leute in einer Sitzblockade wurden teilweise unter Einsatz von Gewalt weggetragen. Die vom Landratsamt Zwickau angestrebte unbedingte Durchführung der NPD-Demonstration wurde rücksichtslos durchgesetzt.

Währenddessen ertönten plötzlich Nazi-Parolen aus Richtung Bahnhofstraße. Ein etwa 100-köpfiger Nazi-Gewalt-Mob, vorwiegend aus Mitgliedern des „Freien Netzes“, konnte sich völlig unbemerkt auf die Gegendemonstranten zu bewegen. Die Polizei hatte wenige Minuten zuvor ihre Kräfte aus dem Rücken der Antifaschisten abgezogen. Die Nazis stürmten ungehindert los und versuchten durch einen kleinen Park in Richtung Hauptblockade zu gelangen. Dort bewaffneten sie sich und warfen Steine und sonstigen Unrat auf Antifaschisten. Einige Polizisten konnten die Auseinandersetzungen unterbinden und die Nazis vorerst vertreiben. Diese verschwanden daraufhin in eine Seitenstraße (Spiegelstraße). Wer jetzt dachte, dass die Nazis nun von der Polizei festgesetzt wurden, wurde eines Besseren belehrt. Selbst kleinere Gruppen von Antifaschisten wurden an diesem Tage auf Schritt und Tritt von Polizisten in Zivil verfolgt. Für die Nazis hatte die Polizei offenbar eine gänzlich andere Strategie vorgesehen.

Denn etwa zwanzig Minuten später kam der Nazi-Mob erneut die Bahnhofstraße hinauf gestürmt. Abermals war von der Polizei weit und breit nichts zu sehen. Entschlossene Antifaschisten, die sich schützend vor die Blockade stellten, wurden von den Nazis mit Steinen beworfen. Nicht wenigen Gegendemonstranten wurde auch körperlich zugesetzt. Dieses Szenario zog sich über Minuten hin, bis es endlich gelang den Nazi-Mob in eine Seitenstraße zu drängen. Nun stellten sich Polizeieinheiten vor die Nazis und sorgten für deren ungehinderten Zugang zur Demonstration der NPD. Währenddessen wurden die Antifaschisten unter dem massiven Einsatz von Pfefferspray und Schlagstöcken zurückgedrängt. So gelang es aber zumindest den Nazi-Mob von den Blockadeaktionen fernzuhalten.

Die angemeldete NPD-Demonstration lief inzwischen auf der Reichenbacher Straße in Richtung Innenstadt. Die friedlichen Blockierer am Hauptbahnhof hatten während dieser Auseinandersetzungen keine Chance den Weg der Nazis zu versperren. Nun wurde versucht zumindest in Hörweite der NPD-Demonstration zu gelangen. Jeder Straßenzug in Richtung der Nazi-Route wurde jedoch von der Polizei verstellt. Menschen mit verschiedensten politischen Hintergründen versuchten dennoch gegenüber den Nazis lautstark ihre Meinung zu äußern. In der Nähe der Crimmitschauer Straße ertönte von Seiten der Polizei schließlich der Befehl „Schlagstock frei!“ und unter massivem und unverhältnismäßigem Einsatz von Schlagstöcken und Pfefferspray wurde gegen alles vorgegangen, was zwei Beine hatte. Eine Gruppe von 100 Antifaschisten wurde einige 100 Meter weiter an der Ecke Carola- Lutherstraße eingekesselt und für die nächsten drei Stunden festgesetzt; Personalienaufnahmen, Fotos und Schikanen inklusive. Die Beamten wiesen sich weder aus, noch wurde der Zwickauer Oberbürgermeisterin Pia Findeiß eine Vermittlerrolle zuerkannt. Auch die eintreffenden Pressevertreter wurden in ihrer Arbeit gehindert. Damit war der erfolgreiche Ausgang des Tages aus Sicht der NPD und ihrer Anhänger endgültig gesichert. Weitere kleinere Blockadeversuche am Georgenplatz und anderswo waren zum Scheitern verurteilt.

Letztlich zeigte sich am heutigen Tage die Notwendigkeit eines antifaschistischen Selbstschutzes. Die Polizei konzentrierte sich ausschließlich auf den reibungslosen Ablauf der NPD-Demonstration und konnte heute nicht für die Sicherheit der Anti-Nazi-Aktivisten garantieren. Ein Mob von 100 Nazis, welcher ausschließlich an gewalttätigen Auseinandersetzungen interessiert war, hatte keine polizeilichen Maßnahmen zu befürchten. Dennoch gelang es Dank des entschlossenen Vorgehens der anwesenden Antifaschisten für die Sicherheit der Teilnehmer an den Blockadeaktionen zu sorgen. Unsere Solidarität gilt allen Verletzten, die sich heute mutig den Nazis entgegenstellten – getreu dem Motto: WIR GEHEN VOR GEGEN NAZIS!


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Ergänzungen

Etwas übertrieben, ansonsten richtig

Jakob 02.05.2010 - 18:01
Die Zahl von 100 Nazis kann ich nicht bestätigen. Während am Bahnhof die Hauptdemo wartete loszulaufen, zog die Polizei ihre Einheiten vom Gewerkschaftshaus an der Bahnhofstrasse ab, wo ich mich zu diesem Zeitpunkt befand. Kurz darauf stürmten etwa 20-30 (statt 50-100!) autonome Nationale die Strasse hoch auf Gegendemonstranten zu, die relativ verstreut herumstanden. Die Antifa konnte die Nazis ins Gebüsch abdrängen und davon aufgeschreckt kamen schließlich ein gutes Dutzend Polizisten angelaufen, die die Nazis ein kleines Stück die Strasse runter verfolgten. Das war noch bevor die Sitzblockade auf der Reichenbacher geräumt wurde. Insgesamt würde ich die Zahl der Gegendemonstranten eher auf knapp unter 1000 schätzen und da zwei Strassen vom Zwickauer Bahnhof abgehen, war die Gegendemo zeitweise fast zweigeteilt, was von den Polizisten ausgenutzt wurde um sie zu spalten. Im weiteren Verlauf der Demo trieben sich dann immer wieder kleinere Nazigruppen abseits der Demo herum, während sich die Polizei darauf konzentrierte beim Demozug herumzulaufen und Gegendemonstranten einzukesseln. Außer deutlichen Provokationen von einigen Polizisten habe ich davon aber nichts mehr direkt mitbekommen.

Ich möchte mich hiermit auch noch bei allen Bedanken, die sich den Nazis direkt entgegengestellt haben anstatt nur dabeben rumzustehen - die ganzen normalen Bürgerdemonstranten (die im Gegensatz zu anderen Zwickauer Bürgern zumindest zur Gegendemo hingegangen sind) haben wahrscheinlich wieder mal gar nicht kapiert, wer da für sie den Arsch hingehalten hat.

naja aus der Regionalzeitung

emailwerner 03.05.2010 - 09:21
hier ein artikel aus der Regionalzeitung, der es bei den zahlen sehr genau auf den punkt bringt.

Bilder

nichtsistumsonst 03.05.2010 - 10:36
1. Mai 2010 Zwickau - NPD Demo & Gegendemo
gefunden auf Youtube:  http://www.youtube.com/watch?v=3kJlvEukYkg

1.Mai in Zwickau, kein Anlass zum Feiern!

FAU Südwestsachsen 04.05.2010 - 13:57
1.Mai in Zwickau, kein Anlass zum Feiern!

Für die Mitglieder der FAU Südwestsachsen stand der 1.Mai diesjährig weniger unter dem traditionell internationalen Kampftag. Nötiger denn je wäre es gewesen, dem ortsansässigen DGB vors Schienbein zu treten. Dieser sich am Feiertag auf dem Hauptmarkt kämpferisch gab, obwohl nur ein Tag zuvor die Verhandlungspartner von Vertretern des DGB die Tarifmisere in der Leiharbeit zementiert wurde. (siehe News - 02.05.10 fau.org)

Dies sollte nicht der einzigste Tiefschlag des Tages werden. Groß angekündigt und mobilisiert hatte die sächsische NPD unter dem Motto „Fremdarbeiter-Invasion stoppen!“ Zu denen das „Bündnis gegen Rechts“, neben weiteren offiziellen und lockeren Bündnissen, zum Gegenprotest und Blockaden aufrief. Wir, die FAU Südwestsachsen haben oft genug direkt erfahren welche Auswirkungen rechts offene Positionen in Betrieben, Gruppen oder des alltäglichen Lebens zu Aus- und Abgrenzungen führen. Für uns ist sie nicht nur eine menschenverachtend rassistische Partei, sondern ebenso klar eine Arbeiterspalterpartei und ein Affront unter ihres Motto`s sich zum „Arbeitervertreter des Deutschen“ aufzuspielen. Unbeachtet ihrer offenen, vor Dummheit strotzenden Hetze direkt in einer „Apfelrede“ zum „Kampf gegen Fremdarbeiter“ aufzurufen, wirft sie zugleich den Knüppel zu allen lohnabhängigen Arbeiterinnen und Arbeiter, indem sie als Ziel die Einführung von Zwangsarbeit ( „Pflicht zur Arbeit“ ), unter dem Jubel der angereisten ca. 400 „Apfelanhänger“, offen auf dem „Platz der Völkerfreundschaft“ in Zwickau propagiert.

Diese lebensfeindlich menschenverachtenden Positionen der NPD sind uns nicht neu, so das auch wir uns an den Protesten und Blockaden beteiligten, welche den Marsch von NPD und deren Kameradschaften nicht verhindern konnten. Trotz des für Zwickau beachtlicher Teilnehmerzahl aus einem sehr breiten, wenn nicht gar gesamten Spektrums von Parteien, Gruppen, Verbänden; entsolidarisierte sich zuvor der Zwickauer CDU Verband über „Zwickau Radio“ bzw. eigener Blog Meldung von den Blockierenden, von den Arbeiterinnen und Arbeiter und ihres 1. Mai Tages!

FAU Südwestsachsen
 http://www.fau.org/ortsgruppen/sws/

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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ja ne is klar!

Icke aus Zwigge 01.05.2010 - 20:42
"Ein etwa 100-köpfiger Nazi-Gewalt-Mob, vorwiegend aus Mitgliedern des „Freien Netzes“, konnte sich völlig unbemerkt auf die Gegendemonstranten zu bewegen."

Ein 100-köpfiger Nazi-Gewalt-Mob der Parolen rief, konnte sich unbemerkt nähern???

Leuchtet mir ein!

oh man

kurt 01.05.2010 - 21:07
2000 Antifas gegen 100 Nazis klasse und die Nazis hatten die Überhand, kann das sein das die Antifa wiedermal gepennt hat. Aber so ist es eben, oder waren es 2000 Nazis und 100 Antis.Aber Klasse Augenbericht

@kurt

tut nicht zur Sache 02.05.2010 - 00:59
2000 Gegendemonstranten sind nicht gleich 2000 Antifas, da gibt es sicherlich Unterschiede in der Entschlossenheit. Also hört auf hier sinnlos rumzuspammen und freut euch lieber das die Bullen euch den Weg freigeknüppelt haben...sinnfreier Nasenpost.

Ja und

? 02.05.2010 - 09:31
wieviele Nazis waren es nun insgesamt?

dabei

ist alles 02.05.2010 - 10:20
tatsache war, dass 50-100 nazis richtung gegenkundgebung gestürmt kamen,
tatsache war auch, dass viele antifas einfach stehen geblieben sind, oder gar die entgegengesetzte richtung angetreten haben. letztlich konnten wir froh sein, dass der haufen nicht ganz durchbrechen konnte.

fazit des tages: es hat dank bullen so ziemlich nichts funktioniert wie geplant, und obendrein das debakel mit den nazis am gewerkschaftshaus.

glaube nicht das es sich hier um einen nazipost handelt, da es der artikel schon genau beschreibt. allerdings sind die 2000 bürgerlichen etwas übertrieben.

na da

hallo kripo 02.05.2010 - 13:55
also 2000 "bürgerliche" da ist wohl jemand etwas optimistisch,
und zu der Sache wie die sich die beliebten hirnlosen nähern konnten,wir waren fleißig dabei ihren demozug zu blockieren.da selbst kleinste aktionen sofort gewaltvoll niedergechlagen wurden,waren jegliche seitenstraßen gesperrt...wir hätten sie ja auf gut glück maschieren lassen können,und uns mit dem rücken zu ihnen stellen (npd demo zug) können.stimmt wieso ist mir das nicht eher eingefallen.ist ja standart das die bullen die durch straßensperren wandern lassen durch die wir nicht kommen!und als das bis ganz vorne durch gedrungen war das sie auf unserer demo waren gab es natürlich gegenwehr...
aber man kann natürlich groß reden schwingen wenn man selbst nicht da war...

abgekartetes Spiel

1312 02.05.2010 - 14:27
das hatte rein gar nichts mit 'da haben die Antifas aber gepennt' zu tun.
das war von Anfang an ein abgekartetes Spiel. war doch klar, dass das hier nicht mit Rechten Dingen zugeht. es war doch von Anfang an geplant, uns irgendwo einzukesseln und festzuhalten. merkt man daran, dass unsere autonome Gruppe beispielsweise von den Bullen weggehetzt wurde, während Nazigruppen ungehindert und frei durch Zwickau laufen konnten. merkste was? nun gut, die Gruppe, die wir getroffen haben, musste auch rennen.. :D

zeitung

zahlen 03.05.2010 - 09:57
Welche Zahlen soll man denn nun nehmen, wenn von 600-2000 geschwankt wird? Auch die Zahlen bei der Auseinandersetzung sind völliger Quatsch.

Freie Presse eben.

Und das Frau Findeiß sich wieder feiern lässt war ja auch klar. Andere organisieren und sie erntet den Ruhm. dämliche Kuh!

soso

wir gehen vor 03.05.2010 - 10:03
Unsere Solidarität gilt allen Verletzten, die sich heute mutig den Nazis entgegenstellten – getreu dem Motto: WIR GEHEN VOR GEGEN NAZIS!
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Solidarität vorallem denen die mein Auto (Ford Fiesta) entglast haben!!!
Vielen Dank Frau Findeis, das dieses Pack in unserer Stadt sich am 1. Mai auslassen durfte und Steine werfen konnte!

Ich sah wie Linke Autonome Steine sowie Flaschen rumschmissen, als normale Leute mit Kind und Kegel unterwegs waren!

Der Gewerkschaftsbund hat echt nette Bekannte eingeladen!! Getreu dem Motto Randale auf Kosten anderer...

soso

normal 03.05.2010 - 11:45
So wie Ihnen ging es wohl einigen anderen auch. Menschen, welche sich ebenfalls an der Gegenkundgebung beteiligt haben, wurden von anderen Teilnehmern von eben dieser in den Arsch getreten. Das Auto eines bekannten aus der Gewerkschaft wurde ebenfalls durch hirnlose Gestalten demoliert. Man sollte langsam mal anfangen zu selektieren und nicht auf Kosten friedlicher Demonstranten rankarren was geht, nur das man ein wenig mit den Zahlen auf den Molli hauen kann.

Frau Findeiß wir erwarten Entschädigung für Ihre katastrophale Wahrnehmung und Organisation.

ausserdem..

unbekannt 03.05.2010 - 15:40
desweiteren gab es noch kleinere antifagruppen, denen es gelang Nazis zu jagen und ein erreichen des treffpunkts unmöglich zu machen. der 1.Mai ist trotzdem als teilerfolg zu sehen, da es noch nie so eine Gegenwehr in Zwickau gab. Eine realistische Zahleneinschätzung der Blockierer ist schwer zu treffen, da die Bahnhofsvorstadt unübersichtlich ist.

die gejagten nazis

kein ruhm 03.05.2010 - 17:58
Naja, wenn 20 Antifas 3 Nazis jagen, ist das nicht unbedingt rühmlich. Schon gar nicht wenn 200 Antifas vor 50 Nazis die Beine in die Hand nehmen.

Mir scheint es, als wolle man krampfhaft nach Erfolgsgeschichten zum 1.Mai kramen.
Ich schließe mich im Großen und Ganzen den Zeilen des Beitrags an, nur mit dem Unterschied, dass ich mit Nüchternem Kopf in die Bewertung gehe und nicht versuche jeden positiven Aspekt heraus zu kramen. Es bleibt die Kritik und die Gewissheit, dass in Zwickau noch viel Arbeit auf dem Tisch liegt und die Stadt wohl nie ein einfaches Pflaster für Antifas sein wird.
Wer hier aktiv wird lebt gefährlich. Nichts desto trotz sollte man sich nicht einschüchtern lassen.