Kiel: Sozialrevolutionärer Block auf DGB-Demo

antinational-sozialrevolutionär 01.05.2010 15:14 Themen: Soziale Kämpfe
Am Vormittag des 1. Mai 2010, dem internationalen Kampftag gegen Ausbeutung und Unterdrückung, beteiligten sich mindestens 50 Menschen am antinational-sozialrevolutionären Block auf der traditionellen DGB-Demo in Kiel, zu dem einige daheim gebliebene Sozialrevolutionäre kurzfristig unter dem Motto "Für diesen Staat keinen Finger krumm!" aufgerufen hatten ( http://www.altemeierei.de/tiki-read_article.php?articleId=1443).
Bereits ab 9.30 Uhr versammelten sich wie jedes Jahr zahlreiche GewerkschafterInnen, AnhängerInnen linker und sozialdemokratischer Parteien und diesmal auch einige Dutzend AktivistInnen aus dem anarchosyndikalistischen, autonomen und hedonistisch-kommunistischen Spektrum auf dem Wilhelmplatz. Pünktlich um 10 Uhr startete der Demozug mit insgesamt 1500 TeilnehmerInnen ( http://www.kn-online.de/schleswig_holstein/landespolitik/149830-Tausende-protestieren-fuer-gerechte-Loehne.html), vorneweg der obligatorische Spielmannszug und irgendwo mittendrin der mindestens 50 Menschen starke antinational-sozialrevolutionäre Block samt zahlreicher schwarz-roter und einiger roter Fahnen.

Dem Ziel, dem Standortnationalismus und der sozialpartnerschaftlichen Bettelei um "gute Arbeit" und "gerechte Löhne" der DGB-Gewerkschaften mit sozialrevolutionären, antikapitalistischen und klassenkämpferischen Inhalten zu begegnen, wurde mit Transparenten wie "Revolution statt Deutschland!", "Linke Politik verteidigen", "Lohnarbeit nervt!" und "Klassenkampf international!" und durchgehend skandierten Parolen wie "Alles für alle - und zwar umsonst!", "Standort Deutschland scheißegal - nieder mit dem Kapital!" oder "Aufruhr, Widerstand! Klassenkampf statt Vaterland!" Nachdruck verliehen. Ein Bengalo sorgte kurzzeitig für visuelle Unterstützung. An im politischen Umfeld des Blocks ansiedelbaren Material wurden Aufrufe zu den antimilitaristischen Aktivitäten gegen der "Celler Trialog" bei Kiel im September ( http://kein-trialog.so36.net), Flugblätter für die antifaschistische Kundgebung am 8. Mai in Kiel ( http://www.antifa-kiel.org/index.php/aktuell/events/antifaschistische-kundgebung-feiern-gedenken-antifaschistisch-ka.html) und Flyer der FAU-Kampagne "Leiharbeit abschaffen!" ( http://www.leiharbeit-abschaffen.de) unter den DemonstrantInnen verteilt.

Die übrigen DemoteilnehmerInnen begegneten der Anwesenheit des antinational-sozialrevolutionären Blocks weder mit wahrnehmbaren Unmut, noch mit massenhaften Begeisterungsstürmen. Die Polizei war so gut wie garnicht wahrnehmbar. Nachdem sich die Demo gegen 11 Uhr wie immer im Maifest am Kieler Gewerkschaftshaus aufgelöst hatte, nutzten Teile des Blocks den gemeinsamen Heimweg zu einem kleinen Demospaziergang durch die Innenstadt zum Bahnhof.

Erfreulich, dass es in Kiel seit langem Mal wieder Ansätze für organisierte sozialrevolutionäre Aktionen am 1. Mai gab. Für eine sehr spontan und im eher kleinen Kreise anberaumte Aktion ist das Ergebnis als durchaus positiv zu beurteilen. Grund genug, um über eine Vertiefung des Ansatzes in den nächsten Jahren nachzudenken.
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Ergänzungen

Das verteilte Flugblatt...

Autonome Antifa-Koordination Kiel 01.05.2010 - 15:46
8. Mai 1945 - Tag der Befreiung vom deutschen Faschismus: Feiern. Gedenken. Antifaschistisch kämpfen.


Antifaschistische Kundgebung: Sa., 08.05.2010 | 11.00 Uhr | Asmus-Bremer-Platz | Kiel


Vor 65 Jahren, am 8. Mai 1945 kapitulierte das nationalsozialistische Deutsche Reich bedingungslos vor den Alliierten im Zweiten Weltkrieg, nachdem dem deutschen Vernichtungskrieg in ganz Europa und dem industriellen Massenmord in den Konzentrationslagern der Nazis Abermillionen Menschen zum Opfer gefallen waren. Deutschland war von den Truppen der Alliierten eingenommen. Die Herrschaft des Nationalsozialismus war nach 12 Jahren des Terrors gegen Juden und Jüdinnen, die Bevölkerung Osteuropas, politische GegnerInnen, insbesondere KommunistInnen und SozialdemokratInnen, Sinti und Roma, Homosexuelle, sogenannte „Asoziale“ und alle anderen, die nicht dem nationalsozialistischen Weltbild entsprachen oder sich widersetzten, zerschlagen. Der 8. Mai 1945 war für alle Menschen, die noch von der Mord- und Unterdrückungsmaschinerie Nazideutschlands bedroht waren und für alle, die in Gegnerschaft zu ihm standen, ein Tag der Befreiung. Überall auf der Welt feiern an diesem Tag auch heute noch viele Menschen, die sich in einer solchen Tradition sehen, den Sieg über die Herrschaft des deutschen Faschismus. In vielen Ländern Europas wird der 8. Mai als öffentlicher Feiertag begangen.

Auch wir sagen an diesem Tag Spasibo - Thank you – Merci – Danke und verneigen uns respektvoll vor den KämpferInnen der Anti-Hitler-Streitkräfte, den antifaschistischen PartisanInnen, den Aufständischen im Warschauer Ghetto, dem Häftlingswiderstand in den Konzentrationslagern, den UntergrundaktivistInnen der antifaschistischen Minderheit in Nazideutschland und allen anderen, die mit vereinten Kräften die deutsche Kapitulation herbeigeführt haben.


Der 8. Mai 1945 in Schleswig-Holstein

Schleswig-Holstein wurde Anfang Mai als eine der letzten verbliebenen Bastionen Nazideutschlands von britischen Truppen befreit. Lübeck erreichten diese am 2. Mai, der kriegswichtige Marinestandort Kiel folgte zwei Tage später kampflos. Mit der Kapitulation am 8. Mai war der NS-Mustergau – schon überdurchschnittlich früh erreichte die NSDAP in Schleswig-Holstein überdurchschnittlich hohe Wahlergebnisse - nahezu unter alliierter Kontrolle. Eine Ausnahme stellte Flensburg-Mürwik dar, wo sich die nationalsozialistische Regierung Dönitzs noch zwei Wochen verschanzt hielt.

Mit ihr, darunter auch der Hauptorganisator der Shoa Heinrich Himmler, kamen in den letzten Kriegswochen zahlreiche Nazigrößen und Karrieristen in den Norden. Sie ließen sich, teils unter neuer Identität, nieder oder versuchten, von hier aus ihre Flucht zu organisieren. Ebenso siedelten gegen und nach Ende des Krieges über eine Million Flüchtlinge aus den ehemals zu Deutschland gehörenden und heutigen polnischen und russischen Gebieten in Osteuropa nach Schleswig-Holstein über. Teils um den Vergeltungsmaßnahmen der Roten Armee zu entgehen, teils weil es die infolge des Krieges veränderten Grenzverläufe erforderten.

Mit dem 8. Mai war zwar auch in Schleswig-Holstein die politische Herrschaft der NSDAP und ihres Staates vorüber, dennoch sollte sich diese brisante Mischung aus hier sesshaft gewordenen Eliten Nazideutschlands, zum Revanchismus und Geschichtsrevisionismus neigenden Umgesiedelten und der Bevölkerung der langjährigen Nazihochburg auch nach 1945 nachhaltig auf die politische Kultur zwischen Nord- und Ostsee auswirken.


Auseinandersetzung mit der Nazivergangenheit nach schleswig-holsteiner Art

Dass diese alles andere als durch eine selbstkritische Auseinandersetzung mit der uneingeschränkten deutschen Schuld an Massenmord und Krieg geprägt sein sollte, zeigte sich an vielerlei Beispielen: Nicht nur im Landtagswahlergebnis 1950, bei dem der NS-relativierende „Block der Heimatvertiebenen und Entrechteten“, bevor dieser später in der CDU aufging, 23,4% der Stimmen erlangte oder in der Tatsache, dass die sodann gebildete Landesregierung fast ausschließlich aus ehemaligen NSDAP-Mitgliedern bestand; sondern auch darin, dass Massenmörder wie der Leiter des NS-Euthanasieprogramms Werner Heyde gedeckelt von der schleswig-holsteinischen Elite unter dem Phantasienamen Sawade weiter Karriere als Arzt machen konnten, während die Opfer des Naziterrors vielfach vergeblich um ihre Entschädigungsansprüche kämpfen mussten.

Dass alte Nazifunktionäre auch in der postfaschistischen BRD wieder in den Spitzenpositionen saßen, war keine schleswig-holsteinische Besonderheit. Wie offen und unwidersprochen dies geschah, dagegen schon. Unter solchen Voraussetzungen verwundert es wenig, dass eine Auseinandersetzung mit der eigenen Nazivergangenheit auf der offiziellen Ebene, insbesondere im konservativen Lager, bis in die 1980er nicht stattfand. Bis dahin übte man sich in entsprechenden Kreisen darin, die Schuld der Deutschen zu relativieren und maximal auf eine kleine verbrecherische Naziclique zu reduzieren und das vermeintliche Leid „deutscher Opfer“ zu betrauern. Als Lehre aus dem NS wurde vielerorts ausgerechnet die unbedingte Verfassungstreue und - ganz im Sinne der Demagogie des Kalten Krieges und seiner Totalitarismustheorie – das Weiterkultivieren des nationalsozialistischen Antikommunismus in Form der ideologischen und damit undifferenzierten Hetze gegen die realsozialistischen Staaten des Ostblocks und alles Linke verstanden. Die Absurdität dieser Schlussfolgerung verdeutlichte sich in der Tatsache, dass ehemalige antifaschistische Verfolgte, vor allem KommunistInnen, nur wenige Jahre nach Ende der Naziherrschaft insbesondere im Zuge des KPD-Verbots 1956 von massiver staatlicher Repression betroffen waren, nicht selten durchgeführt von den zahlreichen im Amt gebliebenen ehemaligen Nazirichtern.

Der 8. Mai 1945 wurde dagegen in weiten Teilen des politischen Mainstreams, gerade auch in Schleswig-Holstein, noch lange als „Niederlage“ oder „Katastrophe“ bewertet. In diesem Sinne bekämpfte die etablierte Politik noch Anfang der 1980er offen antifaschistische Geschichtsinitiativen, die endlich mit der öffentlichen Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus in Schleswig-Holstein begannen.


Alles hat sich geändert: Das Märchen von der „geläuterten Nation“

Mittlerweile hat sich - spätestens mit der Rückkehr Deutschlands auf die Bühne internationaler Großmächte nach der Wiedervereinigung - das Vokabular des herrschenden Diskurses zum 8. Mai gewandelt. Auch an der schleswig-holsteinischen Provinz ist diese Tatsache nicht vorbei gegangen. Die Kriegsschuld der Deutschen, die Singularität der Shoa und die Verwicklung überwiegender Teile der deutschen Bevölkerung in die NS-Mordmaschine sind im Gegensatz zu konservativen Verlautbarungen aus den 1980ern zumindest als Worthülsen weitestgehend im politischen Mainstream anerkannt; und erfüllen paradoxerweise zugleich den Zweck, sich nicht den logischen Konsequenzen aus diesen unumstritten richtigen Erkenntnissen zu stellen.

Man gibt sich im wiedererstarkten Deutschland 2010 als „geläuterte Nation“, die aus ihrer Vergangenheit gelernt habe und gerade deshalb eine besondere Verantwortung in der Welt trage: Der rot-grüne Angriffskrieg der Bundeswehr auf Jugoslawien, mit dem 1999 erstmals seit 1945 deutsche Machtinteressen auf dem Balkan durchgebombt wurden, wie auch die darauf folgenden deutschen Kriegseinsätze, wurden mit der Begründung nicht trotz, sondern wegen Auschwitz, propagandistisch möglich. Und nicht zuletzt sieht sich die selbsternannte „geläuterte Bundesrepublik“ gerade deshalb in der Berechtigung, nun endlich einen Schlussstrich unter seine Nazigeschichte ziehen zu können, wieder Stolz auf den schwarz-rot-gelben Wimpel sein zu dürfen, der „vergessenen deutschen Opfer“ zu gedenken und den Fokus nun vor allem auf die Abrechnung mit der sogenannten „zweiten deutschen Diktatur“, der realsozialistischen DDR zu lenken.

Um dieser Rückkehr des Gesamtpaketes aus alter Relativierung und Verdrängung des NS sowie der Verweigerung der nötigen Konsequenzen durch die Hintertür den abschließenden Schliff zu verpassen, wird gerade aktuell verstärkt auch wieder der altbekannte deutsche Antikommunismus in Form der Ideologie des „Antiextremismus“ aufgefrischt zurück auf die Tagesordnung des herrschenden Diskurses geschmissen.


8. Mai 2010: Die Vernichtung des Faschismus und seiner Wurzeln bleibt unser Ziel

Eine der zentralen Verpflichtungen, die sich für uns aus dem Bezug auf den 8. Mai 1945 ergibt – die Pflichtübung des unversöhnliche Kampfes gegen den offenen Neonazismus - wurde in Kiel vor einem Jahr, am 8. Mai 2009 erfolgreich umgesetzt: An diesem Tag führte ein Häuflein Neonazis in der Kieler City einen geschichtsverdrehenden Propagandastand durch, der von 200 spontan mobilisierten AntifaschistInnen erfolgreich zum vorzeitigen Abbruch gebracht wurde. Eine viel aufwändigere Verpflichtung antifaschistischer Kämpfe allerdings, resultiert aus dem Umstand, dass am 8. Mai 1945 zwar die Herrschaftsstrukturen des NS-Staates beseitigt wurden, ein umfassendes gesamtgesellschaftliches Problembewusstsein für die Grundlagen des Nationalsozialismus, eine breite Auseinandersetzung mit ihnen und die daraus zu ziehenden Konsequenzen, dagegen bis heute ausgeblieben sind.

Auf lokaler Ebene schlägt sich dieses Versäumnis nicht zuletzt auch in der unerträglichen Berichterstattung der Kieler Presse über besagte Aktion nieder, die von einem „Infostand der Rechten“, „auf dem etliche Informationsblätter lagen“ weil „vor 64 Jahren [...] am 8. Mai der Zweite Weltkrieg [endete]“, auf den „Mitglieder des Runden Tisches gegen Rassismus und Faschismus versuchten, mit Lautsprecherdurchsagen [...] aufmerksam zu machen“ (!) (KN-online, 8.5.09)“ schwafelte.

Für uns ist unbestreitbar: Es war eben höchstens am Rande die „Verführungskraft“ einer „teuflischen Machtclique“, die den NS möglich machte, sondern in allererster Linie der völkische Antisemitismus, der Rassismus, der chauvinistische Nationalismus, der Hang zum Autoritarismus und Militarismus, der Untertanengeist und der Hass auf gesellschaftliche Befreiung und Gleichheit, die seit ihrer Konstruktion im 19. Jahrhundert allesamt fest in der nationalen Identität der Deutschen verankert sind. All diese ideologischen Grundlagen ermöglichten, dass eine deutsche Mehrheitsbevölkerung den Nationalsozialismus trug und seine Beseitigung militärisch von außen durchgesetzt werden musste. Diese Elemente wachsen auch heute noch unvermeidbar in der Mitte der bürgerlich-kapitalistischen BRD-Gesellschaft, die unumgänglich nach wie vor auf Unterdrückung und Ausbeutung basiert und die Schuld an ihrem unbewusst selbstverschuldeten Elend laufend vermeintlich außerhalb der Gesellschaft stehenden Feindbildkonstruktionen zuschreibt – seien diese nun „faule Arbeitslose“, „linke ExtremistInnen“ „terroristische Muslime“, „unkontrollierte afrikanische Flüchtlingsströme“ oder „das raffende Kapital von der us-amerikanischen Ostküste“.

Die in kürzester Zeit entwickelbare potentielle Vernichtungskraft bürgerlich-kapitalistischer Gesellschaften gegen ihre herbeihalluzinierten Feindbilder ist und bleibt, gerade in Zeiten kapitalistischer Krisen wie der gegenwärtigen, eine reelle Bedrohung für die Menschlichkeit.

Den 8. Mai zu feiern heißt für uns: Das Gedenken an den millionenfachen Massenmord Nazideutschlands wach zu halten, den Kampf gegen alle neofaschistischen Strukturen im Hier und Jetzt unnachgiebig fort zu führen und mit Nachdruck an der emanzipatorischen Überwindung bürgerlich-kapitalistischer Verhältnisse und seines Vernichtungspotentials zu arbeiten.


Für die Fortführung der Befreiung der Menschheit vom Faschismus mitsamt seiner Wurzeln!


Autonome Antifa-Koordination Kiel | www.antifa-kiel.org


Sa. 08.05.2010 | Termine zum 65. Jahrestag der Befreiung in Kiel

11 Uhr: Antifaschistische Kundgebung | Asmus-Bremer-Platz

15 Uhr: Tagesveranstaltung | Ambivalenz des 8. Mai - über Feiern und Gedenken. Der 8. Mai und seine Inszenierung zwischen Befreiung und Niederlage | 23 Uhr: Balkan Beatz-Party | Hansastr. 48 | akkiel.blogsport.de

16 Uhr: Antifaschistisches Gedenken | Eichhof (Haupttor) | www.avanti-projekt.de/kiel

Fotos!

... 03.05.2010 - 02:19
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