Hamburg: „Fette Mieten“-Party

Avanti Hamburg 27.04.2010 21:24 Themen: Soziale Kämpfe
Rund 25 AktivistInnen der Initiative Droit au logement / Recht auf Wohnraum haben heute, am 27. April 2010, eine Wohnungsbesichtigung im Hamburger Karolinenviertel gestört, um auf den anhaltenden Wohnungsmangel und die überteuerten Mieten in Hamburg aufmerksam zu machen.
Die Aktion steht im Kontext der „Recht auf Stadt“-Bewegung, die sich seit Sommer 2009 u.a. gegen steigende Mieten und die Verdrängung von BewohnerInnen einsetzt. Während fast 1 Mio. Quadratmeter an Büro- und Gewerbeflächen leer stehen, fehlt es in Hamburg an bezahlbarem Wohnraum. Jedes Jahr werden in Hamburg über 3.000 Wohnungen zu wenig gebaut, um den tatsächlichen Bedarf zu decken. Gleichzeitig wird immer mehr Wohnraum luxussaniert oder/und in Eigentum umgewandelt. Der Mangel an Wohnraum in innenstadtnahen Quartieren – gegen den vom schwarz-grünen Senat nichts unternommen wird – hat dazu geführt, dass die Mieten explodieren – in St. Pauli um ganze 27,7 % seit 2005. Die Wohnungsknappheit ermöglicht es Vermietern und Immobilienfirmen, immer horrendere Mieten zu verlangen. Einkommensschwache Bevölkerungsgruppen werden in Folge dieser Entwicklung an den Stadtrand gedrängt bzw. erhalten in bestimmten Stadtteilen erst gar keine Wohnungen mehr. Aber auch diejenigen, die sich die Miete noch leisten können, müssen einen immer höheren Anteil ihres Monatseinkommens für Wohnen ausgeben. Inzwischen liegt dieser Anteil bei der Hamburger Bevölkerung im Durchschnitt bei 36 bis 45 % (während der bundesdeutsche Durchschnitt nur bei 25,5 % liegt).

In Anlehnung an ähnliche Aktionen in Paris und der Schweiz machten sich etwa 25 AktivistInnen aus dem Umfeld der „Recht auf Stadt“-Bewegung heute zu einer Wohnungsbesichtigung im Karolinenviertel auf, um ein Zeichen gegen die unsoziale Wohnungspolitik des schwarz-grünen Hamburger Senats und die (von VermieterInnen und Wohnungsunternehmen zu verantwortenden) teuren und weiter steigenden Mieten zu setzen. In einem verteilten Flyer hieß es: „Wir wollen uns mit dieser Aktion einsetzen für eine Wohnungspolitik, die sich an den Bedürfnissen der MieterInnen und Wohnungssuchenden orientiert – und nicht an den Profitinteressen von Immobilienfirmen. Recht auf Stadt heißt für uns auch Recht auf (bezahlbaren) Wohnraum – am besten in gesellschaftlichem Eigentum!“

Beim Objekt handelte es sich um eine 3-Zimmer-Wohnung mit etwa 60 Quadratmetern und Durchgangszimmer, die für eine Kaltmiete von 720 Euro (850 Euro warm), also etwa 12 Euro/qm vermietet werden sollte. Gegen 18 Uhr begann die Party im Haus mit Sekt und (etwas verspätet auch) Musik, der Makler reagierte teilweise etwas verärgert, legte sich mit einem anwesenden Pressefotografen an und drohte mehrmals mit der Polizei. Die Reaktionen anderer Wohnungssuchender fielen unterschiedlich aus, viele schmunzelten und manche tranken auch einen Sekt mit. Nach etwa 20 Minuten wurde die Aktion erfolgreich beendet, weitere Aktionen gegen die Wohnungspolitik in Hamburg wurden aber bereits angekündigt.

In den kommenden Tagen wird es weitere Veranstaltungen zur Thematik Wohnen und Mieten geben. Am Donnerstag, den 29. April, findet um 19 Uhr die 2. Versammlung von SAGA-GWG-MieterInnen im Centro Sociale statt (die SAGA-GWG ist die städtische Wohnungsgesellschaft, in deren Wohnungen rund 300.000 Menschen wohnen). Organisiert wird die Versammlung, zu der auch die neue SAGA-MieterInnen-Zeitung „2Prozent“ aufruft, von der AG Mieten und Wohnen im „Recht auf Stadt“-Netzwerk. Gegen die Hamburger Wohnungs- und Stadtentwicklungspolitik protestieren kann mensch auch am 1. Mai: Avanti Hamburg ruft dazu auf, sich an einem MieterInnen- und Initiativenblock auf der DGB-Demo (11 Uhr, Besenbinderhof) und der Euromayday-Parade (14 Uhr, Park Fiction) zu beteiligen.

Mehr Infos: www.rechtaufstadt.net
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Ergänzungen

Mehr Infos

... 27.04.2010 - 22:04
Ein ausführliches Positionspapier von Avanti zur "Recht auf Stadt"-Bewegung gibt´s hier:  http://avanti-projekt.de/admin/nehmen-wir-uns-die-stadt

Chronik der RAS-Bewegung:
Teil 1 -  http://de.indymedia.org/2010/02/272428.shtml
Teil 2 -  http://de.indymedia.org/2010/02/273504.shtml

Mietpreis

Avanti Hamburg 27.04.2010 - 22:13
Bei dem Preis hat sich ein kleiner Fehler eingeschlichen. Der Preis für die Wohnung liegt bei 950 Euro warm (720 Euro kalt) und nicht bei 850 Euro. Das entspricht einer durchschnittlichen Kaltmiete von 12 Euro pro Quadratmeter (und warm knapp 16 Euro).

1. Mai - Hamburg rockern

... 27.04.2010 - 22:40

Presse zur Aktion

... 28.04.2010 - 23:07
Protest im Treppenhaus
Aktion gegen Mietwucher. Makler verlangt 12 Euro kalt pro Quadratmeter. Expertin: "Völlig überteuert"

VON ANNA SEIDLER

Our house in the middle of the street" hallt es laut aus einem Altbau im Karolinenviertel. Im Treppenhaus prosten sich Perücken und Masken tragende Mittzwanziger johlend zu, pusten Luftschlangen in den Hausflur. Doch was sich hier vor den Türen einer Wohnungsbesichtigung in der Vorwerkstraße 11 abspielt, ist keine spontane Studentenparty - sondern eine Protestaktion gegen Mietwucher in der Hansestadt.

Keine Frage, schön ist die Wohnung, vor der die rund 20 Aktivisten der neu gegründeten Initiative "Recht auf Wohnraum" stehen. Holzfußboden, eine neue Einbauküche, ein großes Bad mit Wanne. Doch für 60 Quadratmeter ohne Balkon hat das Domizil einen sehr stolzen Preis: 720 Euro Kaltmiete, 850 Euro inklusive Betriebskosten - dazu eine deftige Maklercourtage von zwei Kaltmieten. "Zwölf Euro pro Quadratmeter sind einfach eine Unverschämtheit", schimpft ein Aktivist. Mit der Party-Aktion wollen er und seine Mitstreiter für bezahlbaren Wohnraum kämpfen - und gegen die Verdrängung von einkommensschwachen Gruppen an den Stadtrand.

Unschlüssig inmitten von Protestschildern und maskierten Teilnehmern steht Immobilienmakler Jan Philipp Jaeger. "Natürlich ist die Wohnung hochpreisig", gibt er zu. "Aber zwölf Euro für eine sanierte Wohnung in einem Tipptopp-Zustand - das ist kein Wucher", findet der 44-Jährige. "Völlig überteuert" ist hingegen das Urteil von Sylvia Sonnemann von "Mieter helfen Mietern": "Die Kaltmiete liegt 100 bis 200 Euro über dem Mietenspiegel für vergleichbaren Wohnraum", rechnet sie vor. Normal seien 5,85 bis 8,65 Euro pro Quadratmeter. "Studenten, Ausländer und Künstler werden so aus Trend-Vierteln raussaniert", beklagt sie.

Doch damit soll jetzt Schluss sein: "Wir sind es leid, Woche für Woche mit vielen Menschen auf Wohnungsbesichtigungen zu gehen, ohne dass ein Erfolg sichtbar ist", erklärt ein Aktivist. Weitere Aktionen gegen die Wohnungsmisere sollen folgen.

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Zeige die folgenden 2 Kommentare an

Das sind ....gute Action! — Radikal Queer

schön — klaus