10 Tage Autonomes Zentrum Köln

Freundeskreis Autonomes Zentrum 26.04.2010 17:36 Themen: Freiräume
Am 16. April wurde eine ehemalige Großkantine in Köln-Kalk von Aktivist_innen besetzt um dort ein Autonomes Zentrum aufzubauen. Die Besetzung geht heute in ihren 10. Tag und es ist viel geschehen.
Im Haus
Innerhalb des Gebäudes ist vieles in Bewegung. Nach intensiver Grundreinigung der ca. 25 kleineren Räume und 6 unterschiedlich großen Säle wurden ein Großteil der Fläche direkt nutzbar gemacht. Ob Arbeitsräume, Plenumssaal, Konzertkeller, Infopoint, Vokü, Chillout oder Toiletten & Duschen - Es wurde hochmotiviert geschleppt, gesägt, geschraubt & geflext. Natürlich gibt es immer noch viel zu tun, aber eine Grundinfrastruktur steht.



Neben diesen greif- und sichtbaren Veränderungen hat sich auch eine Organisations- und Entscheidungsstruktur herausgebildet. Es finden 2 regelmäßige öffentliche Plena pro Tag statt, ein Orga & Infoplenum um 12 Uhr und ein Entscheidungsplenum um 20 Uhr. Als inhaltlicher Minimalkonsens fungiert das sogenannte "Benutzer_innenhandbuch" Zusätzlich haben sich etliche Arbeitsgruppen *** zu verschiedenen Themenkomplexen gebildet die ebenfalls allen interessierten Menschen offen stehen.

Doch das Autonome Zentrum beschäftigt sich nicht nur mit seiner eigenen Organisation, sondern wird auch schon jetzt als das genutzt, was es mal werden soll: Ein Ort für politische Veranstaltungen, unkommerzielle Kultur und Kunst. So fanden innerhalb von 10 Tagen mehr als 35 Veranstaltungen statt, unter anderem ein Vortrag zum Häuserkampf in den 80ern, ein Streetart-Workshop, ein Vortrag zum Leben mit Drogen, zahlreiche Treffen politischer Gruppen, Filmvorführungen und eine großartige Einweihungsfeier am vergangenen Wochenende mit mehr als 800 Besucher_innen.

Öffentlichkeit
Die Reaktionen der Öffentlichkeit auf die Besetzung sind bis jetzt ausgenommen positiv bis neutral. Neben einem wirklich hörenswerten Beitrag auf Funkhaus Europa und einem interessanten, recht ausführlichen Artikel im Kölner Stadt Anzeiger zeigen die Medien für Köln überdurchschnittliches Interesse und berichten recht inhaltlich über die Idee eines selbstverwalteten Zentrums. Eine Übersicht über Presseveröffentlichungen findet sich auf der Website des Autonomen Zentrums. Zusätzlich zu den etablierten Medien kommunizieren die Besetzer_innen auch über eigene Kanäle, z.B. mit einem Videokommunique



Nicht nur die Presse sondern auch die Politik hat die Besetzung wahrgenommen. Schon am 3. Tag wurde das Autonome Zentrum vom Bezirksbürgermeister Markus Thiele (SPD) besucht, der Sympathie und Unterstützung bekundete: „Wir müssen jetzt zusehen, dass ihr in eine Verhandlungsposition kommt“. Die Bezirksvertretung der Grünen unterstützt das Autonome Zentrum ebenfalls, auch die komplette Ratsfraktion der Linken erklärte sich solidarisch. Leider konnte sich Oberbürgermeister Jürgen Roters bis jetzt nicht zu einem öffentlichen Statement durchringen. Das erscheint wie ein Rückschritt, schließlich hatte Roters seine Position zu einem Autonomen Zentrum im Wahlkampf 2009 schon eindeutig formuliert: „Autonomes Zentrum – Das ist mir eine Herzensangelegenheit!“



Innerhalb der Szene ist die Solidarität mit dem AZ groß. Unterstützung in Form von Taten, Materialien, Geld oder Worten kamen von vielen politischen Gruppen aus Köln und aus dem Umfeld der Universitäten wie dem AStA der FH Köln und dem AK Bildungsstreik. Auch überregional fand das AZ viel Anklang. Aus vielen deutschen Städten wurden solidarische Grüße übermittelt.

Selbst die Nachbarn scheinen nicht abgeneigt zu sein, ein Autonomes Zentrum am toten Ende ihrer Straße in Erwägung zu ziehen. Neben Sympathiebekundungen in Form von selbstgebackenem Schokokuchen mit der Aufschrift "Herzlich Willkommen" gab es auch eine Vielzahl an persönlichen Besuchen und Gesprächen. Auch in dem Blog eines Nachbarn hat sich eine interessante Diskussion um das Az entwickelt.

Bei einem Nachbarschaftsfest am Sonntag kamen überraschend viele Nachbarn vorbei. Die ca. 40 Besucher_innen wurden mit Kaffee und Kuchen empfangen, es gab Kinderschminken, Trampolinspringen und Tischkickern für die kleineren Menschen. Die Größeren bekamen eine Führung durch das Gebäude und informierten sich über die Pläne der Besetzer_innen. Den direktesten Zugang zum AZ hatten schon eine Woche vorher einige Kinder aus der Umgebung gefunden. Kurzerhand wurde von ihnen der Innenhof als Fußballplatz angeeignet und mit Unterstützung einiger Besetzer_innen passende Tore gebaut.

Die einzigen, denen es mit der Besetzung ganz und gar nicht gut zu gehen scheint sind die Besitzer des Gebäudes, die "Rhine Estate" Die Tochterfirma der Stadtsparkasse beharrt darauf, dass das Gebäude schwere bauliche Mängel besitzt und für eine Nutzung ungeeignet ist. Diese Behauptung wurde durch ein von den Besetzer_innen in Auftrag gegebenes Gutachten bereits widerlegt. Bei einem Treffen mit Vertretern der Rhine Estate am vergangenen Freitag kamen sich Besetzer_innen und Besitzerin leider auch nicht näher. Die Ernsthaftigkeit der signalisierten Verhandlungsbereitschaft von Seiten der Rhine Estate wurde durch das Überreichen eines Dokuments, dass die Besetzer_innen zum Verlassen das Gebäudes auffordert, nicht bestätigt. Im Detail läßt sich dieser Vorgang auf der Website des AZ nachlesen.



Repression
Last but not least bleibt noch das Verhalten der Polizei zu erwähnen. Nachdem in den ersten Tagen eine ständige Polizeipräsenz vor dem Gebäude und willkürliche Personalienkontrollen die Regel waren, ist momentan bis auf sporadisch vorbeifahrende Streifen keine dauerhafte Präsenz vorhanden. Nachdem die Polizei am vorvergangenen Samstag versucht hatte, das AZ abzuriegeln und Besucher_innen mit Platzverweisen aus Kalk zu vertreiben, musste die Einsatzleitung einsehen, dass spontane Kundgebungen auf der Kalker Hauptstraße mit über 100 Menschen die schlechtere Alternative darstellen. Nachdem von der Kundgebung aus die Polizeisperren kollektiv überrannt wurden um auf das Gelände des AZ's zu kommen, kapitulierte die Polizei und hält sich seitdem eher im Hintergrund.

Das heißt leider nicht, dass im Moment keine Übergriffe der Polizei stattfinden würden. In mindestens einem Fall ist bekannt geworden dass Polizisten einen Besucher des AZ's angegriffen, geschlagen und in Gewahrsam genommen haben. In der Nacht von Freitag auf Samstag wurden zwei Besucher des AZ's die sich auf dem Nachhauseweg befanden an der Bahnstation Kalk-Kapelle von einer Polizeistreife gestoppt und die Personalien festgestellt. Einer der Menschen versuchte während der Kontrolle mit seinem Handy das Infotelefon zu erreichen, was zur Folge hatte, dass er von vier Polizeibeamten zu Boden geworfen wurde und 10-15 mal auf ihn eingeschlagen wurde. Daraufhin wurde die Person in Gewahrsam genommen und kam erst am nächsten Morgen wieder frei.
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Ergänzungen

Mehr Texte....

Squ(a)T 26.04.2010 - 19:54
Sehr schön hier mal wieder von euch zu hören. Schreibt ruhig öfter mal...Ich glaube ihr erreicht hier noch mehr Menschen als auf euren Blog  http://pyranha.blogsport.de/
Bekannte, die das AZ in Köln besucht haben, berichteten mir nur Positives. Sehr entspannte Atmosphäre und erfreuliche viele Menschen auf der "Einweihungsparty" ams Samstag. Da ist wirklich was Großes am entstehen!


Solidarische Grüße aus Berlin.

ppprreeesseee

ksta 26.04.2010 - 21:51

Presseartikel von heute

zur ergänzung 26.04.2010 - 22:05
Aktivisten halten die frühere KHD-Werkskantine weiterhin besetzt, sie wollen ein Kultur- oder Veranstaltungszentrum daraus machen. Die Mehrheit der Politiker sympathisiert mit der Kampagne „Pyranha“.
 http://www.ksta.de/html/artikel/1270457721274.shtml

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Zeige die folgenden 5 Kommentare an

yeah — Egal11

Solidarische Grüße ... — Art Eifel

daumen hoch — anonymus