Richter erkennt Gefährdung durch MON810-Mais

Simone Ott 26.04.2010 14:09 Themen: Biopolitik Ökologie
1. Verhandlungstag im Feldbefreiungsprozess verlief vielversprechend
Heute fand der erste Tag in der Berufungsverhandlung von Cecile Lecomte wegen einer Feldbefreiungsaktion am Landgericht Würzburg statt. 2008 hatte sich die Aktivistin mit ca. 60 anderen Engagierten an einer Aktion der Initiative Gendreck-weg in der Nähe von Kitzingen beteiligt. In der ersten Instanz hatte der Amtsrichter in Kitzingen ihre zahlreichen Beweisanträge zur Gefahr der Agro-Gentechnik abgelehnt und sie zu 45 Tagessätzen wegen Sachbeschädigung verurteilt.

Heute ließ der Richter am Landgericht durchblicken, dass er Lecomtes persönliche Annahme einer Gefährdung durch MON810-Mais als gegeben ansehen würde. Damit nimmt die Angeklagte eine erste Hürde in ihrer Argumentation des Rechtfertigenden Notstandes. Danach wird eine Straftat nicht bestraft, wenn sie dazu dient, größeren Schaden abzuwenden. Allerdings muss nun noch entschieden werden, ob die Tat angemessen und erforderlich war, um die Gefahr der Gentechnik abzuwenden. Als Alternative schlug der Richter z.B. eine Menschenkette vor, wie sie gerade am Wochenende gegen Atomkraft stattfand.

Lecomtes Rechtsbeistand Jörg Bergstedt zeigte daraufhin die Verflechtungen von Behörden, Konzernen, Wissenschaft und Lobbyverbänden auf. Er argumentierte, dass Appelle wie eine Menschenkette nur Erfolg haben könnten, wenn es einen konkreten Ansprechpartner dafür gebe. Wenn jedoch die zuständigen Behörden allesamt einseitig die Gentechnik befürworteten und Kritik daran gar nicht ernst nähmen, gebe es keine reale Möglichkeit, auf die Entscheidungen Einfluss zu nehmen.

Cecile Lecomte, die unter Aktivisten als "Eichhörnchen" bekannt ist, wertete den Hinweis des Gerichts als ersten Erfolg. "Nun müssen wir dem Richter nur noch klarmachen, dass es zur Zeit leider keine andere Möglichkeit gibt, die Gentechnik aufzuhalten. Ich bin auf den nächsten Prozesstag gespannt."

Etwa 20 UnterstützerInnen aus der Region und dem gesamten Bundesgebiet waren zum Prozess gekommen. Den Auftakt bildete eine aufsehenerregende Kletteraktion der angeklagten Aktivistin, die in 15 m Höhe ein Banner mit der Aufschrift "Kriminell ist die Gentechnik" vor dem Landgericht hisste. Am 12. Mai wird der Prozess mit den ersten Zeugenvernehmungen fortgesetzt.

Zweiter Prozesstermin:
Mi. 12.05.2010, 09:00 Uhr Landgericht Würzburg Saal C 011
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Ergänzungen

Wortlaut des "Rechtshinweises"

jb 26.04.2010 - 19:10
Hallo,
der Titel dieses Artikels ist so nicht richtig. Im Text steht es eher richtig: Es wird anerkannt, dass die Handelnde von einer Gefährlichkeit ausging - und das zugrundegelegt. Das ist aber aus zwei anderen Gründen ein Durchbruch: Erstens sind wir soweit noch nie gekommen, bisher wurde die Gefährlichkeit explizit abgelehnt. Zweitens reicht in Zukunft (soweit sich das jetzt durchsetzt), die eigenen Gründe klar zu benennen.

Der Wortlaut des Beschlusses:
"Der Vorsitzende wies unter Hinweis auf den Beschluss des BVerfG vom 19.2.1993 (NBW 1993, 2432) und den Beschluss des BayObLG vom 17.9.1999 (4 St RR 168/99) darauf hin, dass es vorbehaltlich neuer Erkenntnisse nicht entscheidungserheblich sein dürfte, ob die objektiven Voraussetzungen einer gegenwärtigen, nicht anders abwendbaren Gefahr für ein in § 34 StGB aufgeführtes Rechtsgut vorgelegen hat, welches der widerstreitenden Interessen bei der erforderlichen Abwägung wsentlich überwiegt und ob die Angeklagte subjektiv von den tatsächlichen Veraussetzungen einer Notstandslage ausgegangen ist. Nach der Rechtsprechung ist maßgeblich auf die Angemessenheit des eingesetzten Mittels abzustellen."
Richter gibt Zusatzhinweis, dass es darauf ankommt, ob es andere Mittel gegeben hätte, das Ziel zu erreichen, z.B. Menschenketten, auf Bäume klettern ("naja, auf einem Acker gibt es ja keine Bäume") "das werden wir unterstellen, dass Gefahren ausgehen"




Und, da hier auch auf dem Rechner: Der Zeitablauf des ganzen Prozesses heute
9.03 Uhr Gespräch um Personalien
9.06 Uhr Gespräch über Rechtsbeistand
9.08 Uhr Unterbrechung auf Antrag der A., damit Publikum durch Kontrolle kommt
9.19 Uhr A. beantragt formal jb als Rechtsbeistand (schriftlich, Antrag 1), StA hat keine Einwände
9.20 Uhr Gericht entscheidet durch geheimen Beschluss im Nebenzimmer: Rechtsbeistand wird zugelassen
9.22 Uhr Cecile beantragt Akteneinsicht - Unterbrechung bis 10 Uhr dafür
10.01 Uhr Richter berichtet über Ablauf des Verfahrens und liest Urteil (Tenor und Teil II) vor
10.06 Uhr macht einen rechtlichen Hinweis und überreicht ihn schriftlich

10.09 Uhr Gespräch über Frage einer Pause, um den rechtlichen Hinweis zu erläutern
10.14 Uhr Ceciles Einlassung
ca. 11 Uhr jb trägt Weiteres vor (zu Seilschaften und Vertuschung rund um den MON810)

11.40 Uhr Fragen an Cecile wegen Tatbeteiligung, Cecile will nicht antworten
11.45 Uhr Pinkelpause
11.50 Uhr Richter hält aussageähnliche Passagen aus dem Protokoll der ersten Instanz vor. Cecile will weiterhin auf Fragen nicht antworten.
11.53 Uhr Cecile liest Stellungnahme zu Hausfriedensbruch vor

12.00 Uhr Weitere Gespräche auch mit StA über Umfang der Beweisaufnahme. Keine konkreten Aussagen.

12.05 Uhr Beschlüsse zur Ladung der 10 Uhr Zeugen Müller (Landwirt), 10.15 Uhr PHK Rützel vom USK (damals), 10.30 Uhr Reiner Schiffmayer (Schadensschätzer)

12.11 Uhr Ende

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