Landesgartenschau in Rosenheim

AutorIn des Beitrags 24.04.2010 19:22 Themen: Soziale Kämpfe Ökologie
Es ist Landesgartenschau (LGS) in Rosenheim. Gestern am Freitag den 23.04. wurde diese von Rosenheims Oberbürgermeisterin Gabriele Bauer (der Volxmund spricht von „Parkhaus-Gabi“), Markus Söder (Bayerns Umweltminister) und Bayerns Ministerpräsident Seehofer eröffnet. Heute gab es erste Proteste gegen die LGS welche symbolisch für Kommerz und Ausschluss steht.
Alkoholverbot, heißt es im Rosenheimer Saliengarten und anderen öffentlichen Plätzen. Punks und andere Menschen welche nicht in das Yuppie-Stadtbild passen werden vertrieben. Während dessen stoßen Bauer, Söder, Seehofer hochprozentigen Alkohol (Stamperl Schnaps) zum Wohle der Landesgartenschau an. Doch nicht nur Punks sind von dem Großreinemachen in der Innstadt betroffen, ganze Stadtteile werden abgesperrt und sind nur noch gegen Eintritt zu passieren. Die Zeiten an denen Menschen kostenlos an Inn oder Mangfall spazieren gehen konnten, sind damit für Monate vorbei (ganz abgesehen von der Unmöglichkeit, die (Fahrrad)Wege während der Bauphase zu benutzen). 14,- Euro pro Tag (ermäßigt 10,-) sollen Menschen, welche monatelang unter Baulärm leiden mussten, zahlen, um sich INNspirieren zu lassen. Zum Vergleich: Ein_e Harz IV Empfänger_in muss sich von 3,94 Euro pro Tag ernähren1 - aber kein Problem, für einen Spaziergang über die Raiffeisenbrücke, einen Blick vom Aussichtsturm, Sonnen am Weishäupl-Beach inkl. Besuch des Apothekergartens kann mensch gut und gerne auch mal zwei, drei Tage auf Essen und Trinken verzichten. Der rund 13 ha, bisher frei zugängliche öffentliche Raum, wird für viele Menschen, welche sich den Eintrittspreis nicht leisten können (oder wollen), zur verbotenen Zone. Sie werden zu Unkraut, welches die Pflanzenpracht und schönen Blumenfelder stört.

Die Landesgartenschau hat einen Investitionshaushalt von ca. 10 Mio. Euro, und einen Durchführungshaushalt von 7,5 Mio. Euro. Wie wird das finanziert? Nicht durch Eintrittsgelder der Besucher_innen, stattdessen fehlt es beispielsweise für soziale Projekte und schlussendlich den in Rosenheim lebenden Menschen. Rund 10 Millionen ist der Investitionshaushalt. Davon sind 3,6 Mio. Euro Förderung vom Bayerischen Staatsministerium für Umwelt und Gesundheit und 900.000 Euro zusätzliche Fördermittel von der Europäischen Union2. Das heißt, den restlichen Großteil von mindestens3 5,5 Millionen Euro zahlt die Stadt Rosenheim.

Bei der LGS wird zwar versucht jeden Zentimeter an Firmen zu verkaufen (Raiffeisenbrücke, Weishäupl Beach etc.), und trotzdem ist zu befürchten, dass die Rosenheimer Bevölkerung zusätzlich zu den bereits genannten Kosten auch bei der Durchführung nochmal draufzahlen muss. Im "Rückblick 2009 Ausblick 2010" der Stadt Rosenheim, heißt es auf S. 10 lapidar: „Gemäß Finanzierungskonzept kann der Durchführungshaushalt der Landesgartenschau ausgeglichen gestaltet werden, ein Verlust von 1,5 bis 2,25 Mio. Euro ist aber nicht auszuschließen.“4



Brückenschlag in die Zukunft


„Brückenschlag in die Zukunft“ so wirbt die LGS für sich. Aber statt in ein umweltfreundliches Nahverkehrskonzept wie z.B. RoRegio wird in die Zukunft des motorisierten Verkehrs investiert. Straßen wurden erweitert und Parkhäuser gebaut (weshalb Rosenheims Oberbürgermeisterin im Volksmund schon „Parkhausgabi“ genannt wird), was sich auch in der Diskussion um den Haushalt der Stadt Rosenheim 2010 zeigt: 10 000 Euro für eine fahrradfreundliche Stadt stehen 7,6 Millionen Euro u.a. für den Straßenausbau gegenüber5. Dem Anklang an Natur6 stehen so zu Zeiten der Klimakrise Parkhäuser, ausgebaute Straßen und an den (Straßen)Rand gedrängte Radfahrer_innen und Fußgänger_innen gegenüber.

Auch in die Zukunft reichend geht teilweise auch mit der Landesgartenschau die sogenannte Gentrifizierung von Teilen Rosenheims einher. Bei den sozialen Umstrukturierungsprozess kommt es zu einer gezielten Aufwertung eines Wohnumfeldes durch Restaurierungs- und Umbautätigkeiten und damit einer Veränderung der Bevölkerungsstruktur. Einkommensschwache Personen, welche nicht genügend Kaufkraft haben, scheinen unerwünscht zu sein. Dies ist in Rosenheim am Beispiel der Finsterwalder Straße zu sehen: hier soll der bezahlbare Wohnraum Aicherblöcke zugunsten neuer Mietwohnungen ersetzt werden7.

So steht die Landesgartenschau im Licht von Exklusivität und Kommerz, was durch die bereits genannten Eintrittspreise und die Benennung von Teilen der Gartenanlagen nach Sponsoren überdeutlich wird. Auch die Beziehung von Mensch und Natur wird nicht weiter thematisiert - es geht um das Entertainment, die richtige Inszenierung und Darstellung einer "Stadt in voller Blüte". Das gerade in heutigen Zeiten pervertierte Verhältnis zu Pflanzen und Natur wird nicht erwähnt, wie z.B. die industrielle Landwirtschaft und die damit verbundenen Probleme wie Gentechnik. Im Programm zur LGS finden Nutzpflanzen keinerlei Erwähnung und sie werden wohl auch nicht in den mannigfaltigen Beeten aufzufinden sein. Natürlich handelt es sich um eine "Garten"schau, womit Zierpflanzen in Verbindung gebracht werden - die Chance Nutzpflanzen in diesem Kontext zu thematisieren wird wahrscheinlich gekonnt vertan. Im Gegensatz zu zukunftsorientierten Konzepten, wie städtischen Gemeinschaftsgärten, demokratischer Verwaltung der öffentlichen Räume, eine nachhaltige Verkehrsentwicklung, etc. steht die LGS für Kommerz und Ausschluss.



Proteste

Es gibt jedoch auch Protest gegen die LGS. Heute (Sa 24.04) fanden mindesten zwei Protestaktionen gegen die Landesgartenschau statt. Zum einen Protestierten rund 60 Radfahrer_innen spontan und zufällig mit einer Critical Mass ( http://www.critical-mass-rosenheim.tk/). Zum anderen trafen sich rund 80-90 Punker zu einer „Landesassischau“. In dem Flugblatt zur Landesassischau heißt es „Auf diese lasche Schau (Landesgartenschau) berufen sich seit Jahren Stadtverwaltung und Polizei, die mit allerlei Zwangsmaßnahmen gegen uns stadtoberen Assis vorgehen, um eine reine Bonzen und Touristenstadt zu erfinden, deren Fassade bereits bröckelt“ Während die Critical Mass fast zwei Stunden von Polizeischickanen weitgehend ungestört (nur ein Polizeiauto am ende der Mass) verlief wurden die Punx zügig von einem großen Polizeiaufgebot aus der Innenstadt an das Flußufer der Mangfall vertrieben. Dort feiern die Punks unter dem Auge der Polizei immer noch (Stand ca. 19:00 Uhr)

Die Landesgartenschau als Symbol für mehr

Die LGS ist ein Symbol für Kommerz und Ausschluss, es geht jedoch um mehr. In einem Flugblatt mit dem Titel „Landesgartenschau in Rosenheim - eine Stadt voller Ausschluss
“ welches seit Wochen in Rosenheim kursiert heißt es “Die Landesgartenschau ist ein Beispiel, wie in Zeiten, in denen angeblich kein Geld für Bildung und Soziales vorhanden ist, Millionen für das Entertainment von Begünstigten verschleudert werden. Es wäre nichts dagegen einzuwenden, öffentliche Räume für alle zu gestalten und das Stadtbild zu verschönern. „Landesgartenschau kostenlos für alle“ wäre gegenüber dem Exklusivitätswahn ein Anfang, ist jedoch nicht genug. Es geht um mehr - es geht um alles. Bei der Auseinandersetzung um die Verteilung gesellschaftlichen Reichtums sollte es nicht nur um einen Teilbereich gehen, es bedarf gesamtgesellschaftlicher Perspektiven. Es geht auch darum die Produktionsweise und die Verteilung der Güter selbst ins Visier zu nehmen. Gesellschaftlicher Reichtum ist für selbstbestimmte Zwecke einzufordern und nutzbar zu machen. Umverteilung bedeutet jedoch noch nicht das Ende allen Übels. Es geht um die gesellschaftliche Aneignung ganzer Prozesse, anstatt deren Produkte lediglich günstiger oder umsonst haben zu wollen.


Wir wollen gemeinschaftlich über die Gestaltung unserer Stadt und die Verwendung der öffentlichen Gelder bestimmen. Wir wollen Bewegungsfreiheit für alle und überall, nicht nur kostenlosen Eintritt zur Landesgartenschau.

Wir wollen alles für alle – und zwar umsonst!"

und weiter
Der heutige Samstag wird nicht der letzte Protesttag gegen die Landesgartenschau gewesen sein. Bereits am kommenden Samstag (01.Mai) ist unter dem Motto „KAPITALISMUS IST KRISE – UNSERE CHANCE HEISST WIDERSTAND“ eine antikapitalistische 1.Mai Demo angekündigt. Diese startet um 12:30 Uhr an der Brixstraße/Ecke Rathausstraße. Am nächsten Tag (So 02.05) gibt es in der selbstverwalteten Kneipe Vetternwirtschaft ein „Landesgartenschau-Film-Spezial“. Ab 19:00 Uhr gibt es VoKü und ab 20:00 Uhr werden die Filme "Ramma Damma – Die Stadt hat uns Obdachlos gemacht" & "Eine andere Welt ist Pflanzbar" gezeigt. Der Eintritt ist frei.
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Ergänzungen

Aufruf zur 1.Mai Demo in Rosenheim

Dein Name 24.04.2010 - 19:50
Friede, Freude, Krisenstimmung

Noch letztes Jahr erlebten wir in der BRD die spektakuläre Rettung einiger Banken und den größten Einbruch der industriellen Produktion in der Nachkriegszeit. Und jetzt schon verbreiten Chefetagen und Regierende wieder Optimismus – und bombardieren uns zugleich mit Schreckensmeldungen. Wir sollen still halten und auf bessere Zeiten warten – während es für uns offensichtlich und spürbar immer schlechter wird.
Kapitalismus ist Krise

Als Lohnabhängige leiden wir unter den sinkenden Reallöhnen, arm machenden Sozialleistungen, ausgeweiteter Kurzarbeit, unsicheren Arbeitsverhältnissen und immer härterer Konkurrenz. Über Zeit- und Leiharbeit werden wir in den Betrieben gegeneinander ausgespielt: Die gleiche Arbeit muss meist für weniger Lohn erbracht werden während die Stammbelegschaften zusammenschmelzen – auch in Rosenheim müssen Menschen von Minilöhnen leben oder sich in der Leiharbeit verdingen.
Die Hetze gegen Hartz-IV-Empfänger_innen – und das sind alleine in der Stadt Rosenheim fast 4000 Menschen, darunter 1000 Kinder – soll uns einschüchtern und spalten. Sie droht zum Vorgeplänkel für eine Senkung der Regelsätze im Herbst zu werden. Schon jetzt leiden dabei insbesondere Frauen unter der staatlich verordneten Armut – sei es als Alleinerziehende oder weil sie in den wachsenden Niedrig-Lohn- und Mini-Job-Sektor abgeschoben werden und auf ergänzende Hilfen angewiesen sind.
Auch in unseren Wohnungen sind wir nicht mehr sicher: Alter Baubestand wird abgerissen, um einen höheren Quadratmeterpreis zu erzielen. Verdrängung durch Klagen, Kündigung und Unbezahlbarkeit ist die brutale Seite der Stadtteilveredelung, wie sie im Moment an allen Ecken in Rosenheim vollzogen wird, insbesondere an der Finsterwalderstraße.
Unsere Waffe: Solidarität!

Der Kapitalismus basiert auf Klassenunterschieden, er teilt uns in arm und reich. Aber nicht nur das: er wird unter anderem weiter verfestigt durch Rassismus, die Einteilung in Geschlechter und Nationalitäten und staatlich legitimierter Herrschaft von Menschen über Menschen.
So kommt es, dass wir – selbst dicht an dicht in Wohnblöcken und Reihenhäusern – isoliert und unserer Solidarität beraubt werden. Die Solidarität, die uns fehlt, um für ein besseres Leben kämpfen zu können. Wir müssen die Grenzen, die wir zwischen uns aufbauen, überwinden. Deshalb wollen wir uns auch weltweit mit den sozialen Kämpfen solidarisieren. Zum Beispiel mit den kämpfenden Arbeiter_innen beim türkischen Tabakkonzern TEKEL (siehe auch hier) oder mit der aufständischen Bevölkerung Griechenlands. Ihre Kämpfe sind die unseren, von ihnen können wir lernen!
Unsere Chance: Widerstand!

Seit dem Jahr 1890 kämpfen die Arbeiter_innen auf der ganzen Welt am ersten Mai für bessere Lebensbedingungen und gegen die kapitalistische Ausbeutung. Ausschlaggebend für dieses Datum waren die Streiks um den Achtstundentag in den USA, bei denen Streikende in Chicago von der Polizei erschossen wurden.
Lasst uns am 1.Mai 2010 den Kampf um die Erfüllung der Bedürfnisse der Einzelnen und für ein selbst bestimmtes Leben auch auf die Rosenheimer Straßen tragen! Denn als Gesellschaftsverhältnis ist der Kapitalismus zwar global. Aber er ist von Menschen gemacht und kann deshalb von uns auch überwunden werden!

Filme zur LGS

Der politische Film 24.04.2010 - 19:57
"Ramma Damma“ und "Eine andere Welt ist Pflanzbar" in der Vettern
Jeden ersten Sonntag im Monat findet in der Rosenheimer Vetternwirtschaft (Oberaustr.2) der „politische Film Statt“. Am Sonntag, 02. Mai 2010 werden unter dem Motto „Gartenschau Spezial“, die beiden Dokumentarfilme "Ramma Damma – Die Stadt hat uns Obdachlos gemacht" und "Eine andere Welt ist Pflanzbar" gezeigt.
Der Film "Ramma Damma. Die Stadt hat uns obdachlos gemacht" von Veronika Dimke und Dominik Lindner dokumentiert die Wochen um den 14. April 2005, als das selbstorganisierte Bauwagenprojekt "Gnadenacker" kurz vor Eröffnung der angrenzenden Bundesgartenschau in Riem geräumt wurde. Parallelen zum Großreinemachen anlässlich der Landesgartenschau in Rosenheim sind rein zufällig.
Nicht hierarchisch, protzig, elitär, kommerziell und aussperrend sondern gemeinschaftlich, offen, ohne kommerzielles Interesse und basisdemokratisch. So präsentiert uns die Filmemacherin Ella von der Heide die Berliner Gemeinschaftgärten in ihrem Film „Eine andere Welt ist Pflanzbar“. . Eine Gartenschau der anderen Art.
Die Filmvorführung beginnt um 20:00 Uhr, (ab 19:00 Uhr gibt es Vokü), der Eintritt ist frei.

Bilder von der CM

cm 25.04.2010 - 00:13
Bilder von der Anti-Gartenschau-Critical-Mass

Ein Flyer zur LGS

Agitation 25.04.2010 - 21:35
Hier ein Flugblatt zur Landesgartenschau in Rosenheim, das sich von den allgemeinen Lobeshymnen der lokalen Medien etwas abhebt.