(B): Proteste bei Bundeswehrwerbung an Schule

Klassen-Kampf Süd-West 06.04.2010 17:02 Themen: Militarismus
Berlin: Exoffizier bei Berufsorientierungstag an Gymnasium. Mehr als 100 Schüler und Kriegsgegner demonstrierten gegen den Auftritt
Berlin: Proteste gegen Bundeswehrwerbung an Bildungseinrichtungen

Nachdem wir, die unabhängige berliner Schüler_innen-Initiative Klassen-Kampf Süd-West (KKSW), zum Protest gegen die Teilnahme eines ehemaligen Marineoffiziers als “Experte” beim jährlichen “Beratungstag über Berufsperspektiven” am zehlendorfer Schadow-Gymnasium aufgerufen hatte, nahmen am Morgen des 26ten März über 100 Schüler_innen, Eltern und Antimilitarist_innen an einer Kundgebung vor der Schule teil.

In den diversen Redebeiträgen wurden die vortschreitende Militarisierung von Bildungseinrichtungen und der übrigen Gesellschaft in Berlin und darüber hinaus, der deutsche Kriegseinsatz in Afghanistan und der bundesweite Bildungsstreik thematisiert.
Im Fokus stand insbesondere die Kritik an einem Beschluss der Steglitz-Zehlendorfer Bezirksverordnetenversammlung (BVV), den bezirklichen Schulen empfehlen zu lassen, regelmäßig Veranstaltungen mit Bundeswehrreferenten durchzuführen.

“Bewacht” wurde die Schule durch ein großes und mit schusssicheren Westen ausgestattetes Polizeiaufgebot sowie “verdeckte” Polizisten in zivil. Bereits im Vorfeld überwachte der Militärische Abschirmdienst (MAD), der Geheimdienst der Bundeswehr, die Organisator_innen. Wir lehnen diese Einschüchterungsversuche von Antimilitarist_innen entschieden ab!

Unerschrocken waren offenbar auch einige nächtliche Aktivist_innen, die die Schule und das daneben befindliche Gebäude der Post mit antimilitaristischen Parolen besprüht hatten.

Die Aktionen waren für viele Schüler_innen sichtbar und haben in der Lehrer_innenschaft, bei Schüler_innenvertretung und der Schulleitung Diskussionsprozesse ausgelöst, in die es nun zu intervenieren gilt. Wir begrüßen die ersten Venetzungsinitiativen in Schüler_innen- und Elternschaft, denn mittelfristig ist mit weiteren Bundeswehrveranstaltungen im Bezirk zu rechnen.

Gez.: Klassen-Kampf Süd-West

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Werben fürs Sterben

Berlin: Exoffizier bei Berufsorientierungstag an Gymnasium. Mehr als 100 Schüler und Kriegsgegner demonstrierten gegen den Auftritt
Von Michael Schulze von Glaßer aus der Jungen Welt vom 27.3.2010

Die Neutralität der Schulbildung wird verletzt«, kritisierte Erik Schneider von der unabhängigen Schülergruppe »Klassenkampf Süd-West« am Freitag den Besuch eines ehemaligen Marineoffiziers am Berliner Schadow-Gymnasium. Der Auftritt fand im Rahmen eines Berufsorientierungstages statt. Dagegen protestierten vor der Schule etwa 100 Mitglieder von Friedensgruppen, Parteien und Gewerkschaften.
»Hier wird gezielt versucht, die Perspektivlosigkeit vieler Jugendlicher auszunutzen«, kritisierte Sven George von der SDAJ Berlin gegenüber junge Welt. Die DKP-nahe Jugendorganisation hatte bereites am frühen Morgen Flugblätter vor dem Gebäude verteilt und die Schüler dazu aufgefordert, dem »Werben fürs Sterben« fernzubleiben. Viele der Gymnasiasten unterstützten daraufhin die Protestaktion. Sebastian Schlüsselburg vom Landesvorstand der Berliner Linkspartei machte in einer Rede auf ein neues Gutachten des Bundestags aufmerksam, daß den »einseitigen Werbeeinsatz« des Militärs an Schulen als rechtswidrig einstuft (siehe jW vom 26. März). Wenn Bundeswehrvertreter in Schulen auftreten, sollte es eine Mindestvoraussetzung sein, auch Antimilitaristen einzuladen, so Schlüsselburg.

Ein Vertreter des Berliner Bildungsstreik-Bündnisses »Bildungsblockaden einreißen« wies auf den Zusammenhang zwischen Besuchen von Offizieren in Schulen und den Regierungsplänen für den Bundeswehreinsatz im Innern hin: Die jungen Leute sollen an Soldaten gewöhnt werden. Fraglich sei auch, was die Bundeswehr überhaupt unter »sicheren Arbeitsplätzen« verstehe. Bereits jetzt seien mehr als 30 deutsche Soldaten im Afghanistan-Einsatz gestorben. Die IG Metall stellte für die Aktion einen Lautsprecherwagen zur Verfügung und solidarisierte sich mit den Jugendlichen. Die Gewerkschaft habe zwar viele Mitglieder in Rüstungsbetrieben, von denen kämen aber viele Vorschläge zur Rüstungskonversion und Friedensarbeit, so ein IG-Metaller. Die Gewekschaft biete auch eine Beratung für Kriegsdienstverweigerer.

In der Kritik stand am Freitag neben dem Militär und der Schulleitung die Bezirksvertretung Steglitz-Zehlendorf. Diese hatte Mitte Januar einen Antrag der CDU angenommen, in dem die Schulen aufgefordert wurden, regelmäßig Vertreter der Bundeswehr in die Klassenzimmer zu holen. Dagegen protestierte am Freitag unter anderem die Grüne-Jugend. Es gehe auch anders. Im Bezirk Lichtenberg, so informierte ein Sprecher, hätten Mitglieder der Linkspartei versucht, einen Beschluß durchzubringen, der den Schulen von einer Zusammenarbeit mit dem Militär abrät.

»Ich kann den Protest nur bedingt verstehen«, so Harald Mier, Leiter des Schadow-Gymnasiums gegenüber junge Welt. Die bestehenden Gesetze ließen den Werbeeinsatz des Militärs an der Schule zu. Außerdem garantiere die Bundeswehr »ein Stückweit die Sicherheit und Freiheit der Bundesbürger«. Der Schulleiter betonte, daß es sich bei dem Werbeeinsatz nicht um eine Pflichtveranstaltung für die Schüler – wie bei ähnlichen Veranstaltungen üblich – handele: Die Schüler könnten aus zehn Berufsgruppen wählen und sich für einen Expertenvortrag entscheiden. Zehn bis 15 Schüler hätten sich für das Referat des ehemaligen Offiziers entschieden. Wie schon im November 2009, als zwei Jugendoffiziere ins Berliner Paulsen-Gymnasium kommen sollten, wurde auch die Veranstaltung am Schadow-Gymnasium von einem großen Polizeiaufgebot geschützt.
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Sprachlos

... 08.04.2010 - 00:20
Nun ja, als Lehrer in den gesellschaftskundlichen Fächern würde ich mich gegen JEDE Empfehlung für ODER gegen eine Einladung von Militär in eine Schule wehren. Bei uns war es so, dass wir mal für ein Afghanistanprojekt einen einsatzerfahrenen Offizier (war noch vor der Krise der letzten Monate und wenn ich von "einsatzerfahren" spreche, meine ich nicht nur den militärischen Aspekt als vielmehr die soziale, ethische, kulturelle Lage des afghanischen Volkes, den der uns mehr als irgendein anderes Medium nahebringen konnte), aber ich würde kaum einen Jugendoffizier in den regulären Unterricht einladen. Wenn es stimmt, dass eine gewisse Mehrheit einer Schülergruppe ein solches Gespräch gewünscht hat, ist auch das eine Form von Partizipation und Emanzipation Jugendlicher. Aggressiver Antimilitarismus ist da gewiss fehl am Platze. Wisst ihr, wieviele Eltern eurer Mitschüler z.Zt. "im Einsatz" sind? Nein? Interessiert euch das überhaupt und wie geht ihr damit um? Ich weiß es von zwei gesellschaftlich engagierten Mädchen... Es gibt mehr zu bedenken, als Wischiwaschi-Antimilitaristen es gerne sehen wollten. Und nur mal so: Junge Welt ist gewiss kein Aushängeschild objektiver Berichterstattung!
Dieser Beitrag ist nicht als blinde Rechtfertigung von Bund und Auslandseinsätzen zu verstehen, sondern als Versuch des Anstosses einer gesellschaftlich notwendigen Auseinandersetzung mit dem Problem zwischen verschiedenen Extremen...