[HRO] Hausbesetzung #1

squat rostock 05.04.2010 19:45 Themen: Freiräume Soziale Kämpfe
Samstag früh wurde die Ernst Barlach Straße 7 von einer Gruppe sozial engagierter Menschen besetzt. Sie wollen damit auf den zunehmend teurer werdenenden Wohnraum in der Rostocker Innenstadt aufmerksam machen, was die Vertreibung einkommensschwächerer Menschen zur Folge hat. Außerdem sollen so alternative und selbstbestimmte Lebens- und Wohnräume gestaltet werden, da auch kulturelle Angebote der Stadt immer weiter gekürzt werden.
Das Haus steht seit mehreren Jahren leer und verfällt zunehmend. In dem Gebäude war früher ein Kreisgericht und es steht heute unter Denkmalschutz. Die Eigentümer_Innen, welche das Haus vor einem Jahr erwarben, wollten zunächst Wohnungen des gehobenen Standards und Büroflächen darin etablieren. Später hieß es sie wollen es abreißen lassen, seitdem verfällt es weiter.

So wurde am frühen Morgen das Haus geöffnet und ein großes Fest veranstaltet. Es wurden Stühle, Sessel, Sofas und Tische aus der Umgebung besorgt, aufgebaut und ein großes, veganes Buffet mit viel Kuchen, Muffins, Brot & Aufstriche, Obst und Gemüse hergerichtet. Im Vorfeld wurden Fyler an die Nachbarn verteilt und aufschlussreiche Gespräche geführt.
Es wurde mit Trommeln, Trompeten und Gitarren ein musikalisches Programm geboten, außerdem konnte mensch Transpis malen, Kinder, oder solche die es sein wollen, schminken, Häcki Sack spielen oder einfach nur gemütlich in der Sonne chillen.

Es bildeten sich recht schnell und selbstständig Gruppen, die im und ums Haus verschiedene Arbeiten verrichteten. So wurde aufgeräumt, Transpis und Fahnen gehisst, Streetartkünstler_Innen gestalteten Wände, auf dem Dach wurde kurzzeitig ein „Sonnenstudio“ eingerichtet, das Klo“problem“ wurde bearbeitet und in einzelnen Räumen wurde mit Renovierungsarbeiten begonnen. Insgesamt wurde alles bunter und netter gestaltet – für einen Tag kehrte Leben in das seit Jahren leerstehende Haus ein. Immer mehr Leute kamen vorbei, interessierte Nachbar_Innen und Anwohner_Innen schauten sich das Gebäude begeistert an und mensch kam miteinander ins Gespräch. Abends sollte eine musikalisch- politische Veranstaltung, in einem eigens dafür hergerichteten Raum, stattfinden.

Auf dem Ostermarsch des Friedensbündnisses, der etwa zeitgleich stattfand, wurde ein Grußwort an die Besetzer_Innen ausgesprochen und zur Solidarität aufgerufen. Dies fand großen Anklang und die Menge reagierte mit Begeisterung.

Am späten Vormittag fuhr zufällig ein Streifenwagen an dem Haus vorbei und reagierte zunächst nicht. Wenig später positionierten sich die Bullen immer wieder „unauffällig“ in der Nähe des Hauses, um so die Situation zu beobachten. Gegen 15 Uhr tauchten dann plötzlich zwei Zivilbullen auf, schauten sich das Gebäude an, zwangen die anwesenden Menschen die Flaggen vom Dach zu entfernen und sprachen den Besetzer_Innen ein Ultimatum aus, das Haus und den Ort innerhalb einer halben Stunde zu verlassen.
Entgegen der Behauptungen der Presse wurde die Polizei nicht durch die Eigentümer_Innen alarmiert, sondern die Eigentümer_Innen von den Bullen informiert, vermutlich um so durch eine Anzeige eine Räumung zu ermöglichen. Die Polizei ließ sich auf keine Verhandlungen mit den Besetzer_Innen ein und verhinderte durch das Vorenthalten von Informationen (Identität der Eigentümer_Innen) Verhandlungen zwischen Eigentümer_Innen und Besetzer_Innen.
Die Eigentümer_Innen sollen Anzeige wegen Hausfriedensbruch und Sachbeschädigung (womit sie die Renovierungsarbeiten meinen) gestellt haben.

Um 18 Uhr (nachdem das Ultimatum 6 fach verstrichen war) tauchten dann leider direkt am Haus 60 Bullen auf und umstellten das gesamte Gebäude. Viele weitere standen noch in der Umgebung bereit und es waren auch scheiß viele Zivten unterwegs.

Da sich im Vorfeld auf eine gewaltfreie Vorgehensweise geeinigt wurde, bildete sich vor dem Haus eine Sitzblockade aus mehreren Menschen, welchen von der Polizei ein Platzverweis erteilt wurde, dem sie zunächst nicht nachgingen.
Einige Zeit später wurde mit Ingewahrsamnahme gedroht, woraufhin die Blockade bröckelte und die Polizei die Übriggebliebenen wegschleifte. Keine der daran beteiligten Personen mussten ihre Personalien abgeben.
Nachdem der Eingang endgültig frei war, verschaffte sich die Polizei gewaltsam Zugang zum Gebäude, um es von Keller bis zum Dach zu durchsuchen. Dabei wurden Fahnen, Transparente und weitere dort gefundene Gegenstände konfisziert. Im Haus wurden keine Personen vorgefunden, allerdings wurden im Umkreis des Hauses fünf Menschen, anscheinend zufällig ausgewählt, aufgegriffen und festgehalten. Ihnen wurde eine Anzeige wegen Hausfriedensbruch und Sachbeschädigung angedroht.

Zu den Bullen sei zu sagen: Sie hatten erst mal Schwierigkeiten, das Gebäude sicher zu umstellen und sich miteinander zu koordinieren, der Einsatzleiter war am Anfang nicht direkt vor Ort und aufgrund der Schweigsamkeit der anderen Beamt_Innen nicht zu erfragen. Die Platzverweise wurden wie immer – trotz Nachfrage – nicht schriftlich ausgestellt. Dieser traditionell stümperhafte Bulleneinsatz wird das Land noch teuer zu stehen kommen. So wurde für diese popelige Räumung extra ein Polizeihubschrauber eingesetzt, welcher letztendlich dafür da war den Bullen mitzuteilen, dass sich auf dem Dach eine Luke befindet, durch welche sie selbiges erreichen können. Außerdem wurde eine weitere Hundertschaft in Schwerin bereitgehalten. Mensch weiß ja nie…
Die Durchsuchung des Hauses wurde von außen durch wütende Sprechchöre von Besetzer_Innen und Anwohner_Innen untermalt.

Wir werden uns von dieser Räumung natürlich nicht einschüchtern lassen und weiter für einen alternativen und selbstbestimmten Lebensraum kämpfen, auch wenn die weitere Umstrukturierung (höhere Mieten, weniger Kultur) der Rostocker Innenstadt durch zusätzliche und weitere kostspielige Bulleneinsätze abgesichert werden soll.

WER ZULETZT LACHT, WOHNT AM BESTEN!!!
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der artikel muss bleiben — ErgänzerIn

super artikel — squat the world!