Was wird aus der A 6 in Kreuzberg?

Die Hausgemeinschaft 26.03.2010 14:32 Themen: Freiräume Soziale Kämpfe
Berlin ist „in“, die Mieten steigen rasant an, viele MieterInnen können sich ihre Wohnungen nicht mehr leisten und müssen kleinere Wohnstätten in den Randbezirken suchen. Besonders betroffen sind Bezirke wie Kreuzberg, in denen es noch unsanierte Altbauten gibt und viele Menschen mit wenig Geld. Diese Entwicklung ist seit Jahren bekannt. Was weniger bekannt ist, sind die Machenschaften von manchen Vermietern, denen nahezu jedes Mittel recht ist, um mehr Kapital aus alten Wohnstrukturen zu schlagen. Dies ist besonders der Fall für die A6, die als Paradebeispiel für eine kurze Geschichte der Verdrängung aus den berliner Innenbezirken stehen kann.
Das erste Haus gleich hinter dem Kreuzberg Zentrum, die Adalbertstr. 6, kennen viele wegen seines großen Wandgraffitis an der Brandwand, seiner beklebten Fassade und aus vergangenen Tagen. Dass das Haus heute noch steht, ist ein Ergebnis der Hausbesetzung im Juni 1980, als die Altbauten Kreuzbergs vom Abriss bedroht waren. In den 80er Jahren, als Folge der Instandbesetzungsbewegung, war die „A6“ ein Hausprojekt im Eigentum der städtischen Gewerbesiedlungs-Gesellschaft GSG. Unter deren nomineller Verwaltung konnte die Hausgemeinschaft das Haus ihren Vorstellungen gemäß nutzen und ihre Angelegenheiten selbst verwalten. Etagenmietverträge mit weitreichenden Zusatzvereinbarungen wurden abgeschlossen, die Erdgeschosswohnung wurde als Nachbarschaftsladen genutzt und vieles wie Hofbegrünung, Hausreinigung, der Ausbau und die Nutzung des Dachbodens, eine Werkstatt im Hof oder ein offener Gemeinschaftskeller wurde gemeinschaftlich organisiert. 25 Jahre blieb für die A6 im Großen und Ganzen alles beim Alten, wenn auch die WGs wechselten, die politische Außenwirkung des Hauses verblasste, die GSG ab und zu nörgelte und manche BewohnerInnen die Geschichte des Hauses nur noch aus dem Kreuzberg-Museum gegenüber kennen.

Doch als 2005 die GSG ihren Wohnbestand zur Privatisierung reduzierte und die T. Akar Hausverwaltung, namentlich die Gesellschafter Tefvik Akar und Hasan Durak, das Haus erwarb, sollte sich schnellstens alles ändern. Einer der ersten „Amtshandlungen“ des neuen Vermieters Akar war es, die Tür zum Hof gewaltsam einzutreten. Selbstverständlich kamen mit dem neuen Vermieter sofort Mieterhöhungen und der Versuch, die Mietverträge ungünstiger für die MieterInnen zu gestalten. Die Nutzung vom Gemeinschaftskeller sowie der Werkstatt wurde verboten. Fahrräder und Eigentum aus dem Gemeinschaftskeller wurden ohne Zustimmung der MieterInnen entfernt und zerstört. Ein Hausmeister wurde angestellt, obwohl die Hausgemeinschaft dessen Tätigkeiten vorher selbst übernommen hatte. Die Liste der Schikanen des Vermieters gegen die HausbewohnerInnen ist schier unendlich. Die Hofbegrünung und die Kompostanlage wurden zerstört. Der Fluchtweg (auch wichtig während Demonstrationen) über das Dach wurde gesperrt, Pflanzen im Treppenhaus verboten und schließlich auch die Nutzung des Nachbarschaftsladens untersagt. Für das Erdgeschoss verkündeten Akar und Durak früh ihre Pläne: Dort seien Gewerberäume geplant, z.B. ein Restaurant, eine Anwaltskanzlei oder ähnliches. Den ersten Kündigungsprozess wegen angeblich vertragswidriger Nutzung der Wohnung verloren sie jedoch. Seitdem klagt Hasan Durak, auf Eigenbedarf für die Wohnung des ehemaligen Nachbarschaftsladens. Wie glaubwürdig die Behauptung ist, dass ein Immobilienbesitzer mit seiner Familie in eine Erdgeschosswohnung, die wie der Rest des Hauses mit Kohleofen beheizt wird, einziehen will, wird derzeit in zweiter Instanz gerichtlich geklärt.

Von Anfang an verweigerte die Hausverwaltung den Dialog. Mehrmals versuchten die HausbewohnerInnen, sich mit den Eigentümern zu einigen. Ihnen wurde z. B. eine zusätzliche Miete für die Werkstatt vorgeschlagen, aber die Hausverwaltung stellte sich stur und schikanierte stattdessen mit massiver Postsendung (Verbot von Heizen mit Holz, Androhung von Videoüberwachung etc.).
Die Geschichte geht weiter. Neben der permanenten Schikane bis hin zu Drohungen gegen einzelne BewohnerInnen wurde im vergangenen Jahr unter dem Vorwand von Reparaturen ein Gewerberaum an der Stelle des Fahrradraums gebaut. Seither gibt es ein Internet-Café im Haus, das Tag und Nacht geöffnet hat. Die Kohle, die bisher im Hof untergestellt war, musste deshalb in den Keller, doch die Vermieter wollten keinen Lagerplatz zu Verfügung stellen.
Während die T. Akar Hausverwaltung ihre Arbeitszeit dafür aufwendet, ihre MieterInnen am störungsfreien Wohnen zu hindern, müssen diese ihre Freizeit dafür aufwenden, um u.a. zum Anwalt zu gehen und seine Angriffe abzuwehren. Mietparteien bekommen weiterhin unzulässige Mieterhöhungen, werden permanent abgemahnt, und wenn Mängel gemeldet werden, werden diese auf eine Art und Weise behoben, die einem/einer den Geschmack daran nehmen soll. So werden beispielsweise reparaturbedürftige Kachelöfen durch gebrauchte Allesbrenner ersetzt.
Bis heute haben die MieterInnen stetig an Wohnqualität verloren und ohne den Nachbarschaftsladen leisten sie keinen Beitrag mehr zu den kulturellen, politischen Diskussionen im Kiez. Was wird an die Stelle kommen? Eine weitere edle Bar? Ein Designerladen? Oder noch ein zweites Internet-Café?

Im Juni 2010 liegt die Besetzung der Adalbertstr. 6 dreißig Jahre zurück. Auch wenn einige MieterInnen das Haus verlassen haben: noch haben sich die meisten nicht verdrängen lassen. Dies u.a. dank der Unterstützung der Mieterberatungsstellen. Wie lange noch? Was plant die T. Akar-Hausverwaltung als Nächstes? Die in Neukölln in der Ringbahnstr. 28 ansässige Immobiliengesellschaft, besitzt noch weitere Häuser in der Adalbertstraße, in Kreuzberg und in anderen Stadtbezirken. Wichtig wäre der Informationsaustausch zwischen den BewohnerInnen der Häusern der Akar-Hausverwaltung, denn die MieterInnen der Adalbertstr. 6 sind wahrscheinlich nicht die Einzigen, deren Wohngrundlage bedroht wird.
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Ergänzungen

Kampf den Abkürzungen

Heiner 29.03.2010 - 00:09
Die Bundesautobahn 6 (Abkürzung: BAB 6) – Kurzform: Autobahn 6 (Abkürzung: A 6), auch Via Carolina genannt – führt von der französisch-deutschen Staatsgrenze bei Saarbrücken nach Waidhaus an der deutsch-tschechischen Staatsgrenze ( http://de.wikipedia.org/wiki/Bundesautobahn_6). Also nicht durch Kreuzberg.

Ach so, eine Straße. Ob "kreuzberg" allen Menschen, die nicht in Berlin leben, was sagt? Aber davon mal abgesehen: Adlergestell 6, Auguststraße 6, Allee der Kosmonauten 6, Alt-Mariendorf 6, Alt-Moabit 6, Am großen Wannsee 6. Also verdammt, wovon schreibt ihr?

Dieser blöde Abkürzungsfimmel sagt eigentlich nur eins: Der Artikel ist nur für eingeweihte, die ihn schon auswendig konnten, bevor er geschrieben wurde.

...

... 03.04.2010 - 12:49
...

Ein Beitrag aus der taz

taz-leser 16.10.2010 - 14:49
 http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=bl&dig=2010%2F09%2F22%2Fa0152&cHash=df457043f3


Hausprojekt verliert langen Rechtsstreit
KIEZ Der Nachbarschaftsladen A6 in der Kreuzberger Adalbertstraße muss schließen. Eigentümer klagte


Die MieterInnen der Adalbertstraße 6 erwarten in den nächsten Tagen Besuch vom Gerichtsvollzieher. Er soll im Auftrag der T. Akar Hausverwaltung die Erdgeschosswohnung des Hauses übernehmen. Dort befand sich mehrere Jahre ein Nachbarschaftsladen, in dem Stadteilinitiativen zu Treffen und Partys einluden. Die MieterInnen haben einen langen Rechtsstreit um den Bestand ihres Ladens verloren.

Mit der Gewerbesiedlungs-Gesellschaft GSG wurden Mitte der 80er Jahre in dem ehemals besetzten Haus nicht nur Etagenmietverträge abgeschlossen. Man handelte zudem Vereinbarungen über die gemeinschaftliche Hausreinigung, über die Hofbegrünung und außerdem über die Nutzung der Erdgeschosswohnung als Nachbarschaftsladen aus. Doch im Jahr 2005 ging die Adalbertstraße 6 in den Besitz der T. Akar Hausverwaltung über, der in Kreuzberg bereits zahlreiche Mietshäuser gehören.

Seitdem gab es Konflikte mit den MieterInnen, für deren Vorstellungen von gemeinschaftlichem Wohnen die neuen Gesellschafter offenbar wenig Verständnis hatten. "Akar und Hasan Durak haben uns gegenüber deutlich gemacht, das sie jetzt bestimmen, was im Haus geschieht", erinnert sich Bewohner Jörg Pleha. So seien die Hofbegrünung und die Kompostanlage zerstört und auch der Zugang zum Dach gesperrt worden. Darüber hinaus sei den MieterInnen die Nutzung des Nachbarschaftsladens untersagt worden.

Anfangs Erfolg vor Gericht

Dagegen zogen die MieterInnen mit Verweis auf die mit der GSG geschlossenen Verträge vor Gericht und hatten zunächst Erfolg. In letzter Instanz gab das Berliner Landgericht nun aber den Eigentümern mit der Begründung recht, es habe sich bei der Vereinbarung zwischen der GSG und den BewohnerInnen um einen leicht kündbaren Gewerbevertrag gehandelt. Gegen die Entscheidung ist keine Berufung möglich.

Die BewohnerInnen befürchten auch in Zukunft weitere Konflikte mit den Eigentümern. In der Vergangenheit sei es mit Unterstützung von MieterInnenorganisationen gelungen, mehrere Abmahnungen und Mieterhöhungen als unwirksam zurückzuweisen.

Von der T. Akar Hausverwaltung wollte sich gegenüber der taz niemand zu den Vorwürfen äußern. PETER NOWAK

Die BewohnerInnen befürchten weitere Konflikte mit den Eigentümern

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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Kaufrausch — Kontroverso

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Was ist mit der Liebig 14 los? — Roland Ionas Bialke

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