Österreich: Aussageverweigerung im §278a Prozess

cxv 23.03.2010 20:18 Themen: Blogwire
Gestern hat der erste von fünf Beschuldigten aus dem Umfeld der Basisgruppe Tierrechte (www.basisgruppe-tierrechte.org) in Wr. Neustadt/Niederösterreich eine Prozesserklärung vorgetragen und danach bekannt gegeben, dass er ab sofort die Aussage verweigern wird.
Anstatt sich in seiner Einvernahme von Staatsanwalt und Richterin löchern zu lassen, erklärte er: "Ich engagiere mich seit vielen Jahren dafür, dass Tiere um ihrer selbst Willen leben können. Tiere gelten in weiten Teilen unserer Gesellschaft als eine frei verfügbare Ressource. Sie werden einzig und allein zum Nutzen von Menschen in Käfigen gezüchtet, in Labors seziert und in Schlachthöfen gewaltsam umgebracht und zerstückelt. Ich halte es daher für notwendig sich für die Freiheit der Tiere und eine gewaltfreie Gesellschaft einzusetzen!"

Er schloss seine 15-minütige Rede mit dem Statement in weiterer Folge nicht zu kooperieren: "In diesem Verfahren wird über den Umweg des Paragraphen 278a die Freie Meinungsäußerung und das Versammlungsrecht untergraben, das Recht auf Privatsphäre abgeschafft und journalistische Tätigkeiten kriminalisiert.
Weil ich das nicht mittragen werde, mache ich ab sofort von meinem Recht Gebrauch, die Aussage zu verweigern." so der Sechsbeschuldigte.
Hier findet ihr die ganze Prozesserklärung im Wortlaut:  http://antirep2008.lnxnt.org/?p=2044

In den folgenden Tagen werden die restlichen der 13 Angeklagten am Landesgericht Wr.Neustadt/Österreich einvernommen. Nach einer einwöchigen Pause, werden die Ermittelnden Beamt_innen befragt.

Der Prozess wegen der Bildung und Mitgliedschaft in einer Kriminellen Organisation (§278a StGB) hat am 02. März begonnen und ist vorerst auf 34 Prozesstage angesetzt. Von einer Verlängerung wird aber ausgegangen. Die Aktivist_innen aus verschiedensten Gruppen sollen, um ihr Ziel – die Beendigung der Tierausbeutung – zu erreichen, Unternehmen unter Druck gesetzt haben. Neben der Mitgliedschaft in einer Kriminellen Organisation wird einzelnen von ihnen noch schwere Nötigung, Tierquälerei, Sachbeschädigung, und dauernde Sachentziehung vorgeworfen.

Der Paragraph §278a ist heftig umstritten, da er, ähnlich dem §129/a in Deutschland, ganze politische Zusammenhäng zu kriminalisieren vermag. Ausserdem bietet seine Anwendung die Erlaubnis zur Überwachung in großem Umfang. Die Betroffenen wurden seit 2006 umfangreich bespitzelt: Telefone wurden abgehört, Kameras an Wohnhäuser von Aktivist_innen installiert, Peilsender unter Autos platziert, Kontos geöffnet, Observationen durchgeführt und schließlich drangen Beamt_innen in die Wohnung mindestens eines Aktivisten ein und installierte Wanzen, um alle Gespräche live zu überwachen. Im Mai 2008 wurden schließlich 23 Wohnungen durchsucht und 10 Menschen für 3.5 Monate in U-Haft gesteckt.
Weiteres zu den Ermittlungsmaßnahmen findet ihr hier:  http://antirep2008.lnxnt.org/?page_id=1317

Den Ermittlungen waren Treffen von Kleider Bauer Managern mit hohen Beamt_innen des Innenministeriums vorangegangen. Kleider Bauer war im Zentrum einer österreichweiten Anti-Pelz-Kampagne und Anlass für die umfangreichen Ermittlungen, die auch bis nach England und Deutschland reichten.
Mehr zu den politischen Hintergründen den Falls:  http://antirep2008.lnxnt.org/?page_id=1478

Doch der Fall in Österreich ist kein Einzelfall. In vielen Ländern werden Aktivist_innen der Tierbefreiungsbewegung kriminalisiert, oft mit Organisationsparagraphen. Mehr dazu:  http://antirep2008.lnxnt.org/?page_id=1481

Solidarität mit den betroffenen Tierrechts/befreiungsaktivist_innen. Für eine kämpferische Bewegung!


Weitere Hintergundinfos zum Fall und laufend Prozessberichte:
www.antirep2008.tk
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