[Aachen] Boere – Urteilsverkündung

AK Kein Vergessen 23.03.2010 18:31 Themen: Antifa Militarismus
„Boere schoss immer als erster“
Heinrich Boere wurde heute vom Aachener Landgericht wegen dreier Morde zu lebenslanger Haft verurteilt. Die Haftzeit in den Niederlanden und die kurze deutsche Haft werden auf das Urteil angerechnet.

Für die Nebenklage bedeutete das Urteil einen späten Akt der Gerechtigkeit. Teun de Groot und Dolf Bicknese, beide Angehörige der Opfer Boeres, waren während der Urteilsverkündung anwesend und verfolgten die Begründung des Urteils.

Boere habe Menschen ermordet, erläuterte der Vorsitzende Richter Nohl in seiner Urteilsbegründung, „die unschuldig waren“. Somit seien die Morde niederträchtig und feige gewesen. „Das sind Morde gewesen“, so Nohl, „die außerhalb des Anstandes eines Soldaten standen“. Die Bezeichnung des Verfahrens als „Kriegsverbrecher-Prozess“ verharmlose die Taten Boeres, so der vorsitzende Richter.
Mit diesen Argumentationsfiguren negierte Nohl die Systematik der Verbrechen der SS und implizierte zudem, dass die Morde nicht niederträchtig und feige gewesen seien, hätte es sich nicht um Unschuldige gehandelt. Im Umkehrschluss heißt das eben auch, dass WiderstandskämpferInnen nicht unschuldig gewesen seien, die Morde an ihnen nicht niederträchtig, die direkte Widerstandsbekämpfung zumindest ein bisschen legitimer als „Vergeltungsaktionen“ gegen „ZivilistInnen“. Auch was mit dem „Anstand eines Soldaten“ im Kontext der Wehrmacht und des deutschen Vernichtungskrieges gemeint ist, blieb nebulös. Doch nicht etwa der gute deutsche Landser? Kein Wort jedenfalls verlor Nohl zur Systematik deutscher Verbrechen.
Irritiert zeigte sich Nohl, das die Presse nach den Biographien der Richter gefragt hatte. Mögliche familiäre NS-Belastungen sollen im neuen Deutschland lieber keine Rolle spielen.

Interessant war auch die Information, das Boere nach seiner Flucht 1955 in Deutschland sogar einen Entschädigungsantrag wegen der erlittenen Kriegsgefangenschaft gestellt hatte. Möglicherweise hat er für seine viel zu kurze Haft sogar noch Geld bekommen.
Folgend verwehrte sich Nohl gegen medial erhobene Vorwürfe, das Verfahren sei verzögert worden, das Gericht habe angemessen gearbeitet. Er bedauerte, dass Heinrich Boere selbst nicht bereit war, über die Einlassungen hinausgehende Fragen zu beantworten.
Die Beteiligung an der Ausspionierung der Widerstandstätigkeiten der BürgerInnen von Helden/Panningen, könne hier nicht eindeutig festgestellt werden, fest stehe aber, dass Boere freiwillig dem Sonderkommando Feldmeijer beitrat. Auch sei unbestritten, dass Boere sich nie in Deutschland versteckt habe, er hätte jederzeit juristisch belangt werden können. Warum dies nicht geschah, dazu verlor Nohl nicht viele Worte. „Es geschahen Fehler bei der deutschen Justiz und bei der niederländischen Justiz“. Den Ausführungen der Nebenklage zu der Einstellungsbegründung der Staatsanwaltschaft Dortmund von 1984 „sei nichts hinzuzufügen“. Selbst wollte Nohl anscheinend nichts zu der Rolle der deutschen Justiz in der Strafverfolgung von NS-Tätern sagen.
Schließlich erläuterte Nohl unter dem Verweis, niemand glaube, dass Boere noch in Haft gehe, die möglichen Revisionsgründe.
Den Antrag der Verteidigung, den Prozess wegen der Gültigkeit des Lissabon-Vertrages zu kippen, nannte Nohl eine juristische Meisterleistung. Nach Ansicht der Verteidigung schließe der neue EU-Vertrag angeblich eine Doppelbestrafung auch dann aus, wenn das Urteil noch nicht vollstreckt wurde. Nohl wies unmissverständlich darauf hin, dass die Rückweisung des Antrags der Verteidigung in einer Revision rechtlich geprüft werden müsste. Möglicherweise war die schnelle Ablehnung des Antrags auch die rechtliche Vorlage für eine erfolgreiche Revision vor dem BGH. Wäre dem Antrag stattgegeben worden und hätte eine Prüfung der Doppelbestrafung Erfolg gehabt, wäre der SS-Mann Boere der Erste in Europa gewesen, der vom Lissabon-Vertrag profitiert hätte. Da möchte Nohl ganz offensichtlich doch lieber unter der Beobachtung der internationalen Presse ein Urteil fällen – die Revision kann das ganze dann ja noch kippen. Nohl gehe ohnehin davon aus, dass eine Prüfung des Urteils in Karlsruhe eine Haft Boeres in weite Ferne rücken lässt.

Da hoffen wir doch, dass der Wunsch Teun de Groots in Erfüllung geht: Was er sich für Boere wünsche, wurde er gefragt: „Nach diesem Urteil? Ein langes Leben.“

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Ergänzungen

Siehe auch (mit Bild)

#####ausgefüllt##### 23.03.2010 - 18:48

link

blubb 23.03.2010 - 19:48
hier noch ein bericht mit ein paar weiterführenden infos:
 http://de.indymedia.org/2010/03/276442.shtml

textbild

never again 06.04.2010 - 17:24
kein vergessen.
vergebung gibt es nicht.

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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hoffentlich — stirbt er

5 — g