Bericht vom Gedenken an Gustav Schneeclaus

Lt. Aldo Raine 19.03.2010 14:42 Themen: Antifa Antirassismus
Am Donnerstag, dem 18. März 2010, fand am Buxtehuder Busbahnhof eine Gedenkveranstaltung für Gustav Schneeclaus statt, der vor 18 Jahren an jenem Ort von zwei Neonazis so stark geschlagen und getreten wurde, dass er wenige Tage später seinen Verletzungen erlag. Nach dem Gedenken ging es zum Kulturforum am Hafen, wo ein Vortrag von Recherche Nord über die moderne Naziszene gehalten wurde.
Dieser Bericht soll einen kurzen Überblick über einen erfolgreichen antifaschistischen Tag in der „Frontstadt“ Buxtehude geben.
Über den genauen Tathergang und die Täter wurde an anderer Stelle schon umfassend berichtet, darauf werde ich nun nicht weiter eingehen.

Obwohl im Vorfeld Gerüchte kursierten, nach denen Nazis aus dem Umfeld von einem der damaligen Täter und örtliche Nazis planten, das Gedenken oder die Infoveranstaltung zu stören bzw. stürmen, ließen es sich viele nicht nehmen, die Erinnerung an den Kapitän Schneeclaus wach zu halten. Meiner Schätzung nach müssten es so an die 50 bis 60 Teilnehmer gewesen sein, was für eine eher kleine Stadt wie Buxtehude sicher eine ganze Menge ist. Der guten Mobilisierung des AK Schneeclaus ist es sicher auch zu verdanken, dass sich die Teilnehmerzahl im Vergleich zu den Vorjahren wohl mehr als verdoppelt haben dürfte. Schönes Ding!
Gegen 18h begann die Gedenkveranstaltung am Busbahnhof, dort ist auch eine Gedenkplatte in den Boden eingelassen, auf dieser wird Schneeclaus jedoch nicht namentlich erwähnt. Es gab eine gute Rede vom Arbeitskreis, eine Schweigeminute wurde abgehalten und es wurden Blumen niedergelegt. Die Polizei war auch mit 3 Wagen vor Ort, hielt sich jedoch im Hintergrund. Störungen hatte es bisher keine gegeben, alle hatten unbehelligt anreisen können, auch das Gedenken selber lief ohne Zwischenfälle ab. Jedoch an dieser Stelle eine Anmerkung: Ein stilles Gedenken an einem Busbahnhof mitten in der Stadt ist einfach nicht möglich. Ganz ehrlich, bei einer Schweigeminute möchte man doch in sich gehen und sollte sich der Tragik des Vorfalls bewusst werden. Das ist aber schwer, wenn die Busse vorbeifahren, Kids schreien, Hunde bellen…
Andererseits auch wieder gut, so ein Gedenken mitten in der Stadt, dank schönem Transparent und dem Verzicht auf Parolengegröhle wurde jedem klar, was hier vor sich geht und die Buxtehuder wurden ein bisschen aus ihrem Alltagstrott geholt. Die Anwohner glotzten während der Veranstaltung nur dumm aus den Fenstern, wie immer bezeichnend für unsere Gesellschaft. Schade, dass fast nur Angehörige der politischen Linken, bekennende Antifaschisten und Mitglieder politischer Jugendorganisationen da waren, es wäre doch wirklich nicht zu viel verlangt, mal eben die Treppe runterzugehen und sich zu informieren und mitzumachen.
Nach dem offiziellem Gedenken ging es dann mit einer Spontandemo durch die Innenstadt zum Kulturzentrum am Buxtehuder Hafen. Vereinzelt reagierten Passanten sehr positiv und erkundigten sich, was denn los sei. Weniger schön, dass die Nazis ihre Aufkleber an ein paar Laternen und Regenrinnen hinterlassen hatten. Schönen Gruß an dieser Stelle nach Tostedt, eure gammlige antizionistische Propaganda liegt jetzt abgerissen im Müll.
Vor dem Kulturzentrum stand mensch dann noch ein wenig rum, bis es zum Vortrag eines freien Journalisten der Recherche Nord rein ging. Der Vortrag war lang, aber nicht langatmig, sehr informativ und sowohl für den langjährigen Aktivisten wie auch Neulinge bestens geeignet. Dankenswerter Weise ging es nicht, wie im Flyer zur Veranstaltung angekündigt, nur um die norddeutsche Naziszene und die Position des damaligen Täters Stefan S. in dieser, sondern viel mehr um die moderne Neonaziszene in ihrer Gänze. Mal ehrlich, wir müssen über die lokalen Verhältnisse informieren, aber brauchen nicht noch den Personenkult um Papa Stefan und seine Schlägertruppe anfeuern.
Auch während und nach der Infoveranstaltung kam es zu keinen Zwischenfällen mit Faschos. Die einzigen Pöbeleien gab es auf dem Rückweg von halbwüchsigen unpolitischen Betrunkenen in der Innenstadt, die gerade die Ferien einläuteten.

Alles in allem ein sehr gelungener Tag, meiner Meinung nach, wer motzen will kann das ja gerne tun oder selbst was starten. Ein großes Lob an den AK Schneeclaus für die gute Mobilisierung und an den Referenten für den tollen Vortrag. Gustav wäre sicher froh gewesen über so viele Teilnehmer, die sein Andenken wach halten, hoffentlich sind es nächstes Jahr wieder so viele.

Aber bitte: Mir sind 2 oder 3 Teilnehmer mit Bier in der Hand aufgefallen. Leute, das war eine Gedenkveranstaltung. Trinkt euer Feierabendbier doch bitte woanders, nicht bei so einem Anlass.

Generell noch ein paar Gedanken zu diesem Tag: Wenn sich die norddeutsche, in diesem Falle speziell die niedersächsische Naziszene immer besser vernetzt und zusammenarbeitet, so müssen wir das auch tun. Unsere Solidarität muss allen Betroffenen von Nazigewalt gelten. Vor 18 Jahren war es Schneeclaus, dem sein Mut und seine Zivilcourage zum Verhängnis wurden. Und heute? Papa Stefan und seine Gladiatoren haben jegliches Hirn versoffen und sind nicht minder gewaltbereit als damals. Man sieht doch, wie schnell das gehen kann, schon ist man nur noch eine weitere Nummer in einer Statistik über rechte Gewalttaten. Fast wöchentlich hört man aus der Ecke von Übergriffen, teils schwerer Körperverletzung. Dagegen müssen wir geschlossen vorgehen!
Also am 27.3. auf nach Lübeck, am 2.4. auf nach Dorfmark, am 3. 4. nach Buchholz!
Nazis stoppen, jederzeit, überall.
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Ergänzungen

Zählen statt schätzen

Vorname Nachname 19.03.2010 - 16:19
Nach meiner ZÄHLUNG waren knapp über 130 Leute am Busbahnhof. In der Veranstaltung waren knapp 90 Personen und ca. 40 Leute zum Schutz vor der Tür.

Nice

eichhörnchen 19.03.2010 - 16:29
Nach unseren Zählungen bei der Spontandemo waren eindeutig mehr Leute da. 130 - 150, wobei eine Zahl knapp über die 100 wohl am wahrscheinlichsten scheint. War top, dass soviele Leute zu solch einer Veranstaltung gekommen sind.

Und eins ist wieder klar geworden: Es muss eindeutig was in Tostedt geschehen!

Dank den UnterstützerInnen

AK Schneeclaus 19.03.2010 - 17:15
Wir vom Antifaschistischen Arbeitskreis Gedenken an Gustav Schneeclaus wollen uns erst einmal bei allen bedanken die gestern so zahlreich erschienen sind. Nach unseren Schätzungen müssten wir so um die 100 Personen gewesen sein. In unseren Augen ist dies als Erfolg zu sehen. Darüber hinaus bedanken wir uns bei der VVN-BdA Kreisvereinigung Stade für die gute Zusammenarbeit , dem Kulturforum am Hafen für die ebenfalls prima Kooperation und der Möglichkeit den Vortrag dort abzuhalten und natürlich André Aden für seinen Tätigkeit als Redner. Wir sind rund um zufrieden mit beiden Veranstaltungen und freuen uns aufs nächste Jahr. Eine genauere Reflexion des Tages gestern wird noch folgen. Außerdem wird es morgen noch zwischen 19 und 20 Uhr auf Sendung beim FSK ein paar Worte von uns zum gestrigen Gedenken geben.

Außerdem hier noch einmal die Gedenkworte vom Busbahnhof für alle zum Nachlesen:

 http://akschneeclaus.blogsport.de/2010/03/19/dank-den-unterstuetzerinnen/

Naziautos

xxx 19.03.2010 - 19:49
3 Naziautos (ua. bekannte Neonazis aus Tostedt) waren unterwegs, die Insassen trauten sich aber aufgrund der guten Präsenz der AntifaschistInnen nicht ans Kulturforum heran.
Vielen Dank an alle, die anwesend waren und vielen Dank an alle, die sich für die Absicherung der Veranstaltung verantwortlich fühlten.

Buchholz, mehr als eine Kundgebung

RSH 22.03.2010 - 20:56
Unter „Infos/Berichte“ findet ihr einen kurzen Bericht zur Notwendigkeit eines aktiven und offensiven Antifaschismus im niedersächsischen Raum, der sich gegen eine geplante Nazikundgebung am 03.04 in Buchholz ausspricht und zum aktiven Widerstand gegen diesen aufruft.

...

Speziell in der Gegend, die im Einzugsbereich von Harburg liegt, erfahren Nazis eine Akzeptanz innerhalb der bürgerlichen Gesellschaft und Fremdenfeindlichkeit hat Konjunktur.


Weiterlesen unter  http://roteszenehamburg.blogsport.de/2010/03/22/buchholz-mehr-als-eine-kundgebung/

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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Lübeck, Dorfmark, Buchholz — our streets

well done — Tonfa und teli sein Bruder