Rostock: Pölchow Prozess, letzter Tag

Besucherin 16.03.2010 20:01 Themen: Antifa
Am letzten Tag des Pölchow-Prozesses kam es heute zu zwei Verurteilungen und einem Freispruch. Im Gerichtsgebäude griffen Neonazis vor der Urteilsverkündung linke Prozessbeobachter_innen an. Dabei wurden mehrere Personen verletzt. Unter der Menge der Angreifer befanden sich wieder hochrangige Funktionäre des Landesverbandes der NPD.
Rechter Angriff unter den Augen des NPD Landesvorsitzenden

Wie zu erwarten kamen zum letzten Prozesstag deutlich mehr Neonazis. Linke Gruppen hatten am Vortag im Rahmen einer Kundgebung vor dem Gebäude der Staatsanwaltschaft dazu aufgerufen, zahlreich am letzten Prozesstag zu erscheinen, um Solidarität mit den Betroffenen zu zeigen. Dass die Neonazis ebenfalls mobilisieren würden, um auch heute eine Atmosphäre der Angst zu erzeugen, war im Voraus zu erwarten.

Als heute Mittag die linken Besucher_innen im Landgericht ankamen, befanden sich schon ca. 30 Neonazis vor dem Großen Saal. Unter ihnen befanden sich nicht nur zwei der Angeklagten, sondern auch viele Mitglieder des NPD Landesvorstandes von Mecklenburg-Vorpommern. Darunter der Vorsitzende Stefan Köster und dessen Stellvertreter David Norbert Petereit.

Nach ca. einer Stunde versuchten weitere Rechte, die von draußen hinzugekommen waren ,die nicht-rechten Besucher_innen zu verdrängen, um dichter an die Tür des Saals zu gelangen, um sich so Zugang zum voraussichtlich überfüllten Saal zu sichern. Nach dem Drängen gingen die Neonazis zum Angriff über. Sie schlugen, traten und warfen Gegenstände. Mehre Personen wurden verletzt. Einige mussten ärztlich behandelt werden.

„Ausgesprochen milde Urteile für Grewe und Franke“

Das Gericht machte in seinen Feststellungen deutlich, dass es sich beim Angriff von Pölchow nicht um eine wechselseitige Auseinandersetzung, sondern um einen rechten Übergriff gehandelt hat. Für diesen Angriff habe es, so das Gericht, keinen Rechtfertigungsgrund gegeben.

Da das Gericht bestimmte Zeugenaussagen als nicht glaubwürdig einschätzte, schrumpfte der Tatvorwurf gegen die Angeklagten Grewe und Franke zusammen. Entsprechend fiel somit auch die Strafzumessung wegen einfacher Körperverletzung aus. Michael Grewe wurde zu einem Jahr und fünf Monaten Freiheitsstrafe verurteilt, die auf 2 Jahre zur Bewährung ausgesetzt sind. Außerdem muss der 43jährigen Mann als Bewährungsauflage 150 Arbeitstunden in einem gemeinnützigen Verein ableisten.
Dennis Franke wurde zu einem Jahr Freiheitsstrafe verurteilt, die auf drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt wurde. Der Göttinger muss außerdem 75 Arbeitsstunden ableisten.
Der dritte Angeklagte Stefan V. aus Wismar wurde erwartungsgemäß freigesprochen, da ihm keine einzelnen Tathandlungen nachzuweisen sind.

Als skandalös muss der Tatbestand angesehen werden, dass das Gericht in seiner Erwägung zur Strafzumessung die ideologische Tatmotivation der Rechten als irrelevant einschätzte. Denn in den Taten kam diese Einstellungen deutlich zum Ausdruck. Die Neonazis selektierten die Fahrgäste im Zug und schlugen all diejenigen, die sie für ihren politischen Gegner hielten.

Was am gestrigen Tage auf der Kundgebung in der Doberaner Straße mehrfach ausgesprochen wurde, erwies sich heute als bittere Wahrheit. Antifaschismus bleibt notwendig, weil Polizei und Gerichte weder rechte Gewalt verhindern, noch rechte Gesinnung beseitigen können. Aus der rechten Gesinnung folgen allerdings, und das zeigte der heutige Tag in deutlicher Weise wieder einmal, blutige Konsequenzen.
Creative Commons-Lizenzvertrag Dieser Inhalt ist unter einer
Creative Commons-Lizenz lizenziert.
Indymedia ist eine Veröffentlichungsplattform, auf der jede und jeder selbstverfasste Berichte publizieren kann. Eine Überprüfung der Inhalte und eine redaktionelle Bearbeitung der Beiträge finden nicht statt. Bei Anregungen und Fragen zu diesem Artikel wenden sie sich bitte direkt an die Verfasserin oder den Verfasser.
(Moderationskriterien von Indymedia Deutschland)

Ergänzungen

Inhaltliche Ergänzung

Red_Angel 16.03.2010 - 20:16
Guter Bericht. Zu ergänzen wäre noch, dass David Petereit die Schlägerei von oben mit seiner Kamera filmte und die Kameraden einen Feuerlöscher von einem höheren Stockwerk warfen. Bei der Fallhöhe von mehr als 3,5m wurden damit erebliche Verletzungen in Kauf genommen. Glücklicherweise traf der Feuerlöscher nur das Handgelenk eines Jugendlichen.

Pressespiegel

Red_Angel 17.03.2010 - 11:49
Ostseezeitung: Rechte verurteilt - Prügelei vor Gericht
Nordeutsche Neueste Nachrichten: Bewährungsstrafe für rechte Schläger
taz: Urteil gegen Neonazis: Durch Schläge hervorgetan
Neues Deutschland: Milde gegenüber rechten Schlägern
Junge Welt: Ende einer Pannenserie
NPD-Blog.info: NPD-Vorstand verurteilt

Fernsehen:

NDR

@engelchen

(muss ausgefüllt werden) 18.03.2010 - 18:01
Eine Gesinnung, die Zustimmung zu einer bestimmten Ideologie wie Rassismus, Antisemitismus oder Sexismus ist nicht angeboren. Die Zustimmung zu diesen Ausgrenzungsideologien sind änderbar. "Ausmerzen" ist überdies, wie deine ganze Denk-Logik in dem Beitrag ein Terminus der historischen Nationalsozialisten.

Dort liegt ein wichtiger Unterschied zwichen Rechts und Links: Wo Nazis ein wesensgemäßes Sein und Bewusstsein postulieren, wissen und betonen Linke die Lern- und Veränderungsfähigkeit des Menschen. Deshalb gibt es durch die Antifa manchmal Denkanstöße und Motivationshilfen, aber eben keine politischen Morde.

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Verstecke die folgenden 4 Kommentare

Rechtsstaat

charly 17.03.2010 - 13:13
"Antifaschismus bleibt notwendig, weil Polizei und Gerichte weder rechte Gewalt verhindern, noch rechte Gesinnung beseitigen können."
Also ich sehe antifaschistische Arbeit weder als Ersatz, noch langen Arm für repressive Tätigkeiten von Richter_innen und Bullen.
Ich empfinde es weiterhin als Widerspruch, sich auf den "Rechtsstatt" zu berufen, um politische Gegner_innen zu bekäkmpfen oder zubestrafen.
Letzendlich solte es darum gehen, den Staat zu bekämpfen und abzuschaffen, da dieser in sich rassistisch ist.
Selbstverständlich sollten wir es uns nicht nehmen lassen, gegen Bullenrepression mit juristischen Mitteln zu kämpfen, da wir den Staat an seinen slebstaufgestellten Normen, die allerdings nicht irgendeine Gerechtigkeit, sondern die bestehenden Machtstrukturen schützen und zementieren sollen, messen können.
Dadurch lässt sich der Staat bloßstellen und demaskieren.
Die Druchsetzung von Gesetzen gegen Nasen zu verwenden und sich künstlich über "milde" Urteile zu echauffieren halte ich für politisch nicht vertretbar.
Denn so lassen wir es uns vom Staat nehmen, die Faschos zu bekämpfen.
Insofern halte ich Nebenklagen gegen Nazis fürablehnenswert, der/die linke Anwalt/Anwältin macht sich zum Beihelfer der Staatsanwaltschaft.

Mit allen Mitteln

... 17.03.2010 - 14:11
"Letzendlich sollte es darum gehen, den Staat zu bekämpfen und abzuschaffen, da dieser in sich rassistisch ist." An diesem letzten Ende sind war aber nunmal leider längst nicht angelangt. Ich denke es ist zynisch und ebenso politisch nicht vertretbar den Opfern des Angriffs vorenthalten zu wollen, sich juristisch gegen die brutalen Angriffe zur Wehr zu setzen. Gleichzeitig ist es verständlich wenn Betroffene nicht nur darauf gehofft haben, dass die Nazis mit einem "blauen Auge" davonkommen. Neonazis müssen mit allen Mitteln in ihrem Treiben gehindert werden! Kritik ist auch da angebracht, wo Behörden nachlässig diesem Treiben zuschauen und ihren Handlungsspielraum nicht nutzen. Das kann auch passieren ohne einen starken Staat zu fordern. Die Kritik ums Ganze findet sicher auch an anderer Stelle ihren Platz.

Ende einer Pannenserie

ASF 17.03.2010 - 15:23
Hintergrund. Die zweieinhalb Jahre währende juristische Aufarbeitung des Neonaziüberfalls auf Linke ist eine Blamage für Polizei und Staatsanwaltschaft. Nur drei von den etwa 50 Rechtsextremen werden angeklagt, zwei erhalten Bewährungsstrafen, einer bleib

Das Ende war wie der Anfang. Unter chaotischen Umständen wurde am Dienstag nachmittag am Rostocker Landgericht das Urteil gegen drei Rechtsradikale verkündet, denen vorgeworfen wird, an dem Überfall auf eine Gruppe linker Jugendlicher am 30. Juni 2007 beteiligt gewesen zu sein. Bereits eine Stunde vor Prozeßbeginn drängelten sich etwa 70 Neonazis vor dem Großen Saal des Landgerichts. Bewacht wurden sie von einer Hundertschaft schwerbewaffneter Polizisten, die Übergriffe auf die etwa 50 linken Besucher verhindern konnten. Auch im bis auf den letzten Platz besetzten Raum mußten Beamte die Verhandlung absichern, die erst mit einer Dreiviertelstunde Verspätung beginnen konnte.

Der Vorsitzende Richter verurteilte zwei der Beschuldigten wegen Körperverletzung und Landfriedensbruchs zu Bewährungsstrafen, der dritte Angeklagte wurde freigesprochen. Damit folgte das Gericht den Anträgen der Staatsanwaltschaft. Für den Mitarbeiter der Schweriner NPD-Landtagsfraktion Michael Grewe hielt das Gericht eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und fünf Monaten auf zwei Jahre Bewährung für angemessen. Der wegen Verwendung verfassungswidriger Kennzeichen vorbestrafte 25jährige Dennis F. wurde zu einem Jahr verurteilt. Die Bewährungszeit beträgt in seinem Fall drei Jahre. Dem Beschuldigten Stefan V. sei keine Beteiligung an dem Überfall nachzuweisen. Ob einer der Prozeßbeteiligten Revision gegen das Urteil einlegen wird, blieb am Dienstag nachmittag offen.

In der Urteilsbegründung bestätigte das Gericht im wesentlichen die Aussagen der Opfer. »Der Angeklagte Grewe hat sich besonders durch das Austeilen von Schlägen hervorgetan«, so der Richter am gestrigen neunten Verhandlungstag. Bei Grewe habe es sich um einen besonders schweren Fall von Landfriedensbruch gehandelt, da er als Rädelsführer agiert habe. »Es war keine Notwehrsituation, die diese Gewalt gerechtfertigt hätte«, betont der Richter. Auch die Provokation durch die Linken rechtfertige die Tat nicht. Allerdings sei das zumindest als strafmildernd einzustufen, begründet er die Bewährungsstrafe. Zudem liege der Tatzeitpunkt über zweieinhalb Jahre zurück, seitdem hätten sich die Angeklagten nichts mehr zuschulden kommen lassen. Der Richter betonte mit Blick auf Grewes NPD-Mitgliedschaft, daß die Zugehörigkeit zu einer politischen Gruppierung nicht strafverschärfend gewertet werden dürfe.
Skandal im Gerichtssaal

weiter
 http://asf.kostenloses-forum.be/asf-beitrag2190.html

WIR DAS ANTIFASCHISTISCHE SOZIALE FORUM SIND FÜR DEN BESUCHER AWARD KATEGORIE "BOARDS" NOMINIERT! BITTE STIMMT ALLE 3 STUNDEN FÜR UNS AB!

 http://www.besucher-award.de/index.php?cid=13

eine gesinnung

engelchen 17.03.2010 - 19:13
kann nur ausgemerzt werden, wenn man gleiches mit dem träger macht, so wären wir wieder bei freisler, der die tat nach der gesinnung in zweiter reihe sah