Material für die soziale Revolte

iaourti iourtaki 14.03.2010 04:10
Ein aus Griechenland übersetztes Flugblatt, daß beim Generalstreik am 11.03.10 in Athen verteilt wurde - zumindest hoffen wir das, haha. Komplett und überarbeitet, weil der Auszug, der hier bereits erschienen ist, zwar nicht schlecht ist, aber es so insgesamt mehr Sinn macht.
Leider taucht die Situation in Deutschland nicht auf, dafür werden allerdings Klassenkämpfe in anderen Ländern angerissen und in Zusammenhang gestellt. Die Übersetzer fühlen sich nur zum Teil in der Lage, dem Text ganz zuzustimmen aber das sollen sie auch nicht. Allerdings ist der Ansatz vielleicht zu sehr auf die "1.Welt" bezogen, auch wenn die 3. Welt da schon lange angekommen ist, denn die hier erwähnten Schulden können nicht alle Teile des Proletariats machen.
Und bevor beim Lesen über die Angleichung von staatlicher Unterstützung und Minilöhnen kommt, aber "so ist es doch längst bei uns!", vielleicht kurz dran gedacht, daß die Situationen überall anders sind.
Über die angerissenen Kämpfe in den anderen Ländern erfahrt Ihr zum Teil mehr auf Libcom.org
Gruß an die WILDCAT, wir hoffen das Teil kommt bei Euch an.
Gruß auch nach Kreta, das Grass ist angekommen! (BEI MIR NICH, DU SACK - die Setzerin!)
Und vielen Dank an Indymedia Athen für die Updates
•Flugblatt heute(11.3.10) in Athen:

• Demokratie: Kein Ausgang !



"Die großen Schwänze kamen raus.



Sie werden alles ficken, was sich in der Nähe befindet.

Achtet auf Euren Rücken."



- Harold Pinter (Er sagte das bereits Feb 2003)





Wir befinden uns heute an einem historischen Punkt, an dem der Widerspruch des Kapitals weltweit zunehmend klarer wird. Über alle Längen- und Breitengrade hinweg befinden sich die Proletarier in Aufwallung, weil ihre eigene Reproduktion immer schwieriger wird. So wie es für die Proletarier jetzt schwierig ist, ihr Leben weiterzuleben, so befindet sich das Kapital selbst als ein Ausbeutungsverhältnis in der Krise seiner Reproduktion. Die heutigen Kämpfe des Proletariats sind der Ausdruck der modernen Gestalt dieses Ausbeutungsverhältnisses:



Während der letzten Jahre steigen in China, wo die Wirtschaft immer noch ziemlich schnell wächst, alle Arten des Widerspruchs an. Kämpfe der Arbeiter mit der Polizei sind allgegenwärtig und zwar aus einer ganzen Latte von Gründen: Die Forderung nach Erhöhung der immer noch sehr niedrigen Löhne (auf die sich das Wirtschaftswachstum stützt), um die Einzäunung des verbliebenen Ackerlandes auf den Dörfern zu verhindern, für Abfindungen gefeuerter Arbeiter und wegen der Unzulänglichkeit des Gesundheitswesens, das zu einer hohen Zahl toter Kinder führt. In Nordamerika, wo es einen historischen Rekord von bissigen Streiks der Niedriglöhner gibt, besetzen tausende Obdachlose und Arbeitslose die leeren Häuser, die von den Banken gepfändet wurden, in Kalifornien und in New York besetzen Studenten Universitäten und schreiben auf ihre Transparente "Wir haben beschlossen nicht zu sterben!" und beanspruchen einfach nur das, was bis vor Kurzem noch selbstverständlich war: die Möglichkeit weiterhin Student zu sein. Die Reproduktion ihres eigenen Lebens (natürlich aus einer wesentlich übleren, durch die Hierachie der kapitalistischen Staaten aufgezwungene Position, heraus) fordern auch die Proletarier Südafrikas und Algeriens, wenn sie mit der Polizei kämpfen, weil sie immernoch keinen Strom oder warmes Wasser haben und gezwungen sind, in Baracken zu leben und in Indien, weil plötzlich die Brotpreise steigen und sie nichts zu essen haben. Letztes Jahr fackelten die Arbeiter in Spanien Polizeiautos ab, weil ihre Werften dicht gemacht wurden und in Südkorea besetzten gefeuerte Arbeiter ihre Fabriken und lieferten sich zweieinhalb Monate lang Kämpfe mit der Polizei, in Bangladesch kämpften wiederrum vor die Tür gesetzte Arbeiter mit der Polzei und zündeten ihre Fabriken an. In Frankreich und Belgien kidnappten entlassene Arbeiter ihre Bosse, legten Sprengsätze in ihren Fabriken und drohten, sie in die Luft zu jagen, wenn sie keine Abfindungen bekommen sollten. In Indien und China töten Arbeiter ihren Boss in Konflikten wegen anstehender Tausende von Kündigungen. In dieser historischen Phase sind die proletarische Kämpfe tatsächlich Kämpfe mit der Forderung nach der Reproduktion des Lebens ansich.



Zur selben Zeit werden die Arbeitsverhältnisse sehr schnell so umgestaltet, daß die Unsicherheit für alle jetzt die beherrschende Situation ist. Diese Unsicherheit drückt sich jetzt in den übelsten Bedingungen aus: Durch die 43 Selbstmorde Angestellter von France Telecom in zwei Jahren, aber auch durch die 1.000.000 Arbeistlosen in den USA, die bangend darauf warten, ob Obama im April ihre Arbeitslosenunterstützung ein zweites Mal verlängern wird oder ob sie ohne irgend etwas weiter leben sollen. Die Arbeitslosigkeit in den meisten Ländern ist wesentlich höher und wächst rasanter als in jeder vorherigen historischen Phase.



Wir befinden uns in einer historischen Etappe, wo das Proletariat für das Kapital überflüssig ist. Das Kapital kann das Proletariat nicht mehr genügend auspressen. Es kann nicht genügend Profit herausschlagen, der benötigt wird, um Teile des Profits zurück in lohnende Investitionen zu stecken. Das ist das Wesen jeder kapitalistischen Krise, unabhängig in welcher Form sie auftaucht. Die aktuelle Krise setzt tatsächlich die Reproduktion der Proletarier in das Zentrum des Gegensatzes. Die Krise, die zuerst als Schuldenkrise der proletarischen Haushalte in den U.S.A. auftauchte, wurde längst zu einer Schuldenkrise einzelner Staaten und es ist durchaus möglich, daß sie zur Währungskrise wird, einer Schuldenkrise ganzer Blöcke kapitalistischer Staaten wie der Europäischen Gemeinschaft. Die Schuldenkrise ist diejenige, die das Kapital zu ihrer derzeitigen einzigen Wahl führt, nähmlich die Strategie fortzusetzen, die diese Krise geschaffen hat, nähmlich auf jeden möglichen Weg die Lohnkürzungen fortzusetzen und die erkämpften Errungenschafften des Proletariats zu vernichten. Das ist die einzige Möglichkeit für das Kapital, weil die Schuldenkrise das Ergebnis von Umstrukturierung und Globalisierung des Kapitals ist und wovon es kein Zurück gibt . Von der Warte des Proletariats aus: "Gefangen im Würgegriff des Wettbewerbs, der zur Senkung der Produktionskosten durch Senkung der Löhne und zum Arbeiten für Schulden wird, die gleichermaßen notwendig geworden sind um den Menschen Einkommen zum Leben zu ermöglichen, haben Beschäftigte nur die Wahl der Tyrannei, die sich schon längst selbst bezahlt, während die Stärkung der Geldmärkte (cash-in-markets) ein Prozess ohne Ende ist und dieses Geld immer von ihrer eigenen Ersparnisse kommt" (der diplomatische Mond, März 2008). Vom Standpunkt des Kapitals ist es eine rastlose Jagd über den Planeten nach dem niedrigst möglichen Preis für menschliche Arbeitskraft, aber sie hat ihre Grenzen in der Existenz und der Reproduktion von Arbeitermacht, wie es gesellschaftlich in jedem kapitalistischen Staat bestimmt ist.



Das Kapital ist gezwungen, die Krise durch die Zerstörung festen Kapitals (Gebäude, Maschinenparks, Infrastruktur) und variablen Kapitals (menschliches) zu lösen, um die Bedingungen seiner Reproduktion neu zu schaffen, ohne das es bisher klar ist, ob's das in seiner einzigen direkten Art und Weise macht: dem breit gestreuten, globalen Krieg. So zieht gegenwärtig die Umstrukturierung unweigerlich an und die Gehaltskürzungen kommen zu einem Punkt, wo die niedrigste Bezahlung und die Arbeitslosenunterstützung dahin tendieren, genauso niedrig zu sein. Ein Zustand, der zu einem explosiven Schuldenwachstum immer größerer Teile des Proletariats führt. Die Privatisierungen im Reproduktionssektors (Gesundheitswesen, Ausbildung, Sozialversicherung) nehmen extrem zu, die Arbeitslosen haben weniger und weniger Stütze und sind zu Sklavenarbeit mit Löhnen gezwungen, die unter dem Level liegen, das ausreicht, sich zu reproduzieren. Die derzeitige historische Phase erreicht ihre Grenzen. Darum stationiert der Staat vollbewaffnete Polizisten vor Schulen in Frankreich und setzt Bullen in (us-)amerikanischen Schulen ein, um die widerspenstigen Schüler zu kontrollieren. Der einzige Ausweg des Kapitals ist heutzutage Repression, weil es keine andere Lösung für die Krise hat. Das wird augenfällig in Fällen von Naturkatastrophen wie in Haiti und in Chile. In solchen Fällen wird das Kapital direkt vom Proletariat in Frage gestellt, welches, um zu überleben - weil es vorübergehend keine Arbeitskraft sein kann - die Umverteilung von Gütern nach ihren Bedürfnissen organisiert und die einzige Möglichkeit das kapitalistische System der Besitzrechte zu stützen, ist der Gebrauch von militärischer Gewalt. Nachts durch die Strassen zu spazieren wird verboten, unverzügliche Hinrichtungen (Haiti) und Einknastung ohne Verfahren (Chile) finden statt und plötzlich verwandelt sich das Leben in das Leben Gefangener in Konzentrationslagern, in das Leben papierloser Flüchtlinge, welche zu Millionen interniert an den Grenzen aller kapitalistischen Staaten leben.



Der Angriff des Kapitals auf den Teil der arbeitenden Klassen, der in Griechenland lebt, ist ein Ausdruck dieser Krise der Reproduktion von kapitalistischen Verhältnissen. Griechenland befindet sich heute aus vielen Gründen im Auge des Sturms der Schuldenkrise. Der wichtigste Grund ist, daß der gefährlichste Teil des Proletariats sich in der Art und Weise erhoben hat, wie wir sie alle im Dezember 2008 kennengelernt haben. Griechenland ist das Versuchslabor einer neuen Phase gewollter globaler Umstrukturierung. Wie sie es bereits schon oft in der Vergangenheit gemacht hat, ersucht die bürgerliche Klasse Griechenlands um die Hilfe mächtigerer bürgerlicher Klassen (von außen), um eine neue Form der Ausbeutung zu erzwingen (die Regierung machte umgehend wesentlich höhere Staatsschulden bekannt, als die Vorgängerregierung je gemeldet hatte und zwar um die Einführung des Stabilitätsprogramms zu beschleunigen) aber selbst die Bourgoisie ansich ist im Zentrum der globalen Krise. Die komplette internationale Wirtschaftspresse wartet die Reaktion des Proletariats hier in Griechenland ab, um dann einen Überblick über die Situation international zu bekommen. Die größten Lager der Kredithaie liefern sich ein Wettrennen darüber, wer Kredite vergeben wird und somit die zukünftige Kontrolle über den griechischen Staat - neben der Kontrolle über die Form und Intensität der Ausbeutung des lokalen Proletariats - haben wird. Die Schaffung eines Europäischen Wirtschafts Fond nach Standards des IWF zeigt klar und deutlich, daß die Widersprüche im Wettbewerb zwischen den kapitalen Machtzentren vorübergehend gelöst werden können, zeigt aber auch, daß es unwichtig ist, wer von ihnen das Proletariat befehligen soll.



Jeder Versuch, die Situation in einem besseren Licht darzustellen, als sie wirklich ist, fällt in ein bedeutungsloses Loch. Jeder Versuch, die Umstrukturierung als einen Angriff der Deutschen in Griechenland darzustellen, taugt nur für B-Klasse Fernsehstationen, auch wenn SYRIZA (Koalition der parlamentarischen "radikalen" Linken) versucht, es nach vorne zu reissen, mit schwachsinnigen Statements über das "geheiligte Geld" zur Reparation der deutschen Nazi Besatzung. Er verschärft nur automatisch die orwellsche Propaganda der Massenmedien, die die Umstrukturierung als eine Naturkatastrophe darstellen. Im Moment ist diese Propaganda teilweise erfolgreich. Einige Offizielle und Arbeiter im privaten Sektor befürworten zusätzlich die Kürzung der Gehälter im privaten Sektor. Die Angestellten im privaten Sektor sind gespalten auf der Grundlage von, wer wird "wirklich bevorzugt" und wer nicht. Aber all diese Versuche haben ein Verfallsdatum. Wenn sich jemand fragt, wer wirklich bevorzugt wird, der kann die gefeuerten Angestellten von Olympic Airways fragen, die den Landesrechnungshof besetzt halten, gleichermaßen sie vor 15 Tagen das "heikle und recht heftige Programm des zuständigen Ministeriums" erkannt hatten, als der Vizeminister sie ignorierte, als sie ihn um ein Treffen mit ihm anbettelten. Auch kann jemand die Arbeiter in der Geschäftsstelle der Nationaldruckerei über die Auswirkungen der beabsichtigten Umstrukturierung auf das tägliche Leben befragen, die, nachdem sie den Wortlaut des Einsparungsgesetzes gelesen hatten, begriffen, daß 30% ihrer Bezüge wegfallen und sie daraufhin beschlossen, dieses Gebäude, in dem sie arbeiten, zu besetzen, mit der Absicht, das Amtsblatt nicht zu drucken. Jemand kann sie auch über die Rolle ihrer Gewerkschaftsführer fragen, die für das Ende der Besetzung sorgten, weil ihnen mündlich "von der Regierung versprochen wurde" ein Rundschreiben zu erstellen, indem das Gesetz nachgebessert werden sollte!



Es gibt nichts, was die Situation verbessern kann. Die von der parlamentarischen Linken ausgerufenen feierlichen Demonstrationen haben, solange sie feierlich bleiben, nicht das geringste Ergebnis, außer, daß sie die Sackgasse aufzeigen. Wir sind Zeugen der Entledigung der Realtät von den Kleidern der Politik. Die fliegenden Pflastersteine, die letzten Freitag am 5. März den Himmel verdeckten, werden nicht ausreichen, sie zu zwingen uns zuzuhören. Wenn mehr und mehr Arbeitslose Gebäude besetzen und die Polizei würde sie unterdrücken, wenn mehr und mehr prekäre Arbeiter und Arbeitslose, bei der kleinsten Gelegenheit mit den Streitkräften der Unterdrückung kollidieren, wenn das soziale Chaos danach strebt, sich aus sich selbst heraus zu organisieren und die Gestalt einer Klassenrevolte annimmt, dann wird das Lächeln der Überbringer der TV-Nachrichten auf ihren Gesichtern erfrieren und die Auslotung wird sich auf dem selben Niveau mit der Gewalt befinden, die sich über viele Jahre wegen der Anhäufung des Kapitals und der Enteignung der Leben der Proletarier, angesammelt hat .





"Was in der Geschichte passieren wird, morgen, kann nur verglichen werden mit einer bedeutenden geologischen Katastrophe, die das Gesicht der Erde verändern wird..."



-Victor Serge



Organe des Chaos







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