[Bln] Mediaspree-Gegner rufen zum Entern auf

Maya Kowski 12.03.2010 03:03 Themen: Freiräume Soziale Kämpfe
Am 12. März soll es in der Theaterlounge des RAW eine Infoveranstaltung zu einer neuen Kampagne gegen Mediaspree geben. Aber wo knüpft diese Kampagne an? Und worum soll es gehen?
Kommt jetzt wieder Bewegung in das Thema Mediaspree? Eine neue Initiative aus dem bekannten Initiativkreis Mediaspree versenken lädt für Freitag ins RAW ein, um eine neue Kampagne vorzustellend und zu diskutieren. „Mediaspree entern!“ heißt es nun. Nicht mehr „versenken“?

„Klar geht’s weiter darum, die Investorenträume am Spreeufer zu versenken“, entgegnet Jenny Brecht vom Vorbereitungskreis der neuen Kampagne. „Wir wollen aber auch die Frage in den Mittelpunkt stellen: Was wollen wir und all die AnwohnerInnen in den benachbarten Kiezen denn mit den Spreeufern anfangen? Und wie können wir da hinkommen, wie damit anfangen? Das geht letztendlich nur, wenn wir uns die Flächen nehmen, bevor sich die Investoren weiter breit machen. Und schließlich waren es die vielen tollen und oft auch wütenden Aktionen, die Mediaspree versenken so kraftvoll gemacht haben – warum soll das jetzt nicht wieder gehen?“

Sonderausschuss-Kosmetik macht wütend

Ähnlich klingt es im Aufruf zur Kampagne: „Unsere Wut hat nicht nachgelassen, im Gegenteil. Weiterhin sind wir wild entschlossen, die kommerziellen Planungen für das Spreeufer zu verhindern, um statt dessen das Motto Spreeufer für Alle Wirklichkeit werden zu lassen.“

Wenn mensch sich nun das Aufrufpapier zur Kampagne zu Gemüte führt, wird auch bald klar, dass es nicht um eine Fortführung des bezirklichen Sonderausschusses gehen soll, in dem über das Verschieben einzelner Baufelder um ein paar Meter oder um niedrigere Bauhöhen bei Neubauvorhaben gegangen war, ohne dass die Grundidee der vollkommenen Umstrukturierung der Spreeufer in Frage gestellt worden wäre. Aus diesem Grunde hatten ja schließlich im November 2009 auch die verhandlungsbereiten Aktivist_innen von der AG Spreeufer bei Mediaspree versenken die Reißleine gezogen und waren aus dem Sonderausschuss ausgestiegen.

Der Ausschuss war nach dem Bürgerentscheid gegründet worden, Vertreter_innen der AG Spreeufer saßen als Bürgerdeputierte darin mit Bezirkspolitiker_innen zusammen. Den Vorsitz hatte Bezirksbürgermeister Franz Schulz geführt – und schnell wurde klar, dass es um die Durchsetzung seiner Parteilinie gehen sollte: Hier und da ein par mehr Grünflächen sichern, den Uferweg etwas aufweiten, aber bloß keine offene Konfrontation mit den Grundstückseigentümern oder dem Berliner Senat riskieren. Also alles andere als ein Versenken, eher eine aufgehübschte, etwas weichgewaschene Version der Investorenträume. Oder anders gesagt: Spreeufer für die gehobene Mittelschicht.

Was geht am Spreeufer? Hier Krise, dort Kräne

Die Wirtschaftskrise hat einige Bauprojekte scheitern lassen, manche wurden erstmal auf Eis gelegt. So z.B. am Postbahnhof, wo der Verkauf an einen dänischen Investor wieder rückgängig gemacht worden ist. Auch bei Anschutz, rund um die O2-Arena, tut sich absolut gar nichts, obwohl die riesigen Flächen seit Jahren auf dem Markt angeboten werden. Die Bar25 hat vom Eigentümer BSR ein weiteres Jahr zugestanden bekommen – sicherlich weil keine Bebauung in nächster Zeit absehbar war. Und neben dem Schwarzen Kanal steht das Ufergrundstück in der Zwangsversteigerung – da hat sich wohl auch jemand dran verhoben.

Anderswo drehen sich aber durchaus auch mal die Baukräne, und zwar ohne jegliche Rücksicht auf den Bürgerentscheid, bei dem eine große Mehrheit der radikalen Forderung nach 50 Meter Baufreiheit entlang der Spreeufer zugestimmt hatte. Gerade im Osthafen passiert so einiges. Im Januar wurde der Erweiterungsbau des Mode-Showroom-Unternehmens Labels eröffnet. Bürgermeister Schulz ließ es sich nicht nehmen, in den höchsten Tönen von dem Bau und vom Mediaspree-Projekt zu tönen:

„Ein solcher Erfolg war am Anfang nicht zu erwarten“, sagt Franz Schulz, der bündnisgrüne Bezirksbürgermeister von Friedrichshain-Kreuzberg, und lobt auch die Architektur der Labels-Gebäude. Für die Entwicklung des Gebietes Mediaspree sei dies „ein wichtiger Baustein“. (Tagesspiegel)

Im gleichen Artikel kündigt Investor Kilian einen Bau auf dem Maria-Grundstück an der Schillingbrücke an. Der Berliner Liegenschaftsfonds hatte im Februar noch das Grundstück in einem Bieterverfahren zu Markte getragen – hier wird also mal wieder ein Stück öffentlichen Eigentums am Spreeufer privatisiert. Der Wagenplatz Schwarzer Kanal muss seinen Standort verlassen, weil der Baukonzern HochTief dort (bzw. nebenan) nun eine neue Zentrale für seine Berliner Tochtergesellschaften errichten will. Dieses sind nur ein paar Beispiele, dass Mediaspree relativ ungehindert weiter betrieben wird. Für die Aktivist_innen von Mediaspree entern ist das auch kein Wunder.

Das Problem sitzt tief, Architekturen sind nur die Oberfläche

„Wir wollen nicht nur eine andere Bebauung der Spreeufer, sondern auch eine grundsätzliche Veränderung in den Prozessen über die Gestaltung und Nutzung der Flächen und Gebäude. Der Kapitalismus mit dessen vermeintlichen Sachzwängen setzt die Stadt unter Druck, jetzt ist es an uns die Stadt zu übernehmen.“ (aus dem Aufruf)

Hier schließt der Aufruf an die BUKO-Veranstaltungen Unternehmen Stadt übernehmen! an, auf denen es gerade um die Fragen gegangen war, wie der neoliberalen Stadtpolitik tatsächlich und praktisch etwas entgegen gesetzt werden könnte. Denn die Politik der Aufwertung, ob nun am Spreeufer oder in den Kiezen, wo sie steigende Mieten und Verdrängung einkommensschwacher Leute verursacht, darf als Inbegriff einer kapitalistischen, neoliberalen Stadtpolitik gelten, die von Rot-Rot letztendlich nicht wesentlich anders durchgesetzt wird als von anderen parteipolitischen Kräften.

„Die zunehmende Schere zwischen Arm und Reich trägt dazu bei, dass sich für viele die Lebensqualität weiter verschlechtert. Berlin ist die Stadt mit dem größten Armutsrisiko in Deutschland. Jedes dritte Kind wächst in Armut auf und die aktuelle Stadtpolitik verschärft die Lage der Menschen mit geringen Einkommen sowie der Hartz4-Empfänger_innen weiter. Die steigenden Mieten werden für sie untragbar, sie müssen ihren Kiez und ihre gewohnte Umgebung verlassen, oft führen die staatlichen Schikanen und mangelnde Perspektiven zur Obdachlosigkeit. Dazu trägt bei, dass es keinen sozialen Wohnungsbau mehr gibt, sondern nur noch Lofts und Baugruppenprojekte gebaut werden. Die reicheren Menschen haben immer größere Wohnungen und verändern viele Gebiete in schicke No-Go-Areas für Arme. Der Zwang gegen die Menschen mit geringerem Einkommen ist oft lautlos, etwa durch Mieterhöhungen. Diese strukturelle Gewalt gegen immer mehr Bewohner_innen wird durch verstärkte Überwachung und direkte Polizeimaßnahmen gegen sogenannte „Randgruppen“ begleitet.“ (aus dem Aufruf)

Alles in Allem viele – eigentlich schlechte, aber wichtige – Gründe dafür, es nicht mehr irgendwelchen möchtegern-Nachwuchspolitiker_innen zu überlassen, was aus den Spreeufern wird und wie unsere Kieze der kapitalen Stadtentwicklung zum Fraß vorgeworfen werden. Wir bleiben alle mit den Actiondays, Steigende Mieten stoppen und Karla Pappel hatten hier in letzter Zeit versucht, wieder entschiedenen Protest auf die Straße zu tragen. Und in dieser Reihe stand auch Tempelhof für alle bzw. Squat Tempelhof, die beide wichtige Anregungen für Mediaspree entern gewesen sein dürften.

Wie soll Mediaspree entern aussehen, passieren?

„Anfang Juni werden Wetter und Wut voraussichtlich eine Mischung entstehen lassen, die uns ideal erscheint, um eine richtig große Aktion gegen die Mediaspree-Planungen zu starten. Deshalb laden wir hiermit zum großen Aktionstag ein, bei dem wir den Planungen praktisch ein Ende setzen und anfangen werden, unsere Wünsche am Spreeufer zu verwirklichen. Ungewollte Baustellen werden besetzt und ungenutzte und zur Privatisierung ausstehende Flächen angeeignet, um hier unsere Art der Stadtentwicklung erfahrbar zu machen. Störende Event-Ufos werden in ihrem Betrieb gestört, Polizist_innen werden spielerisch und lässig umgangen. Ein von elitären Architekt_innen gestylter Park wird von uns neu bepflanzt und umgebaut, leerstehende Gebäude werden in Beschlag genommen, um günstigen Wohnraum zu schaffen. Das Ganze wird ein bunter und wütender Aktionstag, lustig für uns, aber hoffentlich ein Alptraum für diejenigen, die denken, dass unsere Kieze und die Spreeufer ein angemessener Ort für die Erzielung fetter Profite sind.“ (aus dem Aufruf)

Soll diese Aktion trotzdem hauptsächlich auf die Spreeufer, auf ihr Aussehen, auf Architekturen und Baustellen ausgerichtet sein? „Nein, es geht auch darum, Emanzipation zu leben, Handlungsfähigkeit zu erreichen, und zwar bei und mit möglichst allen, die von der miesen neoliberalen Stadtentwicklung betroffen sind“, meint Jenny Brecht dazu für den Vorbereitungskreis. Auch der Aufruftext wird an dieser Stelle recht deutlich:

„Wir wissen, dass viele Menschen unzufrieden sind, sich aber im Alltag vereinzelt fühlen. Wir hoffen, dass der Aktionstag die Möglichkeit bietet, durch einen Akt des gemeinschaftlichen zivilen Ungehorsams deutlich zu machen, dass wir nicht länger zusehen werden, wie über unsere Köpfe hinweg entschieden wird. Wir wünschen uns, dass die Erfahrung einer kollektiven Aktion vielen Menschen Mut macht, sich etwa gegen die nächste Mieterhöhung oder das nächste Luxusbauprojekt gemeinsam zu wehren.“ (aus dem Aufruf)

Die Vorbereitungsgruppe kündigte an, dass es am Freitag im RAW zunächste einen kleinen Rückblick über die Entstehung von Mediaspree versenken geben soll, dann einen Bericht über den Stand der Dinge (Bauvorhaben und Sonderausschuss) und schließlich eine Vorstellung des Mediaspree entern-Konzepts. Das alles soll nicht viel länger als eine halbe Stunde dauern, damit anschließend genug Zeit bleibt, die Aktionsidee zu diskutieren und das Planen zusammen anzugehen.

Mediaspree entern! – Infoveranstaltung & Aktionsplanung:

Freitag / 12. März / 19 Uhr
RAW / Theaterlounge / Revaler Str. 99 / Tor 2 / Friedrichshain

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CJ 12.03.2010 - 19:32
Bürgermeister Schulz hatte nicht den Vorsitz des Ausschusses, sondern ein Politiker der FDP. Schulz saß da als Vertreter des Bezirksamts drin.

"Parteipolitik" konnnten dort alle PolitikerInnen - nicht nur Schulz - machen. Auch weil die VertreterInnen von Mediaspree versenken sich äußerst handzahm gaben, es unheimlich toll fanden, mit PolitikerInnen mal "auf Augenhöhe" zu diskutieren und sich ansonsten haben gehörig über den Tisch ziehen lassen. Der große Vorsitzende hatte sich sogar schriftlich bei Investoren für eine Transpi-Aktion gegen Mediaspree entschuldigt. Besser hätte Schulz das auchg nicht hinbekommen.

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Zeige die folgenden 8 Kommentare an

@ kevin — o2 -Fuck you!

wääääähhh??? — susi suppe

Hm ... — Entfernter Anwohner von der Weberwiese

@susi suppe — kevin

@ susi suppe / Abgaben / Steuer — Anwohner Weberwiese

schöne — Terminankündigung