Chemnitz: Arbeitsteilung unter Neonazis

Recherche Ost 08.03.2010 23:29 Themen: Antifa
Anlässlich der Bombardierung Chemnitzs vor 65 Jahren führten etwa 500 bis 600 Neonazis aus dem Umfeld von NPD und "Freien Kräften" einen Trauermarsch in der Nähe der Chemnitzer Innenstadt durch.
Bemerkenswerterweise fand zeitgleich im nur 18 km entfernten Limbach-Oberfrohna ein Vortrag des sächsichen NPD-Landtagsabgeordneten Jürgen Gansel statt.

Die im Vorfeld von der Ordnungsbehörde verbotene Demonstration in Chemnitz unter dem Motto “Die Opfer waren unsere Familien. 5. März – Wider das Vergessen!” war eine Woche zuvor vom Oberverwaltungsgericht wie erwartet erlaubt worden. Nach dem gescheiterten "Großaufmarsch" am 13. Februar in Dresden betrachteten es eine Reihe Neonazis als "Ehrensache" nun in Chemnitz zu marschieren. So kamen schlussendlich mehr als doppelt soviele TeilnehmerInnen wie im Vorjahr zusammen. Darunter nicht nur Neonazis aus Sachsen und den umliegenden Ländern, sondern unter anderem auch aus Dortmund.
Eine Handvoll NPD-AnhängerInnen nahmen bereits am Morgen an einer städtischen Trauerveranstaltung anläßlich des Gedenkens an den Bombenangriff teil.

Zu Beginn des abendlichen Trauerzuges, der von der NPD angemeldet worden war, verlas Demonstrationsleiter Maik Scheffler aus Delitzsch die Auflagen und forderte dabei, mit dem Aufzug ein ordentliches und dem Anlaß angemessenes Bild nach Außen abzugeben. Alle Teilnehmer sollten in Viererreihen marschieren und an der Spitze außen in gleichen Abständen Fackeln tragen. Als erster Redner sprach der neue Chemnitzer NPD-Kreisvorsitzende Sven Willhardt. Der wenig wortgewandte 33-Jährige ging mit seiner abgelesenen Rede, die sich hauptsächlich mit allen Toten des so genannten US-Imperialismus beschäftigte und Kritik am Iranischen System mit dem Vietnam-Krieg gleichsetzte, unter den hetzerischen Reden Schefflers unter.
Dessen nachfolgender Redebeitrag wandte sich gegen alle Akteure, die versucht hatten, den Aufmarsch durch Verbote und Blockaden zu verhindern. Er berief sich auf das vom Oberverwaltungsgericht zugesprochene Recht, den Marsch durchzuführen und drohte der Polizei mit einer Auflösung der Demonstration, sollte sie sich den Teilnehmern gegenüber hinderlich verhalten. In diesem Falle sollten die Demonstrierenden sich auch mit Gewalt zur Wehr setzen können. Angesichts des geringen Polizeiaufgebotes von etwa 50 begleitenden Beamten wäre der Polizei auch nichts anderes übrig geblieben, als die Demonstration auch bei Straftaten aus dem Marsch heraus laufen zu lassen. Dieses Einsatzkonzept verwundert umsomehr, da laut MDR neun Polizeihundertschaften eingesetzt waren.

Als sich der Demonstrationszug um 19 Uhr in Bewegung setzte, war auch schnell zu sehen, dass nicht allen TeilnehmerInnen an einer Marschformation nach Schefflers Vorstellung gelegen war. Während die ersten Reihen noch streng in Viererreihen unterwegs waren, kann man den hinteren Teil eher als Pulk beschreiben.

Auffallend war, dass Szenegrößen wie Tommy Naumann und Istvan Repaczki aus Leipzig oder Maik Müller aus Dresden nicht zu sehen waren. Verantwortlich dafür war wohl die Saalveranstaltung in der Limbach-Oberfrohnaer Gaststätte "Mannheim", in der Jürgen Gansel einen Vortrag über "Täter und Opfer der Finanzmarktkrise" hielt. Zwischen 50 und 80 NPD-AnhängerInnen sollen vor Ort gewesen sein. Das die Veranstaltung parallel stattfand, deutet darauf, dass es zu keiner Störung kommen sollte. Erst am 23. Januar protestierten ca. 100 Menschen gegen eine Jahresauftaktveranstaltung der NPD in Limbach-Oberfrohna .

Der Marsch in Chemnitz wurde währenddessen neben wenigen, von der Polizei auf Abstand gehaltenen, GegendemonstrantInnen über weitgehend menschenleere Straßen zum Thomas-Mann-Platz vor dem Einkaufszentrum "Sachsen-Allee" geführt, wo eine weitere Kundgebung abgehalten wurde.
Der Chemnitzer Maik Otto sprach hier unter dem Pseudonym Maik Richter über die Bombardierung am 05. März 1945. Eine Kriegsschuld Deutschlands blendete auch er völlig aus. Otto ist führendes Mitglied der "IG Chemnitzer Stadtgeschichte", einem völkisch orientierten Ableger der "Nationalen Sozialisten Chemnitz". Er war noch 2009 für die unter Stadtrat Martin Kohlmann in "PRO Chemnitz/DSU" umbenannten Republikaner zur Stadtratswahl angetreten. Kohlmann selbst, der mehrfach neonazistische Trauerveranstaltungen in Chemnitz angemeldet hatte, zog dieses Jahr seine Anmeldung zugunsten der NPD zurück.

Einmal mehr wurden auch auf der Demonstration die Zusammenhänge zwischen den sich unterschiedlich präsentierenden Chemnitzer Gruppierungen deutlich. Die "Nationalen Sozialisten Chemnitz", welche üblicherweise vom Kreisverband der NPD zu Wahlwerbezwecken rekrutiert werden, fungierten bis ins letzte Jahr auch unter dem Label "Freies Netz". Nachdem die Internetpräsenzen des "Freien Netzes" in Sachsen nicht mehr verfügbar waren, gaben sie ihrem neuen Portal den Namen "Chemnitz Infos". Dieses ist allerdings auch schon seit mehreren Wochen nicht mehr zu erreichen. Während der Vorbereitungskreis des Trauermarsches offiziell der örtlichen Jungen Nationaldemokraten (JN) zuzurechnen ist, sind die Grenzen zu anderen Gruppierungen fließend. So kann der als JN auftretende Personenkreis auch als Teil der "Nationalen Sozialisten Chemnitz" gesehen werden. Die Website der Chemnitzer JN wird unterdessen vom Betreiber des deutschlandweit größten Nazimusiklabels "PC-Records", Yves Rahmel, gehostet, der damit seinen Einfluss auf die organisierte und politisch aktive Naziszene in der Chemnitzer Region erneut zur Schau stellt.

Wenige hundert Meter entfernt von der Zwischenkundgebung befand sich der Abschlusskundgebungsort. Hier sprach Michael Brück von den "Freien Kräften Dortmund". Er zählte alle vermeintlichen Verbrechen der Alliierten auf und prangerte amerikanische Luftangriffe als "perverse Tötungsmaschinerie" an, wobei ein von Deutschland begonnener Krieg nicht der Wahrheit einspreche.
Die nach der Schleusung durch den Chemnitzer Hauptbahnhof von der Polizei unbegleiteten Gruppen "Autonomer Nationalisten" fanden sich im Anschluss zahlreich im Restaurant "Yesterday" im Stadtteil Altchemnitz ein, wo bis spät in den Abend neonazistische Liedermacher aufspielten.

Gegen den Aufmarsch waren zahlreiche Versammlungen angemeldet worden, die die Veranstalter des Trauermarsches daran hinderten, ihren Aufzug direkt durch die Innenstadt zu führen. Die Gegenveranstaltungen wurden von rund 1.500 DemonstrantInnen besucht.
Nachdem sich zwischenzeitlich an der offiziell geplanten Aufzugstrecke eine Bürgerblockade gebildet hatte, wurde den Neonazis von der Einsatzleitung eine Alternativroute angeboten. In Anbetracht der vorher angekündigten Straßensperrungen war aber seitens der Behörden von Anfang an geplant gewesen, die Neonazis auf der nun angebotenen Strecke marschieren zu lassen, was sie trotz der Proteste auch taten.
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Ergänzungen

arbeitsteilung

arthur-adl 09.03.2010 - 11:45
Mit diesen beiden Veranstaltungen haben uns die neuen Strategen in Sachsen einen Blick auf ihre weitere Richtung gegeben. Bisher traten Scheffler, Naumann und Repazci stets gemeinsam auf und schufen ihre Strukturen. Scheinbar streuen sie sich nun und agieren auf verschiednen Schauplätzen. Scheffler fungiert künftig als sachsenweiter Anmelder und Versammlungsleiter (siehe 1. Mai Zwickau, 5. März Chemnitz, 17.10. Leipzig und einige provinziale Sachen) wobei Tommy Naumann sich um die Saalveranstaltungen kümmert. Repaczki pendelt so, wie er grad gebraucht wird und ist verantwortlich für alles spontane (Leipzig nach Dresden). Möglich macht diese Multifunktionen in NPD, JN und Freie die Fraktion der NPD im Landtag. Alle drei sind dort fest angestellt und bilden eine Arbeitsgruppe zusammen mit Thomas Sattelberg (SSS)und Markus Großmann aus Sachsen Anhalt (Selbstschutz SachsenAnhalt)Wir haben es scheinbar mit einer taktischen Verwischung aus Freien Netz und Partei zu tun, welche nicht oder kaum nachweislich sind. Schade nur, dass diese Fakten nicht schon eher ernst genommen wurden, da es seit langem bekannt ist, was Scheffler und Naumann bereits seit der Gründung des Freien Netzes im Jahr 2006 bezweckten.

Braune Schutztruppe

karla 13.03.2010 - 11:08
In Sachsen formiert sich derzeit ein neuer „Ordnerdienst“ − beim geplanten Neonazi-Aufmarsch am 13.Februar in Dresden soll er zum ersten Mal zum Einsatz kommen.

Als der bekannte Geschichtsrevisionist Olaf Rose in der vergangenen Woche in Dresden seine Koffer packte und umzog, wurde er von einer kleinen Truppe bekannter Neonazis begleitet. Unter ihnen der NPD-Stadtrat Maik Scheffler (Delitzsch), der sächsische JN-Chef Tommy Naumann (Leipzig) und der ehemalige Landesorganisationsleiter der NPD Sachsen-Anhalt, Markus Großmann (Sotterhausen). Zusammen mit weiteren vermummten Neonazis beobachteten sie den Umzug und sicherten das Umfeld ab. Dies verwundert kaum, baut das Dreiergespann doch seit mehreren Monaten im Verborgenen einen neuen Ordnerdienst auf.
Das „Freie Netz“ erweist sich als perfekte Rekrutierungsstruktur

 http://www.bnr.de/content/braune-schutztruppe

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noch lustiger — als

rshtrshtrs — Intelenzbestie ;D