Arnstadt: Kritik an Köllmer & „Pro Arnstadt“

Antifaschistische Gruppe Südthüringen [AGST] 08.03.2010 21:20 Themen: Antifa
(Erstveröffentlichung für Indymedia)
Mal wieder steht Arnstadts Bürgermeister, der Freund aller potenzieller und wirklicher Nazis, öffentlich in der Kritik. Diesmal, weil er zusammen mit rechts-konservativen und rassistischen Gruppen eine Erklärung an Thilo Sarrazin unterschrieben hat und sich einer „Bewegung“ angeschlossen hat, die sich selbst irgendwo zwischen NPD und CDU einordnet. Beim Versuch sich zu rechtfertigen, verglich Köllmer die Ausgrenzung der „Rechten“ in Deutschland mit der Verfolgung der Juden im "Dritten Reich".
Wer sich schon länger mit den Machenschaften des Arnstädter Bürgermeisters befasst hat, den oder die werden die neuen Erkenntnisse nur bedingt überraschen. Köllmer ist für seine antidemokratischen bis faschistoiden „Ausfälle“ bekannt, sei es weil er Nazis hofiert oder seine Freunde nennt, weil er den Holocaust relativiert oder alternativen Jugendkulturen den Kampf angesagt hat. Er ist ein überzeugter Rechtspopulist, nicht sonderlich gebildet aber von sich überzeugt. Was ihn von den heutigen Nazis vielleicht noch ideologisch unterscheidet ist sein Glaube an die Segnungen des Kapitalismus. Schließlich gehören seiner Wählervereinigung „Pro Arnstadt“ zahlreiche Arnstädter Unternehmer und Immobilienbesitzende an. Außerdem gibt Köllmer ja an, gegen den „Sozialismus“, also die DDR, gekämpft zu haben. Sein bedingungsloser Glaube an die Marktwirtschaft macht es möglich, dass Köllmer sich von Nazis noch öffentlich distanzieren kann, denn Nationalsozialisten sind ja auch irgendwie Sozialisten, meint zumindest Hans-Christian Köllmer [1]. Der geneigten Leserin wird es spätestens jetzt einleuchten, warum Köllmer nicht als sonderlich gebildet gelten kann, denn der Nationalsozialismus ist mit einem libertären Sozialismus oder auch dem bürokratischen Sozialismus des ehemaligen Ostblocks nicht zu vergleichen.

Interessant dagegen ist die Gradwanderung auf die „Pro Arnstadt“ sich begibt. Sie beziehen sich in jeder Rechtfertigung ihrer eigenen Ideologie auf den Extremismus-Ansatz [2] und grenzen sich von Rechts-, aber vor allem von Linksextremismus ab, um von der einzig gesellschaftlich legitimen „demokratischen Mitte“ nicht verstoßen zu werden. Nun kooperieren sie mit Gruppen in Deutschland, die gemäß Gerichtsurteil, das Prädikat „rechtsextremistisch“ tragen müssen. Auch die eigene Politik von „Pro Arnstadt“ ist so tendenziös, dass sie längst Opfer ihres eigenen Schemas geworden sind, nämlich dann, wenn auch sie in der Öffentlichkeit als „rechtsextremistisch“ benannt werden. In einem gewissen Sinne grenzt sich Pro Arnstadt also von sich selbst ab und verliert seinen eigenen Anspruch auf Legitimität. So ist das eben, wenn man sich eines pseudowissenschaftlichen Ansatzes rückhaltlos bedient und am Ende selbst den Extremismus-Vorwurf fressen muss. Wir halten uns mit solchen Titulierungen aus guten Grund zurück und nennen das Problem lieber beim Namen: Hans-Christian Köllmer und seine Kameraden von „Pro Arnstadt“ sind potenzielle Faschisten.

Warum steht Köllmer nun also aktuell in der öffentlichen Kritik? Köllmer und „Pro Arnstadt“ haben sich einer Bewegung angeschlossen, die als eine Rechtsabspaltung der CDU erkannt wird und außergewöhnlich große Schnittmengen mit faschistischen Gruppen hat: die selbsternannte Bürgerbewegung „Pro Deutschland“. Bekannteste Organisation in diesem Bündnis ist „Pro Köln“, bekannt geworden durch den von ihnen initiierten Kongress gegen „Islamisierung“ im vergangenen Jahr, der von tausenden Antifaschist_innen verhindert wurde. „Pro Köln“ wiederum ist eine Nachfolgeorganisation der „Deutschen Liga für Volk und Heimat“, einer faschistischen Organisation in den 90er Jahren. Köllmer sprach kürzlich als Bürgermeister von Arnstadt auf einem Bundeskongress von „Pro Deutschland“ und wurde als Vorbild für die Bürgerbewegung gepriesen. Ende Januar 2010 unterzeichnete Köllmer eine Solidaritätserklärung an Thilo Sarrazin. Sarrazin (SPD) war öffentlich in die Kritik geraten, weil er sich mehrfach rassistisch äußerte. [3] In seiner Rechtfertigung gegenüber der TA verglich Köllmer die politische Rechte in Deutschland, zu der er sich zuordne, mit den Juden im "Dritten Reich", man werde genauso ausgegrenzt. Solche Dummheiten brauchen dann auch nicht mehr kommentiert werden.

Nun stehen Köllmer und „Pro Arnstadt“ wieder mal in der öffentlichen Kritik. Dass sich deswegen an der großen Anhängerschaft nichts ändern wird, das zeigte die Vergangenheit. Die Rechtspopulisten genießen großen Rückhalt in der Arnstädter Bevölkerung. Mit 30,7 Prozent erreichte „Pro Arnstadt“ das beste Ergebnis bei der Stadtratswahl vom Juni 2009 und stellt nun die größte Fraktion im Arnstädter Stadtrat. Die Linkspartei nennt Köllmer indes „eine Zumutung für Menschen, die sich zur Demokratie und Weltoffenheit bekennen“ und fordert seinen Rücktritt. [4] Außerdem wendet sich die Linkspartei in einem offenen Brief an die Mitglieder von „Pro Arnstadt“ und fordert diese dazu auf sich zu positionieren. [5] Es bleibt höchst fraglich, ob diese berechtigten Forderungen Konsequenzen nach sich ziehen werden. Eleonore Mühlbauer, SPD-Landtagsabgeordnete und Stadträtin von Arnstadt möchte jedenfalls ein Abwahlverfahren gegen Köllmer in Gang bringen, während ihr SPD-Landtags-Kollege Peter Metz fordert, der Verfassungsschutz solle nun „Pro Arnstadt“ beobachten. [6]

Dass der Verfassungsschutz eine fast ebenso problematische Einrichtung ist, wie „Pro Arnstadt“, eine solche Einsicht kann man von der SPD sicher nicht erwarten. Bleibt zu hoffen, dass die Arnstädter Zustände endlich Wellen schlagen und die Auseinandersetzung mit menschenverachtenden Ideologien forcieren.


Fußnoten:

[1] „Im Nazi ist mir zu viel Sozialismus drin.“ - Einer der spektakuläreren Sätze des Arnstädter Bürgermeisters am 14. Mai im Arnstädter Stadtrat, als er begründen sollte, warum er sich nicht an den Gegenprotesten gegen einen Naziaufmarsch beteilige. Spektakulär zum einen wegen dem Bekenntnis zur Ideologie der Nazis, die für Köllmer insoweit OK zu sein scheint, wie sie nur wenig mit dem Sozialismus zu tun hat und spektakulär zum anderen, weil es ein gehöriges Maß an Dummheit offenbart so einen Blödsinn im Stadtrat zu verlautbaren. Zum Bericht: http://agst.antifa.net/index.php?menu=news&aid=281
[2] Warum der Extremismus-Ansatz politischer Unsinn ist und man politische Strömung anstatt sie mit rechts- und linksextrem zu labeln, lieber beim Namen nennen sollte, erfährt man ganz aktuell hier: http://inex.blogsport.de/2010/02/09/gemeinsam-gegen-jeden-extremismus-nicht-mit-uns/
[3] Ausführlicher: http://jungle-world.com/artikel/2009/45/39700.html
[4] Pressemitteilung der Stadtratsfraktion von „Die Linke“: http://die-linke.stadtrat-arnstadt.de/Presse/2010/20100308_K%F6llmer%20und%20ProD.htm
[5] Offener Brief an die Mitglieder von „Pro Arnstadt“: http://die-linke.stadtrat-arnstadt.de/20100306_Offener%20Brief%20Pro%20Arnstadt.pdf
[6] Vgl. http://www.freies-wort.de/nachrichten/thueringen/seite2thueringenfw/art2437,1132075
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Ergänzungen

Kleine Übersicht der bisherigen Presse

redstar 08.03.2010 - 21:50
Thüringer Allgemeine vom 07.03.2010

Kontakt nach Rechtsaußen

Arnstadts Bürgermeister Hans-Christian Köllmer kooperiert mit Vertretern der ausländerfeindlichen Gruppe "Pro Köln". Er findet die Partei nicht rechtsextrem - der Verfassungschutz sieht das anders.

 http://www.thueringer-allgemeine.de/ta/ta.thueringen.volltext.php?kennung=on1taTHUThuNational40242&zulieferer=ta&kategorie=THU&rubrik=Thueringen®ion=National&auftritt=TA&dbserver=1


Freies Wort vom 08.03.2010

Kritik an Arnstadts Bürgermeister nach NS-Vergleich

Arnstadt - Arnstadts Bürgermeister Hans-Christian Köllmer (Pro Arnstadt) hat mit einem NS-Vergleich zu «Ausgrenzung» rechter Gruppen heftige Kritik geerntet. Auf seine Sympathie für die rechtskonservative Gruppe «Pro Deutschland» angesprochen, hatte er in der «Thüringer Allgemeinen» gefragt, ob wieder ausgegrenzt werde «wie im Dritten Reich die Juden».

 http://www.freies-wort.de/nachrichten/thueringen/seite2thueringenfw/art2437,1132075


MDR vom 08.03.2010

NS-Vergleich bringt Bürgermeister in Bedrängnis

Der Arnstädter Bürgermeister Hans-Christian Köllmer (Pro Arnstadt) ist nach einem NS-Vergleich in die Kritik geraten. Köllmer war in einem Zeitungsinterview auf seine Sympathie für die rechtskonservative Gruppe "Pro Deutschland" angesprochen worden. Darauf hatte der Bürgermeister mit der Gegenfrage geantwortet, ob wieder ausgegrenzt werde "wie im Dritten Reich die Juden". Am Montag erklärte Köllmer, dass sich sein Vergleich nur auf die Ausgrenzung zu Beginn der Judenverfolgung und nicht auf die "schrecklichen Verbrechen" danach bezogen habe. Der Vergleich sei deshalb nicht problematisch.

 http://www.mdr.de/thueringen/mitte-west-thueringen/7147546.html


Blick nach Rechts vom 08.03.2010

Rechtspopulistischer Klüngel

Der Bürgermeister von Arnstadt in Thüringen hat gute Kontakte zu den nordrhein-westfälischen „pro“-Truppen und zur FPÖ.

 http://www.bnr.de/content/rechtspopulistischer-kluengel