Bremen: Besetzung FDP-Büro

Mayday-AktivistInnen 06.03.2010 10:55 Themen: Freiräume Soziale Kämpfe
Rund 70 Leute haben gestern die FDP-Landesgeschäftsstelle in Bremen für eine Stunde besetzt - unter dem Motto "Uns reicht's! FDP-Hetze stoppen - für eine solidarische Gesellschaft!!!". Aufgerufen hatten das Bremer Mayday-Bündnis sowie das lokale Bündnis „Wir zahlen nicht für eure Krise“ (wobei hinzuzufügen ist, dass der Aufruf aus naheliegenden Gründen ausschließlich über interne Kanäle verbreitet wurde). Das mediale Echo war beachtlich, Stress mit der Polizei gab es nicht und selbst das Wetter war prächtig...
Der Anlass der Aktion dürfte sich von selbst erklären, insofern sei lediglich noch folgendes ergänzt:

Nicht nur der große Vorsitzende Westerwelle hetzt, auch der Bremer FDP-Vorsitzende Möllenstedt zieht bereits seit Monaten gegen Erwerbslose zu Felde (einschließlich sexistischer und rechtspopulistischer Argumentationsmuster): Anfang Februar forderte er etwa, dass die Gesundheitsämter bei Erwerbslosen die Kosten für Verhütungsmittel bis hin zur Sterilisation übernehmen sollten. Auf diese Weise ließen sich Kosten für Abtreibungen reduzieren. Eine Erhöhung des Regelsatzes sei hingegen nicht ratsam, denn die Empfängerinnen würden das Geld „eher in den nächsten Schnapsladen tragen, als dieses in Vorsorge und selbstbestimmte Familienplanung zu investieren.“ Dass es sich keineswegs um den Ausrutscher eines einunddreißigjährigen Karrieristen handelt ( http://www.oliver-moellenstaedt.de/), ist hierbei an einem Antrag ablesbar, den die lokale FDP erst jüngst in die Bremer Bürgerschaft eingebracht hat – dort heißt es unter anderem: „Statt weiterhin ein unbeschwertes Leben auf Kosten der arbeitenden, leistungsbereiten und die Steuerlast tragenden Teile der Bevölkerung zu versprechen, ist ein Kurswechsel in der Bildungs-, Arbeitsmarkt- und Wirtschaftspolitik Bremens dringender denn je geboten.“

So weit zur FDP – jetzt zur Aktion: Die Aktion hat außerhalb der Öffnungszeiten stattgefunden, deshalb hat als Türöffner ein vermeintlicher Paketbote gedient, er folgten 9 weiteren AktivistInnen, und als diese die Türen besetzt hatten (was nicht sonderlich schwierig war), traten die übrigen 60 Leute auf den Plan. Sofort ging es in den ersten und zweiten Stock, die Fenster wurden geöffnet und Transparente rausgehängt. Kern der Besetzung war eine per Megaphon nach außen 'übertragene' Versammlung für „Würde, Teilhabe und soziale Gerechtigkeit“, wie es im Flugblatt hieß. Konkret wurden Redebeiträge zu Hartz IV, Niedriglohnsektor, Kopfpauschale etc. gehalten. Dabei war es uns insbesondere ein Anliegen, den Zusammenhang zwischen der von rot-grün durchgeboxten Agenda 2010 (Hartz I-IV etc.) und dem hierdurch massiv gewachsenen Niedriglohnsektor (inklusive Leiharbeit) herauszustellen – unter anderem deshalb, weil das Bremer Mayday- und Krisenbündnis in jüngerer Zeit immer wieder bei Schlecker aktiv gewesen ist (also bei einem Unternehmen, welches die in der Agenda 2010 enthalten 'Niedriglohn-Anreize' quasi in Reinform umgesetzt hat):  http://de.indymedia.org/2010/02/272654.shtml

Bemerkenswert war, dass die Bremer Presse binnen einer halben Stunde quasi in Komplettbesetzung aufgelaufen ist (vor dem Hintergrund einer mit Aktionsbeginn zeitgleich verschickten Pressemitteilung sowie parallelen Anrufen). Insofern hat es auch niemandem wehgetan, als wir nach knapp einer Stunde das Gebäude wieder verließen, denn mittlerweile hatte sich die äußerst entspannte Polizei dem Drängen der FDP nicht mehr erwehren können und einen entschiedeneren Polizeieinsatz in Aussicht gestellt. Es bleibt insofern abzuwarten, ob es bei der Anzeige gegen die eine Person bleiben wird, welche während der Aktion als Polizeikontakt fungiert hat. Und noch etwas: Da die in der Bremer Innenstadt gelegene Geschäftsstelle der FDP in einer eher unauffälligen Seitenstraßen zu Hause ist, wurden während der gesamten Aktion im erweiterten Umfeld Flugblätter verteilt, insbesondere am Straßenbahnknotenpunkt „Domsheide“.

Last but not least: Wir haben uns sehr über die spätrömischen Umtriebe in Darmstadt gefreut und denken, dass eigentlich auch andernorts die FDP gezielt unter Druck gesetzt werden sollte...
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Ergänzungen

Flugblatt zur Besetzung

Flugblattverteilerin 06.03.2010 - 11:06
Uns reicht's!

Westerwelle, Möllenstedt & Co. hetzen gegen Arme und Erwerbslose, verdrehen Tatsachen und trommeln für noch mehr Umverteilung von unten nach oben.

Wir haben deshalb um 12 Uhr das FDP-Büro in Bremen besetzt. Zur Zeit findet dort eine öffentliche Versammlung für Würde, Teilhabe und soziale Gerechtigkeit statt

Der FDP-Vorsitzende Guido Westerwelle steht mit seiner aktuellen Hetzkampagne nicht allein. Ob Hessens CDU-Ministerpräsident Roland Koch, der Bundesbanker Thilo Sarrazin (SPD) oder Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt – immer wieder werden Arme und Erwerbslose als Drückeberger und Schmarotzer öffentlich an den Pranger gestellt. Doch selten war das mediale Echo derart groß wie nach den jüngsten Ausfällen des deutschen Außenministers. Um so wichtiger ist es, Westerwelle & Co. Paroli zu bieten – nicht zuletzt in Bremen, wo die lokale FDP schon seit längerem massiv gegen Erwerbslose zu Felde zieht.

Westerwelles Ausführungen zu Hartz IV sind zynisch und verächtlich: Denn der Bezug von Hartz IV hat nicht das Geringste mit „anstrengungslosem Wohlstand“ oder „spätrömischer Dekadenz“ zu tun. Im Gegenteil: Wer Hartz IV bezieht, ist arm. Außerdem sind Erwerbslose gesellschaftlicher Ächtung und ständigen Schikanen durch die Arbeitsämter ausgesetzt. Das ist der Grund, weshalb die allermeisten Hartz IV-EmpfängerInnen bereit sind, selbst mieseste Jobs anzunehmen – Hauptsache Arbeit, ganz egal was.
Westerwelles Behauptung, wonach Erwerbslose häufig gleich viel oder gar mehr Geld erhalten würden als Millionen Beschäftigte, ist sachlich falsch und politisch verlogen. Denn unterschlagen wird, dass erst durch die von der rot-grünen Bundesregierung durchgesetzten Arbeitsmarktreformen (Hartz I-IV) ein riesiger Niedriglohnsektor in Deutschland entstanden ist. So arbeiten bundesweit 22 Prozent aller Beschäftigten (ca. 8 Millionen) für weniger als 9,61 Euro brutto pro Stunde. Entsprechend bewegen sich die Reallöhne heute auf dem Niveau von 1985.
Dass Westerwelles Zahlen manipuliert sind, ist mittlerweile hinreichend bekannt – Anfang der Woche hat beispielsweise der „Paritätische Gesamtverband“ auf der Grundlage von 200 Beispielrechungen dem FDP-Vorsitzenden „bewusste Irreführung“ vorgeworfen. Noch skandalöser ist allerdings, dass Westerwelle versucht, mit Hilfe seines gefälschten Zahlenmaterials NiedriglohnempfängerInnen gegen Erwerbslose aufzuhetzen. Wer so handelt, spielt mit dem Feuer, vor allem wird auf diese Weise die gesellschaftliche Entsolidarisierung auf die Spitze getrieben.

Nicht nur Westerwelle lügt, hetzt und diffamiert. Auch die Bremische FDP ist mit von der Partie, allen voran ihr schneidiger Vorsitzende, der FDP-Bürgerschaftsabgeordnete Oliver Möllenstedt (31): Bereits im November wollte dieser so genannten leistungsunwilligen Hartz IV-EmpfängerInnen „Daumenschrauben“ anlegen. Mittlerweile hat er nachgelegt: Anfang Februar forderte er, dass die Gesundheitsämter bei Erwerbslosen die Kosten für Verhütungsmittel bis hin zur Sterilisation übernehmen sollten. So ließen sich Kosten für Abtreibungen reduzieren. Eine Erhöhung des Regelsatzes sei hingegen nicht ratsam, denn die Empfängerinnen würden das Geld „eher in den nächsten Schnapsladen tragen, als dieses in Vorsorge und selbstbestimmte Familienplanung zu investieren.“ Bei derart menschen- bzw. frauenverachtendem Jargon scheint der Hinweis durchaus angebracht, dass in der Vergangenheit die gezielte Herabwürdigung einzelner Bevölkerungsgruppen immer wieder der Auftakt massiver Diskriminierung bzw. Verfolgung gewesen ist!

Die kalkulierten Tabubrüche von Westerwelle, Möllenstedt & Co. sind kein Zufall. Die FDP steht für gezielte Umverteilung von unten nach oben – ob durch Steuergeschenke an Hotelbesitzer oder die Durchsetzung der Kopfpauschale im Gesundheitswesen. Exemplarisch sei in diesem Zusammenhang erwähnt, dass seit dem Jahr 2000 der Anteil von Unternehmensgewinnen und Zinseinkünften am gesamten Volkseinkommen von 28 auf 39 Prozent gestiegen ist. Die aktuelle Hetze muss insofern als programmatische Begleitmusik verstanden werden, mit ihr soll der politische Boden für Stigmatisierung, soziale Ausgrenzung und Deklassierung geschaffen werden.

FDP-Hetze stoppen – für eine solidarische Gesellschaft!!!

www.mayday-bremen.de +  http://www.kapitalismuskrise.org/bremen/

Medien zur Besetzung des FDP-Büros

Medien-Scannerin 06.03.2010 - 11:18
a) Butten un Binnen (Abendnachrichten im dritten Programm):

 http://www.radiobremen.de/mediathek/index.html?id=025829


b) Weserkurier-Video:

 http://www.weser-kurier.de/Video.html?bcpid=23554037001&bclid=23279387001&bctid=70278594001&refer=homepage


c) Radiomeldung - etwa drei Stunden auf Radio Bremen immer wieder verlesen:

Kritiker besetzen Bremer FDP-Zentrale

Am Freitag haben zwei linke Bremer Bündnisse die FDP-Zentrale in der Innenstadt besetzt. Um zwölf Uhr am Mittag drängten sich ungefähr 70 Besetzer in das Gebäude. Verletzt wurde dabei niemand. Aus den Fenstern der FDP-Zentrale in der Innenstadt hängten die Besetzer heraus. Sie wollten mit der Aktion der FDP die rote Karte zeigen, so ein Sprecher. Denn die aktuelle Debatte um Hartz-Vier-Empfänger, die durch den FDP-Vorsitzenden und Außenminister Guido Westerwelle angestoßen wurde, diffamiere Arbeitslose und spiele sie gegen Niedriglohn-Empfänger aus.
Polizei drohte mit Räumung
Auch der Bremer FDP-Politiker Oliver Möllenstädt habe sich in der Vergangenheit durch beleidigende Äußerungen gegenüber Arbeitslosen hervorgetan, so der Sprecher weiter. Die Besetzung dauerte nur eine knappe Stunde, denn die Polizei drohte mit einer Räumung. Um dies zu verhindern, zogen die Besetzer freiwillig ab. Der Fraktionsvorsitzende der FDP in der Bremischen Bürgerschaft, Uwe Woltemath, kann die Besetzung nicht verstehen. Schließlich sei die FDP in Bremen immer bereit, Diskussionen auch mit Kritikern zu führen.


d) Weserkurier Online/Printausgabe:

 http://www.weser-kurier.de/Artikel/Bremen/125051/Demonstranten–besetzen–Bremer–FDP-Zentrale.html

Demonstranten besetzen Bremer FDP-Zentrale

Von Sebastian Manz

Bremen. Ein Bündnis aus linken Aktivisten und Hartz-IV-Empfängern hat am Freitag die Zentrale der Bremer FDP gestürmt. Etwa 50 Menschen besetzten für eine Stunde das Gebäude in der Innenstadt. Mit der Aktion protestierten die Demonstranten gegen jüngste Äußerungen liberaler Spitzenpolitiker zur Situation von Hartz-IV-Empfängern.
Besetzung FDP Zentrale

Demonstranten verlesen aus den Fenstern der FDP-Zentrale ihre Kritik an den Liberalen.

Waltraud Wedemeyer war allein im Gebäude des FDP-Landesverbandes an der Sandstraße, als es am Freitagmittag an der Tür klopfte. Als die ehrenamtliche Sekretärin öffnete, drängten im Nu Dutzende Menschen an ihr vorbei ins Gebäude. Einer der Eindringlinge erklärte Wedemeyer ruhig aber bestimmt, dass das Haus nun besetzt sei. Die ungebetenen Besucher verteilten sich binnen weniger Augenblicke in den Räumlichkeiten. An der Fassade des gelb getünchten Gebäudes brachten die Demonstranten Transparente an.

Aus einigen Fenstern schwenkten Aktivisten bedruckte Schilder. „FDP Hetze stoppen“ und „Für eine solidarische Gesellschaft“ war auf den Spruchbändern zu lesen. Per Lautsprecher übten die Besetzer ihre Kritik an der Haltung der FDP in der aktuellen Sozialdebatte. Sie warfen führenden FDP-Politikern zynisches Verhalten gegenüber Armen und Erwerbslosen vor. In Anspielung auf Guido Westerwelles Äußerungen hatten sich einige Demonstranten mit Lorbeerkränzen und Weintrauben ausgestattet. Der Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion hatte von drohender spätrömischer Dekadenz bei Hartz-IV-Empfängern gesprochen.

An der Fassade des Hauses brachten Demonstranten Transparente an.

Der eilig herbeigerufene Uwe Woltemath stellte sich einigen Diskussionen mit den Besetzern. „Als dann aber einige Demonstranten anfingen, den Inhalt von Aktenschränken auf dem Boden zu verteilen, mussten wir handeln und haben bei der Polizei Anzeige wegen Hausfriedensbruchs gestellt“, erklärt der Chef der FDP-Bürgerschaftsfraktion.

Kurz nach Eintreffen der Polizei räumten die Demonstranten das Gebäude. Laut Einsatzleiter Thomas Denker verlief die gesamte Protestaktion friedlich. Die Eindringlinge hätten vorübergehend einen gelb-blauen Volleyball entführt, diesen aber nach Aufforderung wieder herausgegeben. Trotzdem ermittelt die Polizei nun wegen Verdachts auf Hausfriedensbruch gegen die Verantwortlichen der Besetzung.

Initiatoren der Aktion waren das Mayday-Bündnis Bremen und das Bündnis „Wir zahlen nicht für eure Krise!“. Unterstützt wurden die linken Aktivisten von einigen Hartz-IV-Empfängern. Das Mayday-Bündnis machte bereits vor einigen Monaten mit einer Besetzungsaktion in Gröpelingen von sich reden. Damals richtete sich der Protest gegen die angeblich unsoziale Personal- und Tarifpolitik der Drogeriekette Schlecker.


e) taz-Nord:

 http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=na&dig=2010%2F03%2F06%2Fa0198&cHash=dcb50ddb12

FDP-Haus besetzt

PROTEST Rund 70 DemonstrantInnen in Bremer Parteizentrale

Eine unangemeldete "Versammlung für Würde, Teilhabe und soziale Gerechtigkeit" haben das Mayday-Bündnis, die Gruppe "Wir zahlen nicht für eure Krise!" und die No Lager-Kampagne am Freitag im Bremer FDP-Haus abgehalten. Die gewaltfreie Besetzung wurde nach einer Stunde von der Polizei aufgelöst. "Wir hätten das ohne Polizei hingekriegt", sagte der Chef der FDP-Fraktion, Uwe Woltemath, "wenn uns Angaben über die Dauer der Aktion gemacht worden wären". Dazu waren die gut 70 DemonstrantInnen aber nicht bereit: "Aus unserer Sicht", so ein Sprecher, "ist mit der FDP ein Dialog nicht möglich". Die Partei setze "konsequent auf Diffamierung von Hartz IV-Empfängern". Damit seien ausdrücklich nicht nur Äußerungen Guido Westerwelles gemeint, sondern auch Angriffe des Bremer Parteichefs Oliver Möllenstädt. Woltemath räumte gegenüber der taz ein, "dass auch wir zur Schaffung von Feindbildern beigetragen haben". Er selbst sei jedoch "immer an Dialog interessiert". BES

20. März Essen - Linke OL mietet Busse

f 06.03.2010 - 13:18
Zur Krisendemo am 20. März in Essen/NRW will die Linke Oldenburg Busse organisieren und sucht Mitfahrer. kapitalismuskrise.org/aktuelles/krisendemo-essen/

FDP-Landesparteitag versenken

Mensch Guido 07.03.2010 - 09:49
Für alle Fans der neoliberalen Weltverbesserer: Am 13. und 14.ten März findet an der Universität Lüneburg der nds. FDP-Landesparteitag statt. Das wird sicher spannend.

youtube-video

Sönke 08.03.2010 - 03:00
Auf Seite  http://www.dielinke-bremen.de ein youtube-video. Ganz interessant!

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glückwunsch — buten-bremer

@buten bremer — Differenzierer