Berlin: Proteste gegen Razzien in Belgien

Antifa Kurdistan 05.03.2010 18:16 Themen: Medien Militarismus Repression Soziale Kämpfe Weltweit
Zwischen 150 und 200 Menschen versammelten sich heute vor dem belgischen Konsulat in Berlin-Mitte um gegen die Razzien und Verhaftungen in Belgien gegen kurdische Politiker_innen, Journalist_innen und Aktivist_innen gestern zu protestieren.
Überwiegend waren die Demonstranten kurdischer Herkunft, doch auch einige deutschsprachige und türkische Linke hatten sich um 14 Uhr vor der belgischen Botschaft in der Jägerstrasse in Mitte eingefunden. Mit Schildern und Sprechchören protestiersten sie gegen die umfangreichen Razzien gegen kurdische Strukturen gestern in Belgien. Sie riefen Parolen wie "Freiheit für alle politischen Gefangenen", "Hoch die Internationale Solidarität" und
"1,2,3, - lasst die Kurden frei!". Schilder in den kurdischen Farben rot/grün/gelb und mit der Aufschrift "ROJ-TV darf nicht verstummen" wurden hochgehalten. Auf einem mitgebrachten Transparent stand "Der Kampf um Befreiung ist International - Solidarität mit der kurdischen Befreiungsbewegung". Neben kurdischen Fahnen waren auch rote Fahnen der Antifaschistischen Revolutionären Aktion Berlin (ARAB) zu sehen.

Insbesondere der Repressionschlag gegen den kurdischen TV-Sender ROJ -TV wurde in Sprechchören wie "Hände Weg von ROJ-TV" immer wieder scharf verurteilt. ROJ - TV ist für Millionen Kurd_Innen in der Türkei, dem Nahen Osten und Europa die einzige Möglichkeit Informationen auf kurdisch und über die kurdische Bewegung zu Beziehen. Dieser Sender, der in der BRD 2008 Verboten wurde, im Moment jedoch wegen Verfahrensfehlern wieder erlaubt ist, wird von Dänemark ausgestrahlt und überwiegend im Belgien produziert. Bei dem Sturm vom teilweise vermummten Spezialpolizisten auf die Studioräume gestern in Belgien wurden mehrere Journalist_Innen, darunter auch die Verantwortliche des Senders verhaftet. Bei der Aktion, an der angeblich auch türkische Sicherheitskräfte beteiligt waren, wurde nach
Angaben von ROJ-TV Mitarbeitern technische Geräte gezielt zerstört, so das der Sendebetrieb zeitweis eingestellt werden musste.

Neben dem Sender ROJ-TV war auch das in Brüssel Ansässige Kurdische Nationalparlament (KNK) und die Europavertretung der BDP betroffen. Die BDP ist die Nachfolgepartei der im
Dezember Verbotenen Kurden-Partei DTP. Mindestens 15 Menschen wurden vorläufig festgenommen, darunter auch wichtige kurdische Exil-Politiker_innen. Erst letzte Woche wurden umfangreiche Razzien gegen kurdische Strukturen in Italien und Frankreich durchgeführt, an der über 300 Polizist_innen beteiligt waren. Auch an der deutsch-holländische Grenze und in Rumänien wurde kurdische Aktivist_innen verhaftet. In ganz Europa und vor allem in der BRD wird in nächster Zeit mit weiteren Repressionsschlägen gerechnet.

Hintergrund sind Vereinbarungen zwischen der Türkei, der EU und der USA das "Störungspotential" der PKK vor Abzug der us-amerikanischen Truppen aus dem Irak zu beseitigen. Um mehr Stabilität (z.b. für Pipelines und Investionen) in die Region zu bringen, soll die kurdische Frage ein weiteres mal gewaltsam gelöst werden. Neben der Zerschlagung der zivil-gesellschaftlichen Strukturen in der Türkei (Über 1500 Festnahmen von DTP und BDP-Mitgliedern, Menschenrechtlern und Bürgermeistern), in Europa (Razzien gegen kurdische Vereine, ROJ-TV, das Kurdische Nationalparlament) wird eine neue grosse Militäroffensive gegen Stellungen der kurdischen Arbeiterpartei PKK in den Bergregionen des Nordiraks vorbereit. Mit der Offensive wird mit Frühlingsanfang in den
Bergen gerechnet.

Gleichzeitig ist zum Anstehenden kurdischen Neujahrsfest "Newroz" mit massiven Polizeiübergiffe gegen Demonstranten und aufstandsartigen Zuständen im kurdischen Teil der Türkei zu rechnen. Auch in diesem Zusammenhang sind die Razzien gegen ROJ-TV zu sehen, den der Fernsehsender ist dem türkischen Staat auch deshalb so ein Dorn im Auge, weil er
immer wieder die Polizeiübergiffe gegen protestierenden Kurden_Innen zeigt, die sonst verschwiegen werden.

Die Kundgebung wurde um 15 Uhr beendet. Die Polizei war die gesamte Zeit sehr massiv vertreten und begleitete die Menschenmenge noch sehr aufdringlich bis nach Kreuzberg.
Festnahmen wurde jedoch nicht beobachtet.
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Ergänzungen

Europaweite Kurdenverfolgung

jungewelt 05.03.2010 - 18:29
Razzien in Brüssel, Verhaftungen in Italien und Frankreich. Angriff auf Roj TV, BDP und Kurdistan-Kongreß

Die belgische Polizei hat am Donnerstag zu einem großen Schlag gegen die kurdische Befreiungsbewegung ausgeholt. Etwa 300 zum Teil mit Sturmmasken vermummte Beamte stürmten in Denderleeuw die Studios des Satellitensenders Roj TV, in Brüssel den Sitz des Kurdistan-Nationalkongresses und die Europavertretung der türkischen Parlamentspartei BDP (Partei für Frieden und Demokratie) sowie etwa 20 weitere Objekte. Nach Aussagen eines Roj-TV-Mitarbeiters wurden Computer und andere technische Geräte zerstört. Mindestens fünfzehn Personen wurden festgenommen, darunter der ehemalige türkische Parlamentsabgeordnete und jetzige Vorsitzendes des Volkskongresses Kurdistan (Kongra Gel), Remzi Kartal, sein Vorgänger Zübeyir Aydar, die Leiterin von Roj TV, Gülsen Emsiz, und mehrere Journalisten.

»Ein Einsatz im Kurdenmilieu im ganzen Land läuft«, sagte die Sprecherin der Staatsanwaltschaft, Lieve Pellens. Die Razzia erfolge im Rahmen des »Kampfes gegen den Terrorismus«. Die türkische Regierung fordert seit langem ein Verbot des in Dänemark zugelassenen Senders, dessen Nachrichten- und Kulturprogramme in türkischer und kurdischer Sprache täglich von Millionen Menschen im Nahen Osten und Europa gesehen werden. Ankara behauptet, bei dem Sender, der regelmäßig Vertreter der kurdischen Befreiungsbewegung zu Wort kommen läßt, handele es sich um einen Propagandasender der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK).

Erst vor einer Woche hatte das deutsche Bundesverwaltungsgericht in Leipzig ein im Sommer 2008 vom Innenministerium verfügtes Verbot von Roj TV im Bereich der Bundesrepublik Deutschland für ungültig erklärt. Dabei waren auch die Leipziger Richter der Meinung, daß Roj TV ein PKK-»Propagandasender« sei. Allerdings bezweifelte das Gericht, daß nach EU-Recht ein in Dänemark lizensierter Sender in Deutschland verboten werden könne. Der Fall wurde an den Europäischen Gerichtshof zur Klärung verwiesen.

Bereits Ende vergangener Woche war es in Italien und Frankreich zu Polizeioperationen gegen mutmaßliche PKK-Mitglieder gekommen. In Italien waren auf Weisung der Staatsanwaltschaft Venedig bei Razzien in acht Städten 76 Kurden festgenommen worden, von denen elf in Untersuchungshaft kamen. Ihnen wird vorgeworfen, Mitglieder für die PKK und deren Guerilla angeworben und ausgebildet zu haben. Unter demselben Vorwurf waren am Dienstag in Paris Anklagen gegen neun zuvor verhaftete Mitglieder kurdischer Kulturvereine ergangen. Den Verhaftungen seien mehrjährige Ermittlungen vorausgegangen, hieß es aus Justizkreisen.

Vor etwa zwei Jahren war ein solches koordiniertes Vorgehen gegen die kurdische Freiheitsbewegung in der »Anti-PKK-Koordination« aus Vertretern der USA, der Türkei und des Irak unter Mitwirkung europäischer Regierungen beschlossen worden. In den vergangenen Monaten waren erneut hochrangige Vertreter der US-Regierung in Ankara, um Maßnahmen gegen die PKK zu beraten.

jw 4.3.2010

PM der Roten Hilfe e.V.

Roter Helfer 07.03.2010 - 17:37
05. März 2010

Pressemitteilung: Massive Repression gegen linke kurdische Bewegung -
Razzien und Festnahmen in Belgien

Einheiten der belgischen Polizei führten in den frühen Morgenstunden
des 4. März 2010 mehrere Razzien in Räumlichkeiten der kurdischen
Freiheitsbewegung durch. Eingesetzt wurden bei diesem massiven
staatlichen Repressionsschlag gleichzeitig mehrere Hundert belgische
BeamtInnen.

Betroffen von diesen Durchsuchungen waren die Räume des kurdischen
Fernsehsenders ROJ-TV, das Gebäude des Kurdischen Nationalkongresses
(KNK) sowie andere Räumlichkeiten und private Wohnungen. Mindestens 11
JournalistInnen und PolitikerInnen wurden bei den Razzien festgenommen.

Mathias Krause vom Bundesvorstand der Roten Hilfe e. V. sagte dazu:
"Die Aktionen der Repressionsorgane in Belgien zeigen wieder einmal
deutlich die enge Vernetzung und Zusammenarbeit zwischen den einzelnen
Staatsschutz-Abteilungen unter dem Deckmantel des so genannten Kampfes
gegen den internationalen Terrorismus."
Weiter führte er aus: "Gerade auch die Zusammenarbeit mit dem
Repressionsapparat eines Staates wie der Türkei, in der linke und
kurdische Aktivistinnen und Aktivisten in allen möglichen Formen
gefoltert werden, ist schlichtweg skandalös, zeigt aber, dass es den
Organen durchaus völlig egal ist, mit welchen Methoden vorgegangen
wird, solange der Feind damit bekämpft wird. Und der steht hier wie
fast immer links."

Bereits vor zwei Jahren hatte es sowohl in Belgien als auch in
Deutschland erste Repressionsschläge gegen die Strukturen des
kurdischen Fernsehens gegeben. So verbot das Bundesinnenministerium im
Juni 2008 den Sendebetrieb des Fernsehsenders ROJ-TV wegen angeblicher
Nähe zur PKK und ließ in einer groß angelegten Aktion die Studios in
Wuppertal schließen und das Vermögen einfrieren.

Die Razzien vom 4. März reihen sich damit ein in eine Welle von
kontinuierlichen Angriffen auf Strukturen der kurdischen Bewegung und
der türkischen Linken.

Als strömungsübergreifende linke Solidaritätsorganisation wird die
Rote Hilfe e. V. auch künftig die mit massiver Repression
konfrontierten kurdischen und türkischen linken Exil-Strukturen nach
ihren Möglichkeiten unterstützen!

Die Rote Hilfe e.V. protestiert hiermit ausdrücklich gegen das
Vorgehen des belgischen Staates und fordert die sofortige Freilassung
der kurdischen Aktivistinnen und Aktivisten sowie die sofortige
Freigabe der beschlagnahmten Materialien!
Keine Amtshilfe für den türkischen Folterstaat!

Mathias Krause für den Bundesvorstand der Roten Hilfe e.V.

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Zeige die folgenden 8 Kommentare an

Sehr schöne Aktion! — ARAB-SYPMP(A)THISANT

Weiter so! — Friedrich Dürr

sprachig — leo

is echt schade — Hans

antinational= — .-.-.