Neu-Isenburg: Antirassistischer Spaziergang

mensch 28.02.2010 15:33 Themen: Antifa Antirassismus Repression
Am Samstag, den 27.02.2010, fand in Neu-Isenburg (Kreis Offenbach) ein antirassistischer Stadtspaziergang statt, der sich gegen Abschiebungen und die so genannte „AG Wohlfahrt“ richtete und den zukünftigen Landrat mit der antirassistischen Kritik persönlich konfrontieren sollte.
Die „AG Wohlfahrt“ stand in der Vergangenheit schon oft in der Kritik: In dieser in ihrer Form einzigartigen Ermittlungsgruppe arbeiten Kreisverwaltung und Polizei zusammen, um (vorwiegend palästinensischen) Flüchtlingen „Idenditätsverweigerung“ und „Sozialleistungmissbrauch“ vorzuwerfen und die Betroffenen anschließend in ihre vermeintlichen Heimatländer abzuschieben. Der Initiator der „AG Wohlfahrt“ ist der nun aus dem Amt scheidende Landrat des Kreises Offenbach, Peter Walter (CDU). Sein Nachfolger, Oliver Quilling (CDU), wird mit dem Amtsantritt als Landrat die Verantwortung für viele Bereiche der Kreispolitik übernehmen – auch für die Existenz der „AG Wohlfahrt“.

Genau aus diesem Grund rief die antifa [ko] unter dem Motto „Amtsantritte kritisch begleiten – AG Wohlfahrt abschaffen!“ und das sozialrevolutionäre & antinationale Bündnis Frankfurt im Rahmen seiner antikapitalistischen Kampagne „3...2...1... uns! Kapitalismus abschaffen!“ zum antirassistischen Stadtspaziergang auf. Zwei Tage vor dessen Amtsantritt sollte der neue Landrat persönlich besucht und dazu aufgefordert werden, die „AG Wohlfahrt“ aufzulösen.

Ab 14 Uhr fanden sich bei strahlendem Sonnenschein und angenehmen Temperaturen bis zu 130 Menschen am Bahnhof in Neu-Isenburg (südlich von FFM, 35.000 EinwohnerInnen) ein. Die Polizei war mit einem übertriebenen Aufgebot und mehreren BFE-Einheiten vor Ort und führte willkürlich Vorkontrollen durch – einige DemonstrationsteilnehmerInnen wurden gar von der Polizei eingekesselt, zur Abgabe ihrer Personalien gezwungen und über 20 Minuten festgehalten.

Auch Oliver Quilling, der Star des Tages, fand sich am Bahnhof ein und betrachtete skeptisch die DemonstrationsteilnehmerInnen und ihre Transparente. Nach einem Redebeitrag, der verlesen wurde, wurde ihm die Möglichkeit gegeben, per Megaphon zu den Demonstranten zu sprechen und sich zur „AG Wohlfahrt“ zu äußern. Quilling sagte, er stehe der „AG Wohlfahrt“ ebenso skeptisch gegenüber, redete hingegen etwas von einem „Ersatz für diese Ermittlungsgruppe“ und verteidigte gleichwohl die Ermittlungsmethoden der „AG Wohlfahrt“ und deren grundsätzliche Aufgabe: So verwies er darauf, dass sich ein Landrat nunmal um „illegal eingereiste Asylbetrüger“ kümmern – also abschieben – müsse. Als den Demonstranten die Äußerungen zu bunt wurden, buhten sie Quilling kurzerhand aus und übertönten mit Parolen wie „No Border, No Nation – Stop Deportation“ sein reaktionäres Gerede.

Anschließend startete die Demo laut und entschlossen. Es wurden die ganze Zeit über Parolen gerufen wie „Widerstand in der ganzen Stadt – schafft die AG Wohlfahrt ab!“ und „Nazis morden, der Staat schiebt ab – das ist das gleiche Rassistenpack!“. Auf Transparenten wurde „eine Welt ohne Nation & Grenzen“ gefordert und dazu aufgerufen, der AG Wohlfahrt das Handwerk zu legen. Angekommen an Quillings Wohnhaus, das von Polizeiwannen und BeamtInnen umstellt war, wurde ein weiterer Redebeitrag verlesen, der die AnwohnerInnen über die Anliegen der Demonstranten aufklären sollte. Des Weiteren wurden während der Demonstration mehrere hundert Flugblätter mit dem selben Text an die vielen interessierten PassantInnen verteilt.

Anschließend ging es weiter; nach einem kurzen Sprint der Demospitze filmten die anwesenden BFE-Einheiten die Demonstration zeitweilig ab. Davon ließen sich die Demonstranten allerdings nicht beirren und so ging es weiter durch die Fußgängerzone, wo ein weiterer Redebeitrag verlesen wurde. Anschließend ging es über die Neu-Isenburger Hauptstraße zur Straßenbahnstation, wo sich der antirassistische Spaziergang schließlich gegen 15:30 Uhr ohne Zwischenfälle auflöste. Gegen 17 Uhr, also rund 3 Stunden nach Beginn der Demo, stand immernoch ein Streifenwagen der Polizei, um die leere Szene zu beobachten. Auch Quillings Haus wurde von der örtlichen Polizei den ganzen Abend über nicht mehr aus den Augen gelassen.

Einige Tage vorher war bekannt geworden, dass die NPD an diesem Samstag einen so genannten „Hessenkongress“ im Raum Offenbach durchführen wollte. Dagegen formierte sich Widerstand: In Offenbach fand am selben Tag eine Demonstration bürgerlicher NazigegnerInnen mit rund 200 TeilnehmerInnen statt. Und auch die antifa [ko] hatte einen „Aktionstag gegen staatlichen & gesellschaftlichen Rassismus“ angekündigt und wollte nach dem Spaziergang in Neu-Isenburg nach Offenbach fahren, um dort den Nazikongress zu stören und zu verhindern. Offenbar aufgrund dieses breit gefächerten Widerstands flüchteten die Nazis der NPD allerdings kurzerhand in den Wetteraukreis in die Nähe von Büdingen. Es war den DemoteilnehmerInnen in Neu-Isenburg leider nicht möglich, mit öffentlichen Verkehrsmitteln zum Kongressort zu kommen, weshalb der „zweite Teil“ des Aktionstages leider ins Wasser fiel.

Der antirassistische Spaziergang war eine Aktion im Rahmen der antikapitalistischen Kampagne des sozialrevolutionären & antinationalen Bündnisses Ffm. Es folgen weitere Aktionen für kostenlosen Nahverkehr, gegen Hartz4 und Leiharbeit und eine Demo gegen Lohnarbeit und Leistungszwang. Infos und Termine unter krise.blogsport.de

Aufruf zum antirassistischen Spaziergang

Aufruf zum Aktionstag gegen staatlichen & gesellschaftlichen Rassismus

Pressemitteilung der antifa [ko] – 27.02.2010

Vorfeldbericht der Frankfurter Neuen Presse: Antifa kündigt Demo an

antifa [ko]

Initiative gegen die AG Wohlfahrt

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Ergänzungen

Redebeitrag autonome antifa [f]

mensch 28.02.2010 - 16:18

Es gibt schlimmeres als den deutschen Staat. Das war nicht immer so. Deshalb bekommt die BRD sogar von vielen Linken und Liberalen Respekt, die ihre Bratwurstbürger und Polithansel sonst widerlich finden. Die Identifikation mit der Nation braucht kein Säbelrasseln und kein Strammstehen, und auch keinen Brandstifterrassismus mehr. Es genügt demnach, wenn sich nur alle Aufenthaltsberechtigten fürs Gemeinwohl ins Zeug legen.

Denn zum 60. Geburtstag der freiheitlich-demokratischen Herrschaft bilanzieren Staat und Bürger ihr Dasein am höchsten Maßstab den es gibt: der Freiheit. Es erscheint als größtes Verdienst der Bundesrepublik, Freiheit durch Recht, Ordnung und sozialen Ausgleich verwirklicht zu haben. Das nationale Patentrezept dafür heißt „soziale Marktwirtschaft“. Nach dem Willen der Kanzlerin soll sie sogar weltweit den Kapitalismus vor seinen eigenen Krisen retten.

Doch damit ist schon alles Wesentliche zur sozialen Marktwirt¬schaft gesagt: Indem sie die ärgsten Ungleichgewichte des Kapitalismus ausbügelt, hält sie ihn im Gleis und erneuert seine Sachzwänge. Die demokratischen Freiheiten, die Deutschland nach Jahren der Reifeverzögerung nunmehr garantiert, garantieren allein das Drehen des Hamsterrads der Konkurrenz der Menschen, der Unternehmen und der Staaten gegen einander - samt der unberechenbaren Krisen und dauernden Frustrationen, die damit notwendig verbunden sind. Das Versprechen der sozialen Marktwirtschaft war, ist und bleibt Ideologie. Die integrative Kraft des „Modells Deutschlands“ zehrt von der Erinnerung an die provinzielle Friedhofsruhe der alten BRD, mit ihrem armseligen Wohlstand. Doch soziale Marktwirtschaft und beinharte Konkurrenz sind kein Widerspruch. Soziale Marktwirtschaft meint nationalen Burg¬frieden in der Weltmarktkonkurrenz, auf ewig gestellt.

Nicht, dass gegen auch nur geringfügige Verbesserung der Lebensverhältnisse etwas einzuwenden wäre. Zu begrüßen ist jede von Lohnarbeit freie Minute. Doch der Appell an den fürsorglichen Staat bewegt sich immer schon im Glauben, Staat und Recht seien Werkzeuge des individuellen und gesellschaftlichen Wohlergehens. Er schreibt ungewollt das allgemeine Elend fort. Jede Anrufung des Staates rückt ein Jenseits des Staa¬tes in weitere Ferne. Jede betriebliche Forderung nach höheren Löhnen hat in der Sprache der Standortkonkurrenz zu sprechen. Jeder Appell an die Nation bestätigt deren Prinzipien: Privateigentum und Konkurrenz, Leistungsdruck und Ausschluss, Zwang zum Selbstzwang, "Schicksalsgemeinschaft" in der Weltmarktkonkurrenz.

Von Gemeinwohl ist daher vor allem dann die Rede, wenn es um Einschnitte und Opfer für Deutschland geht: Um den Sozialstaat zu retten wird er abgebaut. Um das Gesundheitssystem zu erhalten, wird es beschränkt und verteuert. Um die Rente zu garantieren zieht der Staat seine Garantien zurück. Und dem Standort zuliebe muss auf Lohn und Kündigungsschutz verzichtet werden. Eigentlich leben wir in einem der reichsten Länder der Erde. Eigentlich könnte es allen gutgehen. Aber in Wahrheit geht es allen schlecht, nur auf unter¬schiedlich hohem Niveau. Und in der Krise sollen alle ihre Gürtel nochmal enger schnallen, damit Deutschland „gestärkt“ in die nächste Konjunktur starten kann.

Eine Linke, die ihre eigenen Ziele ernst nimmt, muss also immer auch gegen die nationale Gesamtscheiße gehen. Antirassismus heißt Kritik an Staat und Nation, denn die staatliche Diskriminierung von Menschen nach Herkunft und Nutzen folgt der Logik geordneter Standortkonkurrenz: nationale Vorteile sichern, Verantwortung abschieben. Und auch der Alltagsrassismus der deutschen Deppen von NPD und Co. ist vor allem ein Appell ans nationale Privileg: der Staat soll „Deutsche zuerst!“ bedienen. Schul- und Hochschulpolitik sind nur kritisch, wenn sie die staatlichen Mittel und Zwecke der Bildung attackieren: Entwicklung des nationalen Humankapitals, Wissenschaft als Standortfaktor, „Selbstbestimmung“ nur als Training für Konkurrenz und Auslese. Und jede Politik „im Interesse der Lohnabhängigen“ wird zur nationalen Komplizenschaft gegen Lohnabhängige anderswo, wenn sie sich nicht gleichzeitig gegen Staat und Standort richtet. Denn Lohnarbeit, die herrschende Form kapitalistischer Ausbeutung, heisst Arbeit in endloser Konkurrenz, für andere und gegen andere, zusammengehalten durch staatliches Recht, staatliche Aufsicht und nationales Interesse.

Jeder positive Bezug auf Nation und Staat ist ein Angriff auf das schöne Leben und die befreite Gesellschaft. Geben wir diesem Angriff die passende Antwort:

Staat, Nation, Kapital, Scheiße! Gegen die Herrschaft der falschen Freiheit! Kapitalismus abwracken!


www.umsganze.de

dorfmarkt

antifa sfa 01.03.2010 - 13:38
Rumstänkern gegen antisemitismus!!


 http://dorfmark.blogsport.de/

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Presse? — egal

Presse — Prsse