[M] Rekrutierung für Militärübungen

nightshift portier 27.02.2010 17:29 Themen: Militarismus SiKo München
Wie bereits auch in anderen Städten, fand an diesem Sonnabend eine Rekrutierungsveranstaltung der Firmo optronic im Best Western Hotel Cristal statt, die die Anwerbung von Statist_innen für Rollenspiele bei Trainingseinsätzen der U.S. Army zum Ziel hatte.
Mithilfe der hier angeworbenen Personen sollen Einsätze ab Mai 2010 für jeweils drei Wochen auf dem Truppenübungsgelände Hohenfels (zwischen Nürnberg und Regensburg) stattfinden, bei denen die Statisten die Zivilbevölkerung in Krisengebieten darstellen und dadurch ein realitätsnahes Übungsszenario für die Soldaten und somit eine optimale Vorbereitung für deren Auslandsmissionen erreicht werden sollen, das zumindest laut den Vorstellungen des Veranstalters. Dieser wußte auch, daß die Bundeswehr ebenfalls Manöver dieser Art durchführt, allerdings aus Kostengründen auf eigene Angehörige derselben zurückgreifen und auf die kostspieligere aber realitätsnähere Verwendung von 'Civilians on the Battlefield' (COB) verzichten muß. Im Folgenden ein paar Eindrücke von der Veranstaltung, die auch durch eine kleine Gruppe Antimilitarist_innen aufgesucht wurde, um dem Veranstalter ein möglichst realitätsnahes Szenario vom hiesigen Krisengebiet zu bieten.
Im 7. Stock des Hotels gelegen teilte sich die Veranstaltung auf zwei Räume auf. Am Empfang, der von zwei Herren an einem Stehtisch gebildet wurde, erhielt mensch das Informationsblatt für Bewerber_innen, daß über die schlechten Konditionen informierte unter denen drei Wochen Übungsszenario stattfinden sollen. Im ersten Raum, indem sich bereits schon ca. 20 Menschen befanden bekam mensch ein Bewerbungsformular ausgehändigt, daß auszufüllen sei. Es wurden zusätzlich Kopien von den Ausweispapieren angefertigt und Frontalaufnahmen vom Gesicht gemacht. Als drei Personen darauf angesprochen wurden, warum sie an einer Manöverübung teilnehmen möchten, stellte sich heraus, daß sie der Annahme waren, es würden sich hierbei um Statist_innenrollen für einen Film handeln. Eine Frau und ein Herr zerrissen darauf sofort ihre bereits ausgefüllten Unterlagen und stellten klar, daß 'die' ihren Krieg ohne sie führen sollen. Ein anderer Herr schaltete sich in das nun reghaft entbrannte Gespräch ein und lenkte ein, daß aufgrund derartige Mißverständnisse die Sache neu zu bewerten sei. Als einer der Veranstalter dazu aufgefordert wurde vor der ganzen Gruppe klarzustellen, daß es sich hierbei nicht um bloße Dreharbeiten für einen Film handeln solle, sondern um ein militärisches Manöver, zögerte dieser. Angesprochen auf diese Irritation stellte sich im Gespräch heraus, daß es durchaus gewollt sei, daß Menschen unter falschen Annahmen den ersten Schritt der Bewerbung machen. Nebenbei gab es die Möglichkeit einen Englisch-Test zu machen, bei dem es galt Sätze wie zum Beispiel: "A tank got stuck about 3 miles east of our village" oder "Ein Hubschrauber wird Sie heute Nachmittag abholen" und "Unser Rathaus wurde letzte Woche durch ein Feuer zerstört" zu übersetzen. Das Bestehen dieses Tests ist Bewerbungsvoraussetzung. Zusätzlich gab es noch einen Test für die Sprachen Dari, Pashtu und modernes Arabisch, deren erfolgreiches Bestehen darüber entscheiden, ob Schlüsselrollen im simulierten Dorfleben eingenommen werden können oder gar ein Auftritt als Übersetzer_in in Frage kommt. Beides wird entweder mit einem 10 oder 20prozentigen Zuschlag vergütet. Im zweiten Raum der Veranstaltung wurde ein Vortrag über den Ablauf der Manöversimulation gehalten und auftretende Fragen geklärt. Dadurch bot sich die Möglichkeit den konstruktiven Ablauf der Veranstaltung etwas durcheinander zu bringen und die eine oder andere kritische Frage zu behandeln: Ob nun auch Frauen Bürgermeister werden können oder die Gefahr bestünde von schwerem Gerät überrollt zu werden wie auch die Tatsache, daß keine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall erfolgt. Dennoch war der Referent nicht zu müde am Ende klarzustellen, daß die Manöverübung sich kaum von einem Jugendcamp unterscheide und eigentlich eine spaßige Sache sei, so zumindest der Unterton, was von einem Teilnehmer vortrefflich damit kommentiert wurde, daß in seinen Jugendcamps keine Panzer durchgerollt seien. Damit war die Veranstaltung beendet. Unten an der Rezeption des Hotels geriet das Personal in Erklärungsnot, als sie darauf hingewiesen wurden, daß es sich in ihrem Hotel um eine Veranstaltung zur Anwerbung von Rekrut_innen für eine militärische Übung handle. Der Inhalt sei schließlich Sache des Veranstalters, so der Empfang. Die Geschäftsleitung war leider nicht zu sprechen. Draußen verteilten ein paar Antimilitarist_innen Flugblätter, um eine inhaltliche Gegenposition zur Veranstaltung einzunehmen. Die Tatsache, daß einige kritische Stimmen auf der Veranstaltung zu hören waren, veranlassten schließlich einen der Veranstalter sich vor das Hotel zu begeben und das Gespräch mit den hier versammelten Personen zu führen.
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Ergänzungen

...

.... 27.02.2010 - 17:59
COB – „Civilians on the Battlefield“

 http://tinyurl.com/y9mbldw

Mach mit, machs nach, machs besser!

Franze 27.02.2010 - 21:47
Die Stadt, wo das war, ist München - ich sach nur, weil wir hier meistens das Kürzel des Flughafens nehmen [MUC], und nicht das amtliche KfZ-Kennzeichen [M]. Sehr, sehr selten, eigentlich nur in einem blog, wird die Vorwahl 089 verwendet.

Viel wichtiger - dass bei solchen Geschichten viel mehr läuft. Heute waren noch in Nürnberg, Essen und Dotmund Anwerbungen, gabs da irgendeinen Widerstand?

Und wer München toppen will, die nächsten Termine sind in einer Woche, in Frankfurt, Düsseldorf, Stuttgart und Köln. Steht alles hier: us-statisten.de

Gespreäche // Artikel // Flugblatt

egal 28.02.2010 - 23:39
Zur Ergänzung: Niemand, mit dem wir geredet hatten, verteidigte ernsthaft den Krieg in Afghanistan. Die Argumente waren eher: "Naja, ist doch besser wenn die gut ausgebildet sind, dann erschiessen die weniger Zivilisten." Die andere Schiene war, dass so eine Ausbildung doch gut für die Soldaten sei - ohne sich zu fragen was die Soldaten mit diesem Wissen machen.
So eine ganz klare Ablehnung äusserten aber auch die wenigsten.

Auch bei Radio Lora ist ein kurzer Bericht zur Veranstaltung:DD
 http://lora924.de/?p=2056

Dort ist auch das verteilte Flugblatt dokumentiert:

Keine Statisten für den Krieg in Afghanistan!
Seit 2001 eskalieren die NATO-Staaten den Krieg in Aghanistan – ein verarmtes Land in dem 61% der Bevölkerung unterernährt sind. Ein Land in dem gleichzeitig für investierende westliche Konzerne durch neoliberale Wirtschaftsreformen im Rahmen der Besatzung eine der, laut Bundesamt für Außenwirtschaft, „offensten Volkswirtschaften überhaupt“ durchgesetzt wurde. Ziel der NATO-Staaten ist es dabei, sich durch Truppenpräsenz und Unterstützung loyaler Regimes einen strategischen Vorteil bei der Kontrolle über Rohstoffe und Transportwege in Zentralasien zu sichern. Tausende Afghan_innen haben durch diesen Krieg ihr Leben verloren, die Opferzahlen steigen Jahr für Jahr stetig (siehe z.B. Kundusskandal):
Nahe dem Truppenübungsgelände in Hohenfels wird im kommenden Mai wieder für ca. 3 Wochen realitätsnah der US-Militäreinsatz in Aghanistan geübt. Hierzu sucht die Firma Optronic im Auftrag des US-Militärs heute im Best Western Hotel in München Statist_innen, die die afghanischen Bevölkerung bei Einsatzübungen wie dem Erstürmen von Wohnungen, der Durchführung von Konvoifahrten etc. nachspielen sollen. Doch wer sich hier ein paar Wochen Spass bei Kriegsspielen erhofft, wird laut Bericht der Berliner Zeitung enttäuscht: 14 Stunden Einsatz am Tag bei Wind und Wetter, 60 Personen pro Schlafraum – vor einigen Jahren war das Grund für etliche Teilnehmende, die Übung vorzeitig abzubrechen und eine Sammelklage gegen Optronic anzustrengen (1). Solche Details werden in der Ankündigung geflissentlich verschwiegen, Optronic weiss aber, dass die Arbeitsbedingungen für viel zu hart sind. Firmenchef Truppel sagte gegenüber der Berliner Zeitung, dass einige Dutzend Abbrecher_innen im „Rahmen des Üblichen seien“. Die Firma Optronic GmbH ist nicht nur wegen ihrer Zusammenarbeit mit dem US-Militär bekannt, der Geschäftsführer Hans-Werner Truppel machte in den Jahren 2003/04 wegen Lieferungen von Material für die Urananreicherung nach Nordkorea von sich reden (2). Hierfür musste Truppel sich vor dem Stuttgarter Landesgericht wegen gewerbsmäßigem Verstoß gegen das Außenwirtschaftsgesetz und „versuchte Förderung der Herstellung einer Atomwaffe“ verantworten. Zwei Millionen Euro Kaution, hat Truppel der Justiz angeboten, um nach monatelanger Untersuchungshaft nach Hase zu dürfen – diese wurde abgelehnt (3). Was folgte, waren vier Jahre Haft für Herrn Truppel (4), was wohl dazu führte, dass das US-Militär für eine Zeitlang lieber mit der Firma SST zur Anwerbung der Statisten für die Kriegsübungen zusammenarbeitete.

(1)www.berlinonline.de/berliner-zeitung/archiv/.bin/dump.fcgi/2002/0312/berlin/0070/index.html Berliner Zeitung am 12. März 2002

(2)www.spiegel.de/spiegel/print/d-26950121.html Spiegel Online am 28. April 2003

(3)www.spiegel.de/spiegel/print/d-28653197.html Spiegel Online am 22. September 2003

(4)www.heise.de/tp/r4/artikel/17/17662/1.html Heise Online am 18. Juni 2004

www.imi-online.de

womblog.de/2009/11/26/casten-fr-den-krieg-deutsche-firma-wirbt-zivilisten-fr-us-kriegsbungen/

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