[BLN]Polit-Farce: Mauerpark-Beschluss vertagt

Pflasterstrand 26.02.2010 20:43 Themen: Antifa Kultur Soziale Kämpfe
Die verhängnisvolle kommunalpolitische Entscheidung über die Zukunft des Mauerparks in Berlin fand wegen einer langwierig hinausgezögerten Sitzung der BVV Mitte keinen Platz und wird am 18. März neu aufgerollt. Das gewonnene Zeitfenster von drei Wochen gibt für Aktivist*innen nun die Möglichkeit, die Umgestaltung des Mauerparks vor dem Hintergrund von sozialen Umstrukturierungsprozessen in einer kapitalistischen Stadt erneut öffentlich zu thematisieren und gegen die Bebauungspläne zu mobilisieren.
Parlamentarismus-Farce gibt Mauerpark drei Wochen mehr Zeit

Am vergangenen Donnerstag verfolgten etwa 25 Aktivist*innen, darunter Engagierte der Initiative „Freunde des Mauerparks“, „Mauerpark Fertigstellen“, Interessierte, Aufmüpfige oder aus anderen Gründen von den Mauerpark-Plänen des Bezirks Betroffene die öffentliche Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) von Berlin Mitte. Die BVV ist das Kommunalparlament des Bezirks und entscheidet unter anderem über Bebauungspläne von Parkanlagen, die das Bezirksamt daraufhin umsetzt.

Die Sitzung der BVV endete mit einer peinlichen Vertagung der geplanten Mauerpark-Diskussion und Entscheidung auf den 18. März 2010. Der beschämende Ausgang lag insbesondere an den strukturellen Defiziten einer verknöcherten Debattenkultur des auf Mehrheitsentscheidung ausgelegten Parlamentarismus. Der bot auch an diesem Abend ausreichend Platz für rechthaberische Selbstdarsteller (sic! alle männlich) und zog den gesamten Abend grotesk in die Länge. Der BVV war es wichtiger, Missbilligungsanträge gegen Bezirksstadträte abzustimmen und den gesamten Sitzungsverlauf mit persönlichen Eitelkeiten aufzuladen. Die Aktivist*innen ließen es sich nicht nehmen, die formalistische Debatte von der Besucher*innentribüne mit Zwischenrufen und Papierfliegern aufzulockern.

Für die Zukunft des Mauerparks und seine vielen Besucher*innen ist die vorläufige Nichtbefassung der BVV mit dem Thema ein durchaus nicht unvorteilhafter Ausgang. Jeden Sommer finden sich im Park Menschen zum Entspannen, Radfahren, Lieben, Basketball, Kennenlernen, Grillen, verschiedenen Kunstprojekten, Jam-Sessions, den beliebten Karaoke-Veranstaltungen, selbstgemixter elektronischer Tanzmusik oder nächtlichen Parties ein. Darunter Kinder, Erwerbslose, Schüler*inen, alte Menschen, Besucher*innen aus der ganzen Welt, Flaschensammler*innen, Studierende, Familien, und Menschen ohne Wohnung, die im Mauerpark am sozialen Leben teilnehmen können. Die gemeinsame städtische Lebenswirklichkeit, die so entsteht, wird sich durch Bebauungs- und Erweiterungsvorhaben des Bezirks stark verändern.

Wäre es an diesem Abend noch zu einer Diskussion mit abschließender Abstimmung über den Mauerpark gekommen, hätte höchstwahrscheinlich ein Antrag (Link siehe unten) von SPD und Grünen eine Mehrheit bekommen, der für die Kultur des Parks und die weitere Entwicklung des Kiezes schwerwiegende stadtsoziologische Konsequenzen gehabt hätte. Darin vorgesehen ist eine Bebauung der Fläche zwischen Gleimstraße und Ringbahnlinie mit einem neuen „städtischen Wohnquartier“. Im Gegenzug wird der Mauerpark südlich der Gleimstraße bis zur Bernauerstraße nach Westen hin erweitert. Ob und mit was dort bebaut werden darf, dazu äußert sich der Antrag nicht explizit, „die größtmögliche Realisierung der Parkfläche“ soll sichergestellt sein.
Aus politischem Pragmatismus entwarf man diesen Flächendeal mit der Immobiliengesellschaft Vivico, innenstädtische Filetgrundstücke werden hin und hergeschoben wie auf einem Basar, mit den Interessen der Parkbenutzer*innen hat das nichts zu tun.

Ein kritischer Blick lohnt allerdings auch auf den Verein „Freunde des Mauerparks“. Die Flächendeal-Lösung (Nordbebauung im Tausch gegen südliche Parkerweiterung) beruht maßgeblich auf dem Bebauungskonzept des Vereins. Die Freunde des Mauerparks bewerben ihre Gestaltungsskizze damit, dass in zentraler, nördlicher Lage „ein verbindender Wohn- und Lebensort geschaffen“ werde - „mit ähnlichen Qualitäten, die das angrenzende Gleimviertel in Prenzlauer Berg attraktiv machen“. Da wäre es in der stadtsoziologischen Forschung gar nicht uninteressant, auch Bürgerinitiativen mit scheinbarem Protestcharme als charaktermaskenhafte Akteure von sozialen Umstrukturierungsprozessen einer kapitalistischen Stadt ins Auge zu fassen. Das Problem, dass sich selbst bei einer nördlichen Bebauung und südlichen Parkerweiterung das Wohnflächen-Grünflächenverhältnis weiter verschärft, wird auch von den Freunden des Mauerparks nicht gesehen oder nicht thematisiert. Auch ein „attraktives Wohnquartier“ nördlich der Gleimstraße – ohne Gefahr sich zu irren, kann man erwarten, dass es eins im Hochpreissegment sein wird – wird zu Nutzungskonflikten mit Griller*innen, lärmenden Kindern, Fußballspieler*innen, lauthals Lachenden, Musikmachenden usw. mindestens am Falkplatz führen – abgesehen von der weiter hochgeschraubten Spirale der Mietpreisentwicklung. Für solche Zusammenhänge hat man bei den Freunden des Mauerparks offenbar kein Problembewusstsein.

Die Auseinandersetzung „Mauerparkfreunde vs. Bezirk/Vivico“ erinnert ein bisschen an den Scheinkonflikt zwischen dem „Latte-Laptop-Prekariat“ (Andrej Holm) und den Träger*innen des Luxuswohnprojekt „Marthashof“: Anwohnerinitiativen eines bereits umentwickelten Stadteils bekämpfen den fortgaloppierenden Kapitalverwertungsprozess der Immobilie oder des Grundstücks. Als wäre das ein unerklärlicher Vorgang von einem anderen Stern. „Keine Gentrifizierung am Mauerpark bitte, den Chinesischkurs für meinen Sohn und die 20€/qm-Miete will ich mir noch leisten können!“

Die dahinterliegenden Ursachen der urbanen Aufwertung des Lebensumfeldes bleiben durch solche oberflächlich ausgetragenen Konflikte wie den zwischen Bezirk, Freunden des Mauerparks und der Grundstückseigentümerin Vivico verschleiert: Nämlich die selbstzweckhafte Plusmacherei durch Immobilienspekulation und nach sich ziehende Parkaufhübschungen.


Es kommt nun darauf an, in der nächsten Sitzung der BVV-Mitte, am 18. März 2010 um 17.30 Uhr (Parochialstraße 3, U-Bahnhof Klosterstraße) mit vielen Menschen aufzutauchen, denen der Mauerpark und die Entwicklung der sozialen Stadtstruktur nicht gleichgültig sind. Nicht um zu zeigen, dass man für den Kampf um die soziale Stadt für Alle im parlamentarischen Betrieb mitmischt, sondern um durch vielfältige Aktionen zu demonstrieren, dass Parlamente, Fürsprecher*Innen, Repräsentant*innen nicht das letzte Wort haben. Menschen, die durch die strukturelle Gewalt von sozialen Stadtentwicklungsprozessen beeinflusst sind, sollten initiativ werden, den politischen Eliten die Entscheidungsgewalt über ihre Lebens- und Wohnsituation absprechen und deren Gestaltung selbstbestimmt in die Hand nehmen.

Die Sitzung ist öffentlich, Plakate, Schilder, Transparente und alle anderen kreativen Bastelsachen sehen gut aus.

Die Zeit bis zum 18. März wird zur weiteren Mobilisierung und Sensibilisierung für das Thema genutzt werden.

Website des Initiativkreises Mauerpark Fertigstellen
 http://www.mauerpark-fertigstellen.de

Antrag SPD/Grüne (Flächendeal Nordbebauung im Tausch gegen südliche Parkerweiterung)
 http://www.mauerpark-fertigstellen.de/images/beschluss_gruenespd.pdf

Alternativantrag „Mauerpark - mit Grün verbinden - statt durch Bebauung trennen“ der LINKE-Fraktion (weitreichendste Grünflächenrealsierung)
 http://www.mauerpark-fertigstellen.de/images/mauerpark_svendiedrich.pdf

Pressemitteilung des Initiativkreises Mauerpark Fertigstellen vom 20. Februar 2010-02-26 (pdf) (Ablehnung des Grüne-SPD-Flächendeals)
 http://www.mauerpark-fertigstellen.de/images/ausschusspm.pdf
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Ergänzungen

aus- ge- grillt

muss ausgefüllt werden 03.03.2010 - 05:54
mit dem grillen ist bald schluss, den rest des unliebsamen bunten treibens werden die netten anwohner auch bald weg haben...zeit für lofts und latte-to-go. have fun.

 http://www.taz.de/1/nord/hamburg/artikel/?dig=2009%2F06%2F12%2Fa0222&cHash=a234abe2fe

Schwarz, weiss, oder darf es doch etwas Farbe

Alex. 16.03.2010 - 18:18
Vorne weg, ich finde den Artikel in vielen Aspekten und Gedankengängen sehr gelungen. Dennoch fühle ich mich, als Mitglied der "Freunde des Mauerparks e.V." dazu genötigt etwas mehr Farbe in die Geschichte zu bringen.

Das zähe Tauziehen um den Mauerpark, daß nun seit vielen Jahren und Beteiligung vieler Akteure stattfindet, hat so viele Facetten, daß es manchmal schmerz, pauschale Vereinfachungen zu lesen.

Klar ist ein Wohnungsbau nördlich des Gleimtunnels nicht unproblematisch. Auch die bisher kaum erfolgte politische Meinungsbildung innerhalb der BVV-Mitte tut weh. Das Fazit, das in dem Artikel daraus gezogen wird, hilft aber dem Mauerpark nicht weiter.

Eine Problemlösung liegt unserer Philosophie nach in einer intensiven Kommunikation untereinander. Ein runder Tisch mit allen Akteuren. Im konkreten Fall auch mit der Vivico. Somit wirkt die "Auseinandersetzung" in manch Augen natürlich wie ein "Scheinkonflikt zwischen dem Latte-Laptop-Prekariat" und "Immobilienspekulaten".

Im Ergebnis aber sind wir in den letzten Jahren sehr weit gekommen. Aus den vor Jahren angebotenen 2 Hektar wurden nun knapp 6 Hektar. Die anvisierte Bebauung findet ausserhalb des Mauerparks (nach Prof. Lange) statt und die Nutzungen der Gebäude sind darauf ausgerichtet möglichst konfliktarm mit der bekannten, kulturellen Parknutzung zu sein.

Als Freunde des Mauerparks gehen wir sogar noch einen Schritt weiter und suchen aktiv nach möglichen Nutzern, die nicht nur an der Mauerpark-Kultur "weniger stören", sondern den Mauerpark kulturell ergänzen. Dazu haben wir u.a. einen Youtube-Video-Aufruf (Voices of Mauerpark) gestartet, um euren Ideen eine Plattform zu geben.

Parallel zu unseren Bemühungen den Park fertig zu stellen unterstützen wir auch die anderen Initiativen in der Öffentlichkeitsarbeit. Je breiter das politische Engagement aufgestellt ist, um so mehr überzeugt das die Entscheidungsträger.

Es ist Dein Park, gib Deiner Mauerpark-Vision Deine Stimme!

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Zeige die folgenden 2 Kommentare an

weil ja originales fahrradfahren kriminali- — siert wird, könnte man da ja ne fette bahn

"alle männlich" — sackträger nicolaus