Christdemokraten verklagen Pogoanarchisten

Frieda Bomber & MK 21.02.2010 18:12 Themen: Bildung Freiräume Repression Soziale Kämpfe
Der Uniwahlkampf in Heidelberg 2009 hat juristische Folgen.
Kandidaten des »Ring Christlich Demokratischer Studenten« (RCDS) stellen Strafantrag gegen den Spitzenkandidaten der »Pogoanarchistischen Liste – Radikal-demokratische
Chaos Studierende« (RDCS).
Das Amtsgericht Heidelberg verhängte eine Geldstrafe von 350 € wegen Beleidigung in vier Fällen.
Was ursprünglich als Realsatire gedacht war, wird nun unter Umständen vor dem Strafrichter enden. In einem Strafbefehl, wird dem 26-jährigen Studenten eine Beleidigung in vier Fällen vorgeworfen. Hintergrund ist ein von den RDCS verteilter Flyer vor der Neuen Universität in Heidelberg am Wahltag zum AStA. Im Strafbefehl des Gerichts heißt es:

»Die Flyer waren mit dem Text ›Der RCDS kriecht für euch in jedes Arschloch! Bald auch in deinem Arsch! Aaaaaah! Geil!‹ versehen und zeigen neben Aufnahmen der Kandidaten des Rings Christlicher Demokratischer Studenten […] auch ein entblößtes Gesäß. Sie handelten, um die Genannten in ihrer Ehre zu verletzen.«

Laut den RDCS wurde bereits Einspruch gegen den Strafbefehl eingelegt. Der Spitzenkandidat fühlt sich durch die strafrechtliche Ahndung in seinem Recht auf Meinungs- und Kunstfreiheit und seiner Ehre verletzt und will sich nun von einer Anwältin vertreten lassen. In einer internen Verlautbarung der RDCS heißt es: »Da diese AStA-Wahl eine Farce ist, die nur formale Positionen ohne Entscheidungsgewalt besetzt, gründeten 10 Studierende, die APPD-nahe ›Pogoanarchistische Liste – RDCS‹ mit dem Ziel, diese Wahl und alle, die ernsthaft aktiv daran teilnahmen, lächerlich zu machen und bloß zu stellen.« Das scheint ihnen jedenfalls teilweise gelungen zu sein. Die vier Kandidaten des RCDS fühlten sich von dem Flyer derart angegriffen, dass sie unmittelbar die Polizei verständigten, welche die Flyer konfiszierte. Erik Bertram (22), Vorsitzender des RCDS Heidelberg, erklärt das Vorgehen folgendermaßen: »Die Darstellung einiger Personen in einem obszönen, menschenverachtenden und widerwärtigen Kontext entspricht in keiner Weise meiner Auffassung einer demokratischen Willens- und Meinungsbildung an unserer Universität! Wir sahen uns deshalb gezwungen, rechtliche Schritte einzuleiten.«

Nun wird es voraussichtlich zur Hauptverhandlung kommen, sollten Strafantrag oder Einspruch nicht zurückgezogen werden. Und im Juni sind wieder Uniwahlen in Heidelberg, wo das Duell RCDS – RDCS weiter gehen könnte. Politisch stand es 2009 12,7 % (RCDS) zu 3,9 % (RDCS). Juristisch steht es momentan noch 0:0.



Die offizielle Stellungnahme des Angeklagten RDCS-Kandidaten:

"Es sollte ein schmutziger Wahlkampf werden, schonungslos bis aufs Messer. Das tatsächliche Ausmaß der Brutalität das sich nun zeigt, lag jenseits meines Vorstellungsvermögens: Die Christdemokraten vom RCDS waren hoffnungslos verzweifelt, weil die Radikal-denokratischen Chaos-Studierenden mit ihrem überlegenen Programm schon im ersten Versuch 3,9 % der RCDS-Wähler für sich gewannen. Richtigerweise erkannten die Kameraden die Tendenz und bekamen nicht nur Angst, dass der RCDS bei der nächsten Wahl hinter die Pogoanarchisten zurückfallen wird, sondern kamen zu dem einleuchtenden Schluss, dass durch den weltweit erwachenden pogoanarchistischen Mob auch die Existenz der CDU, sowie die aller anderer konservativer Parteien in den nächsten Jahren Geschichte sein wird.
Ein beleidigter, eingeschüchterter und nachtragender RCDS schlägt nun in einem letzten Aufbäumen mit der nagelbestückten juristischen Keule auf wehrlose, kleine pogoanarchistische Mädchen mit blonden Zöpfen um ihnen ihre Süßigkeiten zu klauen.
Ich bin angewidert und fühle mich beleidigt und in meiner Ehre verletzt."
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Ergänzungen

Irreführender Titel

Lee 21.02.2010 - 20:39
Der Titel führt etwas in die Irre und ist inhaltlich falsch. Der RCDS "verklagt" hier niemanden. Es handelt sich schließlich nicht um einen Zivilprozess. Der RCDS hat allenfalls Strafantrag gestellt, weshalb die Staatsanwaltschaft jetzt einen Antrag auf Erlass eines Strafbefehls gestellt hat. Diese "klagt" also "an"... Natürlich kann man dagegen Einspruch einlegen und dann wird das ganze vor dem Strafrichter in einer öffentlichen Hauptverhandlung verhandelt. Kleiner, aber feiner Unterschied!

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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supi!

innovativ 21.02.2010 - 18:37
Das ist ja mal ne ganz neue politische Aktionsform. Toll, nicht abgekupfert, keine ausgelutschten Konzepte, wirklich innovativ! Vorbildlich!
Und immer dran denken:

Wer zweimal mit der selben pennt, gehört schon zum establishment!

Gestern fiel in China

ein Sack Reis um 21.02.2010 - 19:24
Appd und RCDS zicken rum im superrelevanten Asta-Wahlkampf in Heidelberg. Was das mit mir zu tun haben könnte? Nichts

Weiter so!

keule kollontai 21.02.2010 - 19:48
Solange ein professionelles Bombardement der Scheißstadt Heidelberg mangels funktionstüchtiger Luftstreitkräfte bis auf weiteres nicht durchführbar ist, kann man das neckische Nagen an den Säulen der bürgerlichen Gesellschaft mit dem Ziel ihrer emanzipatorischen Überwindung doch eigentlich nur unterstützen...?

Weiter so!

transit 22.02.2010 - 09:39
Diese Art des Widerstandes, vor Lachen auf die Schenkel klatschen, gegen Machtstrukturen macht garantiert Spaß. Mehr davon :-)

bähh

mike 22.02.2010 - 10:22
nich grad ne neue idee, inner uni mit ner spaß-liste annen start zu gehen.
warum habter eure uni nich schon längst abgefackelt? wat ne scheisse!

sabotage wäre auch ohne liste möglich gewesen. der sitz innem parlament ist der beste weg zum (linken)/bürgerlichen spießertum...

muahahahaha :)

p.p. 22.02.2010 - 11:35
...das Plakat ! :)

@lee

ist ziemlich egal 22.02.2010 - 11:42
wenn die staatsanwaltschaft einen strafbefehl beantragt und ein richter den unterschreibt, ist das meines wissens nach kein zivilprozess. die staatsanwaltschaft hat im zivilprozess garnichts verloren... ich würde er sagen da wurde wer angezeigt, es wurde keine aussage gemacht und daraufhin hat die staatsanwaltschaft einen strafbefehl erwirkt.. das ist gängige praxis. falls also mal jemand wegen ner nichtigkeit verurteilt werden will, einfach briefe ignorieren =)

und aus erfahrung an die lustigen menschen =)
schreibt auf keinen fall einspruch oder sowas... das macht es ungültig und der strafbefehl ist rechtskräftig... es sollte zB "Sehr geehrte Damen und Herren, Hiermit widerspreche ich dem Strafbefehl vom ...." Ein Grund muss nicht angegeben werden, ein Richter wird die mündliche Hauptverhandelung einberufen und dann seid ihr in erster Instanz....

rein theoretisch ist ebengenau diese geschichte was fürs zivilgericht... und nicht für die strafverfolgung...
wenn ihr nen anwalt habt wird der sicher mal mit der staatsanwaltschaft den kontakt suchen...


falls alles in die hose geht, auch egal, lustig wars und das zählt =)

@mike

Corts 22.02.2010 - 12:39
Wer gerade weiß was in Heidelberg abgeht, dass dies Spaßliste wirklich nur Spaß ist.
Die eigentlich politische Arbeit wird gerade durch Basisgruppen gemacht ,die sich unter einander dezentral vernetzen.

Daher erst infomieren dann lästern.

Für mehr Kommunikationsguerilla an Schule, Uni und überhaupt

Wie viele Leute...

Pogo 22.02.2010 - 13:21
...doch Angst davor haben, bürgerlich zu werden oder zum Establishment zu gehören...

Merke: Es gibt keine falsche Aktion für die richtige Sache!

kleine Anmerkung

Entdinglichung 22.02.2010 - 14:00
Realsatiren haben es an sich, dass sie nicht als solche konzipiert wurden sondern ernst (d.h. nicht als Satire) gemeint waren; die Realsatire in der Sache ist nicht der Flyer sondern die Reaktion des RCDS

@Lee

blaaaa 22.02.2010 - 14:01
Dann setz für dich in Gedanken ein "Zeigt an" ein. Ob rechtlich "verklagen"der richtige Begriff ist oder "anzeigen" (es war ja der RCDS der das ganze zur Anzeige gebracht hat) macht FAKTISCH keinen Unterschied. Das ist nur kleinkarierte Haarspalterei über Begrifflichkeiten

Schnell eine Champagner Flasche köpfen!!!!

Muhahahahuhaha 22.02.2010 - 14:28


Der Münchener Rechtsanwalt Günter Freiherr von Gravenreuth hat sich das Leben genommen. Als "Abmahnanwalt" wurde er bereits Anfang der 1990er Jahren mit den so geannten "Tanja-Briefen" bekannt und stieß mit massenhaften Abmahnungen gegen Internetseiten, Forenbetreiber und Privatpersonen auf Kritik. Durch seine Abmahnpraxis gelangte er im Internet zweifelhaften Ruhm. Im Februar 2009 wurde er wegen Betruges zu 14 Monaten Haftstrafe verurteilt, die er Ende Februar 2010 hätte antreten sollen.

Quelle:  http://computer.t-online.de/selbstmord-anwalt-guenter-freiherr-von-gravenreuth-ist-tot/id_21833204/index

Immernoch Ushermittwoch ?

Mein Name 22.02.2010 - 22:38
kleine nicht zum thema passende Frage ? Warum hat Satan seine eigene Dimension bekommen
obwohl er gegen Gott rebellierte ? Und warum wird eines von Gottes Geboten: du sollst nicht verblöden wie auch alle anderen ständig gebrochen. Behaltet diese christlichen Spinner mal im Auge wegen studentenpartys und Sex vor der Ehe. Vielleicht machen die ja alle bald in der CSU karriere. Waffenhandel mit christlichen Ehrenkodex oder so.

@istziemlichegal

Lee 24.02.2010 - 22:04
Eben, das habe ich doch gesagt: Es ist gerade KEIN Zivilprozess. Und genau deshalb ist der Ausdruck "verklagt" hier falsch.

@blaaa

Lee 24.02.2010 - 22:10
Du magst es als "kleinkarierte" Streiterei über Begrifflichkeiten ansehen und ich finde genau da liegt oftmals das Problem in der Linken. Man macht sich über Begrifflichkeiten eben keine Gedanken mehr.

Indem in dem Artikel behauptet wird, dass der RCDS die linke Gruppe "verklagen" würde, zeigt sich meiner Ansicht nach ein ziemlich falsches Verständnis der deutschen Justiz. Es ist eben ein erheblicher Unterschied, ob das "Recht", jemanden zu bestrafen und daher auch anzuklagen, in einem Staat nur dem Staat zusteht oder auch Privaten. In der Linken wird oftmals gar nicht der Unterschied zwischen Straf- und Zivilprozessen gesehen, beides wird nur konfus als repressive Maßnahme wahrgenommen (vgl. dazu nur die Artikel auf indy über Hanna Poddig).

Die Mühe, REFLEKTIERT Kritik zu üben, müssen wir uns schon machen...