Berlin: Verfahren wieder aufgenommen

Engarde-Soligruppe 18.02.2010 17:31 Themen: Antifa Repression
Nachdem der Prozess gegen Christoph T. im Oktober ausgesetzt wurde und auch das Verfahren gegen Alexandra R. zwischenzeitlich in einen Freispruch gipfelte, wurden in Christophs Fall unlängst zwei weitere Verhandlungstage angesetzt. Mittlerweile liegt das chemische "Obergutachten" vom BKA vor.
Christoph T. war am 17. Juni 2009 unter dem Tatvorwurf der KFZ-Brandstiftung in Berlin-Friedrichshain festgenommen worden. Nachdem die Gerichte anfangs keinen dringenden Tatverdacht erkennen konnten, klagte die Staatsanwaltschaft durch drei Instanzen, bis das Kammergericht am 15. Juli 2009 einen Haftbefehl erließ. Als Christoph am ersten Verhandlungstag durch Vorlage eines chemischen Gutachtens der Anklage umfassend entlastet wurde, saß er bereits 96 Tage in Haft.

Der Skandal erschöpfte sich nicht darin, dass den Ermittlern das Gutachten bereits seit dem 13. Juli 2009 vorlag, nein, anstelle einen Freispruch zu fordern, zeigten sich die Anklagevertreter, Staatsanwältin Pamela Kaminski und Oberstaatsanwalt Thomas Schwarz, unbeeindruckt und beantragten lediglich, das Verfahren auszusetzen. Begründet wurde dies damit, dass die Anklage nunmehr begonnen hätte, ihren eigenen Zeugen in Zweifel zu ziehen. So erachtete Kaminski die Methodik, mit welcher das chemische Gutachten erstellt worden war, auf einmal als ungenügend. Sie beantragte die Anfertigung eines neuen, sogenannten Obergutachtens durch das Bundeskriminalamt (BKA) in Wiesbaden.

Dr. Schäfer vom BKA KT 15 legte im Dezember 2009 das neue Gutachten vor: Der Sachverständige erklärte darin, dass für das Erstgutachten verwandte Analysemethode international etablierten Standards entsprochen habe, zudem seien die von der Staatsanwaltschaft geforderten Rückschlüsse auf Art und Zeitpunkt einer Kontamination mit Lampenöl technisch unmöglich anzustellen. So unterstützte er die Feststellungen des Erstgutachtens vollumfänglich, ferner sei ein Inbrandsetzen mittels flüssigen Brandbeschleunigers, insbesondere mit schwerentzündlichem Lampenöl, im konkreten Fall unwahrscheinlich und ein technischer Defekt könne nicht ausgeschlossen werden - im Hinblick auf die Ermittlungen des Berliner LKA 533, welches dieser Spur nie nachging und das beschädigte Fahrzeug nur wenige Stunden nach dem Brand zur Verschrottung frei gab, ein weiterer Skandal.

Auch wenn das BKA-Gutachten für uns erfreulich ist, wirft es doch neben den Christoph entlastenden Feststellungen auch ein bezeichnendes Licht auf die Tätigkeit von Gerichten, Staatsanwaltschaft und polizeilichem Staatsschutz, so war doch von vorne herein klar, dass es für sich genommen keinen Einfluss auf den Verfahrensausgang haben würde. Denn auch die entgültige Erfoschung aller chemischen Sachverhalte vermag nichts daran zu ändern, dass nicht mehr zu klären ist, wie das Fahrzeug in Brand geraten ist, ob dabei mit Brandbeschleunigern hantiert worden ist oder ob es sich ursächlich nicht doch bloß um einen technischen Defekt gehandelt hat.

In Anbetracht des enormen politischen Drucks, unter dem die bislang erfolglose Staatsanwaltschaft steht, bleibt es dennoch spannend. Wir rufen dazu auf, die kommenden Verhandlungstage zu besuchen und Christoph zu zeigen, dass er dieser massiven Repression nicht allein gegenüber steht.


3. Prozesstag:
02. März 2010 - 9:00 - Landgericht Berlin (Turmstr. 91) - Raum 504
4. Prozesstag:
05. März 2010 - 9:00 - Landgericht Berlin (Turmstr. 91) - Raum 504


Bisherige Berichterstattung über Christophs Fall:
2. Prozesstag, Christoph (Bericht)
2. Prozesstag, Christoph: Justiztheater in Berlin (Kurzmitteilung)
1. Prozesstag, Christoph (Bericht)
1. Prozesstag Christoph: Christoph ist draußen (Kurzmitteilung)
Der Fall Christoph T. (Hintergründe)
Creative Commons-Lizenzvertrag Dieser Inhalt ist unter einer
Creative Commons-Lizenz lizenziert.
Indymedia ist eine Veröffentlichungsplattform, auf der jede und jeder selbstverfasste Berichte publizieren kann. Eine Überprüfung der Inhalte und eine redaktionelle Bearbeitung der Beiträge finden nicht statt. Bei Anregungen und Fragen zu diesem Artikel wenden sie sich bitte direkt an die Verfasserin oder den Verfasser.
(Moderationskriterien von Indymedia Deutschland)

Ergänzungen

jaja, schon klar

erni 18.02.2010 - 21:57
das abgefackelte kfz wurde mit sicherheit nicht einige tage nach dem brand zur verschrottung freigegeben. abgefackelte fahrzeuge werden allesamt als beweismittel sichergestellt und in einer großen halle bis zum abschluss des verfahrens in berlin gelagert. und was nen technischen defekt angeht; dass sich nen geparktes auto mal eben selbst entzündet ist auszuschließen. was allerdings noch kein beweis gegen irgend jemand ist.

also künftig ein bißchen mehr objektivität bitte.

@Erni

hxcbdez 18.02.2010 - 22:33
Zitat aus den Bericht zum ersten Prozesstag : "...Als nächstes wurde die Halterin des geschädigten PKW aufgerufen. Die Zeugin Lipski aus Templin hätte den Wagen ca. eine Stunde vor Entdeckung des Brandes in der Pettenkofer Straße abgestellt. Gegen 23 Uhr sei sie von der Polizei telefonisch über den Vorfall informiert worden. Am nächsten Morgen sei ihr das Fahrzeug von der Polizei übergeben worden, worauf hin sie es an einen Ersatzteilehändler verkauft hätte. Da der Wagen vollkaskoversichert gewesen sei, habe sie nach ca. eineinhalb Wochen ein neues Auto bekommen...."

 http://engarde.blogsport.de/2009/10/22/1-prozesstag-christoph/

...

bert 19.02.2010 - 00:12
Tja erni, bleibt die Frage, weshalb es das Berliner LKA in diesem Fall so eilig hatte, dieses, ansonsten so sorgsam konservierte Beweismittel, verschinden zu lassen. Und ist es denn die Regel, dass ermittelnde Polizeibeamte ohne entsprechende Sachkenntnis die Entscheidung darüber treffen, dass ein technischer Defekt (z.B. Kabelbrand) nicht geprüft werden muss? In Christophs Fall wars so... Ein Schelm, wer Böses denkt.

zu erni

gähn 19.02.2010 - 01:02
"und was nen technischen defekt angeht; dass sich nen geparktes auto mal eben selbst entzündet ist auszuschließen."

Das schreibst du mit genauso viel Ahnung von der Materie, wie die "Brandgutachterin" vom LKA. Wem soll man mehr glauben schenken, dir und der "Brandgutachterin", die im Prozess ausgesagt hat, dass sie sich mit technischen Defekten nicht auskennt oder aber dem am ersten Prozesstag geladenen Brandgutachter, sowie dem Sachverständigen vom Bundeskriminalamt, die beide einen technischen Defekt nicht ausschließen wollen? ;)

Sicherheitsverfügung & Raumänderung

Engarde-Soligruppe 26.02.2010 - 18:10
Am 26. Februar wurde bekanntgegeben, dass für die kommenden zwei Prozesstermine gegen Christoph T. eine Sicherheitsverfügung erlassen wurde. Die Verhandlungstage finden nun nicht mehr, wie ursprünglich angesetzt, im Saal 504 statt, sondern in den Hochsicherheitssälen 700 bzw. B129. Da vor Betreten des Gerichtssaal wieder mit umfangreichen Vorkontrollen zu rechnen ist, wäre es ratsam, schon eine halbe bis dreiviertel Stunde vor Verhandlungsbeginn zu erscheinen.

3. Prozesstag:
02. März 2010 – 9:00 – Landgericht Berlin (Turmstr. 91) – Saal 700

4. Prozesstag:
05. März 2010 – 9:00 – Landgericht Berlin (Turmstr. 91) – Saal B129

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Zeige die folgenden 2 Kommentare an

@ erni — haha

auch gehört — unwichtig