Freispruch für Edith Bartelmus-Scholich

prozessbeobachter 17.02.2010 23:27 Themen: Antirassismus Repression
Am 16.2.2010 wurde die Online-Redakteurin Edith Bartelmus-Scholich freigesprochen. Sie war zu einer Geldstrafe von 12000 Euro verurteilt wurden, weil die Online-Plattform Scharf-Links, für die Bartelmus-Scholich presserechtlich verantwortlich ist, einen Prozessbericht veröffentlichte, in dem sich ein Richter des OLG Düsseldorf beleidigt fühlte.
Am 16.2. wurde vor dem Amtsgericht Krefeld der Widerspruch des Online-Portals "Scharf Links" gegen eine Verleumdungsklage des Oberlandesgerichts Düsseldorf verhandelt. Das OLG Düsseldorf warf der verantwortlichen Herausgeberin von "Scharf Links" Edith Bartelmus-Scholich vor, eine Erklärung der Roten Hilfe e. V. veröffentlicht zu haben, mit der sich diese zur Beugehaft gegen den aus der Türkei stammenden linken Aktivisten Nuri Eryüksel äußerte.
Über 30 solidarische ProzessbeobachterInnen konnten mit verfolgen, wie die Angeklagte Edith Bartelmus-Scholich und ihr Anwalt, die Verleumdungsklage zerpflückten. Eine Verleumdung im Sinne der Anklage liegt laut Rechtsprechung nämlich erst dann vor, wenn die verantwortliche Redakteurin wissentlich falsche Aussagen verbreitet hätte. Die angestrengte Verleumdungsklage über den von allen Seiten als überdimensional bezeichneten Geldbetrag von 12.000 Euro ging ins Leere, da die Betroffene Online-Redakteurin weder der Ursprung der inkriminierten Meldung war, noch selbst bei dem im Bericht behandelten Prozesstermin anwesend war. Selbst die Staatsanwaltschaft kam nicht umhin auf Freispruch zu plädieren. Von dieser Tatsache ausgehend ist es zwar immer noch möglich aber eher unwahrscheinlich, dass die Staatsanwaltschaft ein Revisionsverfahren anstrebt.


Justizkampf im Verfahren gegen Faruk Ereren

Das Verfahren gegen Ereren hat wie fast alle Verfahren gegen türkische und kurdische Linke wenig mediale Öffentlichkeit in der Linken und gar keine in der liberalen Öffentlichkeit. Und doch ging der Prozess gegen Faruk Ereren bisher nicht reibungslos über die Bühne. Es gab engagierte ProzessbeobachterInnen, die es sich nicht nehmen ließen, den Gefangenen zu grüßen, auch wenn die Justizordnung es verbietet. Dafür ließ der verantwortliche Richter den Saal räumen und ein Dutzend ProzessbesucherInnen über eine Stunde in einen Raum des Gerichtsgebäudes einsperren. Daraufhin besuchte Ulla Jelpke in ihrer Eigenschaft als MdB der Linkspartei den Prozess und schrieb auch einen Brief an die verantwortliche NRW-Justizministerin, wo sie auf die repressive Prozessführung hinwies. Das heißt, die Verantwortlichen waren über den kleinen aber nicht wirkungslosen Prozess-Widerstand verärgert.

Dazu gehören die AktivistInnen einer Ortsgruppe der Roten Hilfe, die regelmäßig Öffentlichkeit im 129-B-Verfahren gegen den türkischen Migranten Faruk Ereren herstellen. Ihm werden legale Aktivitäten in der in der Türkei und Deutschland verbotenen Volksbefreiungsfront (DHKPC) vorgeworfen. Doch weil die Organisation auf der Terrorliste von EU und UN gelandet ist, sind alle Aktivitäten, die diese Organisation unterstützen könnten, sofort selber kriminell und terroristisch.

12000 Euro Strafe
Ohne jede Ankündigung erhielt die presserechtlich Verantwortliche von Scharf-Links Bartelmus-Scholich einen Strafbefehl in Höhe von 12000 Euro. Ein in dem Online-Magazin veröffentlichter Prozessbericht der Ortsgruppe Düsseldorf-Mönchengladbach zum Verfahren gegen Faruk Ereren soll den verantwortlichen Richter beleidigt haben. Es gab weder das Ansinnen auf eine Gegendarstellung noch eine andere Reaktion auf den Beitrag, sondern gleich den Strafbefehl mit der immens hohen Summe, was den politischen Charakter des Verfahrens deutlich macht.
In dem inkriminierten Text wurde ein Verhandlungstag beschrieben, in dem gegen den Zeugen Nuri Eryüksel Beugehaft verhängt wurde. Er hatte es abgelehnt, über die Strukturen der türkischen Exilorganisation Aussagen zu machen, weil er sich dabei selber belasten könnte. Das Gericht bestand aber auf seine Zeugenaussage und erließ dann die Beugehaft, die noch im Gerichtssaal vollstreckt wurde. Dieses Vorgehen sorgte unter den ProzessbeobachterInnen für besondere Empörung, weil Eryüksel mehrere Jahre in türkischen Gefängnissen inhaftiert war und dort auch gefoltert wurde. Er hat mittlerweile auch als Spätfolge der Folter sein Augenlicht verloren.
Die ProzessbeobachterInnen schreiben in ihrem Bericht dem zuständigen Richter nach der Verkündung der Beugehaft eine Bemerkung zu, die von vielen Ohrenzeugen als zynisch empfunden wurde. Dort soll der Richter mit Verweis auf Eryüksels Erblindung erklärt haben, dass er vielleicht in der Beugehaft zur Erleuchtung komme. Der Richter bestreitet diese Äußerung. Mehrere ProzessbeobachterInnen, darunter ein Anwalt und ein Vertreter des Komitees für Grundrechte können sich an eine von ihnen als zynisch empfundene Äußerung des Richters erinnern. Im Prozess gegen Bartelmus-Scholich spielte diese Frage keine Rolle.

Weitere Verfahren drohen

Aber die Angelegenheit dürfe weiter die Gerichte beschäftigen.
Auch gegen Wolfgang Lettow, der für das Gefangeneninfo presserechtlich verantwortlich ist, wird ermittelt. Die Publikation hat den Prozessbericht der Roten Hilfe ebenfalls veröffentlicht. Ein Prozesstermin steht noch nicht fest. Es wird aber schon in der zweiten Märzhälfte damit gerechnet. Das Verfahren wird in Berlin stattfinden. Achtet auf weitere Infos.
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Ergänzungen

Neues Deutschland 17.02.2010

Presse 21.02.2010 - 13:37
schon am Mittwoch im ND:

Freispruch für Online-Magazin scharf-links.de

Das Amtsgericht Krefeld gab am Dienstag der Betreiberin des Webportals »scharf links« in einem Streit mit dem Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf recht. Die verantwortliche Online-Redakteurin Edith Bartelmus-Scholich hatte Widerspruch gegen einen Strafbefehl wegen Verleumdung eingelegt. Die Düsseldorfer Richter sahen sich durch die Veröffentlichung eines Prozessberichts der Roten Hilfe diffamiert, in der über eine vom OLG verhängte Beugehaft gegen den aus der Türkei stammenden linken Aktivisten Nuri Eryüksel berichtet wird.

Eine Verleumdung im Sinne der Anklage liege, so führte der Anwalt der Redakteurin aus, erst dann vor, wenn die verantwortliche Person wissentlich falsche Aussagen verbreitet hätte. Auch die Staatsanwaltschaft plädierte am Ende auf Freispruch. Vor über 30 solidarischen Prozessbeobachtern gab das Krefelder Amtsgericht dem Widerspruch der Redakteurin statt, da sie weder der Ursprung der inkriminierten Meldung war noch selbst bei dem in der veröffentlichten Erklärung genannten Prozesstermin anwesend war. Im März wird in Berlin auf der Grundlage desselben Sachverhalts ein Widerspruch des »Gefangenen Info«-Herausgebers verhandelt.