2. Verfahren gegen WaldbesetzerInnen

Ausgeschlossene 17.02.2010 23:00 Themen: Blogwire Repression Ökologie
Heute stand eine Umweltaktivistin in Rüsselsheim vor Gericht. Ihr wird vorgeworfen, im Kelsterbacher Wald die Rodung für die neue Frankfurter Flughafen-Landebahn durch Besetzung behindert zu haben. Als Geschädigte wird dabei immer wieder die FRAPORT genannt, obwohl der betroffene (inzwischen nicht mehr vorhandene) Wald immer noch im Besitz der Stadt Kelsterbach ist.
Fraport hatte nach der Räumung der Besetzung in der Presse verkündet, dass dadurch für sie alle Repressionen abgeschlossen seien. Doch die aktuelle Strafverfolgung wird durch die Strafanzeige der Fraport aufrecht erhalten...
Solidarität und Entschlossenheit gegen staatliche Repression

Eingangskontrollen
Der Prozessbeginn verzögerte sich um etwa eine halbe Stunde, weil die Richterin nicht kam und die ZuschauerInnen Eingangs- und Ausweiskontrollen über sich ergehen lassen sollten. Nur 15 Personen inklusive Presse sollten zugelassen werden, wobei die schon mit 8 Personen vertreten war. Über diese Einschränkung und die Kontrollen äußerten die Zuschauer ihren Unmut, und noch vor Eröffung des Prozesses ließ die Richterin den Saal bis auf die PressevertreterInnen komplett räumen. Unter rüdem Schieben und Schubsen wurden die ZuschauerInnen nach draußen befördert. Dort äußerten sie wiederum ihren Unmut gegen diese weitere Unrechtmäßigkeit, dem Ausschluss der Öffentlichkeit. Es war sehr laut und bunt im Foyer vor dem Gerichtssaal. Die Richterin ließ sogar die Tür von innen abschließen. Die Übereinstimmung mit Brandschutzbestimmungen ist fraglich. Außerdem die Einschränkung der Bewegungsfreiheit der Angeklagten und PressevertreterInnen. Nicht einmal später hinzugekommene ZuschauerInnen wurden in den Saal gelassen.

Verhandlung unter Ausschluss der Öffentlichkeit
Währenddessen war das Schicksal der Angeklagten völlig unklar. Der Sitzungssaal befand sich zwar im Erdgeschoss und hatte eine große Fensterfassade, doch die wurde von innen und außen mit Jalousien verschlossen. Die Kontaktaufnahme zur Angeklagten von draußen sollte durch Polizeibeamte, die sich davor postiert hatten, verhindert werden.
Im Gerichtssaal wurde die Angeklagte immer wieder von der Richterin in ihrer Prozesstaktik behindert. Ein leider übliches Phänomen für Angeklagte, die sich ohne Anwalt verteidigen. Vier Befangenheitsanträge stellte die Angeklagte gegen die Richterin noch bevor der Prozess richtig begonnen hatte. ZB wurde der Angeklagten die komplette Akteneinsicht erst nach Einschalten eines Anwalts gewährt. Die Entscheidung über diese Anträge war ebenfalls ein Grund für die Vertagung der Verhandlung.

Getümmel vor dem Gerichtssaal
Anlässlich des Mega-Rauswurfs sangen die Ausgeschlossenen folgendes Lied:

Zehn kleine Zuschauer,
die saßen im Gericht.
Den einen mocht' der Richter nich',
da waren's nur noch neun.

Neun kleine Zuschauer,
die haben mitgedacht.
Der eine hat noch mal gelacht,
da waren's nur noch acht.

Acht kleine Zuschauer,
die haben mitgeschrieben.
Den einen sah der Staatsanwalt,
da waren' nur noch sieben.

Sieben kleine Zuschauer,
die waren ganz perplex.
Der eine ging zur Tür hinaus,
da waren' nur noch sechs.

Sechs kleine Zuschauer,
die wollten noch was fragen.
Der eine wurde rausgetragen,
da waren' nur noch fünf.

Fünf kleine Zuschauer,
die schrien: „Das Volk sind wir!“
Frau Richter sagt, das zählt nicht hier,
da waren' nur noch vier.

Vier kleine Zuschauer,
die eilten schnell herbei.
Einer ging zum Richtertisch,
da waren' nur noch drei.

Drei kleine Zuschauer,
halfen bei der Zettelei.
Doch der Wachtel hat's gesehn,
da musste einer geh'n.

Zwei kleine Zuschauer,
die hießen beide Reiner.
Der eine hatt' das falsche an,
da war es nur noch einer.

Ein kleiner Zuschauer,
der findet kein Versteck.
Der Richter wirft ihn auch noch raus,
da sind sie alle weg.

Zehn kleiner Zuschauer,
steh'n draußen vor der Tür.
Doch es war so kalt am Rand,
da steckten sie alles in …

Die Polizei war zahlenmäßig unterlegen und hatte nicht mit der Entschlossenheit der Anwesenden gerechnet. Nach der Gesangseinlage im Foyer verlagerte sich das Getümmel nach draußen vor die Gerichtsfenster. Eine der AktivistInnen erklomm das Stahlgerüst vor dem Fenster und konnte endlich durch einen Fensterspalt das Geschehen im Gerichtssaal verfolgen. Währenddessen war eine andere Aktivistin, die sich von außen Gehör verschaffen wollte, von zwei PolizistInnen festgesetzt worden. Daraufhin zog sicher ein anderer Aktivist aus Protest bis auf die Unterhose aus und sang dabei „...das Recht steht nackend vor der Tür“.
Inzwischen kündigte der Aussichtsposten vor dem Fenster an, dass die Sitzung wohl dem Ende entgegen gehe. Kurz darauf verließ die Richterin den Gerichtssaal. Für Nachfragen der ausgesperrten ZuschauerInnen war sie natürlich nicht zu haben. So erfuhren die Angereisten nur ganz nebenbei, dass die Verhandlung vertagt sei, weil die Ordnung für das Verfahren nicht herstellbar sei. Während des Prozesses soll die Richterin sich gewundert haben, dass der Gerichtspräsident nicht von seinem Hausrecht Gebrauch machte und die Protestierenden hinauswarf. Der Staatsanwalt soll daraufhin gesagt haben, dass wohl nicht die Kapazitäten vorhanden seien, um das durchzusetzen.

Repressives Nachspiel
Nach dem offiziellen Teil des Prozesses war die Repression leider noch nicht zu Ende. Eine der AktivistInnen sollte in Gewahrsam genommen werden. Den Übrigen gelang es, den Einsatzwagen, der sie abtransportieren sollte, zu blockieren. Selbst als der Wagen versuchte, durch die Rabatte auszubüxen, waren die Solidarischen schneller und konnten die Abfahrt wiederum verhindern. Der immer noch halbnackte Aktivist wurde inzwischen von zwei Polizisten übel drangsaliert und rutschte während dem Gerangel teilweise unter das Auto. Die Polizisten fügten ihm durch unsachgemäße Versuche, ihn von dort zu entfernen, erhebliche Hautabschürfungen zu.
Erst durch ausdauernde Versuche der Umstehenden, auf die Beamten einzuwirken, konnten diese davon überzeugt werden, von den repressiven Maßnahmen abzulassen, und auch die schon ins Auto verfrachtete Festgenommene wurde wieder in die Freiheit entlassen.
Alles in allem war es ein erfolgreicher Tag für die Umweltbewegung, weil deutlich wurde, dass Solidarität und Entschlossenheit der staatlichen Repression trotzen können. Wie sich bei Gericht auf den nächsten Prozesstag vorbereitet wird, werden wir dann bald erleben.

Die nächsten Prozesstermine in Verbindung mit der Waldbesetzung:

Am 25. Februar wird ebenfalls vor dem Amtsgericht Rüsselsheim gegen drei Aktivistinnen, die wenige Tage nach der Räumung des Hüttendorfes ein Hausdach auf dem Gelände der geplanten Landebahn besetzt haben, verhandelt. Einer der AktivistInnen wird außerdem vorgeworfen, bei der Räumung des Hüttendorfes Widerstand gegen die Staatsgewalt geleistet zu haben.
Am 17. und am 31. März wird vor dem Amtsgericht Frankfurt (Gerichtsstraße 2 , 60313 Frankfurt am Main) gegen Eichhörnchen Cecile verhandelt. Die Kletteraktivistin steht wegen drei verschiedenen Aktionen vor Gericht.

Weitere aktuelle Infos unter:
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Ergänzungen

Mehr davon

waldbesetzung 18.02.2010 - 11:02
Auf waldbesetzung.blogsport.de findet sich zusätzlich noch ein Pressespiegel und Bilder von der Sitzblockade.

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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