Freispruch bei Schwarzfahr-Prozess

Soligruppe Schwarzfahren 12.02.2010 10:12 Themen: Repression Soziale Kämpfe

Am Mittwoch, den 10. Februar 2010 fand am Amtsgericht Karlsruhe ein Strafprozess gegen Matze F. statt. Ihm wurde die Erschleichung von Leistungen vorgeworfen. Siehe auch den vorhergehenden Bericht auf Indy. Er sei ohne Ticket und mit dem Vorsatz den Fahrpreis nicht zu entrichten in der Karlsruher Straßenbahn angetroffen worden, wurde im Strafbefehl unterstellt. Matze ging gut vorbereitet und gewappnet mit politischen Argumenten in den Prozess. Doch bevor er überhaupt richtig zu Wort kam, verkündete die vorsitzende Richterin schon den Freispruch.




Bereits am Vortag waren in Karlsruhe SympathisantInnen unterwegs, die in den Straßenbahnen und an den Haltestellen kostenfreie Gruppentickets sowie Fahrkarten für mindestens eine Person und Tageskarten, die jeden Tag irgendeines Monats gültig sind, verteilten.

Aber mal ehrlich: das ist doch ein Scherz, oder? fragen einige der Beschenkten kritisch. Manche Kontrolleure wissen leider nicht Bescheid und akzeptieren die neuen Karten noch nicht., antworteten die AktivistInnen dann immer wieder: Aber überall dort, wo Sie es durchsetzen können, gilt das Ticket. Auch wenn bei einigen Menschen die Skepsis blieb und manche beteuerten, sie würden gerne für ihre Fahrkarten bezahlen - gelegentliches Schmunzeln oder Feedback wie Gute Idee! zeigten Matzes SympathisantInnen, dass ihre Aktion ankam.


Am nächsten Morgen vor Verhandlungsbeginn war in der Innenstadt Mars TV zu sehen.

Diesmal wollten die MarsianerInnen in ihrer beliebten Sendung zeigen, weshalb die Menschen auf der Erde Papierstücke namens Fahrkarten brauchten und zu welchem Zweck. Sie interviewten die Fahrgäste der Straßenbahn, um die sonderbaren Gewohnheiten auf der Erde hautnah mitzubekommen. Nach Gesprächen mit sonderbaren Menschen, die alle Polizei hießen, verschwanden die BesucherInnen zurück auf den Mars und die AktivistInnen besuchten den Prozess.


Auf dem Weg zum Gericht stellten sie dann fest, dass sie nicht die einzigen waren, die sich in Karlsruhe für Gratismobilität stark machten.

Unbekannte hatten an mehreren Straßenbahnhaltestellen die Sticker mit der Aufschrift Außer Betrieb für kostenlosen Nahverkehr auf die Bildschirme geklebt, sodass sie tatsächlich vorübergehend nicht nutzbar waren.


Die Verhandlung ging überpünktlich los, bevor ein großer Teil der Zuschauer überhaupt anwesend war. Durch zügigen Verhandlungsablauf wurde dem Angeklagten die Wahrnehmung seiner prozessualen Rechte, wie das Stellen von Anträgen sehr erschwert. Ziemlich schnell wurde die erste Zuschauerin des Saales verwiesen, weil die Richterin die kritische Frage, welchen Zweck das geforderte Aufstehen hätte, nicht dulden oder beantworten wollte.

Mir ging es bei diesem offensiv geführten Prozess nicht nur darum, der Kriminalisierung von Schwarzfahren ein Ende zu setzen, sondern auch um aufzuzeigen wie die Interessen von einzelnen Verkehrsbetrieben durch autoritäre Gerichte geschützt werden. erklärt Matze.
Bevor er allerdings den Großteil seiner Anträge stellen konnte, schloss die Richterin gegen seinen Willen die Beweisaufnahme und verkündete den Freispruch. Der einzige Zeuge war wohl nicht kontaktierbar gewesen. Allerdings wurde in letzter Minute noch ein Ordnungsgeld gegen eine Zuschauerin verhängt, der die Richterin vorwarf sie wäre bei der Urteilsverlesung nicht stehengeblieben.

Mit dem Prozess will ich für eine Gratismobilität werben. Denn Fahrkarten führen dazu, dass Menschen mit wenig oder keinem Geld von dieser Mobilität ausgeschlossen werden. meint Matze. Öffentlicher Nah– und Fernverkehr sollte kostenlos sein und sich nicht an den Lobbyinteressen der Konzerne und staatlichen Institutionen orientieren.

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Ergänzungen

es wird gehasselt in Hasselt

Hustler 13.02.2010 - 00:49

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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gute sache

aber eine frage: 12.02.2010 - 12:57
wie wurde denn der freispruch begründet?


freie mobilität ist wichtig!

Frage...

Zappa 12.02.2010 - 14:27
Ist keine Straßenbahn besser als eine mit Ticketzwang?

Hä?

Dauer-Schwarzfahrer 12.02.2010 - 16:44
Ich frage mich, wie man es hinbekommt, wegen Schwarzfahren vor Gericht zu landen. Ich fahre seit 15 Jahren schon schwarz und bin mindestens schon 100 mal erwischt worden (was ich nie bezahlt habe) und habe nie auch nur eine Anzeige bekommen...

aufpassen

giu 12.02.2010 - 17:01
so richtig das anliegen sein mag kann ich nur zur vorsicht aufrufen....irgendwann wird man es euch in die schuhe schieben wenn angestellte entlassen werden.

bla

blabla 12.02.2010 - 17:01
Hey,
Guter Artikel. Aber es wäre sicherlich auch nciht verkehrt vllt ein paar Sätze mehr zur Begründung von Gratismobilität einzubauen, don für den geneigten Leser, der sich noch nicht im Szenesumpf bewegt.

hmmm

Knecht 12.02.2010 - 18:12
Das ist halt die alles für alle und zwar umsonst Mentalität. Dass das nur Ausbeutung der Menschen bedeuted, die das alles am laufen halten haben viele wohl noch nicht gemerkt.. Moderne Sklaverei oder was?

Alles umsonst ist alles zu teuer

Lieber teuer und gut 12.02.2010 - 18:40
Wollen wir dass alle alles umsonst bekommen und die Kinder von Morgen es als selbstverständlich ansehen alles gratis zu bekommen. Wer wundert sich dann dass diese antiautoritäre Generation nur noch konsumieren möchte, sich sogar Sex und andere Sachen einfach nimmt, anstatt es angeboten zu bekommen, zu erfragen, zu erarbeiten, geschenkt zu bekommen, bezahlen zu müssen.

So funktioniert das nicht, der Artikel und der Prozess sind trotzdem wichtig und gut gewesen.
Danke für das politische Auskämpfen!

Das (Ex-)Besetzungskollektiv der Humbolt...

...hat am 28.01... 12.02.2010 - 19:46
... auch die folgende Punkte ihren Forderungskatalog genommen.

1.2.1. Freier und unentgeltlicher Zugang zu allen Vorschulen, Schulen, Hochschulen, Fachhochschulen, Universitäten, Bibliotheken, Museen, Theatern und anderen staatlichen Kunst-und Kultureinrichtungen, Orten der Rekreation, öffentlichem Nah-und Fernverkehr, urbanen Infrastrukturen sowie Energie

Tjaha...mindestens so wichtig wie...

1.2.4. unbegrenzte freie Nutzung von Kommunikationsinfrastrukturen. Die unzensierte, uneingeschränkte Nutzung des Weltinformationsnetzes ist ein Grundrecht. Zum Weltinformationsnetz gehört auch Zugang zu Online-Enzyklopädien, wissenschaftlichen Archiven, der Nationalbibliothek, Juradatenbanken etc.

www.unserehu.de

Wichtige Frage

Horst 26.02.2010 - 00:59
Nur noch eines: Wer zahlt den ganzen Kram?

Ich bitte um eine ehrliche und zumindest fachlich angehauchte Antwort.