Interview zum Thema und Buch „Generalstreik“

Interviewer 11.02.2010 14:03 Themen: Soziale Kämpfe Weltweit
Helge Döhring hat sich in den letzten Jahren einen Namen in der wissenschaftlichen Syndikalismusforschung gemacht. In seinen akribisch recherchierten Artikeln, Broschüren und Büchern geht es ihm um die Veranschaulichung und Nutzbarmachung von Erkenntnissen aus der syndikalistischen und anarcho-syndikalistischen Bewegung Deutschlands.
Zum Thema Generalstreik und seinem neuen Buch führten wir ein Interview mit dem Historiker Helge Döhring.
Interview zum Thema und Buch „Generalstreik“ mit dem Historiker Helge Döhring

Erstveröffentlichung auf Indymedia

Helge Döhring hat sich in den letzten Jahren einen Namen in der wissenschaftlichen Syndikalismusforschung gemacht. In seinen akribisch recherchierten Artikeln, Broschüren und Büchern geht es ihm um die Veranschaulichung und Nutzbarmachung von Erkenntnissen aus der syndikalistischen und anarcho-syndikalistischen Bewegung Deutschlands. Zu seinen Buchveröffentlichungen zählen Titel zur Geschichte der Freien Arbeiter Union Deutschlands (FAUD) in Württemberg, Südbayern und Ostpreußen. Sein neues Buch behandelt nun eines der wichtigsten Themen in der historischen Arbeiterbewegung, den Generalstreik. Sein Titel lautet dementsprechend auch „Generalstreik. Streiktheorien- und Diskussionen innerhalb der deutschen Sozialdemokratie vor 1914. Grundlagen zum Generalstreik mit Ausblick.“ Wer hinter diesem Titel nun eine trockene Abhandlung vermutet, liegt völlig falsch. Dem Autor geht es um die Darstellung der verschiedenen Positionen, die historisch zum diesem Thema eingenommen wurden, und von denen man heute nahezu nur noch die Auffassungen eines Eduard Bernstein oder einer Rosa Luxemburg kennt. Dass mit Raphael Friedeberg und Arnold Roller profunde Befürworter mit Masseneinfluss existierten, ist dagegen fast vollständig aus dem Bewusstsein der ArbeiterInnen verschwunden. Mit ihren klaren Darstellungen auf Versammlungen und durch Broschüren hatten diese beiden Anarchosyndikalisten einen großen Anteil an der Popularisierung des Generalstreiks in der Arbeiterbewegung Deutschlands und auch international.
Zum Thema Generalstreik und seinem neuen Buch führten wir ein Interview mit dem Historiker Helge Döhring.

? In den letzten Jahren erschien eine ganze Reihe von Büchern, die das Thema Streik als wirksame Waffe in den Klassenauseinandersetzungen behandelten. Es sei nur auf „Die großen Streiks“ von Matthias Seiffert oder auf Lucy Redlers „Politischer Streik in Deutschland“ verwiesen. Tat da ein weiteres Buch zu diesem Thema Not? Was ist der Unterschied zu den anderen aktuelleren Veröffentlichungen?

H.D.: Erfreulich finde ich, dass bei der Theoriebildung und in der historischen Aufarbeitung in Deutschland zunehmend Forscher und Aktive aus der syndikalistischen Bewegung eine Rolle spielen. Das ist nicht selbstverständlich. In der jüngeren Vergangenheit verhielt es sich eher so, dass die Aktiven, nachdem sie ihre Abschlußarbeit an der Uni gemacht oder ein Buch herausgegeben hatten, der Bewegung den Rücken kehrten. Ich möchte hier nebenbei aber deutlich betonen, dass Schul- oder Hochschulabschlüsse in meinen Augen nicht entscheidend sind, um wertvolle Beiträge zur Forschung zu leisten! Es ist wichtig zu wissen, wovon man spricht, und dazu ist besonders wichtig die Schule des aktuellen Engagements. Wer im Leben keine größere Verantwortung für die Bewegung übernommen hat, wird die historischen inneren Zusammenhänge schwerlich begreifen und darstellen können. Es ist wichtig, dass die Bewegung ihre Geschichte selber schreibt, sonst bestimmen die Gegner oder bestenfalls gutmeinende Nullpraktiker unsere Vergangenheit, setzen ihre Kategorien, bestimmen die Diskurse und ganz wichtig: besetzen die Begriffe.

Titulierungen zu unseren Ungunsten, wie beispielsweise „Freie Gewerkschaften“ und „Wilde Streiks“ veranschaulichen dies. Oder in der Politik: Früher hieß der „Verteidigungsminister“ noch zutreffend „Kriegsminister“. Sie setzen das Feld des Politischen hegemonial, sprechen von „links und rechts“ wo doch der Bereich der Ökonomie mindestens ebenso hoch anzusiedeln ist. Es wird suggeriert, die politische Ebene sei in den Fokus des öffentlichen Interesses zu rücken, dabei ist die Politik umgekehrt von der Wirtschaft abhängig. In der Schule werden bis in die Oberstufe Mathematik und Sprachen unterrichtet, die Wirtschaftswissenschaften werden in Nebenfächern wie Sachkunde abgehandelt. Dieses Ungleichgewicht ist gewollt, es soll uns daran hindern, hinter die Fassade des Politischen zu schauen, und die Diktatur des Kapitals über die Menschen zu erkennen. „Wir leben in einer Demokratie“, heißt es. Am Arbeitsplatz merke ich nicht viel davon, da hab ich zu tun, was mein moderner Fronvogt mir sagt. Und wenn ich merke, wie viele Bücher die Regale füllen, welche uns in unserer Erkenntnis im eigenen Interesse als Lohnabhängige, als moderne Sklaven die Hirne vernebeln sollen, dann sage ich: Es kann kaum genug Literatur und Aufklärung über die für uns wirklich bedeutenden Hintergründe geben. Und das müssen wir selber machen, damit uns die Politfunktionäre von rechts wie links (auch auf wissenschaftlicher Ebene) nicht übern Tisch ziehen. Der möglichst fundierte Kampf um die Köpfe ist entscheidend. Bist du im gedanklichen Fahrwasser des Bürgertums, bist du nicht mehr in der Lage, eigene Vorstellungen zu entwickeln, eigene Akzente zu setzen. Aber darum geht’s: Um das Aufknacken festgefahrener Denkmodelle, um für uns, die lohnabhängige Klasse, Perspektiven zu entwickeln, klar zu denken, uns nicht beirren zu lassen. Soviel zum allgemeinen.

Nun zum Speziellen:
Die wesentlichen Ausarbeitungen zum Thema Streik aus der syndikalistischen Bewegung sind mindestens 80 Jahre alt. Die Nachkriegsbewegung übernahm lediglich Versatzstücke daraus. Wir stehen als Bewegung noch immer am Anfang, während die sozio-ökonomischen Verhältnisse hier in einem großen und rasantem Wandel begriffen sind – Stichwort Zeitarbeit, Prekarisierung, Erwerbslosigkeit/Hartz IV, Outsourcing, Kürzungen im Gesundheits- oder Bildungsbereich usw. Das hat Auswirkungen auf unsere Gegenstrategien, welche zu entwickeln sind. Statt den Entwicklungen hinterherzulaufen, müssen wir uns auf der Höhe der Zeit befinden, um möglichst großen Einfluß geltend machen zu können. Dazu sollte die Bewegung in den Betrieben, auf der Strasse und in der theoretischen Aufarbeitung organisch zusammenwirken. Unsere Aufgabe ist es, nun zu schauen, inwieweit u.a. die mächtigste Waffe der Arbeiterklasse heute funktionieren kann. Das ist nicht in einem Rutsch getan, sondern sollte möglichst gründlich erfolgen. Zum Thema Streik gibt es daher verschiedene Annäherungsmöglichkeiten. Aus Syndikalistischer Sicht erfolgten solche erst in den letzten Jahren.

Den Anfang machte ab Mai 2008 das Buch „Die großen Streiks. Episoden aus dem Klassenkampf“, von Holger Marcks und Matthias Seiffert, welches die Schlaglichter der internationalen Streikgeschichte der letzten 100 Jahre auf globaler Ebene verdeutlicht. Es ist ein Werk, welches einen guten Überblick bietet und zum Weiterlesen anregt mit vielen nützlichen Anhängen, beispielsweise kommentierten ausführlichen Bibliographien und einem fulminanten Glossar – wohlkonzeptioniert. Dabei sind die einzelnen, chronologisch angelegten Kapitel für jedermann anregend und zügig lesbar. Ein Schlusswort der Herausgeber fasst die Ergebnisse zusammen. Sie legten großen Wert darauf, dass die einzelnen Kapitel von in der syndikalistischen Bewegung aktiven oder ihnen sehr nahe stehenden Beiträgern verfasst wurden.

Im Herbst 2008 erschien dann der Band von Torsten Bewernitz „Die neuen Streiks“, ebenfalls im Unrast-Verlag. Wie der Titel schon sagt, geht es hier nicht um die Schlaglichter, sondern um die Aktualität. Bewernitz lässt verschiedene Akteure zu Wort kommen, welche allerdings hauptsächlich der Gewerkschaftslinken und nur zu einem Teil der syndikalistischen Bewegung zuzurechnen sind. Diese erzählen und resümieren von ihren ganz aktuellen Kämpfen in Deutschland, nicht allein von Streiks sondern darüber hinaus gehend noch von anderen Formen des Kampfes. Theoretisch beleuchtet wird beispielsweise die Form der Besetzung, der Sabotage oder die reproduzierende Tätigkeit im „Haushalt“. Was läuft aktuell, welche Möglichkeiten ergeben sich heute ganz konkret in den unterschiedlichen Bereichen der Produktion, Reproduktion und an flankierenden Maßnahmen?

Ich selber unternahm dann die historisch-theoretische Annäherung an das Thema Streik mit dem vorliegenden Buch, welches den Titel trägt „Abwehrstreik…Proteststreik…Massenstreik? Generalstreik!. Streiktheorien und –diskussionen innerhalb der deutschen Sozialdemokratie vor 1914. Grundlagen zum Generalstreik mit Ausblick“. Neben einer Ausarbeitung zur Entwicklung der Streiktheorie auf Grundlage vieler Quellen und versierter Literatur dokumentiere ich zwei sehr bedeutende Texte zum Thema Generalstreik von Raphael Friedeberg und Arnold Roller.

Alle drei Bücher unternehmen aus ihrer jeweiligen Konzeption der Annäherung an das Thema Streik schließlich einen Ausblick für die Zukunft. Sie ergänzen sich und ergeben aus syndikalistischer Perspektive eine beachtliche Bestandsaufnahme, fundiert durch verschiedene, den Herausgebern eigene, wissenschaftliche Disziplinen.

? In der Tat ist der Generalstreik in Deutschland von den DGB-Gewerkschaften und der Sozialdemokratie nie positiv gewürdigt worden. Du beschreibst das ja sehr anschaulich, was da für Diskussionen in der Arbeiterbewegung Deutschlands von Anbeginn an geführt wurden. Im Gegensatz zu den vergangenen Zeiten taucht er heutzutage in den gesellschaftlichen Diskussionen um Gegenwehr gegen Regierungs- und Kapitalistenpolitik nahezu überhaupt nicht als Möglichkeit der Gegenwehr auf. Was sind die Ursachen, dass diese Waffe vergessen wurde und wie könnte die Idee und Waffe des Generalstreiks popularisiert werden?

H.D.: „Generalstreik ist Generalunsinn!“, so lautete die von der Sozialdemokratie schon vor über 100 Jahren ausgegebene Parole. Auch damals tauchte der Generalstreik als Mittel in der Parteipresse wenig auf, und es benötigte vieler Mühen, ähnlich wie heute, ihn überhaupt als Thema bekanntzumachen und Diskussionen dazu durchzusetzen.

Es gibt eine lange Tradition der Arbeiterbefriedung von Bismarck und der Sozialdemokratie über die Nazis und der Neukonstruktion der Zentralgewerkschaften nach 1945. Diese bauten aufeinander auf. Ein geflügeltes Wort heute lautet, dass die sog. „Einheitsgewerkschaften“ eine Lehre seien, denn die Zersplitterung der Arbeiterbewegung vor 1933 habe den Faschismus erst ermöglicht. Verschwiegen wird dabei, dass genau in den Jahren vor 1933 ebenjene „Einheitsgewerkschaften“ die „mächtigsten der Welt“ zu 100 % versagten. Die Syndikalisten kannten das schon aus der Zeit der Sozialistengesetzte bis 1890, doch nur wenige haben auf sie gehört. Für einen entschlossenen Widerstand wie beispielsweise in Spanien 1936 gegen den Faschismus hats nicht gereicht in Deutschland. Die Arbeiterschaft wartete brav auf die Anweisungen ihrer Gewerkschaftsführer. Ein heutiges zusätzliches Problem ist die mentale Verbürgerlichung der Bevölkerung, und diese wurde über Generationen sauber eingeleitet und durchgeführt, Arbeiterstadtteile und Arbeiterkultur systematisch bürgerlich unterminiert. Die Arbeiterklasse sollte sich an den Werten der Mittelschicht orientieren, und das wird beispielsweise medial vorexerziert. Gezeigt wird in aller Regel die Welt der Mittelschicht, nicht die der Arbeiter oder Erwerbslosen. Es gibt Western, etliche Polizeiserien! Warum gibt es kein Genre „Betriebskampf“? Das fällt auf, wenn man sie Welt um sich herum, wie sie präsentiert wird mit der eigenen Lebensrealität vergleicht.

Der allergrößte Teil der Arbeiterschaft in Deutschland war nie revolutionär. Ihre Geburt als bewußtwerdende Arbeiterklasse war lassalleanisch geprägt. Es gibt in Deutschland keine Tradition, an welche man als Klasse anknüpfen kann, welche sich bewußtseins- und selbstbewußtseinsbildend im Kulturleben etabliert hat. International galten Deutsche Arbeiter in anderen Ländern als die wahrscheinlichsten Streikbrecher. Und diese Diskrepanz ist sehr auffällig. Generationen von revolutionären Arbeitern legten Zeugnis darüber ab. So entsteht ein gewisser Fatalismus, den wir bei revolutionären Schriftstellern beinahe jeder Epoche feststellen können, beispielsweise bei Georg Büchner in seinem „Fatalismusbrief“, bei Heinrich Mann, welcher den Ersten Weltkrieg und Hitler im „Untertan“ präzise vorwegnahm, und den Lauf der Geschichte prophezeite. Bezeichnend ist: Manns Werke hatten Massenauflage, geändert hat sich trotzdem nichts! Die syndikalistische Bewegung kam zu keinem anderen Schluß, wie das Eingangszitat von Fritz Kater im Buch veranschaulicht. Es ist eine Bestandsaufnahme. Hier ein weiteres Beispiel aus dem Jahre 1926, stellvertretend für so viele von vor über 80 Jahren, geäußert von einem anarcho-syndikalistischen Aktiven der zweiten Funktionärsebene: „(…) Die Gründe der Wirtschaftskrisen in Deutschland sind darin zu suchen, dass der deutsche Prolet, wie auch im gesamten Ausland bekannt ist, sich als Lohndrücker erweist. Der deutsche Prolet ist vom Kapital gut dressiert. Wie in einem Zirkus die Tiere ihre Sprünge machen, wenn der Dompteur mit der Peitsche knallt, so auch der deutsche Prolet, wenn der Kapitalist die Peitsche schwingt. Auch der Prolet macht seinen Salto, aber immer tiefer ins Elend hinein. Eine Besserung ist in Deutschland nur zu erreichen, wenn der Arbeiter denken lernt. Wir Anarcho-Syndikalisten müssen dafür sorgen, dass sich innerhalb der Arbeiterschaft eine geistige Umstellung vollzieht. Die zentralistischen Gewerkschaften helfen dem Arbeiter nicht, denn sonst würden wir 8 Jahre nach der sogen. Revolution, besser gesagt nach dem Zusammenbruch nicht in solch grenzenloses Elend hineingeraten sein. Wir Syndikalisten haben immer den Gedanken des Generalstreiks vertreten, trotzdem die zentralistischen Gewerkschaftsführer und kommunistischen Parteigrößen den Generalstreik als Generalunsinn erklärten. Der deutsche Michel ist immer noch gewohnt, Befehlen zu gehorchen.“
Wir haben es mit einem historisch gewachsenen, gut gereiften und tief verwurzelten massenpsychologischen Problem zu tun. Immer wieder gab es regionale Kräfte des Proletariats, welche den Ausbruch versuchten. Doch blieben diese isoliert und wurden von der kapitalfreundlichen Geschichtsschreibung verdrängt, einer großen Industrie des Bürgertums, mit ihren Universitäten, Instituten, Verlagen, ihren Schulen, das ganze im Verein mit der Kirche und anderen reaktionären Verbänden. Eine Vergessens- und Desinformationsindustrie, welche keinerlei finanziellen Mangel leidet, welche das Recht, die Justiz auf ihrer Seite hat und damit den Schutz durch die bürgerlichen Wehrverbände. Eine Industrie, welche gezielt die Protagonisten kritischer Forschung versucht zu korrumpieren, sie gefügig zu machen, sie mit Karriere, Geld und Reputation versucht zu locken. Es gibt einen ganzen Haufen von diesen gekauften Forschern, welche leider auch in der syndikalistischen Bewegung zu unkritisch betrachtet werden. Bekannt ist auch die Methode, tatsächlich revolutionäre Zeiträume gezielt reaktionär zu interpretieren. Oft gönnerhaft und scheinbar mit Sympathie für die Arbeiterbewegung. Geschickt werden dann jedoch die Weichen gestellt, in welchen Kategorien die Leser zu betrachten und zu analysieren haben. Wer hinterfragt schon, wenn ein namhafter Forscher vermeintlich objektiv schreibt? So kommt es, dass auch in der syndikalistischen Bewegung von heute irrwitzige Begriffe, Denkschemata und Kategorien adaptiert und verbreitet werden. Was die oberen Forschungsstellen der herrschenden Klasse ausarbeiten, gilt als gesetzt. Das übernehmen dann die Schulen und Universitäten. Es wird nach unten weitergereicht in hoher Auflage, in unzähligen Veranstaltungen. Wer im bürgerlichen Wissenschaftsbetrieb keine bürgerlichen Standpunkte und Methoden vertritt steht unter enormen Rechtfertigungsdruck, den der nach bürgerlichen Maßgaben forschende nicht erfährt. Die bürgerliche Wissenschaft ist borniert und exklusiv. Sie braucht keine Bücher mehr zu verbrennen, sie verbietet einfach bestimmte wichtige Begriffe! Sie nimmt uns systematisch den Ausdruck, die Sprache. Auch außerhalb der Wissenschaft gilt: Die Kapitalisten brauchen keine Bücher mehr zu verbrennen, sie haben des besten Einfluß auf die Auflagenhöhen! Die Lügen und die Schlampigkeiten haben die größten Auflagen.

Und das ganze eben beschriebene läuft dann noch ähnlich wie in dieser Wissensindustrie in der Kulturindustrie! Dekliniere das mal durch, was da zusammenkommt. Da stößt du mit einer gesunden proletarischen Kultur schnell überall an deine Grenzen, und es braucht kaum noch offensichtliche Repression. Oftmals gibt’s keine klaren Frontstellungen mehr, wie früher in der Arbeiterklasse: Denn es trifft besonders, aber leider nicht nur bei in der Bewegung aktiven Intellektuellen der Spruch Erich Kästners zu: „Nie aber dürft ihr so tief sinken, von dem Kakao, durch den man euch zieht, auch noch zu trinken!“. Diese Aktiven halten sich für besonders schlau, fressen aber aus dem Trog der herrschenden Klasse, ohne es wirklich zu reflektieren. Von ihnen wimmelt es auf nahezu jedem Bündnis gegen Sozialabbau oder dergleichen bis in die Organisationen der revolutionären Arbeiter hinein.
Und die Arbeiterklasse? Sie hat keinen kollektiven Mut. Sie war auch in der Geschichte stets zu gutmütig gegenüber ihrem Klassenfeind. Es fehlt ihr an Selbstbewußtsein, an Zusammengehörigkeitsgefühl und das wichtigste: An Ehrgefühl. Ein Homo Ökonomikus ist leider kein Phänomen allein des Bürgertums: Der perfekte Typus des Sklaven, weil er es nicht merkt, und selbst in für ihn schwereren Zeiten nicht merken will, dass bloßer Materialismus keine würdige Lebenseinstellung sein kann!
Verschärft wird die Situation der Vereinzelung durch die zunehmende Prekarisierung. Kaum lernen sich die Kollegen kennen, werden sie wieder auseinandergerissen, werden woanders eingesetzt, „vermittelt“. Und es gibt kaum Arbeitermilieus, die dieses „sich aus den Augen verlieren“ angemessen auffangen können, die der so nötigen Kontinuität eine Basis geben.

Ganz wichtig ist es, generell sein Selbstwertgefühl nicht über die Mittelschicht vermittelt zu bekommen und stattdessen Klassenbewusstsein und –stolz aufzubauen. Es müssen erstmal die Voraussetzungen geschaffen werden, unter denen ein Generalstreik fruchtbar in Erwägung gezogen werden kann. Darum geht es. Denn die Gründe liegen sehr tief. Es ist eine Kulturaufgabe in den täglichen kleinen Kämpfen, die uns umgeben. Eine Chance mag in der Internationalisierung der Arbeiterklasse liegen, in den Impulsen, welche ausländische Kollegen zu setzen imstande sind, welche diejenigen mentalen Fähigkeiten mitbringen, welche deutschstämmigen Arbeitern größtenteils fehlen. Das ist eine konkrete Erfahrung, die ich selber gemacht habe. Es ist noch viel mehr zu sagen
Und dann hoffe ich ganz allgemein gesprochen, dass klassische Fehler durch Früherkennung vermieden werden, ein Grund, warum ich das Buch gemacht hab. Es sollte jetzt grundsächlich möglich sein, dennoch möchte ich alle Aktiven zum gründlichen Quellenstudium ermuntern. Das Buch soll auch dazu eine Anregung sein.

? Gibt es historische Beispiele dafür, welche die Kraft und Wirksamkeit des Generalstreiks veranschaulichen können? Vielleicht sogar in/aus Deutschland?

H.D.: Es gibt unzählige lokale Beispiele in Deutschland für bemerkenswerte Streiks. Und wer ähnliche Kämpfe einmal mitgemacht hat, weiss, dass das keine Kinkerlitzchen sind. Schon ein mehrmonatiger hartnäckiger Streik gegen den Willen von Kapital und den gelben Zentralgewerkschaften geht an die Substanz! Es erfordert gehörigen Mut, auch nur in einem Betrieb seine Würde zu erheben und sich kollektiv zu behaupten. Das sind die Momente, wo man über sich hinauswächst, wo man sich mit den Kollegen zusammenschweißt. Gemeinsame Kampferlebnisse sind die beste Schule der Arbeiterschaft. Wer jedoch nur Bücher liest, wird dies nie begreifen, sieht nur die Highlights. Mut haben diejenigen, welche persönliche Risiken in kauf nehmen. Das ist der entscheidende Moment, wer dazu nicht bereit ist, ist für Klassenkämpfe untauglich. Wächst das Selbstbewußtsein kollektiv, kann eine neue Bewegung entstehen. Wer dennoch scharf auf Highlights und speziell Generalstreiks ist, kann sich für Deutschland die „Märzrevolution“ anschauen, der geographisch wohl ausgedehnteste Streik in Deutschland aus dem Jahre 1920 im Ruhrgebiet. Wer es wissenschaftlich mag, lese die Bände von Erhard Lucas „Märzrevolution“, wer es literarisch-proletarisch mag, lese Hans Marchwitza: „Sturm auf Essen“ oder künstlerisch: Yaak Karsunkes „Ruhrkampfrevue“. Im Jahre 1918 gabs einen großen Munitionsarbeiterstreik, welchem Erich Mühsam im „Judas“ ein äußerst lehrhaftes literarisches Drama zum Denkmal gesetzt hat. Das gleiche tat Gerhard Hauptmann mit „Die Weber“ über den Weberaufstand von 1844 in Schlesien. 1919 entstand im Ruhrgebiet eine Riesenstreikbewegung mit großen Sozialisierungsmaßnahmen, 6-Stunden Schicht uvm., beschrieben im oben genannten Buch von Marcks/Seiffert. Dort gibt’s einen spannenden Überblick über die „großen Streiks“ auf internationaler Ebene. Wer noch nicht weiss, was in Spanien im Jahre 1936 passierte, sollte sich über die dortige soziale Revolution informieren, eine der größten der bekannten Weltgeschichte.
Auch in der Geschichte der BRD gabs einzelne herausragende Streiks, bei Ford 1973 oder immer wieder mal in der Druckindustrie, wo die Arbeiterschaft über ein enormes Potenzial verfügte, beispielsweise bei Tageszeitungen. Es lohnt auch ein Blick zu den Hafenarbeitern. Da gibt’s für jüngere viel zu entdecken, wenngleich Literatur dazu schwer zu finden ist. Der Knackpunkt sind fehlende Solidaritätsstreiks, das liegt besonders in der oben beschriebenen Mentalität der Arbeiterklasse in Deutschland begründet. Wenn es in denjenigen Ländern, in welche die Produktion verlagert wird, anders aussieht, entstehen neue Chancen für die Weltarbeiterklasse.

? Nach den Informationen, die du in deinem Buch gibst, ist der Generalstreik in der Strategie der Anarcho-Syndikalisten auch gleichzeitig der gesellschaftliche Auftakt zur sozialen Revolution. Also der Abschaffung des Kapitalismus und des Staates und der Übergang zu einer befreiten, klassenlosen Gesellschaft. Wenn aber alles lahm gelegt ist, wie kann dann die Versorgung der Bevölkerung mit allen notwendigen Dingen des täglichen Lebens gewährleistet werden? Woher beziehen sie, als ein Beispiel, Lebensmittel?

H.D.: Die soziale Revolution ist im Idealfall ein fließender Übergang. Ihr Akteure finden sich überall: In der Urerzeugung, in der Weiterverarbeitung, an den Verteilstellen, im Dienstleistungsbereich und Reproduktionsbereich. Einem Generalstreik geht ein tiefer Umwandlungsprozeß voraus, welcher weite Bevölkerungsteile umfasst, welche sich zunehmend organisieren und sich in den Kämpfen stählen, voneinander solidarisch lernen. Es geht nicht nur darum, bestimmte Teile der Industrie lahmzulegen, sondern die lebensnotwendigen Dinge im Sinne der Streikenden zu verteilen. Die Müllabfuhr bedient die reichen Stadtteile nicht mehr, in den Krankenhäusern kommen die Klassengenossen zuerst und am besten an die Reihe, Taxifahrer befördern keine Bonzen mehr, Rüstungsgüter werden für die Verteidigung der Revolution hergestellt, kurz gesagt: Die Wohlhabenderen müssen für ihren Lebensunterhalt mal selber sorgen, statt andere für sich arbeiten zu lassen. Der Aspekt des möglichen militärischen Schutzes ist eine andere Frage. Grundsätzlich können die Werktätigen, das, was die Schaffen auch verteilen und konsumieren. Sie produzieren die Werte, den Reichtum.
Wie das gehen kann, steht hier im Buch, und nicht nur in diesem. Das Stichwort im Anarcho-Syndikalismus ist die „Arbeitsbörse“. Ihre Funktion wird noch ausführlicher Beschrieben im Buch „Das ist Syndikalismus. Die Arbeiterbörsen des Syndikalismus“, erschienen im Verlag Edition AV. Diese wie auch die nächste Antwort fällt deshalb kürzer aus, weil sich diese komplexen Fragen nicht in Kurzform befriedigend beantworten lassen. In diesen Zeilen kann ich nur Andeutungen machen, zur weiteren Beschäftigung ermuntern.

? Dann ist diese „Arbeits- oder Arbeiterbörse“ also quasi ein Herzstück einer freien Gesellschaft. Wie kann verhindert werden, dass sich dort Korruption und Bevorzugung breit machen?

H.D.: In einer selbstverwalteten Gesellschaft existiert eine umfangreiche soziale Kontrolle. Je mehr sich die Bevölkerung mit der eigenen Gesellschaftsform identifiziert, desto mehr Verantwortung übernimmt der einzelne. Wo du wirklich als ernstgenommener und aktiver Teil dran beteiligt bist, da achtest du auch drauf! Es gibt die Trennung zwischen „Arbeit“ und Freizeit nicht mehr, die Gesellschaft rückt zusammen. Das mag vielen ungewohnt sein in einer heutigen kapitalistischen Ellenbogengesellschaft, welche auf Vereinzelung und Konkurrenz baut. Die Funktionsweisen einer selbstverwalteten Produktion und Konsumtion im Einzelnen müssen sukzessive ausgearbeitet werden, ausgehend von den Trägern der Produktion, den Arbeitern. Diese schließen sich zu sog. „Studienkommissionen“ zusammen. Neben den ökonomischen und kulturellen Voraussetzungen gibt es organisatorische Maßnahmen, welche vorbeugend wirken, nämlich die Prinzipien der Rotation von Mandaten, die Festlegung imperativer Mandate, eine umfassende Rechenschaftspflicht, eine möglichst direkte Entscheidungsfindung und generell das Prinzip der Transparenz. Alles dies wird in vorrevolutionären Basiseinheiten trainiert. Denn die syndikalistische Gewerkschaft von heute ist die Selbstverwaltung von morgen. Das bedeutet, dass wir in Zukunft Korruption mit den Mitteln vorbeugen und zu verhindern suchen, welche wir schon heute in unseren Strukturen anwenden und entwickeln. Das wichtigste in einem bedeutenden und gründlichen gesellschaftlichen Transformationsprozeß ist die gemeinsame Lernfähigkeit. Konflikte wird es immer geben, aber wir lernen, damit besser umzugehen.

? In deinem Kapitel „Bewertung und Ausblick“ stellst du drei Thesen als besonders verhängnisvoll für die Arbeiterbewegung dar, welche ihr den Erfolg verbaut haben. Du nennst neben der „Trennung von politischer und ökonomischer Ebene“ auch zwei weitere Punkte, an denen ich nachhaken möchte. Du sprichst von einem „weitgehend defensiven Charakter der zentralistischen Gewerkschaften“ sowie von einer „Hysterie aller Zentralisten vor selbstorganisierten Arbeiteraktionen“. Kannst du das kurz erläutern, und denkst du nicht, das es Möglich ist, diesen defensiven Charakter der zentralistischen Gewerkschaften, maßgeblich also den DGB, in eine offensive Richtung zu lenken? Z.B. durch besonders kämpferische KollegInnen an der Gewerkschaftsspitze? Denkst du, dass es möglich ist, aus dem DGB eine revolutionäre Gewerkschaft zu machen?

Die zentralistischen Gewerkschaften sind prokapitalistisch und sozialpartnerschaftlich orientiert. Es ist bei ihnen festes Prinzip. Das legitimiert ihren Funktionärsapparat, deren Existenz. Aber nur innerhalb des bestehenden kapitalistischen Wirtschaftssystems, denn sie sind deren integraler Bestandteil. Sie sind Konstituierend für eine bestimmte Form der Klassenherrschaft in politisch demokratisch verfassten Staaten. Deshalb sind sie defensiv und nicht klassenkämpferisch.

Ich habe im Leben die Erfahrung gemacht, dass etwa neun von zehn Leuten sich trotz bester Vorsätze auf Dauer korrumpieren lassen, wenn sie in entsprechenden Positionen sind. Schicke zehn Genossen in Richtung Gewerkschaftsspitzen und lasse sie dafür durch die Institutionen marschieren. Dann werden neun von ihnen gute Positionen bekleiden können und korrumpiert, der zehnte wird ausgeschlossen. Die Zentralgewerkschaften sind zwar blöd, aber sie sind leider nicht dumm. Sie haben sich nicht nur sehr ausgefeilte Mechanismen zur Machterhaltung über Generationen zugelegt, ausgebaut und trainiert, sie wenden diese auch bis zum äußersten an und haben viele Bündnispartner, deren Gegner sie eigentlich sein sollten. Sie tun alles für den Machterhalt. Auch hier sind, wenn überhaupt, nur die größeren Maßnahmen allgemein bekannt. Und einige entscheidende in der Geschichte behandelt das Buch, wie das Mannheimer Abkommen von 1906. Was fast niemand mehr kennt, sind die durchgängigen und alltäglichen terroristischen Aktivitäten der Zentralgewerkschaften gegenüber anders organisierten Kollegen. Wer das weiß, ist nicht überrascht, dass der ADGB zum 1. Mai 1933 mit den Nazis offiziell die Feierlichkeiten beging. Wer einen klassenkämpferischen Kollegen als Zentralgewerkschafter aus einem Betrieb streikt und damit die ganze Familie, die Kinder der Verelendung preisgibt, der läuft auch unter Hakenkreuzfahnen. Das waren alles keine Einzelfälle. Allein der Bauarbeiterverband mit der Zeitschrift „Der Grundstein“ war reaktionär bis ins Mark. Wo immer sich noch heute selbstverwaltete Gruppen von Kollegen zusammentun, werden bei der zuständigen Zentralgewerkschaft Tagesordnungspunkte dazu angesetzt, werden mit mal Phantomorganisationen des DGB aufgestellt mit großen Pomp und vielen Pressemitteilungen. Sie reagieren sehr sensibel auf das Aufkommen von selbstverwalteten Organisationsstrukturen von Arbeitern.

Da gibt es einige Beispiele aus der Praxis der Gewerkschaft Freie Arbeiterinnen- und Arbeiter Union (FAU) in den letzten Jahren. Kaum gründeten sich in diesem Rahmen beispielsweise „Bildungssyndikate“, so wartete mit mal sehr schnell die GEW auf mit Beratungsstellen und Schwarzen Brettern, die es Jahrzehnte vorher nicht gegeben hatte. Organisierten sich studentische Hilfskräfte selber für besseren Lohn, trat sofort die GEW auf den Plan, um mit dem „linksradikalen“ Asta großangelegte Veranstaltungen für mehr Lohn zu organisieren. Spricht die FAU bei außerbetrieblichen Aktionen medienwirksam von sich als Gewerkschaft, können heftige Dementis seitens des DGB erfolgen, die FAU sei keine Gewerkschaft, flankiert von den üblichen Unwahrheiten, welche die FAU öffentlich diskreditieren sollen.

Hat die FAU Einfluß auf Betriebsversammlungen, versucht die jeweilige Zentralgewerkschaft mit allen perfiden Methoden, die Hoheit an sich zu reißen mit gezielter Desinformation, enger Zusammenarbeit mit der Geschäftsführung, Verunsicherung der Kollegenschaft, dem Ansetzen eigener Pressekonferenzen, dem Unterlaufen von Veranstaltungen durch Voransetzung eigener Termine mit Bedienung des umfangreichen Presseverteilers, mit vielerlei Verfahrenstricks und vielem mehr.

Sie ködern die von Entlassungen bedrohten Kollegen mit Darlehen unter der Bedingung, dass sie der Zentralgewerkschaft beitreten und für Monate im Voraus ihre Beiträge zahlen, und halten dann die Darlehen zurück.

Als neuer Höhepunkt unterläuft Verdi in Berlin den Arbeitskampf der syndikalistisch organisierten Kollegen im Kino Babylon. Dabei lassen sie die Justiz diktatorische Maßnahmen gegen die Repräsentanten der FAU ergreifen, sie sind aktuell von Bußgeldern und Gefängnisstrafen bedroht.
Wer glaubt, das sei nicht mehr zu überbieten, dem sage ich, das war erst der Anfang. Es gibt noch vielerlei Mittel im Repertoir der Zentralgewerkschaften, und sie werden sie eiskalt anwenden! Allein, um sich nur diese Tatsache vor Augen zu führen, und nicht naiv in die Kämpfe reinzugehen, alleine deshalb muß man sich mit der Geschichte befassen, bis ins Detail. Der Gegner tut das nämlich seinerseits und hat einen enormen Vorsprung an tradierten Erfahrungen! Man kann sich in hartem Kampfe nicht allzu viele Fehler erlauben. Eine neue Gewerkschaftsbewegung muß wieder all jene (persönlichen) Risiken einzugehen bereit sein, wie die Gewerkschafter der ersten Sunde. Das ist kein Kuchenessen mit Zucker im Tee und Focault im Buchregal. Beispiele für Persönlichkeiten einer kräftigen Gewerkschaftsbewegung habe ich im Buch ins letzte Kapitel gepackt, in die Galerie der „Frühlokalisten“, die historischen Gründungsväter der heutigen FAU. Von diesem Geist muß eine neue Bewegung beseelt sein, und ich kann nur empfehlen, sich mit der Geschichte ganz nahe an den Quellen zu befassen. Die Genossen sprechen zu uns, und wir können sie direkt hören.

? Zum Abschluss: Arbeitest du an weiteren Projekten? Was werden deine nächsten Veröffentlichungen sein. Ist da schon etwas in Aussicht?

H.D.: Ich sehe es als meine Aufgabe an, aktuelle Entwicklungen historisch zu begleiten. Den Anstoß für dieses Buch gaben die aktuellen Diskussionen um Streiks und andere Arbeitskampfmaßnahmen. Wichtig ist hier, Traditionslinien aufzuzeigen, denn das ist elementar für das Verständnis verschiedener heutiger Anschauungen. Es ist ein Handbuch zum Grundverständnis des Themas insgesamt.
Zwei weitere Arbeiten zur historischen Flankierung heutiger Schwerpunkte der anarcho-syndikalistischen Bewegung habe ich abgeschlossen, ich warte jetzt nur noch auf die Verlage, hoffe aber, beide Bücher noch 2010 veröffentlichen zu können. Es werden weitere Grundlagenwerke sein mit hohem aktuellen Bezug, mit strategischen Impulsen und Erwägungen. Desweiteren wird das Webportal www.syndikalismusforschung.info ständig erweitert. Jede Schrift mit größerem syndikalistischen Bezug wird dort besprochen werden, weitere Texte sollen die Sammlung ergänzen.

? Hab vielen Dank für dieses ausführliche Interview.

Siehe auch den Blog:  http://generalstreik.blogsport.de/
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Ergänzungen

Ein bißchen objektiver wäre schön

Kritiker 11.02.2010 - 16:38
Die deutschen Arbeiter als Streikbrecher und Lohndrücker darzustellen wird der historischen Wirklichkeit wohl kaum gerecht, dass war wohl kaum anders als in anderen Ländern und die Arbeiterbewegung war in Deutschland eine der stärksten in Europa. Nicht ohne Grund hofften die russischen Revolutionäre nach 1917 auf eine Revolution in D'land.
Wer immer schwach war der Syndikalismus in diesem Land und nicht die Arbeiterbewegung. Und noch was: Der letzte und erfolgreiche Generalstreik wurde von SPD/KPD und vom ADGB gegen den Kappputsch organisiert. Wenigstens den Anspruch nach Objektivität und historischer Genauigkeit sollte man sich trotz notwendiger Kritik und Klassenstandpunkt als Wissenschaftler bewahren...

Genralstreik in Deutschland

Anti-Kritiker 11.02.2010 - 19:26
Gedrade der erste und bisher einzige (!) Generalstreik in Deutschland zeigt wes Geistes Kind SPD, USPD, KPD und ADGB waren und wohl auch heute noch sind!

Ich empfehle das Standardwerk zu dem Thema mal zu lesen: Erhard Lukas Märzrevolution, 1993

An dieser Stelle nur kurz:

(Ich lasse die Rote Ruhr Armee, die Arbeiterwehren, und viele andere Sachen jetzt mal aussen vor. Mir geht es um die Rolle der Betriebe in Beziehung zu der Verwaltung und der Volzugsausschüsse)

Neben der lokalen Verwaltung, von wo aus unter anderem die städtischen Betriebe, die Schulen, Polizeifragen, Wohnungs-, Gesundheits- , Ernährungs- und Wohlfahrtswesen organisiert werden sind die Betriebe der eigentliche Ort wo sich eine Revolution sofort bemerkbar macht. Dabei ist klar, das weder die Verwaltung noch die Betriebe einfach nur übernommen werden können – wenn dies auch sicherlich der erste Schritt in jeder Revolution ist. Es geht darüber hinaus um eine Umgestalltung und Neuorganisiation. Im Falle der lokalen Verwaltungen hat die Arbeiterschaft die selbstgesteckten Ziele in der kürze der Zeit oft nicht umsetzen können. In den Betrieben sah es zum Teil sehr ähnlich aus. Hinzu kommt die sehr hetereogene Zusammensetzung der Arbeiterschaft und ihrer sozialistischen Ideen, sowie die Qualität ihrer Ideen. Die meisten, hatten nur sehr allgemeine Vorstellungen vom Sozialismus. Parolen wie „Diktatur des Proletariats“ oder „Vergesellschaftung der Betriebe“ waren zwar gemeinhin bekannt, aber nicht näher mit Inhalten gefüllt. In den Hochburgen der Anarcho-Syndikalisten (und, teilwesie durch sie inspiriert, teilweise spontan auch in anderen Städten) wurde mit Beginn der Revolution dazu aufgerufen in den Betrieben neue Räte zu wählen, welche den kommenden Aufgaben gewachsen sein sollten. In Essen hat die KPD am 13. März in einer spontanen Reaktion sofort zu Betriebsratswahlen aufgerufen: „Wählt sofort in jedem Betrieb, in jeder Werkstätte euren Arbeiterrat. ...Die Arbeiterräte treten sofort zur Vollversammlung zusammen, die dann die gesamte Macht übernehmen muß ...“ Womit die KPD allerdings nicht gerechnet hatte, war, das SiPo und Einwohnerwehr die öffentlichen Gebäude besetzten. Anstatt zu einer „proletarischen Lösung“ zu kommen, also SiPo und Einwohnerwehr zu vertreiben, beschloss diese Versammlung einen 33 Mitglieder umfassenden Ausschuss zu wählen, welcher einen Siebenerausschuss „zur Übernahme der öffentlichen Gewalt“ bestimmen sollte. Von beiden Ausschüssen hörte man in den folgenden Tagen nichts mehr. Nachdem die Arbeiter Reichswehr und SiPo vertrieben hatten nahm die KPD ihre ursprüngliche Idee nicht wieder auf. Wichtig ist es an dieser Stelle festzuhalten das es sich bei den Betriebsräten nach dem willen der KPD einzig und allein um „politische“ Räte handeln sollte und nicht um „wirtschaftliche“. Die „politischen“ Räte sollten sich um Dinge wie die Probleme der lokalen Verwaltung kümmern. Bei „wirtschaftlichen“ Räten liegt das Arbeitsfeld auf der betrieblichen Ebene, bzw. auf der Ebene der Fragen nach der Sozialisierung der jeweiligen Branchen. Konsequenter Weise verkündete der Essener Vollzugsrat dann auch: „Jetzt sei keine Zeit für Experimente“. In Elberfeld und Barmen benutzte der Aktionsausschuss die Betriebsräte nur als vermittelnde Instanz zwischen sich und der Arbeiterschaft. Nur in zwei (!) Städten hatten die Arbeiter via Betriebsratswahlen direkten Einfluss auf die Zusammensetzung der Vollzugsräte und stellten so das oberste politische Organ der Arbeiterschaft dar. So zum Beipiel in Mühlheim an der Ruhr, wo der der syndikalistische Einfluss so stark war, das die basisdemokratischen Ideen wie selbstverständlich zur Anwendung kamen. In seiner ersten Bekanntmachung bezeichnete sich der Aktionsausschuss als provisorisch. Er wolle die „Macht nur solange ausüben, bis aus den Reihen der revolutionären, auf dem Boden der proletarischen Diktatur stehenden Betriebsräte ein endgültiger Arbeiterrat gewählt ist. Den revolutionären Obleuten der Betriebe bleibt es überlassen den Wahlmodus usw. festzulegen“. Dieser Erklärung vom 20.März folgten am 22. und 23. März die Wahlen der Betriebsräte und am 24. März die Wahl des Vollzugsrates. In allen anderen Orten wurden die Vollzugsräte von den drei Arbeiterparteien gebildet.
Bei der Frage der Sozialisierung klaffte in der Bewegung ein großer Graben auf. Die Konflikte die hier Auftauchen, sollten sechzehn Jahre später und knappe 2000 Kilometer entfernt in der spanischen Revolution wieder auftauchen. So wandten sich SPD, USP und KPD gegen alle Eingriffe in die Produktion, die einseitig als „Störung“ gesehen wurden.
Es ging aber auch anders: „An alle revolutionären, freiheitlich gesinnten Hand- und Kopfarbeiter! … Die erste notwendige Forderung und Aufgabe ist: sofortige Wahl revolutionärer Betriebsräte. Diese haben die Sozialisierung der Betriebe zu organisieren, die Produktion fruchtbar zu gestalten und zu überwachen. Sie bilden die Keimzelle zukünftiger Gestaltung. Aus den Betriebsräten heraus und durch diese müssen die Kommunalvollzugsräte gebildet werden. Letztere haben den alten reaktionären Beamtenapparat zu reorganisieren“. Die Betriebsräte haben hier eine Doppelte Aufgabe: Sozialisierung der Betriebe, Branchen und Industrien einerseits und Reorganisation der lokalen Verwaltung. Die Zeit war allerdings zu kurz als das die selbst gestellte Aufgabe in vollem Umfang hätte erfüllt werden können. Trotzdem machten die Mühlheimer praktisch sichtbar in welche Richtung ihre Zielvorstellungen gingen. In Mühlheim und Hamborn (heute ein Stadtteil von Duisburg), einem weiteren Zentrum der SyndikalistInnen, lagen die Betriebe von Thyssen. Die Lücken in der Leitung der Betriebe wurden von den Betriebsräten gefüllt. Dies geschah offensichtlich mit einer solchen Effizienz, das ein Mitglied der Familie Thyssen gegenüber einem Vertreter der englischen Botschaft den Schluss zog, der Aufstand müsse von langer Hand gründlich vorbereitet gewesen sein. Ein Mythos der sich von „rechts“ und „links“ bis heute hält. Wenn die Syndikalisten an anderen Orten sich auch nicht an die Führung der Betriebe herantrauten, so waren sie doch überall führend, wo wichtige Änderungen in den Betrieben durchgesetzt wurden. So zum Beispiel in der ersten Schicht nach Beendigung des Generalstreiks in einigen Zechen – so von Brassert in Marl und von Adolf von Hansemann in Mengede (heute ein Stadtteil von Dortmund) – wo sie in direkter Aktion die alte Forderung der sechs-Stunden-Schicht durchsetzten, d.h. sie fuhren nach 6 Stunden wieder aus.
Deutlich wird die Stellung der drei wichtigsten politischen Richtungen, welchen den Aufstand im März 1920 trugen. Die Trennungslinie verläuft nicht zwischen der USP und der KPD, sonder zwischen USP und KPD auf der einen Seite und den Syndikalisten auf der anderen Seite. Während die einen glaubten, grundlegende Eingriffe in die Führung der Betriebe erst dann verantworten zu können, wenn der endgültige militärische Sieg errungen sei, waren die SyndikalistInnen genau gegenteiliger Ansicht. Beide Grundsätzlichen Positionen begegnen uns im Spanischen Bürgerkrieg wieder. Hier nehmen die Kommunisten der KPE dieselbe Haltung an wie USP und KPD 1920. Die Anarchosyndikalisten und Anarchosyndikalistinnen der CNT-AIT kollektivierten dagegen die Produktion und die Produktionsmittel unmittelbar und überall dort wo sie geistig vorherrschten.
Die Gründe für dieses Verhalten der Mühlheimer Arbeiterschaft will ich kurz andeuten:
1.Dreh- und Angelpunkt der anarchosyndikalistischen Theorie ist das Ziel der Herrschaftslosigkeit.
2.die Syndikalisten wollen den revolutionären Kampf ausschließlich auf der wirtschaftlichen Ebene, in der unmittelbaren Auseinadersetzung mit dem Kapital führen
Die Konsequenz aus beidem in einer Situation, in der eine revolutionäre Bewegung ihre ersten Siege erfochten hat, liegt auf der Hand: diese Siege bieten eine hervorragende Gelegenheit, um Herrschaft abzubauen bzw. zu beseitigen, und die Syndikalisten nehmen diese Gelegenheit in dem Bereich wahr, den sie für den einzig entscheidenden halten: in den Betrieben.
Die Argumente der USP und KPD
- das Veränderungen in den Betrieben die Lebensmittelversorgung1 gefährden könnten
- das die Sozialisierung den Kampf der bewaffneten Arbeiter schwächen könnte
können nicht überzeugen.
Das Hauptargument der SyndikalistInnen dagegen leuchtet unmittelbar ein:
- die Kollektivierungsmaßnahmen sind weit davon entfernt den bewaffneten Kampf zu schwächen oder auch nur ansatzweise zu gefährden. Im Gegenteil, sie geben dem bewaffneten Kampf Rückhalt, Basis und vor allem ein Ziel und eine Richtung. Sie steigern die Kampffreudigkeit der Aufständischen und treiben die politischen Auseinandersetzungen vorwärts, indem sie allen die konkreten Ziele des Kampfes zeugen.

Anti-Anti-Anti-Anti-Kritiker

nevermind 12.02.2010 - 02:05
Also das Zeug was ich bis jetz gesehen habe war zwar immer ok und informativ, hatte aber doch eher was von Chronist als Historiker. und wer macht eigentlich sone optisch schlechte Site wie syndikalismusforschung.info ? Da sollte der Autor sich mal bessere Designer holen, dann machts auch was her .. wer ist eigentlich der interviewer? Er selbst? Da will sich wohl wer n Namen machen, aber nichts für ungut, wichtiges Thema!