Flüchtlingsstreik in bayerischen Lagern

Karawane München 29.01.2010 23:36 Themen: Antirassismus Soziale Kämpfe
Seit Dienstag, 26. Januar 2010 boykottieren mehr als 25 BewohnerInnen der Flüchtlingslager in Hauzenberg und Breitenberg / Niederbayern, Landkreis Passau, die Annahme der Essenspakete, die sie anstelle von Bargeld als minderwertige Verpflegung bekommen. 11 Flüchtlinge in Hauzenberg sind darüber hinaus in unbefristeten Hungerstreik getreten, sie verweigern die Aufnahme fester Nahrung und nehmen lediglich Wasser und Tee zu sich. Die Flüchtlinge fordern Recht auf Arbeit, Bewegungsfreiheit und Bargeld statt Essenspaketen.
Jetzt ist Solidarität gefragt!

Mit der Aktion wehren sich die Flüchtlinge gegen die Mangelverpflegung mit Essenspaketen und darüber hinaus gegen die unerträglichen Lebensbedingungen, denen sie durch die deutschen Behörden und im speziellen durch die Praxis des Landratsamtes Passau unterworfen sind. Das Landratsamt Passau ist unter anderem für seine sehr restriktive Praxis bei der Vergabe von Arbeitserlaubnissen und die häufige Verhängung völliger Arbeitsverbote berüchtigt. Arbeitssuche und Teilhabe am gesellschaftlichen Leben wird darüber hinaus dadurch erschwert, dass die Bewegungsfreiheit der Flüchtlinge durch das „Residenzpflicht“-Gesetz auf den Landkreis Passau in der tiefsten niederbayerischen Provinz beschränkt wird.

Die zentralen Forderungen der streikenden Flüchtlinge sind:
1) Recht auf Arbeit
2) Bewegungsfreiheit innerhalb Bayerns statt Landkreisbeschränkung auf
Landkreis Passau
3) Bargeld statt Essenspaketen

Im Folgenden dokumentieren wir eine Erklärung, mit der sich die streikenden Flüchtlinge an die "Karawane für die Rechte der Flüchtlinge und MigrantInnen" gewendet haben:
-----------------------------------------------------------------------------------------------

„An die Karawane:

Wir wollen euch hiermit informieren über die Aktion, die wir in Form eines Hungerstreiks hinsichtlich unserer Lebensbedingungen als Asylsuchende im Landkreis Passau begonnen haben.

Hoffentlich könnt ihr etwas für uns tun, denn wir wissen nicht, was wir als nächstes unternehmen können, um Lösungen für unsere Probleme zu finden:

Erstens: Wir haben keine Möglichkeit, zu arbeiten, denn das Verfahren läuft so, dass es kompliziert ist, eine Arbeit zu bekommen.

Zweitens: Wir haben nicht das Recht, uns in ganz Bayern zu bewegen, wie andere Asylsuchende in anderen deutschen Bundesländern. Um nach München zu fahren, kaufen wir eine Genehmigung für 10 Euro und wir bekommen nur eine einzige Genehmigung von höchstens einer Woche pro Monat.

Drittens: Wir bekommen monatlich nur 40 Euro und Essenspakete, während man in anderen Bundesländern oder Landkreisen monatlich etwa 250 Euro Bargeld auszahlt, sodass du Lebensmittel deiner Wahl kaufen kannst.

Was wir wollen:

1.Wir wollen automatisch das Recht zu arbeiten nach einem Jahr im Asylverfahren.
2.Wir wollen uns in ganz Bayern frei bewegen, so wie unsere Kollegen in anderen Städten und Bundesländern, wie Hessen, Dortmund, Berlin und Hamburg.
3.Wir wollen, dass man uns Bargeld anstelle von Paketen gibt, so wie unseren Kollegen in Duisburg, in Dortmund und in Hessen.

Wir zählen sehr auf eure Unterstützung in unserer Sache.

Asylheim / Hauzenberg“
-----------------------------------------------------------------------------------------

Die Karawane für die Rechte der Flüchtlinge und MigrantInnen / München erklärt sich solidarisch mit den Forderungen der Flüchtlinge aus Breitenberg und Hauzenberg. Mit ihrer mutigen Aktion setzen sie altbekannte, aber bisher nicht eingelöste und nach wie vor brandaktuelle Forderungen neu auf die Tagesordnung: Die Abschaffung der entmündigenden Zwangsversorgung mit Essenspaketen, gegen die bereits 2005 die BewohnerInnen mehrerer bayerischer Lager Paketboykotte und Proteste organisiert haben (siehe:  http://www.fluechtlingsrat-bayern.de/essenspaketeboykott-muenchen-05.html ), die Beendigung der Beschränkung des Menschenrechts auf Bewegungsfreiheit durch Residenzpflicht, gegen die Flüchtlingsorganisationen seit 10 Jahren kämpfen (siehe:  http://thecaravan.org/taxonomy/term/16 ), und das Recht auf Erwerbsarbeit ohne Ausschlüsse.

Die Karawane als Teil des Netzwerkes „Deutschland Lagerland“ fordert darüber hinaus, gerade im Hinblick auf die anstehende Landtagsentscheidung, die Abschaffung der Lagerunterbringung und der behördlichen Zwangsverteilung von Flüchtlingen an Orte, wo sie nie hin wollten. Flüchtlinge müssen das Recht haben, in einer selbst gewählten Privatwohnung an einem Ort ihrer Wahl zu wohnen und dafür bei Bedarf, so wie deutsche Staatsangehörige, Wohngeld zu bekommen!


Kongolesischer Fußballstar beteiligt an Hungerstreik und Paketboykott
Belmond Dituabanza Nsumbu (siehe:  http://de.wikipedia.org/wiki/Dituabanza_Nsumbu ) lebt seit 2009 im Flüchtlingslager Hauzenberg. Vor seiner Flucht war er angesehener Profispieler der kongolesischen Nationalelf und schaffte 2006 mit seinem Team den Einzug ins Viertelfinale des Afrikacup. Er musste fliehen und sein Leben vor politischer Verfolgung retten, da er durch einen Spitzel im Umfeld des Nationalteams als Kritiker der Regierung und Sympathisant der Opposition verpfiffen wurde. Trotz aller Beschränkungen will Belmond Nsumbu seine Fußballkarriere auch in Deutschland fortsetzen. Jetzt kämpft er beim Hungerstreik in Hauzenberg gemeinsam mit anderen LagerbewohnerInnen um seine Rechte.


Aktuelle Situation der Hungerstreikenden
Die Flüchtlinge in Breitenberg und Hauzenberg sind bislang fest entschlossen, den Paketboykott und den Hungerstreik weiter fortzusetzen. Mehrere Personen sind jedoch bereits durch die Verweigerung fester Nahrung gesundheitlich geschwächt, für einen der Streikenden wurde bereits ein Notarzt konsultiert. Die Flüchtlinge wünschen daher medizinische Begleitung und Beratung für den Hungerstreik durch eineN kompetenteN ÄrztIn. Am wichtigsten ist: Es muss umgehend eine politische Lösung her, die Forderungen der streikenden Flüchtlinge müssen erfüllt und die unerträglichen Lebensbedingungen müssen beendet werden!

Weitere Infos zum Stand der Dinge und zu möglichen Solidaritätsaktionen in Hauzenberg und Breitenberg gibt es in Kürze.

Zeigen wir Solidarität, schaffen wir gemeinsam Essenspakete, Residenzpflicht, Arbeitsbeschränkungen und Lager ab!

Karawane für die Rechte der Flüchtlinge und MigrantInnen / München
Creative Commons-Lizenzvertrag Dieser Inhalt ist unter einer
Creative Commons-Lizenz lizenziert.
Indymedia ist eine Veröffentlichungsplattform, auf der jede und jeder selbstverfasste Berichte publizieren kann. Eine Überprüfung der Inhalte und eine redaktionelle Bearbeitung der Beiträge finden nicht statt. Bei Anregungen und Fragen zu diesem Artikel wenden sie sich bitte direkt an die Verfasserin oder den Verfasser.
(Moderationskriterien von Indymedia Deutschland)

Ergänzungen

ja

hmm 30.01.2010 - 16:53
Also ich wuerde sagen, jede/r, der/die nur irgendwie in der Naehe wohnt, hin da! Solche Aktionen gilt es zu unterstuetzen, gerade da sie ja von den Betroffenen selbst ausging.

SOLIDARITAET!

@ also ich weiß nicht

maja 30.01.2010 - 20:35
Die Unterbringung in Asylbewerberheimen erfolgt unfreiwillig und unter Zwang. Die dortige Unterbringung ist unmenschlich und unzumutbar. Jegliche Vergleiche mit den Lebensumständen, anderer Menschen lässt den alleinigen Schluss zu, dass nicht wahrgenommen werden will/ kann unter welchen real existierenden Bedingungen AsylbewerInnen hier leben müssen. Das heranziehen von scheinbar ähnlichen Beispielen ist unangebracht, weil damit Tatsachen verschleiert und relativiert werden, die AsylbewerInnen täglich erleben müssen.

Artikel Passauer Neue Presse

Alb 02.02.2010 - 21:14

PASSAUER NEUE PRESSE. Mit einem Hungerstreik kämpft derzeit eine Gruppe von Asylbewerbern in den Unterkünften Hauzenberg und Breitenberg für drei Dinge: größere Reisefreiheit, das Recht auf Arbeit und monatliche Bargeldleistungen statt der bisherigen Lebensmittelpakete. Das Landratsamt sowie die Regierung verweisen im Rahmen der Streikaktion auf die geltenden Gesetze. Und es gelten derzeit das Sachleistungsprinzip (Lebensmittelzuteilung statt Geld) und die Residenzpflicht (Reisen nur nach Erlaubnis durch das Landratsamt). Auch beim Thema Arbeit seien dem Landratsamt die Hände gebunden, heißt es. Arbeit zulassen kann nur die Arbeitsagentur. Etwas in Bewegung gebracht hat die Aktion allerdings. Das betrifft die zehn Euro Gebühr, welche die Asylbewerber dem Landratsamt jeweils für eine Reiseerlaubnis zahlen müssen. Bei 40 Euro Taschengeld für einen Asylbewerber pro Monat ist das etwas happig. Dies wird auch in Bayern völlig unterschiedlich geregelt. Bei der Stadt Passau müssen Asylbewerber für dieselbe Dienstleistung zum Beispiel gar nichts zahlen. Mittlerweile hat die Regierung deshalb eine Rundfrage bei den Ausländerbehörden gestartet. Ziel ist hier ein „einheitlicher Vollzug“. Hier dürfen sich die Streikenden also berechtigte Hoffnungen machen, dass sich ihre Lage bessert.

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Zeige die folgenden 4 Kommentare an

Das ging schnell — Egal