Uran-Prozess in Münster - Autobahn-Aktionstag

SOFA Münster 18.01.2010 17:00 Themen: Atom Repression Ökologie
Heute musste "Eichhörnchen" Cécile vor dem Amtsgericht Münster erscheinen, weil sie bei einer Abseilaktion vor einem Uranmüllzug von Gronau nach Südfrankreich einen Polizisten "verbal genötigt" haben soll. Ins Fadenkreuz geriet heute allerdings nur die Amtsrichterin, gegen die Cécile nach zum Teil hitzigen Debatten einen Befangenheitsantrag einreichte, was zur Vertagung des Prozesses führte. Unterdessen findet am Samstag ein Autobahn-Aktionstag "Dem Castor entgegen" von Ahaus über Duisburg nach Jülich statt.
Worum ging es? Die Urenco (Tochter u.a. von EON und RWE) liefert seit Jahren ihren Atommüll ins Ausland zur Endlagerung - erst nach Russland, jetzt nach Frankreich. Am Abend des 27./28. April 2009 seilte sich die französische Umweltaktivistin zum dritten Mal vor einem Uranmüllzug ab. Diesmal von einer Autobahnbrücke bei Münster. Ein Polizist wollte sie dann hochziehen, dazu die Staatsanwaltschaft: "Eine Beschädigung oder ein Reißen des Seils musste die Angeklagte dulden." Mit anderen Worten, wenn Sie dabei abstürzen, ist das Ihr Problem. Doch verkehrte Welt: Cécile soll durch eine "verbale Nötigung" den Polizisten von diesem unsachgemäßen Tun abgehalten haben.

Schon vor dem Prozess ging es munter los. Das Eichhörnchen ging seiner Lieblingsbeschäftigung nach und kletterte auf einen Fahnenmast vor dem Amtsgericht Münster. Dort wurde ein langes Banner entfaltet - sofort Hektik im Gericht und bei der Polizei. Der erste Polizist rief nur nach oben: "Runterkommen", dann fing er an, an mehreren Transpis von AktivistInnen auf dem Boden zu zerren und Verstärkung herbeizurufen.

Die Presse hatte so schnell ihre Fotos zusammen und freute sich über den fotogenen Auftakt. Von Cécile und zwei anderen AktivistInnen wurden dann Personalien genommen und das Geschehen verlagerte sich in den Gerichtssaal, der mit FreundInnen und Presse schnell gefüllt war, die ihre Solidarität zeigen wollten.

Gleich zu Anfang gingen Richterin und Staatsanwältin forsch zur Sache, doch je länger das Verfahren dauerte, desto stärker verlagerte sich die Initiative auf Cécile. Zu Anfang hatte die Staatsanwältin mit Saalräumung gedroht, dann aber plötzlich eingestanden: "Ich kenne die Akte gar nicht." Außerdem belehrte sie die Angeklagte: "Sie haben hier gar nichts zu fragen." Und: "Die Staatsanwaltschaft arbeitet nicht mit Tricks."

Diesem Niveau wollte sich die Richterin nicht verschließen: "Wir sind hier nicht bei Barbara Salesch". Doch Cécile konnte immer mehr Ungereimtheiten aus dem Vorfeld des Prozesses auf den Tisch legen. So hatte die Richterin z. B. versucht, ihr Akteneinsicht zu verweigern, ihre Zeugen nicht geladen und eine Pflichtverteidigung abgelehnt. In Münster hoffte man wohl, so die Angeklagte wehrlos zurückzulassen und das Verfahren dann glatt abfrühstücken zu können.

So kam es zu einem Befangenheitsantrag, für den die Richterin Cécile ganze zwei Minuten einräumen wollte. Doch auch das funktionierte nicht. Schließlich wurde der Befangenheitsantrag formuliert, vorgetragen und mit den Worten quittiert: "Wir vertagen den Prozess. Beim nächsten Termin sitzt hier dann ja vielleicht ein anderer Richter oder eine andere Richterin." Fortsetzung folgt ...

... zunächst mal auf der Autobahn von Ahaus über Duisburg nach Jülich, denn für kommenden Samstag (23.) rufen Anti-Atomkraft-Initiativen aus dem Münsterland, dem Ruhrgebiet und dem Rheinland unter dem Motto "Dem Castor entgegen" zu einem Autobahn-Aktionstag auf.

Hintergrund: Schon für die nächsten Wochen drohen neue Atommülltransporte nach Ahaus, u. a. aus Duisburg, Karlsruhe und Dresden-Rossendorf. Und ab 2011 sind 152 Castoren aus Jülich angesagt. Deshalb gehen die Anti-Atomkraft-Initiativen jetzt in die Gegenoffensive und tragen den Widerstand aus dem Münsterland raus zu den Absender-Atomanlagen.

Weitere Infos dazu unter: www.kein-castor-nach-ahaus.de und www.sofa-ms.de

Keine Kriminalisierung von AtomkraftgegnerInnen!
Kein Uranmüllexport und sofort Stilllegung der UAA Gronau!
Kein Atommüll nach Ahaus oder sonstwohin!
Atomausstieg jetzt !
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Ergänzungen

Taz-Artikel

TAZ 18.01.2010 - 20:27
 http://www.taz.de/1/zukunft/umwelt/artikel/1/verbale-noetigung-in-luftiger-hoehe/

Cécile Lecomte vor Gericht
Verbale Nötigung in luftiger Höhe

Die Anti-Atom-Aktivistin Cécile Lecomte erwartet in Münster der Prozess: Sie hat einen Polizisten darauf hingewiesen, dass er sie in Lebensgefahr bringt. VON ANDREAS WYPUTTA

BOCHUM taz | Anti-Atom-Aktivistin Cécile Lecomte - wegen ihrer spektakulären Kletteraktionen auch "Eichhörnchen" genannt - bleibt im Visier der Staatsanwaltschaft. Die Französin musste sich am Montag vor dem Amtsgericht Münster verantworten. Vorwurf der Staatsanwaltschaft: Lecomte habe einem Polizisten zugerufen, dass er sie mit seinen Versuchen, eine ihrer Aktionen zu beenden, in Lebensgefahr bringe. Sie habe den Beamten so "verbal genötigt".

Lecomte hatte sich im April 2009 von einer Autobahnbrücke der A 1 über die Bahnstrecke Gronau-Münster abgeseilt und so einen mit radioaktivem und hochgiftigem Uranhexafluorid beladenen Atommülltransport aus der Urananreicherungsanlage Gronau nach Südfrankreich für mehr als 90 Minuten blockiert.
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Um den Atomzug möglichst schnell freizubekommen, wollte die lokale Einsatzleitung offenbar nicht auf das Eintreffen speziell ausgebildeter Höhenretter warten. Stattdessen begann ein Polizist, Lecomte an ihrem Seil wieder auf die Autobahnbrücke zu ziehen. Doch das Seil drohte zu reißen. Die Atomkraftgegnerin hätte ungesichert auf die Bahnlinie stürzen können. Lecomte steht seit Jahren unter besonderer Beobachtung der Strafverfolgungsbehörden und war bei Protesten gegen Castor-Transporte nach Gorleben im November 2008 sogar für vier Tage in Vorbeugehaft. Im vergangenen Juni urteilte das Amtsgericht Steinfurt allerdings, ihre Blockadeaktionen in luftiger Höhe seien nicht illegal. "In fünf Meter Höhe bremst mich kein Gesetz", freute sich die Atomkraftgegnerin damals.

Die Staatsanwaltschaft Münster aber setze weiter auf eine Strategie der "Kriminalisierung", so Lecomte zur taz: "Die haben sich den Vorwurf der ,verbalen Nötigung' ausgedacht, weil meine Aktionsform massiv stört." Am Montag stellte die Aktivistin außerdem einen Befangenheitsantrag gegen die Amtsrichterin Sabine Terhechte. Die Juristin habe ihren Pflichtverteidiger abgelehnt und ihr unter einer fehlerhaften Begründung zunächst Akteneinsicht verweigert, klagt die Französin.

Selbst für die Formulierung des Befangenheitsantrags wollte Terhechte der Atomkraftgegnerin zunächst nur zwei Minuten Zeit einräumen. Sie gab erst nach lautstarken Protesten der im Gerichtsaal anwesenden knapp 30 Unterstützer Lecomtes nach: Die Befangenheit der Richterin werde überprüft, so Gerichtssprecher Jochen Dyhr zur taz. Der Prozess sei auf unbestimmte Zeit vertagt.

Zwischenfall in Gronau

1234 22.01.2010 - 00:54
Zwischenfall in Urananreicherungsanlage Gronau: Radioaktive Stoffe freigesetzt

Zwischenfall in der Urananreicherungsanlage Gronau: Im Bereich der Behältervorbereitung wurden am Donnerstag radioaktive Stoffe freigesetzt.

Gronau - Am Donnerstag ist es in der Behältervorbereitung der Urananreicherungsanlage Gronau zu einer Freisetzung radioaktiver Stoffe gekommen. Ein Mitarbeiter der Urenco Deutschland, der zu diesem Zeitpunkt vor Ort war, ist vorsorglich für 24 Stunden ins Krankenhaus zur Beobachtung eingeliefert worden.

Das teilte die Urenco mit. Die Raumluft wurde über Filter geleitet. Die Messwerte am Fortluftkamin liegen unterhalb der zugelassenen Grenzwerte. „Es besteht keine Gefahr für die Bevölkerung. Die entsprechenden Behörden wurden unverzüglich informiert“, so das Unternehmen. Die Ursache des Zwischenfalls sei noch unklar.

 http://www.mv-online.de/aktuelles/top_thema_1/1257564_Zwischenfall_in_Urananreicherungsanlage_Gronau_Radioaktive_Stoffe_freigesetzt.html